Plattenteller

Freitag, 22. Juli 2011

A Start Has An End

Unser Blog verzieht sich aus der Blogosphäre. Ein paar Worte zum Abschied ...

Ob man es glaubt oder nicht, aber Nobono-Blogger rhododendron musste sich neulich in seiner Magisterabschlussprüfung tatsächlich mit der Didaktisierung von Blogs im Fremdsprachenunterricht auseinandersetzen. Ein dabei von ihm gelerntes Merkmal eben jener Web-Spezialität waren regelmäßig frequentierte Updates. So sollte ein Blog eben sein. Man schaut regelmäßig drauf, meist in der Vorfreude mindestens jeden zweiten Tag neue Informationen zu finden. Und da liegt der Webhund begraben. Hoch- oder zumindest mittelfrequente Updates waren in den letzten Jahren nie das Steckenpferd von Nobono... das gestehen wir uns gern ein. Zuletzt wurde das allerdings noch spärlicher. Und nichts ist nerviger, als regelmäßig einen vor sich hin siechenden Blog zu besuchen, nur um dann doch wieder nichts neues vorzufinden. Das nervt und eigentlich wünscht man Blogs keinen so langsamen Tod. Also machen wir es kurz und knapp... die aus dem Mangel an Updates resultierenden Befürchtungen sind wahr: Wir machen Nobono dicht! ... erstmal vorübergehend für ein paar Monate. Vielleicht kommen wir zurück, vielleicht auch nicht.
Abschiedscollage-2010

Warum genau?

Wie so häufig handelt es sich dabei um die Summe der Teile. Wo fängt man da an? Vielleicht bei der Zeit, die so ein Blog frisst. Die Zeit, nicht nur irgendeinen zusammengeklauten Schund wiederzukäuen, sondern originale, anständig recherchierte und dadurch fundierte Meinungen zu postulieren. Diese Zeit muss man erstmal aufwenden, was aber angesichts eines Soziallebens, anderer Interessen und diverser beruflicher Verpflichtungen nicht immer in dem Maße möglich ist. Das liegt dann auch am Personal. Während rhododendron die Konstante seit dem Launch 2007 darstellt, wechselten die Blogger an seiner Seite regelmäßig. Mit ihnen änderte sich auch die Frequenz der Beiträge von "Tote Hose" bis "Jeden Tag eine neue Welt". Zuletzt brachte FallOnDeafEars neuen und interessanten Frischwind ins Geschehen, der aber pünktlich mit dem Wintersemester 2010 doch deutlich abflaute. Die Zeit dehnt sich halt nicht aus... wir haben alle diverse Zeitreisen-Filme gesehen. So ergibt es sich also jetzt im Sommer 2011, dass rhododendron, wie anfangs erwähnt, sein Studium beendet hat, während FallOnDeafEars seines erst vor einer Weile begonnen hat. Das Resultat - Zeitmangel - bleibt das gleiche. Wir können schlicht und ergreifend nicht mehr die Reserven aufbringen, um Nobono dauerhaft attraktiv, vielseitig und abwechslungsreich zu gestalten. Und dieser Anspruch ist uns enorm wichtig

Veränderte Prioritäten

Am Schreiben liegt es natürlich nicht. Das machen wir gern und es scheint uns ja, glaubt man dem bescheidenen, aber meist positiven Feedback, auch ganz gut zu gelingen. Doch das Schreiben und Schwadronieren über Auswüchse der Indie- und Populärmusik erfüllt uns schon längst nicht mehr in dem Maße, wie es das bspw. noch vor 2-3 Jahren tat. Wie ja an dieser Stelle schon öfters beworben, haben beide Schreiberlinge sich mittlerweile auch ein kleines, feines musikalisches Standbein geschaffen. Dabei haben wir gemerkt, dass uns das Produzieren als GBB, Pretty Boy Makes Rave oder auch gemeinsam stärker ausfüllt und da die Leidenschaft eher am Brennen ist. Es ist das, was wir in unserer Freizeit fokussieren möchten. Nicht weil wir denken, dass wir das größte Ding seit Boys Noize oder Paul Kalkbrenner sind (da bleiben wir Pragmatiker) - Nein, es ist, weil uns das wirklich ein inneres und äußeres Vergnügen bereitet. Vielleicht ist das ja am Ende der logische Schritt. Vom "Über-Musik-Schreiben" hin zum "Musik-Selber-Machen". Aber nur vielleicht. GBB produziert kontinuierlich starke Banger, PBMR hat jetzt bald sein erstes eigenes Album draußen und auch gemeinsam versuchen wir in Zukunft noch was zu stemmen. Wer den bisherigen Output in Form von Produktionen oder unseren DJ-Mixen irgendwie als hörenswert empfand, ist aufs herzlichste willkommen, uns dabei auf den einschlägigen Internet-Seiten zukünftig zu folgen. Aber es ist ja am Ende nicht nur das. Es sind halt auch die anderen Dinge des Lebens, die für uns wichtiger sind, als noch vor ein paar Jahren. Seien es Freunde, Arbeit, Partner, neue Hobbies und Leidenschaft und eine allgemeine Horizonterweiterung. Gibt ja noch anderes im Leben.

The Times they are a-changing

Ja, und damit einher geht ja prinzipiell auch- so klischeehaft das klingt- das Alter und die Vor- und Nachteile, die das mit sich bringt. Vorteile im Sinne einer gewissen Entspanntheit. Wenn man bedenkt, wie verkrampft man früher der Hipness und all ihren Auswüchsen hinterher gerannt ist. Wie sehr Trends über irgendwas gestellt wurden und wie unglaublich wichtig man den eigenen Musikgeschmack dann doch genommen hat. Klingt altersklug, dabei sind wir erst Mitte 20. Aber irgendwann entwächst man der stets auf Jugend getrimmten Indiekultur halt mal. Zumindest in dieser Intensität. Natürlich hören wir immer noch neue Musik, sogar so hippe und unbekannte Musik, dass wir uns immer noch locker darauf einen verbal runterholen könnten. Das muss aber auch nicht die ganze Welt wissen. Will man das überhaupt? Blogs wie unserer tragen zumindest eine Teilschuld an der Kommerzialisierung der Musik oder des "Sich-Über-Musik-Definierens", welche in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen ist. Leute, welche noch intensiv die erste Welle um Franz Ferdinand/ Bloc Party anno 2004/2005 mitgemacht haben werden wissen, wovon wir reden. Jetzt mögen Menschen, für die man sich eigentlich fremdschämen möchte, die Musik, die einem soviel bedeutet(e). Alle 'lieben' angeblich Morrissey, können aber außer "First Of The Gang To Die" wenige Songs aufsagen. Und alles ist heutzutage "Indie". Früher Einstellung, heute umfassender und aufgeweichter Genre-Sammelbegriff . Das trägt dann umso obskurere Blüten. Von der Kommerzialisierung der Mode bis hinzu so unsäglichen Geschichten wie Audiolith, deren "Bands" und Fans sich irgendwie "indie" schimpfen, aber doch eigentlich auch nur assigen Krawall und Remmidemmi machen wollen. Nein, das Verkehren in diesem Umfeld frustriert immer stärker. Und so sind wir halt auch langsam an dem Punkt, wo wir Hypes um Bands wie "Is Tropical" oder "Kakkmaddafakka" nicht mehr nachvollziehen können, weil wir die gleichen Gesten und Melodien schon vor 5 Jahren in anderer, originellerer Form vernommen haben. Das überlassen wir dann halt doch den 18jährigen, die dies noch mit einem Feuer und Elan besprechen können, den wir nicht für diese Musik aufbringen können und wollen. Eher für elektronische Musik bspw., wie das natürlich viele tun, was halt aber auch mit unserer zweiten Leidenschaft zu tun hat. Oder für richtig unbekannten und experimentellen Kram. Oder noch älteren Sachen. Egal... zu jeder Bewegung gibt es eine Gegenbewegung. Eine Alternative zum Mainstream findet sich immer. Wenngleich selbst die aktuell einfach übersättigt erscheint. Man muss diese Alternative also für sich selber finden... und dann nicht den Fehler machen, gleich der ganzen Welt davon zu erzählen ;-)

Was bleibt

Abschiedscollage-2010-2Ein gewisser Stolz auf das Erreichte und all die guten Momente, welche wir mit diesem kleinen gelben Blog so in den letzten über vier Jahren hatten. Danke an alle Leser, egal, ob ihr nur auf'm Sprung wart oder regelmäßig vorbei geschaut hab. Sowohl die, welche Kommentare abgaben, als auch die restliche, schweigende Mehrheit. Und auch Danke an ehemalige Mitstreiter, wie doughnut oder legomännchen, welche das Schlachtschiff zeitweise mit über Wasser gehalten haben. Können wir euch dann am Ende noch was auf den Weg geben? Einen freundlichen Rat? Weisheiten? Oder diverse popkulturelle Zitate? There is a light that never goes out? Take the long road and walk it? Ob-la-di-Ob-la-da. Life goes on? Oder eine unverzichtbare Phrase im Sinne von "Die Hoffnung stirbt zuletzt". Vielleicht kommen wir ja wieder. Reumütig oder altersklug mit ein paar neuen Ideen an anderer Stelle. Vielleicht nicht morgen oder in einem halben Jahr. Vielleicht wissen wir es auch noch nicht. Wenn die Zeit reif dafür ist, kommen wir eventuell wieder. Wer sich daran beteiligen möchte, kann ja einen Kommentar hinterlassen. Ihr hört eh nicht das letzte Mal von uns. Klar, über die Unterstützung unserer musikalischen Aktivitäten würden wir uns sehr freuen. FallOnDeafEars hat sich Richtung Tumblr verzogen und rhododendron schreibt sicher auch zukünftig ein paar Konzertkritiken in seinem last.fm Blog. Wer uns sucht, wird uns auch finden. Das fänden wir natürlich nett.

Bis dahin genießt den Sommer und das Leben. Und in diesem natürlich die Musik. Egal, welche Musik. Solange sie euch berührt, ist es gute Musik. Egal, ob das eine Bon Iver Platte, die neue Lady Gaga oder ein assiger Laidback Luke Remix ist. Es ist unwichtig, was ihr hört und zu was ihr gehört. Steht dazu, lasst euch nix vorschreiben und entwickelt bitte einen individuellen Geschmack, jenseits von Szenen, Spex und sozialer Zugehörigkeit. Rechtfertigt euch gegebenenfalls, selbst wenn manche dies als Arroganz auslegen wollen. Und bleibt offen. Für neue Musik, neue Ideen, neue Menschen. Einrosten ist was für alte Schrauben. Und das dürfte ja kaum euer Anreiz sein. Es ist egal, wie ihr das macht. Durchsurft das Internet, kauft euch mal 'ne Platte, die ihr vorher nicht irgendwo schon runtergeladen habt. Schaut euch nicht nur Bands live an, die ihr vorher schon durch diverse Fachmeinungen kennt. Kauft euch gern mal eine Vinyl oder von mir aus auch CD, selbst wenn das Geld nicht da ist und ihr sie kaum aktiv hört. Es ist egal, ob ihr Hipster, Hippie oder Hinterwäldler seid... Hauptsache ihr seid das, was euer Herz euch sagt. Das waren dann doch ein paar bedeutungsschwangere, etwas abgedroschen wirkende Phrasen am Ende. Aber das geht schon klar. Dafür kann und muss im Leben halt auch mal Platz sein. Es war uns eine große Freude und Ehre. Bleibt geschmeidig!

Aus vollstem Herzen

FallOnDeafEars & rhododendron


Freitag, 1. Juli 2011

Kurz und Bündig - 07/2011

Once more with feeling... ein verliebter Traumtänzer, ein Hamburger House-Produzent, the upcoming star of Chillpop, vergessene Indie-Restbestände und die Hohepriester der derben deutschen Rapmusik. Ein bunter Mix an Alben in diesem Monat. Frauen nicht erwünscht!
Kurz-Und-Buendig-11
Patrick Wolf - Lupercalia

Irgendwann findet jeder Topf seinen Deckel. Und damit auch den Frieden. In der Regel. Zumindest im Fall vom britischen Pop-Elferich Patrick Wolf scheint dies zu stimmen. Der heiratete vor einer Weile den Mann seiner Träume und will so gar nicht mehr mit der Welt hadern, sondern sich einfach nur freuen. Das merkt man dem neuen Album "Lupercalia" bei jedem Ton an. Nicht nur im bildlichen Sinne hängt der Himmel bei Wolf voller Geigen. "Lupercalia" ist die musikalisch gewordene Hochzeitstorte, voller großer und schmachtvoller Hymnen. Die meisten ("Time Of My Life", "House") kennt man schon als Singles, doch der Rest fügt sich da nahtlos ein. Große Momente und noch größere Gefühle, eingebettet in ein astrein produziertes Pop-Gewand und vorgetragen von einem Sänger, dessen stimmliche Qualitäten das Album zu jedem Moment tragen. Nix mehr mit düster, verdrehten Queer-Pop. Und das Fideln überlässt Wolf diesmal eh dem Streichquartett. Am Ende vielleicht einfach mal etwas zu viel von allem und stellenweise zu überladen. Aber so ist das halt mit der Hochzeitstorte. Da darf es gern mal etwas mehr sein angesichts des freudigen Moments.

"Lupercalia"-Stream auf der Homepage des Guardian

Tensnake - Live + Mix

Seit einiger Zeit geistert der Name "Tensnake" durch die Clubs, selbst wenn er noch nicht groß genug scheint. Doch immer mehr Menschen, zu denen ich mich auch zähle, interessieren sich für die Produktionen des Hamburger Masterminds Marco Niemerski. Das liegt zum einen an der beständigen Qualität seiner eigen und Remix-Arbeiten. Zum anderen - und as hat ja damit durchaus zu tun - mit der spielenden Einfachheit mit welcher Niemerski House und Disco mischt. Die Tracks sind stets unglaublich deep, aber gleichzeitig recht poppig und funky. Wie das Beste aus den 80ern und 90ern gemischt. Kein Wunder, dass sich Tensnake mitlerweile in einem Atemzug mit der neuen Disco-Welle um Acts wie Hercues And Love Affair oder Azari & III nennen lässt. Letzteren hatte er bspw. einen sehr feisten Früh-90er-Dance-Mix verpasst. Inklusive verdammten Snap!-Sample! Als Kind der 90er horche ich da natürlich auf. Und noch mehr, wenn es jetzt eine kostenlose Mix-Platte zum Download auf seiner Homepage gibt. Darauf befinden sich diverse Eigenproduktionen und Remixe, tanzflächentauglich zusammengemixt. Gegen die Angabe einer Mailadresse lässt sich das eigene Wohnzimmer also in den Club verwandeln. Kann man schwer ablehnen

Gratis Download auf Tensnake Homepage

Chad Valley - Equatorial Ultravox EP

Streng genommen ist "Equatorial Ultravox" von Chad Valley ja gar kein Album, sondern ne EP. Dabei hätte er die restlichen 4 Plätze auch durchaus mit den Songs seiner letztjährigen Debüt-EP füllen können. Hätte alles gepasst. Egal. Chad Valley heißt eigentlich Hugo Manuel, kommt aus Oxford und strebt nun nach diversen Remixen und Demos eine ernsthafte Karriere als Popstar an. Oder sowas ähnliches. Trotz hoher Melodieverliebtheit lässt Manuel das Experimentelle nämlich nicht außen vor. Seit jeher bewegen sich seine Produktionen zwischen leichter Popmusik und sphärischen Klangwelten. Das kann man durchaus dem neumodischen Genre des Chillwave zuordnen. Also schön viel Reverb, Hall und gediegenes Hängematten-Herumlunger-Tempo. So gesehen könnte Chad Valley also zum ersten Chillpopstar der Musikwelt werden. Hits sind auf jeden Fall vorhanden und alle sieben Tracks der EP gefallen durch ihre entspannte, träumerische Grundstimmung, bei der man sich am liebsten einfach nur an den Strand oder gleich direkt ins Meer legen möchte. Warum auch nicht, ist ja Sommer. Die Aufmerksamkeit um Valley nimmt sichtlich zu und evtl. scheint hier wirklich jemand zur richtigen Zeit am richtigen Mode-Ort zu sein. Ich drücke die Daumen!

In einige Tracks bei Soundcloud hören

Kaiser Chiefs - The Future Is Medieval

Manchmal ist es beeindruckend, wie sich die Relationen von Zeit manchmal verschieben. Ist es wirklich erst fünf Jahre her, dass wir alle zur neuen Indie-Britpop-Welle um Maximo Park oder den Kaiser Chiefs abtanzten und das Gefühl hatten, etwas halbwegs epochalen beizuwohnen? Kommt einem vor, als wäre das Äonen her. Auch weil die Sub- mittlerweile zur Jugend- bzw. Popkultur mutiert ist, sich selber aufgefressen hat und man sich fragt, warum es soweit kommen musste. Die Kaiser Chiefs sind da so ein Beispiel. Nach Zwangspause durch Überpräsenz nun schon fast ein kleines Comeback mit einem Album, was man sich erst selber zusammenstellen und nun inkonsequenterweise doch im Laden kaufen kann. Radiohead für Ideenlose. Und musikalisch? Da gibt man sich schroffer, versucht nicht mehr auf Krampf die nächste große Bierzelt-Mitgröhl-Hymne zu produzieren. Andererseits... ist es nicht das, was die Kaiser Chiefs immer ausmachte? Worin sie am besten waren? Was eigentlich ihre Existenz auf dem Markt rechtfertigte? Was bleibt, wenn das wegfällt? Halbgare Songs nach dem ewig gleichen Schema? Lauter 70s Rock vielleicht. Ich hab keine Ahnung. Bei jedem Hörversuch merke ich einfach nur, dass mich das nicht mehr anspricht. Muss nicht primär an der Musik liegen. Einige Kritiker haben's ja ganz gut aufgenommen. Ich will irgendwie nicht mehr, behalte die Mannen um Ricky Wilson aber in guter Erinnerung. Auf das sie weiterhin Spaß an dem haben, was auch immer sie da versuchen, zu machen.

Ausschnitte der Songs anhören

K.I.Z. - Urlaub fürs Gehirn

Die Einbeziehung dieser Band auf Nobono ist sicher das Kontroverseste seid meiner Albumbesprechung von Lady Gaga oder Take That. Warum eigentlich? K.I.Z., die Fleischfresser unter den deutschen Populärmusikern haben doch schon vor Jahren den Feuilleton erobert. Von Spex bis Süddeutsche ist man sich einige, dass der Brachial-Rap der Berliner einfach zur zum Todlachen ist. Und das stimmt sogar. Der Titel führt da sogar ein wenig in die Irre. Natürlich ist "Urlaub fürs Gehirn" über weite strecken struntzdumm, unterschreitet die Gürtellinie und schlägt wild um sich, aber das ist ja nur Fassade. Die wollen nur spielen. Und deine Mutter wollen sich auch nicht wirklich ficken. Als Humorbotschafter des Landes hat man die Ärzte eh vor 'ner Weile abgelöst. Während die in Altersteilzeit gegangen sind, wird bei K.I.Z. auf alles und jeden Verbal gespuckt. Oder uriniert. Masturbiert sowieso. Wortschatz und -witz sind vorhanden, manchmal auch überraschend unterschwellig. Man muss nur am Offensichtlichen vorbeischauen und den Fäkalhumor akzeptieren. Klar, manchmal übertreiben es die Burschen auch, aber gerade wenn in Songs wie "Raus aus dem Amt" oder "Durch die Scheibeboxer" der präkariate Arbeitsablehner das Mikrofon übernimmt, bleibt kein Auge trocken. Man könnte stundenlang darüber diskutieren. Ob das jetzt intelligent oder asssozial ist. Ob die Jugend dadurch verroht wird? Ob K.I.Z. ideologisch näher an den Atzen oder Tocotronic liegen... Ziel erreicht. Die Republik redet über die Jungs, die kugeln sich obgleich dieser Tatsache vermutlich zu Tode. Und texten schon den nächsten Song darüber. Doch, doch, dass hier hat echt was. Und das von jemand, der mit deutschsprachiger Musik im Allgemeinen und Deutschrap im Speziellen eigentlich sonst wenig anfangen kann.

Das komplette Album lässt sich problemlos bei YouTube anhören. Einfach mal in Eigenregie suchen ;-)

Mittwoch, 8. Juni 2011

Kleiner Tipp

CoverIch muss der Welt nur mal fix dieses Stück kundtun, welches ich gar nicht mehr aufhören kann zu hören.
Es ist ein Remix eines relativ unspektakulären R'n'B-Songs namens Rolling Stone des kanadischen Sängers Abel Tesfaye AKA The Weeknd, der jenseits des großen Teiches bereits moderate Erfolge feiern kann und von dem man demzufolge auch hierzulande demnächst noch etwas hören könnte. Sein Landsmann Andy Sills hat unter seinem Künstlernamen Andy's Ill einen derart massiven und dennoch sehr emotionalen Bratz-Schlager draus gemacht, dass man nach den grandiosen sechs Minuten erstmal seine Kinnlade vom Fußboden auflesen kann.
Viel Spaß.

The Weeknd - Rolling Stone (Andy's iLL Refix) Link in description by Andy's iLL

Montag, 6. Juni 2011

Opium fürs Volk

Hype ist sein Hobby... Deutschlands Techno-Botschafter Paul Kalkbrenner hat ein neues Album veröffentlicht. Dieser Fakt und sein Inhalt sind allerdings eher Nebensache angesichts seiner Popularitätswerte. Doch was taugt das Ganze nun wirklich?

51__320x240_paul-kalkbrenner-1Was soll man noch über diesen Mann schreiben, was nicht schon an anderer Stelle irgendwie erwähnt wurde? Über neue Musik von Paul Kalkbrenner zu reden ohne dabei auf das Phänomen einzugehen ist schlichtweg nicht mehr möglich. Zu groß ist das alles geworden, gerade für deutsche Verhältnisse ist Kalkbrenner ein Hype, wie ihn diese Republik musikalisch nur selten erlebt. Fast über Nacht wurde aus einem von dutzenden Hauppstadt-DJ’s DAS deutsche DJ-Aushängeschild. Der Heilsbringer der Hedonisten, König der Knöpfchendreher! Von der oberen Mittelschicht bis ins tiefste Präkariat kann man sich scheinbar die ganze Republik auf ihren Volks-DJ einigen. Und immer mehr kamen dazu. Aus netten Clubs sind längst Mehrzweckhallen oder jetzt jüngst zwei Mal die Berliner Wuhlheide geworden. Das hängt natürlich und ohne Zweifel zu großen Teilen mit „Berlin Calling“ zusammen, jenem kleinen, unscheinbaren Programmkino-Schmuckstück, welches Kalkbrenner als DJ am Rande des Nervenzusammenbruchs zeigte. Irgendwie ist er ein Kultfilm geworden. Vielleicht auch, weil er so häufig romantisch verklärt wird. Kalkbrenners „DJ Ickarus“ wurde zur Leid- und Symbolfigur einer Gesellschaft im Banne des Exzesses. Immer mehr, immer feiern. Egal, ob die Klapse die Endstation ist. Das Ickarus am Ende im Film geläutert ist und die Kurve kriegt macht das ganze nur noch massenwirksamer. Seitdem müssen und wollen alle mit, wenn’s um Minimal, Clubs, AfterHours und das Berliner Nachtleben geht. Den Mehrweit dieser Entwicklung überlass ich dem subjektiven Empfinden jedes Einzelnen.

Und was macht Kalkbrenner selber? Der ist längst ein gut funktionierendes Unternehmen, bespielt permanent und konstant erfolgreich die Bühnen dieser Welt und nimmt seine Rolle als Kulturbotschafter gelassen. Er scheint das ganze locker zu nehmen. So auch das Album. Das heißt halt „Icke wieder“, weil... na ja, wie soll det och sonst heißen? Das Album ist lediglich ein Nebenprodukt des nicht enden wollenden Hypes. So wirkt es zumindest auf den Beobachter. Groß Promo ist da nicht. Und auch keine kommerzielle Ausrichtung. Paul selber meinte ja auch, er hätte jetzt durchaus noch einen Song mit Bruder Fritz im Stile von „Sky And Sand“ aufnehmen können. Wollte er aber nicht. Er hätte auch ganz viel bekannte Gaststimmen draufpacken können (dem Ruf wären sicher viele gefolgt). Wollte er aber auch nicht. Er macht das halt lieber alles allein. Also bietet diese Kalkbrenner Platte genau das, was man irgendwie vom Namen erwartet. 10 flauschig, groovende und instrumentale Minimal Tracks, die gar nicht erst versuchen, anders zu klingen. Butterweiche Grooves, mal härter, mal chilliger, aber stets in die exakt gleiche Richtung der Tracks auf dem "Berlin Calling"-Soundtrack. Nicht mehr, nicht weniger. Kalkbrenner liefert den Standard ab, der ihn, in Kombination mit den Bildern des Films bundesweit bekannt machte.

Diese Art von Musik funktioniert aus meiner Sicht auch deshalb so gut, weil sie trotz ihrer treibenden Art auch zu großen Teilen irgendwie belanglos ist. Und nicht unbedingt tanzbar. Wie schon zuletzt der "Berlin Calling"-Soundtrack kann man "Icke wieder" auch problemlos zum Putzen, Einschlafen, Steuererklärung-machen, Grillen im Park, Autofahren oder sonst irgendwo hören. Musik zum Überhören, denn... seien wir mal ehrlich: sonderlich hochwertig ist Kalkbrenners Minimal-Techno auch nie gewesen. Handwerklich aber ziemlich gut und vor allem schafft er es als einer der wenigen diese bestimmte Stimmung zu erzeugen, die einher geht, wenn man an diese Musik denkt. Die Aufregung scheint meistens in dem Drumherum zu liegen, statt in der Musik selber. Kalkbrenners Mucke ist entspannt, unnötig knarzende Basssequenzen, dramatische Aufbauten oder zerhackte Dance-Beats, die mal die 130 BpM hinter sich lassen sucht man nach wie vor vergebens. Wenn ein Track zwei Minuten läuft, kann man sicher sein, dass sich da in den nächsten fünf nichts Weltbewegendes mehr tut. Es liegt sicher auch im eigenen Verständnis von Dance-Musik, wie man die Wertigkeit von Kalkbrenners' Stücken einschätzt. Zum Schmunzeln laden Songtitel wie "Des Stabes Reuse", "Schmökelung" und "Der Breuzen" in jedem Fall ein. Die Sympathiewerte liegen eindeutig beim Hobby-Linguisten. Paule wird sein Ding weiter durchziehen, egal was man von all dem drum herum und seiner Musik so halten kann und will. "Icke wieder" wird sich gut verkaufen, die Stadien werden voll bleiben und die Maschine wird, getragen durch die Massen, weiter durch die Welt rollen. Wenn der ein oder andere dabei erkennen sollte, das elektronische Tanzmusik auch mehr sein kann, als das, was sie nach Kalkbrenners' Verständnis ist, dann besteht vielleicht Hoffnung, dass auch andere Produzenten mal etwas Ruhm abbekommen. Film hin oder her.

Dienstag, 31. Mai 2011

Kurz und Bündig - 06/2011

Alte Bekannte, neue Liebe. In der Kürzer liegt nach wie vor die Würze. Ein paar Kurzeindrücke zu fünf aktuellen Platten, die ich aus Zeitmangel jetzt nicht detailliert ausführen kann und werde.
Kurz-Und-Buendig-10

Death Cab For Cutie – Codes And Keys

Man kennt sie, man schätzt sie. Wenngleich auch nicht mehr so stark wie früher. Die Indie-Helden meiner Spät-Jugend, Death Cab For Cutie, legten einst in der ersten Hälfte der 00er Jahre mit „Transatlanticism“ und „Plans“ zwei unbestreitbare Meisterwerke vor, die ich nie wieder missen möchte. Dann scheiterte man 2008 mit „Narrow Stairs“ an der eigenen Messlatte und weil man nicht genau wusste, was man denn jetzt zwischen Mainstream und Indie irgendwie mit sich anfangen sollte. Und dann auch noch’n Song für „Twilight“ machen... ts,ts,ts, schlechte Vorzeichen. Glücklicherweise kann man angesichts der neuen Platte „Codes And Keys“ Entwarnung geben. Sicher, ein zweites „Plans“ liefern die eh nicht mehr ab, was auch einfach an der damaligen Zeit und meiner persönlichen Biographie lag und liegt... aber „Codes And Keys“ zeigt die Mannen um Ben Gibbard wieder zurück zu alter Stärker. Der verkündete im Vorfeld ja seine neuentdeckte Liebe zu alten Synthies, so dass man ja schon Angst haben konnte, Death Cab machen jetzt auch einen auf 80s Pop. Glücklicherweise spielen die Synthies keine entscheidende Hauptrolle, sondern fügen sich ins Gesamtbild unter. Alles wirkt wieder stimmiger, in sich geschlossener, treffsicherer. Kleine und große Melodien, die Gibbard mit seiner unverwechselbaren Stimme prägt. Eine Platte, die sich einem auch nicht sofort erschließt, aber im Gegenteil zum letzten Album erschließt sie sich einem überhaupt. Death Cab for Cutie wissen auch 2011 noch nicht richtig, wo sie hinsollen. Aber dafür machen sie’s sich in ihrer Nische bestens bequem.

Stream von "Codes and Keys" auf der Musikexpress Homepage

Seapony – Go With Me

Wenn ein Albumcover schon eine junge Dame im Sonnenschein am Strand zeigt, dann dürfte wenig Überraschung bezüglich des musikalischen Inhalts dieser Platte zu erwarten sein. Ich meine, es könnte, aber in diesem Fall tut es das nicht. Das Debüt-Album der amerikanischen Indie-Popper von Seapony verspricht genau die Form von Sommermusik, die man angesichts dieser Jahreszeit braucht. Surfpop at its best. Leichte Melodien, bewusst amateurhafter Sound, viel Hall und Wärme, sowie Texte, die Tiefgang nicht unbedingt voraussetzen. Was das Debütalbum von Best Coast im Jahr 2010 war, das ist „Go With Me“ im Prinzip für 2011. Das Trio aus Seattle zeigt, dass man auch in der Stadt des Regens nach kalifornischem Strand klingen kann. An sich ist das, wie schon besagtes Best-Coast-Album keine sonderlich aufregende oder innovative Musik. Und man kann da gern drauf verzichten. Ich für meine Fälle, als verkappter Hippie, bin in jedem Fall hochgradig anfällig für diese Lieder. Sie lassen mich träumen, vom Sommer, der Jugend und einer vermeintlichen Freiheit, die in dieser Form nicht jedem vorbehalten ist. Also ganz großes Eskapismus-/Kopfkino an dieser Stelle. Doch. Ich find's gut, auch ohne Strand in unmittelbarer Nähe.

Album-Stream auf "Yourstru.ly"

Digitalism – I Love You, Dude

Vier Jahre Zeit zwischen erstem und zweitem Album sind nicht nur für heutige Verhältnisse eine ewig lange Zeit. Doch die beiden Hamburger von Digitalism schmiedeten ihr im Zuge von NuRave und Co. aufgeheiztes Eisen dann doch nicht unmittelbar in musikalischer Form. Das Duo, das damals zur richtigen Zeit am richtigen Ort war ließ dem kometenhaften Aufstieg in der Szene viel Tour und wenig neues Material folgen. Vielleicht haben sie am Ende zu lang gewartet und liefern angesichts der Erwartungshaltung mit dem Zweitwerk „I Love You, Dude“ halbgaren Elektro-Pop ab, der irgendwie nie richtig weiß, was er sein will. Bollernder Elektrobanger, Prodigy-Rip-Off oder seichter Radio-Pop zum Mädchen-Beeindrucken? Digitalism wollen alles, vor allem wollen sie mit „2 Hearts“ ein zweites „Pogo“, wirken dabei aber, wie auf weiten Strecken der Platte etwas verkrampft. Sicher, einige Tracks erreichen ihr Ziel auch, aber ein ebenso großer Teil versackt am Ende auch. Und Jens Mölle ist und bleibt halt einfach nur ein mittelmäßiger „Sänger“. Irgendwie beschleicht mich beim Hören die ganze Zeit das Gefühl, dass hier etwas fehlt. Der entscheidende Wille, Pop- oder Club-Act zu sein, der rote Faden oder vielleicht am Ende einfach gutes Material. Ich weiß es nicht. Irgendwie nichtssagend, irgendwie irgendwas. Ich kann es nicht mal richtig benennen. Hören sie selber und urteilen sie anschließend.

Zwei Tracks schonmal bei "Earmilk" anhören

SebastiAn – Total

Und wo wir gerade bei NuRave und falschem Timing sind… Sebastian Akchoté ist auch so ein Kandidat. Eins gehörte SebastiAn zur Sperrspitze der neuen französischen Welle um Justice, Uffie und das Ed Banger Label. Das war damals, 2006, als das gerade so richtig am Explodieren war. Bollernde Bässe, zerhackte Beats, jede Menge Samples und nie den Pop vergessen... SebastiAn hatte sein Sound-Trademark gefunden und neben ein paar Eigenproduktionen vor allem seine Remix-Finger von Bloc Party, über Daft Punk bis hin zu den Kills eingesetzt. Das ging eine ganze Weile recht gut, doch dann war irgendwie Schluss. Mit dem Ed Banger-Hype auf der einen, und mit regelmäßigen SebastiAn-Produktionen auf der anderen Seite. Eigentlich sind Sound und Stil im Jahr 2011, in dem von Atzen bis Usher alle versuchen auf knarzigen House zu machen, durch. Es stellt sich ein dezenter Überdruss ein. Jetzt das Debüt rauszuhauen ist also ein eher gewagtes Unterfangen. „Total“ heißt das gute Stück nun und bietet insgesamt 22 Tracks, wobei viele davon auch nur kleine Interludes und Sample-Spielereien sind. Ansonsten bleibt SebastiAn seinem Stil treu. Wie kann er auch nicht. Schleppende House-Beats, oft im Midtempo-Bereich, viel Geknarzte, zerhackte Samples, polternde Beats... halt der Sound, der Ed Banger einst so dick ins Geschäft brachte und den P. erst so Busy machte. Gretchen-Frage: Braucht man das noch? Durchaus, denn ungeachtet aller Trends lässt „Total“ mehr als einmal erahnen, warum diese Musik so tight und treffsicher ist, dass die Massen auf kurz oder lang drauf anspringen müssen. SebastiAn’s Dance-Musik rockt einfach, ist gleichermaßen eingängig, wie experimentell. Mitreißend, wie eh und je. Ich könnte jetzt schimpfen und kritiker-like mit dem guten „Das is doch alles out“ kontern... oder ich könnte einfach sagen, dass das ziemlich hittig und kurzweilig ist. Immer noch. You’ll never be alone again.

Komplettes Album bei Soundcloud anhören

Arctic Monkeys – Suck It And See

Nach dem Hype ist vor der ernsthaften Karriere? Zumindest fällt es vielen hochgelobten Künstlern schwer, nach dem Aufstieg kontinuierlich für Fans, Kritiker und potentielle Käufer interessant zu bleiben. Manchmal stellt sich da schon das Gefühl ein, man könne nur verlieren. Irgendeiner ist immer gegen dich. Wenn’s dir Kritiker gut finden, kann die Masse nichts mehr damit anfangen und umgedreht. Einfach nicht draufhören und losspielen. Oder besser freispielen. Die Arctic Monkeys singen davon nun schon seit einigen Jahren ein paar Lieder. Das düstere, wüstenrockige „Humbug“ verschreckte 2009 die Indie-Pop-„Dancing-like-a-robot“-Fangemeinde dann doch ziemlich. Wie kann es denn sein, dass sich diese 18jährigen Pubertierenden auf einmal musikalisch, wie menschlich weiter entwickeln? Pff! Und nun das ganze noch mal. „Suck It And See“ wurde wieder in Amerika, wieder mit Josh Homme aufgenommen. Das Ergebnis natürlich nicht mehr, wie das Debüt, aber auch nicht mehr wie „Humbug“, wenngleich man sich natürlich diesem näher wiegt. Insgesamt fällt das vierte Album des Quartetts aber deutlich heller und optimistischer aus. Alex Turner kann seine 60s-Leidenschaft diesmal so stark ausleben, wie sonst nur bei den Last Shadow Puppets. Viel Harmoniegesang, entspannte Grooves treffen aber auch gern mal auf das ein oder andere harte Riff. Und ein bisschen Psychodelic darf eh nicht fehlen. Insgesamt versprüht das neue Album schon diesen Retro-Vibe ohne allzu sehr von dem wegzugehen, was die Monkeys in der jüngeren Vergangenheit schufen. Das ist alles, nur kein Britpop. Von mir aus auch nicht indie. Nennt es doch, wie ihr wollt. Schlucken und dann sehen. Doch als eine der wenigen Ausnahmen ihres Jahrgangs bleiben die Monkeys auch 2011 noch überraschend, irgendwie unvorhersehbar und musikalisch hochwertig. Ist der Ruf erst ruiniert...

"Suck It And See" bei Soundcloud anhören

Donnerstag, 26. Mai 2011

rhododendron's resterampe - 26/05/2011

Ein verschollenes Relikt alter Helden, atmosphärische Clubmusik, das Update eines alten Hits, ein Song der gar nicht aktuell ist und einer, der sich überhaupt nicht ernst nimmt. In der heutigen Resterampe erwartet den Leser ein sehr abwechslungsreiches Sortiment.

New Order – Hellbent

In einer ideal funktionierenden Popwelt müsste die Veröffentlichung eines neuen New Order Songs eigentlich mehr Wellen schlagen als die neue Lady Gaga Platte. Aber in einer solchen Welt leben wir leider nicht. In dieser Welt wüsste nämlich auch jeder um den Einfluss der Band aus Manchester, die aus meiner Sicht zu den essentiellsten Bands der letzten 30 Jahre zählt. Seit 2007 allerdings nicht mehr. Da hat Bassist Peter Hook das Ganze in einem Anfall von Altersstarrsinn beendet. Jetzt wird Kasse gemacht, besonders Hook selber. Während seine ehemaligen Bandkollegen mit diversen Nebenprojekten (Bad Lieutenant) immerhin neue Musik machen, ist Hook mangels kreativer Ideen damit beschäftigt, das Erbe seiner alten Bands New Order und Joy Division in bare Münze umzuwandeln. Die neue Best-Of, die eigentlich kein Mensch braucht, ist sicher auch auf seinem Mist gewachsen. Und irgendwie ist er noch an diesen unveröffentlichten Song gekommen, namens „Hellbent“. Der ist freilich nicht überragend und wohl zurecht in den Archiven verschwunden, aber es tut dann doch irgendwie gut, alle Beteiligten bei dem zu hören, was sie am besten konnten und vielleicht immer noch können. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

New Order - Hellbent (Previously Unreleased) by Rhino UK

The Japanese Popstars – Joshua (ft. Tom Smith)

Zugegeben, Japanese Popstars ist schon ein reichlich bescheuerter Bandname, aber davon gibt’s ja öfters mal welche. Das Trio aus Nordirland ist schon seit einigen Jahren mit druckvoller, hochtanzbarer Clubmusik aus dem elektronischen Bereich in der Szene bekannt, 2011 setzt man nun mit Major-Deal im Nacken zum großen Sprung an. Die Produzenten wollen wirkliche Popstars werden und haben deshalb auch nicht mit Gastsängern für das Album „Controlling Your Allegiance“, welches nächsten Monat erscheint, gegeizt. Ich sach nur: Robert Smith! Und der andere Smith. Tom Smith von den Editors um genau zu sein. Der steuert die Vocals zur treibenden Single „Joshua“ bei und verleiht dem ohnehin schon düster angehauchten Track damit noch eine sehr spezielle Note. Das passt alles ganz hervorragend zusammen, das merkte man schon damals beim „Papillon“-Remix der Iren. Dieses Album sollten sich alle Freunde guter, treibender Dance-Musik also schon mal vormerken.



PeterLicht – Sonnendeck 2011 (Tonka Treatment)

PeterLicht mag das Ende. Einst besang er den Untergang des Kapitalismus und im Sommer meldet er sich nach dreijähriger Pause mit einem Album, welches „Das Ende der Beschwerde“ heißt zurück. Noch hält sich Deutschlands fähigster Liedermacher (meiner Meinung nach) mit Details zurück. Er wird doch nicht auf einmal die Harmonie-Keule auspacken und auf „Egal“-Modus schalten? Hoffentlich nicht. Das nur als Info, denn das hier vorgestellte Update seines alten Kulthits „Sonnendeck“ hat eigentlich nichts damit zu tun. Ich weiß nicht mal, ob das offiziell ist. In jedem Fall hat DJ Tonka, seines Zeichens auch deutsches Dance-Urgestein, dem mittlerweile auch schon zehn Jahre alten Song eine feine Frischzellenkuhr verpasst. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn ich hätte eher furchtbare Kommerz-House-Music erwartet, doch Tonka behält den Geist von Licht’s Sommerhymne bei. Es groovt dezent, das Housepiano fügt sich ganz natürlich über das Grundgerüst und insgesamt wirkt das alles sehr stimmig. So kann ein gelungenes Update also aussehen, wenn man Altes mit Neuem vermischt und sich dann wieder neu in einen alten Klassiker verliebt. Da kann sich selbst der Künstler nicht beschweren.

Sonnendeck 2011 (Tonka Treatment) by TONKA

El Guincho – Bombay

Eigentlich bekommen hier ja primär aktuelle Produktionen ihren Auftritt im Rampenlicht, doch heute muss auch mal Platz sein für einen Song, der eigentlich aus dem Jahr 2010 stammt. Aber den Raum räume ich gern ein, denn „Bombay“ von El Guincho ist so unwiderstehlich treibend, sommerlich und versprüht gute Laune, dass die Welt einfach diesen Song benötigt. Über einen Freund bin ich neulich über dieses Kleinod gestolpert. El Guincho, das ist Pablo Díaz-Reixa, ein spanischer Musiker, dessen Vielseitigkeit sich auf dem dazugehörigen Album „Pop Negro“ mehr als einmal zeigt. Überall klimpern die Percussions, fiepen die Synthies und es sprüht spanisches Flair. Und die Steeldrums nicht vergessen! Sehr fein. Das kann auch gern der Sommerhit 2011 werden, das Zeug dazu hat er allemal. Besonders wenn man sich dazu dieses ultrageniale Musikvideo anschaut, dass sich nicht entscheiden kann, ob es Kunst, Wahnsinn oder Nonsens sein möchte. Muss man gesehen haben, kann man schwer beschreiben. Bleibt aber hängen. Und als Anreiz für die Herren: es gibt diverse nackte Frauen drin.



The Lonely Island ft. Michael Bolton – Jack Sparrow

Ach, und wo wir nach El Guinchos Titten-Arthouse-Video eh schon die Schmerzgrenze erreicht haben... wir müssen auch mal eben „The Lonely Island“ hier erwähnen. Dazu ist das Trio aus dem amerikanischen Vorzeigeprogramm „Saturday Night Live“ einfach zu witzig. Und das schon seit Jahren. Ihre humorvollen Parodien und Gag-Songs erfreuen sich mittlerweile auch in Deutschland einer immer stärkeren Internet-Fangemeinde. Die großen US-Stars stehen Schlange. Mit T-Pain rappte man über den Erwerb eines Bootes, Julian Cassablancas pries Vor- und Nachteile eines Ghettoblasters aka „Boombox“ an und mit Lady Gaga und Justin Timberlake wurde neulich sogar über die „Goldene Regel“ unter Bros philosophiert („It’s not gay If it’s in a Three-Way!“). Einfach mal den YouTube-Channel der Herren checken. Großes White-Nerd-Humor-Tennis. Denn nur solche Jungs können auf solche Ideen kommen: 80er-Schmusestar Michael Bolton für eine sexy Hook im neuen Hip-Hop-Smasher engagiert und dann nicht beachtet, dass der Mann gerade alle drei Teile von „Fluch der Karibik“ gesehen hat. Das Ergebnis ist selten dämlich, unglaublich lustig und sicher eine der kreativsten Ideen, die es zuletzt in der Popmusik so gab. Es darf und muss man dieser Stelle halt auch mal gelacht werden dürfen. Wenn sich Musik und Popkultur selber zu ernstnehmen, wird’s auf Dauer nämlich einfach nur langweilig.

Freitag, 20. Mai 2011

Missverstanden und Missglückt

Oh Gott, nicht die auch noch! Egal! Was Spiegel und Spex können, kann ich schon lange! Es gibt ein neues Lady Gaga-Album. Tatsache. Und wir hatten - das sieht man bspw. an den Platzierungen in den letzten Nobono-Awards – eh immer eine kleine Schwäche für die Dame. Leider schwächelt sie beim Album Nr. 2 dann aber doch mehr als angenommen...

51kHN98Bn9L-_SL500_AA300_Das neue Lady Gaga Album ist Mist! Das ist doch schon mal ein Eye-Catcher gleich zu Beginn der Rezension. Direkte Aussage, passend zur Direktheit der Künstlerin. Es ist natürlich schwer möglich über Mrs. Germanotta’s Musik zu reden ohne das Phänomen Gaga, welches die Popwelt im Blitz(licht)krieg in nur 2 Jahren niedergerungen hat, zumindest anzuschneiden. Das muss man mal schaffen. Aus dem Stand weg der wichtigste und wenn es nach einigen geht auch letzte große Popstar dieses Planeten. Sie polarisiert, sie fasziniert. Auch weil sie dem farblosen Korsett des Kommerzpops wieder etwas Würze gibt, indem sie diese verrückte Kunstfigur geschaffen hat, deren Konzept zwar gern mal aus der Popkultur der letzten 30 Jahre klaut, aber das fällt eben auch deshalb nicht so ins Gewicht, weil der Markt da eine klaffende Lücke aufwies. Auch musikalisch hat Gaga vermutlich fast im Alleingang der elektronischen Musik in den USA zum kommerziellen Durchbruch verholfen. 2011 versuchen Rihanna, Britney und Co. nicht nur wie Gaga auszusehen, sondern auch so zu klingen. In so kurzer Zeit so viel Einfluss... da kann man sicher eine kleine Dissertation drüber verfassen. Die Generation Gaga regiert die Welt. Man kann und muss das alles neidlos anerkennen. Und es hätte auch nicht so geklappt wenn die Musik nicht funktioniert hätte. All die Hits, seien es „Poker Face“, „Bad Romance“, „Alejandro“ oder „Paparazzi“ haben halt erst geholfen, das Phänomen mit jedem neuen Release zu festigen. Die Hitausbeutung des Debütalbums „The Fame“ (plus Zusatz „Fame Monster“) ist rückblickend gerade schon gespenstisch. Soviel hochkarätige Popsongs bekommen manche nicht mal in einer Karriere hin.

Zumal Gaga auch deshalb bei musikalisch etwas bewanderten Menschen, zu denen ich mich mal dreist zähle, punkten konnte, da sie irgendwie mehr war. Kunstfigur, aber auch Künstlerin, Komponistin, ihre eigene Produzentin und auch vor allem vielseitig. Den schmissigen Eurodisco-Singles stellte sie interessante Albumtracks entgegen, die gern mal Glam-Rock und kühler 80s-Pop sein konnten, gepaart mit extrem eingängigen Melodien. Eine Frau, die alles selber macht, die Bowie genau so liebt, wie Morrissey oder die Pet Shop Boys. Wie viele ihrer Kolleginnen können das schon von sich behaupten? Höher kann eine Messlatte also nicht liegen. Jetzt kommt „Born This Way“, Album Nr. Zwei der Frau, welche, geht es nach all den Pressestimmen, die Populärmusik im Alleingang retten soll. Das Album wird Pamphlet und Popwunder in einem. Also, soll es. Aber natürlich kann und muss Mrs. Gaga an diesem Anspruch scheitern. Alles weitere wäre nicht denkbar gewesen. Jede steigende Kurve hat auch irgendwann einen Bruch. Die Titelsingle war vorab schon eine ziemliche Ansage und machte vieles richtig. Alles schien so weiterzugehen, wie bisher. Unaufhaltsam? Vermutlich. An dem drohenden kommerziellen Erfolg wird sich nichts ändern lassen. Der Gaga-Hype wird weitergehen, solange bis wir alle die Schnauze voll haben. Das könnte allerdings schon eher der Fall sein, als der guten Frau lieb ist, denn es reicht schon der Durchlauf der neuen Platte um sich zu wünschen, die gute Dame würde einfach mal in Frührente gehen. Als Phänomen zwischen Twitter-Monologen und Schnitzel-Kleid wird Lady Gaga auch 2011 noch mitmischen, aber für alle Menschen, die, wie ich, eher die musikalische Hitdichte und Treffsicherheit der Amerikanerin schätzten, ist „Born This Way“ eine ziemliche Enttäuschung.

Ich weiß, viele Kritiker werfen ihr das eh vor, aber auf diesem Album klingt wirklich jeder Song gleich. Die Abwechslung des Debüts fehlt vollkommen, weil jede der 14(!) Nummern dem gleichen Prinzip folgt. Stampfender Kirmes-Techno-Pop mit den ewig gleich klingenden Vocals (Lasziv trifft Roboter trifft Schreien... und nie das eigene Name-Dropping vergessen) und Songstrukturen. Ausbrüche ins Rock- oder Balladenfach (mal vom okayen „You and I“ abgesehen) bleiben außen vor. Lady Gaga konzentriert sich vollkommen auf das Gaga-Single-Prinzip. Zwischendurch mischt sich da natürlich mal ein Gitarrensolo oder ein schickes 80er-Saxophon rein, aber ansonsten nix Neues von der Front. Stampfendes Four-To-The-Flour-Gehacke, uninspirierte Sirenen-Synthies und die ewig gleichen Analog-Basslinien, die so klingen, als hätten sich Daft Punk, Boys Noize und Co. einfach mal keine Mühe gegeben. Die stecken da natürlich nicht dahinter, sondern eher diverse billige US-Produzenten von der Stange. Vielleicht ist dies das überraschende... warum rennt diese Frau ihrem eigenen, längst ausgelutschten Trend hinterher? Nummer Sicher? Größenwahn? Jeder Song will sowieso eine Hymne sein, getreu dem Album- und Single-Motto. Du kannst alles schaffen, du bist du selbst, lass dir von niemandem was sagen. Und böse ist sie sowieso. Und sexy. Und sowieso. Die Zielgruppen unter 18, egal ob homo oder hetero werden sich wieder verstanden fühlen. „I’m bad, don’t care If you’re mad“. Nee, das muss mich auf keiner Gefühlsebene ansprechen.

Generell sollte man bei dieser Form der Musik nicht die falschen Bewertungskriterien ansetzen. Songs von Gaga, Madonna oder dem ollen Jacko waren in den seltensten Fällen dazu konzipiert, hoch musikalisch oder textlich tiefgründig zu sein. Popmusik aus diesem Bereich muss das nicht. Aber sie kann gut sein. Kurzweilig, vielseitig, mit spannenden Melodien, abwechslungsreichen Stimmungsbildern. Das Debüt konnte noch über weite Strecken eben exakt das bieten und das gar nicht mal so schlecht, so dass man sich durchaus als Gaga-Sympathisant, auch in kredibileren Musikkreisen äußern konnte. Doch „Born This Way“ scheint das genaue Gegenteil zu sein. Ein vollkommen überdrehtes Reißbrett-Pop-Album von der Stange, das keine Überraschungen bietet, vorhersehbar und langweilig ist und eine Künstlerin zeigt, die sich unter ihrem eigenen Wert verkauft. Vielleicht weil sie Angst hat, weil sie durch all den Erfolg schlichtweg durchgedreht ist bzw. einfach Fokus und Gespür auf der Strecke gelassen hat oder weil es Teil eines großen Konzepts ist. Wenn „Born This Way“ dieses Power-Pop-Sei-wie-du-bist-Album für die Generation Gaga sein soll, dann von mir aus. Ich fall dann mal dezent aus der Zielgruppe. Musikalisch betrachtet ist das ziemlicher Stuss und es wird sich zeigen, ob dieses Wesen Gaga am Ende nicht doch einfach nur einen kurzen und intensiven Lauf hatte oder künstlerisch wirklich noch was bewegen kann.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Disco Del Mar

The Sound of Fernweh. Das Zweitwerk der Friendly Fires heißt „Pala“ und will um jeden Preis ein Lebensgefühl vermitteln, das fast schon zu euphorisch und illusorisch ist, um wahr zu sein. Dennoch gelingt das Unterfangen, auch weil die Band diese Nummer konsequent durchzieht.

51KQsMbSn3L-_SL500_AA300_Da ich es erst mit einem halben Jahr Verspätung entdeckt hatte wurde das selbstbetitelte Debüt der Friendly Fires aus England dann doch nicht zu meinem Sommer-Album des Jahres 2008, obwohl das gepasst hätte. Doch auch im tiefen deutschen Winter konnte ich mich der Faszination dieser Platte nur schwer entziehen. Zu frisch, zu melodieverliebt, zu hitsicher war dieses Werk, weshalb es aus meiner Sicht auch zu den kurzweiligsten Pop-Alben der letzten zehn Jahre gehört. Die Messlatte liegt also ohnehin schon hoch. Nun kommt der Zweitling „Pala“, pünktlich zum Sommer. Und diesmal bin ich von Anfang an dabei. Das Timing stimmt... und auch die Musik. Zwar ist der zweite Streich des Trios nicht ganz so treffsicher wie das Debüt und etwas arg glatt gebügelt, aber das immerhin in einer Konsequenz, dass zumindest deutlich werden kann, was die Band damit bezwecken will.

Noch stärker als das erste Album, ordnet sich „Pala“ einer optimistischen Grundstimmung unter. Das ganze Album wirkt hochgradig rhythmisch, euphorisch und insgesamt eher leicht und hell, als düster-schwermütig. Die noch vorhandenen Ecken und Kannten hat Produzent Paul Epworth zu einem formatradio- und tanzflächenfreundlichen Pop-Korsett zusammengeschnürt. Die elf Tracks sollen zum Bewegen einladen. Am besten draußen, am besten im Sommer und wenn schon, dann gleich in maritimer Nähe. Man schielt eher Richtung Ibiza-Strandbar, als in einen stickigen Londoner Indoor-Club. Sänger Ed MacFarlane singt mit butterweicher Stimme hymnenhaft von der Flucht ins Blaue, dem wunderschönen Wetter auf Hawaii oder den verlockenden Lichtern der Stadt. Und von der Liebe. Sowieso. Lyrisch flachen die Friendly Fires etwas ab, ordnen sich der Musik unter. Man bleibt positiv, Dance-Musik ist ja bekanntlich nicht für lyrische Tiefe bekannt. Und so entstehen im Kopf des Hörers genau die Bilder, welche die Band suggerieren möchte. Endlose Strände, blaue Lagunen, Schrimchendrinks zum Sonnenuntergang und flackerndes Disco-Licht im Nachtleben. Jacken und Pullover unerwünscht . Ekstatischer Eskapismus. Der Sound dazu gibt sich bewusst elektro-poppig und dance-lastig, wenngleich dadurch auch ein wenig der Charme des Debüts verloren geht. Dazu muss man sich einfach noch mal die Unterschiede zwischen der Album-Version von „Skeleton Boy“ und der damals von Epworth produzierten Single-Version vor Augen führen. Genau das hat er jetzt mit dem gesamten Sound der Band angestellt. Die Elektronik wird in den Vordergrund gerückt, die immer noch prägnanten Samba- und Percussion-Momente werden ein wenig zurückgeschraubt. Gitarre, Bass und Schlagzeug sind zwar prinzipiell noch erkennbar, verlieren den Kampf gegen breite Synthiesoundflächen, früh-90er-House-Sequencer, Rave-Pianos und andere Spielereien allerdings kontinuierlich. Das kann man als Schwäche auslegen, muss man aber auch nicht unbedingt. Dazu beherrschen die Friendly Fires und ihr Produzent das Handwerk zu gut. Wer sich die letztjährige „Bugged Out“-Compilation der Band angehört hat, den wird der Schritt Richtung kommerziell ausgerichteten Elektro-House-Pop auch nicht wirklich überraschen.

Falls „Pala“ als Konzeptalbum wahrgenommen werden soll, dann ist es wirklich ein Tag im Nachtleben einer sommerlichen Urlaubsinsel. Dem Wunsch nach Flucht und einer nostalgischen Reise in die Hochphase der Rave-Kultur („Live Those Days Tonight“) folgen Ankunft und Euphorie in der neuen Umgebung („Hawaiian Air“), entspanntes Cafe-Del-Mar-Chillen („Pala“), der Aufbruch in die Nacht („Show Me Lights“), große Party-Euphorie-Momente („True Love“, „Pull Me Back To Earth“), sowie ein nachdenklicher, aber glücklicher Ausklang zum Sonnenaufgang („Helpless“). Abschließend wird auch noch mal ein Feuerwerk im wörtlichen Sinne gezündet. Meeresrauschen, Vogelzwitschern und Co. werden auf Albumlänge ohnehin immer wieder strategisch clever eingebaut. Ja, es ist in der Tat ganz geschicktes Kopfkino, dass die Friendly Fires da betreiben. Nicht sonderlich subtil, dafür aber durchaus recht effektiv. Popaffine Menschen, die wie ich schon einst auf das Debüt reinfielen, werden sich trotz aller Bedenken und leichter Defizite auch diesmal diesem unglaublich dringendem Charme hingeben. Für den ganzen Rest ist das vermutlich einfach mal zuviel Schmalz und zu wenig Tiefgang. Aber auf den kommt es halt nicht immer an. Und eine solche Band wollen die Friendly Fires eh nicht sein. Schon gar nicht 2011. „Pala“ ist kompromissloser Euphorie-Pop, hoffnungslos optimistisch, gnadenlos naiv, aber gerade deshalb so effektiv und ansteckend. Die Songs sind durchgängig gut bis sehr gut und in Einzelfällen sogar brillant. Man versucht das Debüt in seiner Form nicht komplett zu kopieren, sondern geht einen leicht veränderten Weg. Niemand ist gezwungen, diesen ebenfalls einzuschlagen, aber sollte man eh anfällig für Eskapismusgedanken und das unbändige Gefühl von Freiheit und Lebensfreude sein, dann kann dieses Album nicht nur der Soundtrack für einen einzelnen Sommer sein. Ich bin dann mal offiziell verliebt.

Donnerstag, 28. April 2011

rhododendron's resterampe - 28/04/2011

Jugendlicher Euphorie-Pop, zwei besondere Remixe, ein gelungenes Cover und eine dezente Enttäuschung… die Protagonisten meiner heutigen Resterampe.

Young Dreams – Young Dreams

Ach, die Jugend. So schön sie halt auch ist, sie ist leider vergänglich. Solche Sätze muss ein Mann, der den 30 näher ist, als den 20, natürlich sagen. Die Popkultur ignoriert den demographischen Wandel sowieso schon seit Jahren und trimmt alles und jeden auf Jugend. Passt ja auch. Denn die lebenslenkende Wirkung von Musik ist ja bekanntermaßen gerade in der Jugend ausgeprägt. Da nimmt man noch alles für bare Münze und träumt die jugendlich naiven Träume. Und wenn eine Band schon so heißt und eine ebenfalls so titulierte Single hat, dann weiß der geneigte Hörer, was einen erwartet. Young Dreams sind jung und neu, kommen aus Bergen im schönen Norwegen und beschreiben ihre Musikrichtung auf ihrer Facebook-Seite als Tropical-Pop. Na ja, kann ja jeder so nennen. Früher haben wir Indie dazugesagt. Aber dieses Genre wurde ja bekanntermaßen eh ad absurdum geführt. „Young Dreams“ ist schmissiger, euphorischer Ja!-Pop, der Gitarren, Synthies und etwas schreienden Gesang spielen lässt. Aber so kann und muss man auch klingen, wenn man so heißt und ausschaut. Ein feines, kleines Liedchen. Und wenn mich das auch noch anspricht, kann ich ja noch nicht so alt sein.



Pacific! feat. El Perro Del Mar – Unspoken (Anoraak Remix)

Wenn der Remix-Fachmann- also ich- hier einen Remix empfiehlt, dann könnt ihr in der Regel davon ausgehen, dass der gut ist. Besonders in diesem Fall. Pacific! haben eine neue Single, zusammen mit El Perro Del Mar. Beide Namen sind seit einigen Jahren in den entsprechenden Indie-Kreisen bekannt. Man kann also Zuckerbäcker-Softpop erwarten… und das ist „Unspoken“ dann auch geworden. Im Original ein durchaus wunderbares Zusammenspiel der männlichen und weiblichen Vokalisten und der ebenfalls empfehlenswerte Remix von Moonlight Matters verpasst dem ganzen noch eine mehr als dezente Disco-Note. Doch erst unter der Bearbeitung des französischen Elektro-Pop-Projekts „Anoraak“ wird die Nummer zu einem wahren Traum für alle Freunde dezenter 80er-Unterhaltung. Die männlichen Vocals fliegen raus und man konzentriert sich nur auf die Stimme von Sarah Assbring. Dazu gibt es dezente Untermahlung, Hall und am Ende noch ’nen zünftigen Beat. Hach, all der geile Scheiß, den ich so mag aus den 80ern. Dieser Remix ist dann auch nur bedingt tanzbar, sondern mehr was für’s Ohr. Aber wer in irgendeiner Weise einen Draht zu dieser Musik hat, der wird verstehen, was ich meine.

Download - Unspoken (Anoraak Remix)

Edwin Van Cleef – Lisztomania (feat Jane Hanley)

Über gute und schlechte Coverversionen kann man stundenlange Vorträge halten, so viel ist klar. Fragen sie mal Pitbull oder die Black Eyed Peas. Ja, die Mehrzahl ist in der Regel nicht so zufrieden stellend, darüber herrscht Einigkeit. Doch nun kommt das Cover eines Songs, von dem man sich wundert, dass ihn nicht schon mehr Menschen gecovert haben. Immerhin sind Phoenix damit ja quasi in den letzten zwei Jahren an die Weltspitze gelangt. Umso erfreulicher, dass sich diese Version von „Lisztomania“ sehr sehen lassen kann. Edwin Van Cleef, wie Anoraak ebenfalls dem französischen Elektropop angehörig, hat mit der Hilfe der Sängerin Jane Hanley aus dem ehemals zackigen Indie-Popsong ein smoothes Stück Beach-Pop gemacht, das eher fürs Entspannen in der Sommersonne, als das Abtanzen im Club geeignet ist. Und das Konzept geht vollends auf, auch weil sich Kollege Van Cleef ziemlich deutlich vom Original entfernt und Mrs. Hanley dem Ganzen eine sehr sinnliche Note gibt. Daumen hoch für soviel Neuinterpretationsmut!

Download [mp3]

Digitalism – 2 Hearts

Digitalism sind ja seit einigen Jahren ein Aushängeschild der deutschen Elektronik und man mag es kaum glauben, aber das viel bejubelte Debüt ist nun tatsächlich auch schon vier Jahre alt. Für den Nachfolger hat man sich Zeit gelassen. Der soll „I Love You, Dude“ heißen, im Juni kommen und unter anderem Julian Cassablancas und Bernard Sumner als Gastsänger auffahren. So wie es ausschaut wird uns Gewohntes erwarten. Die Vorabsingle „Blitz“, ein stampfendes Intsrumental groovte schon sehr ordentlich, doch die neue Single „2 Hearts“ kann die Euphoriewelle dann doch nicht mitnehmen. Hier geht die Band auf Nummer Sicher, serviert ein Rip-Off ihres alten Hits „Pogo“ und klingt dabei regelrecht belanglos. Nichts Ganzes, nichts Halbes und Jens Mölle, 50% von Digitalism, ist immer noch ein eher mittelmäßiger Sänger. Die Kids werden es sicher mögen, ist ja auch die offizielle Hymne zum MELT! Festival. Popwissenschaftler können daran aber auch gern die Kommerzialisierung von Festival und Musikrichtung reininterpretieren. Zu denen zähle ich mich aber nicht wirklich und so bleibt’s bei der einfachen Feststellung: „Blitz“ war gut, „2 Hearts“ ist es nicht. Und das Album kann und wird da sicher auch besser werden.

Digitalism - 2 Hearts by Freeman PR

Depeche Mode – Puppets (Röyksopp Remix)

Wenn Depeche Mode ihren Legendenstatus ausspielen, kommt jeder an. Besonders bei den Remixaufträgen, welche die Band gern und häufig verteilt. Da findet sich immer irgend ein großer Name, aber gleichzeitig auch immer heiße Newcomer, bei denen man merkt, das zumindest Martin Gore noch ein wenig in der Szene verhaftet ist. Und man ist auf Zack, hatte man doch einst schon Air, Boys Noize oder Digitalism als Remixer bevor die entsprechenden Acts ihren Durchbruch hatten. Zum dreißigjährigen Bandjubiläum erscheint im Juni nun ein neues Remix-Album mit alten und neuen Bearbeitungen. Ordentliches Namedropping verspricht schon ein Blick auf das Tracklisting. Einfach mal googlen. Neben viele Neuinterpretationen bekannter Hits, vergreifen sich die Remixer auch gern mal an Unbekanntem. So kommt es zu dieser interessanten Kombination. Die norwegischen Elektro-Genies von Röyksopp interpretieren „Puppets“, einen Song vom 1981er Debüt „Speak & Spell“ auf ihre eigene, unnachahmliche Art und Weise. Man kann das auch gern als Cover interpretieren, denn unter den bereits heftig diskutierenden Fans, ist man sich auch nicht sicher, ob das überhaupt Dave Gahan’s Stimme ist. Ich sage ja. Der Vocoder ist ja ohnehin ein Freund des Duos und Gahan war damals ja auch gerade mal zarte 18/19 Jahre und hatte noch verhältnismäßig wenig Kontakt zu Sex, Drugs und Synthiepop. Was bleibt ist ein sehr entspanntes Stück Elektronik, das beweist, dass die Musik dieses großartigen Trios auch nach drei Dekaden noch problemlos funktionieren kann.

Donnerstag, 21. April 2011

Das Herz gebrochen

Changes Are No Good. Nach einer Dekade mit Höhen und Tiefen gab die kanadische Indie-Rock-Band The Stills in dieser Woche ihre Trennung bekannt. Aufgrund starker persönlicher Bande zwischen mir und der Musik folgt an dieser Stelle noch ein kleiner Nachruf…

Dass Bands kommen und gehen ist ja nichts Neues. Das kennt man. Die Gründe sind meist unterschiedlich. Vom Tod eines Bandmitglieds (Joy Division, Madrugada), der verbitterten Streit (Oasis), allgemeinem musikalischen Desinteresse (The White Stripes) oder der Erkenntnis, dass man seine Zeit gehabt habt (Faithless) ist da sicher einiges an Argumentationsgrundlagen vorhanden. Das Leben geht in jedem Fall weiter. Für einen selber, aber auch für die Band. Was bleibt ist die Musik und dann gelegentlich, bei manchen überraschenden Band-Splits, auch die Frage, wie dass denn alles weitergegangen wäre, wäre es nicht so weit gekommen. Und sicher, Musikkritiker aller Herren Länder dürften sich darüber einig sein, dass die Stills aus Kanada nicht die essentiellste Band der vergangenen zehn Jahre gewesen ist, aber gelegentlich soll es ja mal vorkommen, das Bands es schaffen, einzelne Individuen so stark zu prägen und zu beeinflussen, dass man zum bedingungslosen Fan wird und die Musik als das Wichtigste überhaupt erachtet.

TheStillsIm Falle der Stills hat dies viel mit „Logic Will Break Your Heart“, ihrem Debüt von 2003 zu tun. Fast alles sogar. Einer der größten Nachteile des Erwachsenwerdens ist ja die Tatsache, dass man emotional im gewissen Maße abstumpft. Das hat viel mit der abgeschlossenen Identitätsbildung und gefestigten sozialen Rollen zu tun. Musikalisch setzt dann auch oft das Argument „Kenn ich schon“ ein. Das Verhältnis zwischen dem Musikliebhaber und der Musik ändert sich. Zumindest dezent. Zumindest bei mir. Dass das nicht immer so war, davon konnten und können die Stills ein paar Lieder singen. Alles, was ich zu „Logic…“ zu sagen habe, all die warmen und herzlichen Worte, finden sich an dieser Stelle, als das Album damals einen mehr als verdienten zweiten Platz in meiner „Beste Platten der 2000er“-Liste einnahm. „Logic…“ erreichte mich ca. drei Jahre nach dem Release auf Umwegen und traf dann mitten ins Herz, mitten in eine Zeit, als wir- das Album und ich- für einander geschaffen waren. Als mir die zwölf rockig-melodischen Songs, irgendwo zwischen amerikanischem Death-Cab-Indie-Rock und dezenter 80er-Jahre Wave-Ästhetik, aus der Seele sprachen, mir Halt und Weg anboten und mir ganz sprichwörtlich das Leben gerettet haben. Ich muss darauf auch nicht näher eingehen, aber in meinem kleinem Universum wird „Logic Will Break Your Heart“ auf alle Ewigkeit ein unerreichtes Meisterwerk bleiben. Punkt. „Gender Bombs“, „Changes Are No Good“, „Let’s Roll“, „Fevered“… ich könnte jeden dieser Trennungs-/Weltschmerz-Songs aufführen. Das Denkmal stand und an dem Faktor „unerreicht“ sollte die Band um Frontmann Tim Fletcher dann erstmal zu knabbern haben. Aber auch trotz Debüt und all dem Kram galt der 2006er Nachfolger „Without Feathers“ als kompletter Reinfall. Die Fans waren enttäuscht, es wirkte nämlich so, als hätte die Band einfach mal alle Stärken über Bord geschmissen und ein bewusst schlechtes Album aufgenommen. Wenn dies ein Konzept gewesen sein sollte, dann war’s auf jeden Fall kein gutes.

Schwamm drüber. Die Stills hätten es dabei belassen können, schafften allerdings glücklicherweise mit dem 2008er-Werk „Oceans Will Rise“ die Kurve. Es war natürlich kein „Logic“, aber glücklicherweise auch bei weitem kein „Feathers“. Es war richtig gut, präsentierte die Band in alter Stärker und trotzdem frisch. Songs, wie „Snow In California“, „Dinosaurs“ oder „Everything I Build“ vermittelten die Magie, die der geneigte Fan erwartet hatte. Die Zeichen standen wieder gut. Die Kings Of Leon nahmen die Stills mehr als einmal mit auf Tour und es wirkte so, als könnte vielleicht mit dem nächsten Album der entscheidende Schritt gelingen… Ob dies wirklich so gekommen wäre, finden wir jetzt nicht mehr heraus. Nachdem bereits seit einigen Monaten Funkstille herrschte (wenngleich das letzte Lebenszeichen die Ankündigung neuer Aufnahmen war), kam nun die dann doch irgendwie überraschende Abschiedsmeldung auf der Bandhomepage. Alle Beteiligten würden dies als den richtigen Schritt sehen. Na ja, vermutlich bleibt die Wahrheit über das Ende in den Köpfen der Band. Vielleicht auch besser so. Lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende. Aber soviel Schrecken wäre es sicher nicht gewesen. Und was kommt nun?

The Stills werden ohne Wenn und Aber eine unbedeutende Randnotiz in der Musikhistorie bleiben. Eine Band von deren Existenz in einigen Jahren sicher nur Insider wissen. Im Prinzip also wie jetzt. Die Stills waren und sind ein Geheimtipp und es Bedarf dann sicher geeigneter soziokultureller und -psychologischer Rahmenbedingungen um die gleiche Euphorie zu empfinden. Gute Musik liefern die Alben Eins und Drei aber in jedem Fall. Das müssen alle Sympathisanten des melodieverliebten, leicht melancholischen Indie-Rocks dann doch irgendwie zugeben. Was heißt das nun für mich? Leider habe ich es, wie bei anderen Bands (Hallo, New Order?) verpasst, die Stills mal live zu erleben. Das werde ich verkraften. Der Platz in meinem Herzen ist den traumhaften Songs in jedem Fall sicher. Da rüttelt nichts daran. Ich kann dann maximal noch die ein oder andere Empfehlung, wie in diesem Fall, aussprechen und hoffen, dass sie ankommt. Alles andere ist nur Bonus. Die Stills und ihre Songs waren und sind etwas Besonderes, zumindest für mich. Und sie werden das auch zukünftig bleiben. Natürlich für andere. Und Leben retten kann Musik ja auf unterschiedliche Art und Weise. In diesem Sinne ende ich mit einem leicht veränderten Zitat: This band will school you…

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