Freitag, 20. Mai 2011

Missverstanden und Missglückt

Oh Gott, nicht die auch noch! Egal! Was Spiegel und Spex können, kann ich schon lange! Es gibt ein neues Lady Gaga-Album. Tatsache. Und wir hatten - das sieht man bspw. an den Platzierungen in den letzten Nobono-Awards – eh immer eine kleine Schwäche für die Dame. Leider schwächelt sie beim Album Nr. 2 dann aber doch mehr als angenommen...

51kHN98Bn9L-_SL500_AA300_Das neue Lady Gaga Album ist Mist! Das ist doch schon mal ein Eye-Catcher gleich zu Beginn der Rezension. Direkte Aussage, passend zur Direktheit der Künstlerin. Es ist natürlich schwer möglich über Mrs. Germanotta’s Musik zu reden ohne das Phänomen Gaga, welches die Popwelt im Blitz(licht)krieg in nur 2 Jahren niedergerungen hat, zumindest anzuschneiden. Das muss man mal schaffen. Aus dem Stand weg der wichtigste und wenn es nach einigen geht auch letzte große Popstar dieses Planeten. Sie polarisiert, sie fasziniert. Auch weil sie dem farblosen Korsett des Kommerzpops wieder etwas Würze gibt, indem sie diese verrückte Kunstfigur geschaffen hat, deren Konzept zwar gern mal aus der Popkultur der letzten 30 Jahre klaut, aber das fällt eben auch deshalb nicht so ins Gewicht, weil der Markt da eine klaffende Lücke aufwies. Auch musikalisch hat Gaga vermutlich fast im Alleingang der elektronischen Musik in den USA zum kommerziellen Durchbruch verholfen. 2011 versuchen Rihanna, Britney und Co. nicht nur wie Gaga auszusehen, sondern auch so zu klingen. In so kurzer Zeit so viel Einfluss... da kann man sicher eine kleine Dissertation drüber verfassen. Die Generation Gaga regiert die Welt. Man kann und muss das alles neidlos anerkennen. Und es hätte auch nicht so geklappt wenn die Musik nicht funktioniert hätte. All die Hits, seien es „Poker Face“, „Bad Romance“, „Alejandro“ oder „Paparazzi“ haben halt erst geholfen, das Phänomen mit jedem neuen Release zu festigen. Die Hitausbeutung des Debütalbums „The Fame“ (plus Zusatz „Fame Monster“) ist rückblickend gerade schon gespenstisch. Soviel hochkarätige Popsongs bekommen manche nicht mal in einer Karriere hin.

Zumal Gaga auch deshalb bei musikalisch etwas bewanderten Menschen, zu denen ich mich mal dreist zähle, punkten konnte, da sie irgendwie mehr war. Kunstfigur, aber auch Künstlerin, Komponistin, ihre eigene Produzentin und auch vor allem vielseitig. Den schmissigen Eurodisco-Singles stellte sie interessante Albumtracks entgegen, die gern mal Glam-Rock und kühler 80s-Pop sein konnten, gepaart mit extrem eingängigen Melodien. Eine Frau, die alles selber macht, die Bowie genau so liebt, wie Morrissey oder die Pet Shop Boys. Wie viele ihrer Kolleginnen können das schon von sich behaupten? Höher kann eine Messlatte also nicht liegen. Jetzt kommt „Born This Way“, Album Nr. Zwei der Frau, welche, geht es nach all den Pressestimmen, die Populärmusik im Alleingang retten soll. Das Album wird Pamphlet und Popwunder in einem. Also, soll es. Aber natürlich kann und muss Mrs. Gaga an diesem Anspruch scheitern. Alles weitere wäre nicht denkbar gewesen. Jede steigende Kurve hat auch irgendwann einen Bruch. Die Titelsingle war vorab schon eine ziemliche Ansage und machte vieles richtig. Alles schien so weiterzugehen, wie bisher. Unaufhaltsam? Vermutlich. An dem drohenden kommerziellen Erfolg wird sich nichts ändern lassen. Der Gaga-Hype wird weitergehen, solange bis wir alle die Schnauze voll haben. Das könnte allerdings schon eher der Fall sein, als der guten Frau lieb ist, denn es reicht schon der Durchlauf der neuen Platte um sich zu wünschen, die gute Dame würde einfach mal in Frührente gehen. Als Phänomen zwischen Twitter-Monologen und Schnitzel-Kleid wird Lady Gaga auch 2011 noch mitmischen, aber für alle Menschen, die, wie ich, eher die musikalische Hitdichte und Treffsicherheit der Amerikanerin schätzten, ist „Born This Way“ eine ziemliche Enttäuschung.

Ich weiß, viele Kritiker werfen ihr das eh vor, aber auf diesem Album klingt wirklich jeder Song gleich. Die Abwechslung des Debüts fehlt vollkommen, weil jede der 14(!) Nummern dem gleichen Prinzip folgt. Stampfender Kirmes-Techno-Pop mit den ewig gleich klingenden Vocals (Lasziv trifft Roboter trifft Schreien... und nie das eigene Name-Dropping vergessen) und Songstrukturen. Ausbrüche ins Rock- oder Balladenfach (mal vom okayen „You and I“ abgesehen) bleiben außen vor. Lady Gaga konzentriert sich vollkommen auf das Gaga-Single-Prinzip. Zwischendurch mischt sich da natürlich mal ein Gitarrensolo oder ein schickes 80er-Saxophon rein, aber ansonsten nix Neues von der Front. Stampfendes Four-To-The-Flour-Gehacke, uninspirierte Sirenen-Synthies und die ewig gleichen Analog-Basslinien, die so klingen, als hätten sich Daft Punk, Boys Noize und Co. einfach mal keine Mühe gegeben. Die stecken da natürlich nicht dahinter, sondern eher diverse billige US-Produzenten von der Stange. Vielleicht ist dies das überraschende... warum rennt diese Frau ihrem eigenen, längst ausgelutschten Trend hinterher? Nummer Sicher? Größenwahn? Jeder Song will sowieso eine Hymne sein, getreu dem Album- und Single-Motto. Du kannst alles schaffen, du bist du selbst, lass dir von niemandem was sagen. Und böse ist sie sowieso. Und sexy. Und sowieso. Die Zielgruppen unter 18, egal ob homo oder hetero werden sich wieder verstanden fühlen. „I’m bad, don’t care If you’re mad“. Nee, das muss mich auf keiner Gefühlsebene ansprechen.

Generell sollte man bei dieser Form der Musik nicht die falschen Bewertungskriterien ansetzen. Songs von Gaga, Madonna oder dem ollen Jacko waren in den seltensten Fällen dazu konzipiert, hoch musikalisch oder textlich tiefgründig zu sein. Popmusik aus diesem Bereich muss das nicht. Aber sie kann gut sein. Kurzweilig, vielseitig, mit spannenden Melodien, abwechslungsreichen Stimmungsbildern. Das Debüt konnte noch über weite Strecken eben exakt das bieten und das gar nicht mal so schlecht, so dass man sich durchaus als Gaga-Sympathisant, auch in kredibileren Musikkreisen äußern konnte. Doch „Born This Way“ scheint das genaue Gegenteil zu sein. Ein vollkommen überdrehtes Reißbrett-Pop-Album von der Stange, das keine Überraschungen bietet, vorhersehbar und langweilig ist und eine Künstlerin zeigt, die sich unter ihrem eigenen Wert verkauft. Vielleicht weil sie Angst hat, weil sie durch all den Erfolg schlichtweg durchgedreht ist bzw. einfach Fokus und Gespür auf der Strecke gelassen hat oder weil es Teil eines großen Konzepts ist. Wenn „Born This Way“ dieses Power-Pop-Sei-wie-du-bist-Album für die Generation Gaga sein soll, dann von mir aus. Ich fall dann mal dezent aus der Zielgruppe. Musikalisch betrachtet ist das ziemlicher Stuss und es wird sich zeigen, ob dieses Wesen Gaga am Ende nicht doch einfach nur einen kurzen und intensiven Lauf hatte oder künstlerisch wirklich noch was bewegen kann.

nobono

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