Donnerstag, 21. April 2011

Das Herz gebrochen

Changes Are No Good. Nach einer Dekade mit Höhen und Tiefen gab die kanadische Indie-Rock-Band The Stills in dieser Woche ihre Trennung bekannt. Aufgrund starker persönlicher Bande zwischen mir und der Musik folgt an dieser Stelle noch ein kleiner Nachruf…

Dass Bands kommen und gehen ist ja nichts Neues. Das kennt man. Die Gründe sind meist unterschiedlich. Vom Tod eines Bandmitglieds (Joy Division, Madrugada), der verbitterten Streit (Oasis), allgemeinem musikalischen Desinteresse (The White Stripes) oder der Erkenntnis, dass man seine Zeit gehabt habt (Faithless) ist da sicher einiges an Argumentationsgrundlagen vorhanden. Das Leben geht in jedem Fall weiter. Für einen selber, aber auch für die Band. Was bleibt ist die Musik und dann gelegentlich, bei manchen überraschenden Band-Splits, auch die Frage, wie dass denn alles weitergegangen wäre, wäre es nicht so weit gekommen. Und sicher, Musikkritiker aller Herren Länder dürften sich darüber einig sein, dass die Stills aus Kanada nicht die essentiellste Band der vergangenen zehn Jahre gewesen ist, aber gelegentlich soll es ja mal vorkommen, das Bands es schaffen, einzelne Individuen so stark zu prägen und zu beeinflussen, dass man zum bedingungslosen Fan wird und die Musik als das Wichtigste überhaupt erachtet.

TheStillsIm Falle der Stills hat dies viel mit „Logic Will Break Your Heart“, ihrem Debüt von 2003 zu tun. Fast alles sogar. Einer der größten Nachteile des Erwachsenwerdens ist ja die Tatsache, dass man emotional im gewissen Maße abstumpft. Das hat viel mit der abgeschlossenen Identitätsbildung und gefestigten sozialen Rollen zu tun. Musikalisch setzt dann auch oft das Argument „Kenn ich schon“ ein. Das Verhältnis zwischen dem Musikliebhaber und der Musik ändert sich. Zumindest dezent. Zumindest bei mir. Dass das nicht immer so war, davon konnten und können die Stills ein paar Lieder singen. Alles, was ich zu „Logic…“ zu sagen habe, all die warmen und herzlichen Worte, finden sich an dieser Stelle, als das Album damals einen mehr als verdienten zweiten Platz in meiner „Beste Platten der 2000er“-Liste einnahm. „Logic…“ erreichte mich ca. drei Jahre nach dem Release auf Umwegen und traf dann mitten ins Herz, mitten in eine Zeit, als wir- das Album und ich- für einander geschaffen waren. Als mir die zwölf rockig-melodischen Songs, irgendwo zwischen amerikanischem Death-Cab-Indie-Rock und dezenter 80er-Jahre Wave-Ästhetik, aus der Seele sprachen, mir Halt und Weg anboten und mir ganz sprichwörtlich das Leben gerettet haben. Ich muss darauf auch nicht näher eingehen, aber in meinem kleinem Universum wird „Logic Will Break Your Heart“ auf alle Ewigkeit ein unerreichtes Meisterwerk bleiben. Punkt. „Gender Bombs“, „Changes Are No Good“, „Let’s Roll“, „Fevered“… ich könnte jeden dieser Trennungs-/Weltschmerz-Songs aufführen. Das Denkmal stand und an dem Faktor „unerreicht“ sollte die Band um Frontmann Tim Fletcher dann erstmal zu knabbern haben. Aber auch trotz Debüt und all dem Kram galt der 2006er Nachfolger „Without Feathers“ als kompletter Reinfall. Die Fans waren enttäuscht, es wirkte nämlich so, als hätte die Band einfach mal alle Stärken über Bord geschmissen und ein bewusst schlechtes Album aufgenommen. Wenn dies ein Konzept gewesen sein sollte, dann war’s auf jeden Fall kein gutes.

Schwamm drüber. Die Stills hätten es dabei belassen können, schafften allerdings glücklicherweise mit dem 2008er-Werk „Oceans Will Rise“ die Kurve. Es war natürlich kein „Logic“, aber glücklicherweise auch bei weitem kein „Feathers“. Es war richtig gut, präsentierte die Band in alter Stärker und trotzdem frisch. Songs, wie „Snow In California“, „Dinosaurs“ oder „Everything I Build“ vermittelten die Magie, die der geneigte Fan erwartet hatte. Die Zeichen standen wieder gut. Die Kings Of Leon nahmen die Stills mehr als einmal mit auf Tour und es wirkte so, als könnte vielleicht mit dem nächsten Album der entscheidende Schritt gelingen… Ob dies wirklich so gekommen wäre, finden wir jetzt nicht mehr heraus. Nachdem bereits seit einigen Monaten Funkstille herrschte (wenngleich das letzte Lebenszeichen die Ankündigung neuer Aufnahmen war), kam nun die dann doch irgendwie überraschende Abschiedsmeldung auf der Bandhomepage. Alle Beteiligten würden dies als den richtigen Schritt sehen. Na ja, vermutlich bleibt die Wahrheit über das Ende in den Köpfen der Band. Vielleicht auch besser so. Lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende. Aber soviel Schrecken wäre es sicher nicht gewesen. Und was kommt nun?

The Stills werden ohne Wenn und Aber eine unbedeutende Randnotiz in der Musikhistorie bleiben. Eine Band von deren Existenz in einigen Jahren sicher nur Insider wissen. Im Prinzip also wie jetzt. Die Stills waren und sind ein Geheimtipp und es Bedarf dann sicher geeigneter soziokultureller und -psychologischer Rahmenbedingungen um die gleiche Euphorie zu empfinden. Gute Musik liefern die Alben Eins und Drei aber in jedem Fall. Das müssen alle Sympathisanten des melodieverliebten, leicht melancholischen Indie-Rocks dann doch irgendwie zugeben. Was heißt das nun für mich? Leider habe ich es, wie bei anderen Bands (Hallo, New Order?) verpasst, die Stills mal live zu erleben. Das werde ich verkraften. Der Platz in meinem Herzen ist den traumhaften Songs in jedem Fall sicher. Da rüttelt nichts daran. Ich kann dann maximal noch die ein oder andere Empfehlung, wie in diesem Fall, aussprechen und hoffen, dass sie ankommt. Alles andere ist nur Bonus. Die Stills und ihre Songs waren und sind etwas Besonderes, zumindest für mich. Und sie werden das auch zukünftig bleiben. Natürlich für andere. Und Leben retten kann Musik ja auf unterschiedliche Art und Weise. In diesem Sinne ende ich mit einem leicht veränderten Zitat: This band will school you…

nobono

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