Dienstag, 14. August 2007

Erlaubt ist, was Spass macht

Manche nennen es „New Rave“, andere haben sich spontanerweise „New Dance“ ausgedacht, anderen wiederum nennen das auch „New French House“, obwohl davon gar nich viel aus Frankfreich kommt. Am Ende kann man es nennen, wie man will, aber es lässt sich nicht abstreiten: Anno 2007 feiert elektronische Dance-Musik ein vollkommen überraschendes Comeback, welches sich von Großbritannien nun auch mittlerweile über den Rest der Welt ausbereitet. Sicher, war elektronische Musik nie wirklich weg, aber nach der Ominpräsenz der 90er Jahre teilte sich die Gattung in verschiedenste Genres auf und überlies die Charts nun Stück für Stück den Hip Hop und Rock dieser Welt. Und genau aus diesen Clubs heraus kommt es nun wieder zurück an die Öffentlichkeit. Vor allem aber: es klingt wieder cool hip und frisch. Und damit meinen wir nicht den langweiliegn 08/15-Trash-Trance und House, der schon seit Jahren in seiner Belanglosigkeit in deutschen Großraumdiscos und Prollschuppen vor sich hin stampft. Wir reden von elektronischer Musik, voll knarzender Bässe, Effektgeblubber und breiten Synthies, die es schafft, in den hippen Indie-Clubs den alteingesessenen Bloc Party oder Billy Talent den Rang abzulaufen. Diese Musik. Diese Musik ist von den Clubs für die Clubs. Sie ist sperriger als manche Rocksongs, dreckig und tanzbar und bedient sich schamlos bei 80er-Pop, Rave, 90er-Jahre Acid und sowieso überall. 4 wichtige Acts aus 4 Ländern und was man dazu wissen sollte, inkl. Hörproben gibt’s jetzt.


Justice

Die Franzosen Gaspard Augé und Xavier de Rosnay bilden mit ihrem Duo „Justice“ da vielleicht die Sperrspitze dieser Bewegung. Ihr Remix des Simian-Songs „Never be alone” wurde 2006 der Clubhit des Jahres. Die Nummer gab die Marschrichtung vor. Feine 80er Synthies treffen auf dreckige, verzerrte Beats, die es mit jeder harten Rockgitarre aufnehmen können. Ihr kürzlich erschienenes Debüt „†“ strotzt nur so vor unglaublichen Tanzmomenten, mit Nummern die einfach rocken, wie sonst Nix. Ihre aktuelle Single „D.A.N.C.E.“ avanciert zu einem der Sommerhits des Jahres und brachte den beiden Franzosen sogar jüngst eine Nominierung für die MTV Awards in den USA ein. Das Interesse an den Herren ist groß. Live-Auftritte geraten zu Messen und das sie neulich Daft Punk remixen durften kann als der Ritterschlag angesehen werden, dass die neue Generation des French House der alten in Sachen dreckige Beats in nichts nachsteht.

"D.A.N.C.E." [mp3]

Simian Mobile Disco

Und wenn man von Justice redet, kommt man an James Ford und James Shaw auch nicht vorbei. Beide gründeten aus den Resten von eben jener Band „Simian“ ihr eigenes DJ-Team und begannen sofort durch eigene Clubbomben, wie „Tits & Acid“ oder „Hustler“ auf sich aufmerksam zu machen. Es folgten Remixaufträge von den Klaxons, Air, CSS und mittlerweile auch Muse und Björk. Die Nachfrage nach den beiden James’ ist ungebrochen. Auf ihrem Debüt „Attack Decay Sustain Release“ bietet das Duo einen facettenreichen Mix aus French House, Acid-Anleihen der frühen 90er, Breakbeats, reinem Techno und auch Synthiepop aus den 80ern. Der Fokus liegt auf der Vergangenheit, allerdings mit Blickrichtung Zukunft. Viel Geblubber und Gezirpe zeichnet den groovigen Disco-Sound der beiden aus. Sicher, da hören wir auch mehr davon in Zukunft.

"Tits & Acid" [mp3]

Digitalism

Gut zu wissen, dass der Trend auch ausnahmsweise mal an Deutschland nicht spurlos vorrüberzieht. Wir haben nämlich unser eigenes Aushängeschild wenn es um rockigere Beats geht. Digitalism aus Hamburg. Jens Moelle and Ismail Tuefekci setzen dabei nochmehr als die Konkurrenz auf einen Stil-Mix zwischen Rock und Elektronica. Die Beats wirken manchmal sehr organisch, und auch Gitarren werden verwendet. Nummern wie „Anything New“, „Idealistic“ oder „Pogo“ verleugnen ihre Ähnlichkeit zu Daft Punk oder New Order nicht und funktionieren als Rocksongs genauso, wie als Discotracks. Wie auch Justice und Simian Mobile Disco sind sie beim französischen Hip-Label der Stunde, Kitsuné gesignt und haben da vor kurzem ihr wummerndes Debüt „Indealism“ veröffentlicht. Momentan touren die beiden mit ihrem berühmt-berüchtigten Live-Set durch die ganze Welt. Reminisenzen an Kraftwerk werden da deutlich und sind sicher auch nicht unbeabsichtigt. Von den Futureheads, über Tiga, die Klaxons, ja sogar bishin zum Ritterschlag durch eine Remixanfrage von Depeche Mode: diese Jungs sind viel zu heiß für diese Republik!

"Pogo" [mp3]

MSTRKRFT

Zu guter Letzt geht’s noch über den großen Teich. Die Band mit dem kryptischen Namen (mann spricht sie einfach „MasterCraft“ aus) stammt aus Toronto und besteht aus Jesse F. Keeler (ex-Death From Above 1979) und Al-P. Bereits während Jesse mit seinem Prog-Rock-Disco-Projekt „Death From Above 1979“ beschäftigt war, schraubten die beiden gern mal an den Songs der Band herum um sie noch tanzbarer zu machen. Neben all den Faktoren der anderen Acts, zeichnet sich der Sound von MSTRKRFT neben einer deutlichen Rock-Reminisenz auch durch seine deutlichen 80er-Retro-Anleihen aus. Nach dem Ende von DFA wurde das Projekt zu JFKs Hauptaugenmerk. DJ-Auftritte folgten, genauso wie geile Remixe für Bloc Party, The Gossip, Brazilian Girls oder Wolfmother (für welchen sie auch für einen Grammy nominiert waren). JFK dazu: “I love DJing so much! It’s so emotionally rewarding to see a room full of people dancing. That’s better than any experience I’ve ever had.” Dem ist eigentlich nur noch wenig hinzuzufügen. Ihr Debüt „The Looks“ strotzt nur so vor tollen Discotracks und man kann nur hoffen, dass sie aus dem Schatten der Konkurrenz treten

"Monster Hospital" - Remix For Metric [mp3]


So und so. Es bewegt sich viel in dieser Szene. Es wird das wahr, was sich in den letzten Jahren angekündigt hat: die Grenzen verfließen. Gerade durch Acts, wie Klaxons, Shitdisco, The Gossip oder Cansei De Ser Sexy ist der weg frei für neue, spannende Popmusik. Und es ist noch lange nicht vorbei. Acts wie SebastiAn, Crystal Castles, Does It Offend You, Yeah?, Phones, Para One oder Booka Shade sind auf dem Vormarsch. Man kennt sich in der Szene und baut sich gegenseitig in DJ-Sets ein oder remixt den anderen. Und alte Hassen, wie Daft Punk oder LCD Soundsystem werden sowieso nicht langweilig. Die neuen britischen Bands wie Bloc Party, Editors oder Klaxons sind dieser Musik nicht abgeneigt, haben ihre Wurzeln auch teilweise in der Dance-Musik. Hier spielt eine Generation auf, die mit der Dance und Rave Musik der späten 80er und frühen 90er aufgewachsen ist, dazu steht und nun eine neue Generation zum Tanzen animiert. Egal, ob auf Elektro-Parties oder in Indie-Discos. Sicher, es ist ein Trend wie viele andere zuvor auch, aber darum sollte man sich sowieso nicht kümmern. Erlaubt ist, was spass macht, ausgefallen ist. Und darum geht es dieser Musik. Vielleicht passt diese alte Disco-Mentalität gerade deshalb wieder so gut in die heutige Zeit, in eine Welt voller Chaos und Probleme: Sie gibt einem ein gutes Gefühl, sie macht Spass und sie überwindet Genre-Grenzen und ist aufregend. Und da kann man es auch betiteln, wie man will.

nobono

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