Reizüberflutung in Neongrün - Teil Zwei
Und weiter geht's. Zweite Hälfte des ausführlichen Festivalrückblicks.
Samstag / Teil II - Bratz! Bratz! Bratz!
Sobald es Nacht wird auf dem MELT! entfalten die Kräne mit all ihren Leuchtinstallationen erst ihren wahren Reiz. Diesem besonderen Ambiente verdankt das Festival u.a. seinen besonderen Ruf, den es sich in den letzten Jahren aufgebaut hat. Mit guten Rufen ist es ja meist so, dass sie sehr laut sind und von vielen Menschen gehört werden. So lies sich die Expansion des MELT! dieses Jahr nicht mehr wirklich verheimlichen. Die Tendenz der letzten Jahre wurde auf die Spitze getrieben. Besonders auch in dieser Samstagnacht, als ich mich auf die Suche nach elektronischer Tanzmusik machte, um dem schwachen Franz Ferdinand Auftritt noch etwas zum Abhotten folgen zu lassen. Viele Menschen um mich herum waren wohl mit der gleichen Suche beschäftigt. Also, wohin geht man nun? Erstmal durch die Schlammwüste (ein Königreich für Mutti’s guten alten Rindenmulch) zur Gemini, wo Mr. Oizo ein denkbar krankes Set auflegte. Krank im Sinne von vollkommen verrückter Effekte, grenzwertiger Cuts und totaler Übersteuerung stellenweise. So krank, dass es schon wieder gut war. Na ja, aber vielleicht doch etwas zu laut. Die Beats von Roisin Murphy auf der Hauptbühne waren da gradliniger, aber nicht weniger wummernd. Schicke Show, zu der ich aber nicht lange bleiben konnte. Auf der Gemini wurde der fliegende Wechsel von Oizo zu Labelkollegen DJ Feadz gemacht. Und wegen dem drängten sich kaum so viele Menschen auf die kleine Bühne. Feadz hatte immerhin MySpace-Rave-Szene-Hypegirl Uffie dabei. Was taugt diese Frau mit ihren schlüpfrigen Raps nun eigentlich? Nun, nicht viel. Anfangs saß sie mehr oder weniger gelangweilt hinter Feadz, der seine schnellen Breaks hervorragend zelebrierte. Es wirkte so, als müsste erst der schon sichtlich betrunkene Mr. Oizo die gute hinter dem DJ-Pult hervorzerren und sie zum Rappen zu animieren. Aber irgendwie war da nix zu spüren. Uffie hatte wenig Lust, dafür anscheinend schon viel Chemie im Blut, rappte ihre Hits herunter und das war’s. Klappt sicher in nem kleinen Club gut, nicht bei mehreren hundert Mann. Der Zuschauerraum wurde immer voller, bis zur Unerträglichkeit drängten sich Menschen auf die Bühne. Kapazität erschöpft. Falsch geplant. Der Tropfen, der das Fass der Sinnlosigkeit dieser Performance dann zum Überlaufen brachte war der Auftritt des 90er-Eurodisco-Trashprojekts Technotronic. Was soll der Scheiß? Wer braucht so etwas? Wer braucht unterstes Niveau auf einem früher mal hochkarätigen Musikfestival? Deichkind mögen ja noch in Ordnung gehen, aber das? Wenn das MELT! sich auf eine Stufe mit jeder x-beliebigen Dorfdisko stellt, muss es sich nicht wundern, dass genau dieses Kundenklientel dann zu später Stunde ebenfalls aufs Festivalgelände kam. Ist das MELT! nur noch ne Party ohne Hirn und Verstand? Ich war enttäuscht! Und das, wo doch die Sonne schon langsam am Aufgehen war und wir uns alle auf das spätnächtliche, bzw. frühmorgendliche Abrocken zu Boys Noize freuten. Ja, Boys Noize. Was soll man da noch sagen? Klar, Hirn und Verstand haben hier auch wenig Platz. Dazu ist dieses Feuerwerk an harten Beats, bartzigen, lautem Bass und Synthies einfach zu stumpfsinnig. Das es trotzdem funktioniert stempel ich mal als eine Art Wunder der Musik ab. Denn was die Tanzfläche da bot war eine Ansammlung von allen möglichen Leuten. Hippe Indie-Fashion-Typen neben Disco-Proleten aus dem Dorf nebenan. Dorgies neben zierlichen Indie-Mädels und Nerds mit Brillen. Und alle tanzen 2h durch zu den hämmernden Beats dieses jungen Mannes aus Berlin. Man kann sich dem nicht entziehen. Manche, weil die Drogen und das Red Bull so gut wirken, andere, weil es einfach so packend ist. Wann immer ich nicht mehr konnte, hat Herr Ridha aus Berlin den richtigen Track aufgelegt, dass es weiter gehen musste. Irgendwann war es um 7 und die Sonne stand schon am Himmel, aber keiner wollte aufhören. Als er dann als Zugabe quasi die Original-Version des 91er Prodigy-Hits „Out of Space“ reinlegte gab es kein Halten mehr. Hier war die Zeitreise perfekt. So ähnlich muss das gewesen sein in Hacienda und Co. damals, Ende der 80er. Euphorie und Ekstase in Reinkultur. Besser geht’s nicht. Man kann über all die Spinner auf dem Festival dieses Jahr rummotzen, wie man will, aber dass dieser Mann es schafft, sie alle am Ende zu vereinen und eine solche Stimmung zu erzeugen, das hat schon was. Da werfe ich auch kurzzeitig sämtliche Bedenken und Vorurteile über den Haufen. Kurz nach 7 und der zweiten Zugabe („Sweet Dreams“ von den Eurythmics… wtf?) wird Boys Noize der Strom abgedreht. Sowohl er, als auch das Publikum wollen mehr, aber er darf nich. Schade, Schade, Schade. Zufrieden und erschöpft waren wir aber dennoch. So konnte man mit all den anderen Partywütigen bei strahlender Sonne wieder Richtung Zelt laufen, fest davon überzeugt, dass jetzt der Sommer kommen würde und mit ihm alles automatisch besser wird.
Sonntag – Pille. Palle. Björk für alle.
Da war er nun. Der Sonntag. Neu! Augenscheinlich natürlich nur wegen Island’s Stargast, Björk (immerhin erster Deutschland-Gig nach 5 Jahren) angelegt. Andererseits sicher auch ein Testlauf, ob sich das Konzept 3-Tage-Festival in den nächsten Jahren lohnen würde. Also gab’s vor der isländischen Art-Allzweckwaffe noch ein paar Bands und die Shops und Imbissbuden lies man am besten auch gleich noch mal auf. Man weiß ja nie, ob sich da nicht noch was rausholen lässt. Auf Björk möchte ich übrigens gar nicht eingehen. Das legomännchen war auch vor Ort und er möchte gern eine separate Ode auf die isländische Bardin anstimmen. Darf er hiermit sehr gern! Der Beitrag folgt sicher bald.
Aus den morgendlichen Hoffnungen auf Sommer wurde dann im Laufe des Tages wieder mal nix. Das typische Wolken-Wetter der letzten Tage hatte sich längst wieder eingepegelt. Allerdings ne Sour wärmer. Da uns nach dem Boys Noize Tanzexkurs immer noch die Beine wehtaten und es wenig schlaf gab, verzichteten wir auf Act Nr. 1., die Los Campensinos (oder wie sie auch immer heißen). Allerdings entpuppte sich der zweite Act, zu dem wir es dann noch rechtzeitig schafften als umso größerer Überraschung… Das Synthiepopprojekt Neon Neon (jüngst für den renommierten Mercury Prize nominiert) zog mich mit seinen packenden Popsongs sofort in seinen Bann. Immerhin haben sie mit dem unwiderstehlichen „I Lust You“ einen Hit des Jahres im Gepäck. Und auch der Rest des Albums „Stainless Style“ überzeugte live mit netten Popsongs, inkl. 80er-Synthies und Kuhglocken. Die bescheidene Masse vor der Hauptbühne war ebenfalls sehr angetan. Da wollte auch der Regen lieber die Klappe halten und hielt sich bewusst zurück. Am Ende kamen dann auch noch die Campensinos (oder so, halt) mit auf die Bühne und alle feierten eine kleine, schöne Party der Vorbands. Sehr, sehr angenehm.
Auch Konstantin Gropper ist ein angenehmer Zeitgenosse. Er und sein viel besprochenes Projekt Get Well Soon standen als nächstes auf dem Plan. Gut, Gropper wirkt vor dem Auftritt bierernst, obwohl die Band vorher noch ein paar Gläser Jägermeister hinter der Bühne leert. Doch dann spielt er sie. Die Songs seines Debüts „Rest Now, Weary Head, you Will Get Well Soon“. Eines der besten Alben des Jahres. Das beste, was seit Jahren musikalisch aus diesem ansonsten eher highlightarmen Land kam. Und was das für Songs sind. Voller Kraft, Gefühl und Emotion. Große Kunst. Endlich mal! Ansonsten war diese Thematik ja eher rar auf dem diesjährigen MELT! gesät. Während die meisten Pille-Palle-Druff-Druff-Druff-Drogie’s noch in ihren Zelten schlummerten, zeigte Gropper mit seiner Band, welche Kraft Musik sein kann. Ein Monstrum wie „I sold my hands for food, so please feed me“ baut sich minutenlang auf, um dann am Ende zu explodieren. „If this head is missing…“ groovt sowieso und entwickelt dann, wenn die Band mit Kopfstimme den Refrain anstimmt, sogar unfreiwillige Komik. Auch das Underworld-Cover von „Born Slippy“ passt wohl nirgends so gut hin, wie in dieses Szenario. Die einstige Rave-Party-Hymne als melancholische Ballade. Besser geht’s nicht. Das merkt auch Herr Gropper, dem nun durchaus das ein oder andere Lächeln über die Lippen gleitet. Sehr angenehm. Toller Auftritt, der mir mal wieder vor Augen und Ohren gehalten hat, wie toll denn dieses unglaubliche Album ist. Wir sehen uns bei der Jahresendauswertung. Danach folgten die Battles, deren verrückter Experimentalmix aus Elektro, Rock, Prog und was auch immer sicher ganz nett ist für Menschen, denen so was gefällt, aber ich gehör leider gar nicht dazu. Deshalb ging das so völlig an mir vorbei. Da hab ich mir lieber ne Zuckerwatte gekauft. Beste Vorbereitung für den langerwarteten Zuckerpop von Hot Chip im Anschluss.
Nachdem fulminanten Auftritt zum letzten MELT! und auch einem sehr genialen Sologig, dem ich im März in München beiwohnen durfte, gilt die Band für mich mittlerweile nicht nur als eine der innovativsten Bands überhaupt, sondern auch als eine der besten Livebands überhaupt. Hot Chip brennen live regelmäßig alle Spielstätten ab, in denen sie anwesend sind. Die Messlatte lag also sehr hoch, aber am Ende blieb die Band weit unter ihren Erwartungen zurück. Und da konnte sie am Ende nicht mal irgendwas dafür.
Schuld war dieses MELT! Dieses Massen-MELT! Vermutlich waren sämtliche Techniker Backstage schon mit den Gedanken bei Björk angelangt, denn es hielt anscheinend niemand für notwendig, sich um Hot Chip zu kümmern, deren Bühnenmonitore anscheinend von Anfang an rumsponnen. Besonders Front-Nerd Alexis Taylor hatte damit zu kämpfen, dass er sich nicht hören konnte. Ich glaub, die ganze Band konnte sich nicht richtig hören. Wir sie schon, aber was bringt denen das. Permanentes Nachfragen hinter der Bühne brachte gar nichts. Nach jedem Song verschwand Taylor backstage um sich zu beschweren, aber erst nach ner halben Stunde kam endlich mal jemand, mit dem Ergebnis, dass es am Ende kein Ergebnis gab. Die Band wurde wütend und es folgte das, was man da erwartet. Ein verkürztes Set, eine größtenteils instrumentale Version von „One Pure Thought“, nachdem Taylor gefrustet das Mikro weggeschmissen hat, Planlosigkeit bei Band und Personal. Die Band war sauer, angepisst und so kann kein Funke überspringen. Schon gar nicht bei einem Publikum, welches bei weitem nicht so ausgetickt ist, wie noch 2007 bei dieser Band. Das hätte noch was gerettet, aber anscheinend sind 3 Tage Festival für viele zu viel Party. Ich konnte noch, aber na ja. Mich fragt ja keiner. Auf der Homepage war das MELT! so stolz im Vorfeld, das Hot Chip zum dritten Mal in Folge auf dem Festival spielten. Ja, von Liebe war da sogar die Rede. Diese Beziehung wurde an diesem Abend wohl auf unbestimmte Zeit beendet, durch ein extrem unprofessionelles Auftreten der Techniker. Erwähnt wird dieser peinliche Auftritt natürlich in sämtlichen Lobes-Rückblicken nicht. Was? Hot Chip waren da? Ich denk, es gab nur Björk? Tja, immerhin rettete Björk den Abend dann noch. Aber dazu wird unser Legomann hier auf Nobono bald mehr berichten…
Fazit – Was bleibt.
Insgesamt bleibt ein recht durchwachsenes Fazit meines Lieblingsfestivals übrig. Sicher, die Musik und die Auswahl war gut wie jedes Jahr, das Lineup nahe an der Perfektion. Wenn’s um die Musik geht macht dem MELT! so schnell keiner was vor. Doch zu einem gelungenen Festival gehören dann am Ende einfach noch viele andere Faktoren. Eine chaotische Organisation, schlechte Kommunikation unter dem Personal, Nazi-Ordner, schlechte Informationspolitik und schlechte Planung (noch mal… Whitest Boy Alive in nem Club???) gehören nicht dazu. Auch kann man sich streiten, ob 23.000 Leute gut für’s MELT! sind. Besonders die Leute, die am Ende dabei waren. Ja, gegen hippe Mode-Rave-Kiddies kann man nix machen. Deren Oberflächlichkeit ist subkulturbedingt. War ja schon immer so. Ich persönlich kann auf zugedröhnte Drogis aus England und Dorf-Prolls aus der Umgebung in Zukunft verzichten. „Pille-Palle-Druff-Druff-Druff“ muss doch nicht sein. Das Festival verliert seine Exklusivität, dieses gewisse Etwas, diese Form von Geschmack. Das MELT! braucht keine 90er-Trash-Acts. Wehe sie laden Scooter nächstes Jahr ein. Generell brauch das MELT! weniger von allem. Weniger Gäste, weniger Acts, weniger Bühnen. Oder kleinere Bühnen. Zwar war die Main Stage dieses Jahr größer und anders positioniert, was allerdings das Problem mit sich brachte, dass sich die Menschenmenge, selbst bei Björk, vor der Bühne verlaufen hat und nie annähernd die Stimmung aufkam, welche in den letzten Jahren vor der Hauptbühne aufgekommen ist. Das ist schade. Für’s Festivalbild und für die Bands. Es ist ein abgedroschener Spruch, aber Größe ist nun mal wirklich nicht alles. Das MELT! muss nicht Hurricane und Highfield sein. Es funktioniert auch mit weniger. Am Ende waren es trotzdem 3 sehr schöne Tage, trotz des Wetters und des Chaos. Es bleibt halt ein etwas bitterer Beigeschmack, wenn man es von den letzten Jahren her kannte. Das MELT! steht nun am Scheideweg und man muss schauen, welche Änderungen, die die Veranstalter jetzt schon versprochen haben, nächstes Jahr wirklich zünden werden und welche Acts sie uns dann präsentieren. Bis dahin warte ich einfach noch etwas mit dem Kartenkauf und schaue, was passiert.
Samstag / Teil II - Bratz! Bratz! Bratz!
Sobald es Nacht wird auf dem MELT! entfalten die Kräne mit all ihren Leuchtinstallationen erst ihren wahren Reiz. Diesem besonderen Ambiente verdankt das Festival u.a. seinen besonderen Ruf, den es sich in den letzten Jahren aufgebaut hat. Mit guten Rufen ist es ja meist so, dass sie sehr laut sind und von vielen Menschen gehört werden. So lies sich die Expansion des MELT! dieses Jahr nicht mehr wirklich verheimlichen. Die Tendenz der letzten Jahre wurde auf die Spitze getrieben. Besonders auch in dieser Samstagnacht, als ich mich auf die Suche nach elektronischer Tanzmusik machte, um dem schwachen Franz Ferdinand Auftritt noch etwas zum Abhotten folgen zu lassen. Viele Menschen um mich herum waren wohl mit der gleichen Suche beschäftigt. Also, wohin geht man nun? Erstmal durch die Schlammwüste (ein Königreich für Mutti’s guten alten Rindenmulch) zur Gemini, wo Mr. Oizo ein denkbar krankes Set auflegte. Krank im Sinne von vollkommen verrückter Effekte, grenzwertiger Cuts und totaler Übersteuerung stellenweise. So krank, dass es schon wieder gut war. Na ja, aber vielleicht doch etwas zu laut. Die Beats von Roisin Murphy auf der Hauptbühne waren da gradliniger, aber nicht weniger wummernd. Schicke Show, zu der ich aber nicht lange bleiben konnte. Auf der Gemini wurde der fliegende Wechsel von Oizo zu Labelkollegen DJ Feadz gemacht. Und wegen dem drängten sich kaum so viele Menschen auf die kleine Bühne. Feadz hatte immerhin MySpace-Rave-Szene-Hypegirl Uffie dabei. Was taugt diese Frau mit ihren schlüpfrigen Raps nun eigentlich? Nun, nicht viel. Anfangs saß sie mehr oder weniger gelangweilt hinter Feadz, der seine schnellen Breaks hervorragend zelebrierte. Es wirkte so, als müsste erst der schon sichtlich betrunkene Mr. Oizo die gute hinter dem DJ-Pult hervorzerren und sie zum Rappen zu animieren. Aber irgendwie war da nix zu spüren. Uffie hatte wenig Lust, dafür anscheinend schon viel Chemie im Blut, rappte ihre Hits herunter und das war’s. Klappt sicher in nem kleinen Club gut, nicht bei mehreren hundert Mann. Der Zuschauerraum wurde immer voller, bis zur Unerträglichkeit drängten sich Menschen auf die Bühne. Kapazität erschöpft. Falsch geplant. Der Tropfen, der das Fass der Sinnlosigkeit dieser Performance dann zum Überlaufen brachte war der Auftritt des 90er-Eurodisco-Trashprojekts Technotronic. Was soll der Scheiß? Wer braucht so etwas? Wer braucht unterstes Niveau auf einem früher mal hochkarätigen Musikfestival? Deichkind mögen ja noch in Ordnung gehen, aber das? Wenn das MELT! sich auf eine Stufe mit jeder x-beliebigen Dorfdisko stellt, muss es sich nicht wundern, dass genau dieses Kundenklientel dann zu später Stunde ebenfalls aufs Festivalgelände kam. Ist das MELT! nur noch ne Party ohne Hirn und Verstand? Ich war enttäuscht! Und das, wo doch die Sonne schon langsam am Aufgehen war und wir uns alle auf das spätnächtliche, bzw. frühmorgendliche Abrocken zu Boys Noize freuten. Ja, Boys Noize. Was soll man da noch sagen? Klar, Hirn und Verstand haben hier auch wenig Platz. Dazu ist dieses Feuerwerk an harten Beats, bartzigen, lautem Bass und Synthies einfach zu stumpfsinnig. Das es trotzdem funktioniert stempel ich mal als eine Art Wunder der Musik ab. Denn was die Tanzfläche da bot war eine Ansammlung von allen möglichen Leuten. Hippe Indie-Fashion-Typen neben Disco-Proleten aus dem Dorf nebenan. Dorgies neben zierlichen Indie-Mädels und Nerds mit Brillen. Und alle tanzen 2h durch zu den hämmernden Beats dieses jungen Mannes aus Berlin. Man kann sich dem nicht entziehen. Manche, weil die Drogen und das Red Bull so gut wirken, andere, weil es einfach so packend ist. Wann immer ich nicht mehr konnte, hat Herr Ridha aus Berlin den richtigen Track aufgelegt, dass es weiter gehen musste. Irgendwann war es um 7 und die Sonne stand schon am Himmel, aber keiner wollte aufhören. Als er dann als Zugabe quasi die Original-Version des 91er Prodigy-Hits „Out of Space“ reinlegte gab es kein Halten mehr. Hier war die Zeitreise perfekt. So ähnlich muss das gewesen sein in Hacienda und Co. damals, Ende der 80er. Euphorie und Ekstase in Reinkultur. Besser geht’s nicht. Man kann über all die Spinner auf dem Festival dieses Jahr rummotzen, wie man will, aber dass dieser Mann es schafft, sie alle am Ende zu vereinen und eine solche Stimmung zu erzeugen, das hat schon was. Da werfe ich auch kurzzeitig sämtliche Bedenken und Vorurteile über den Haufen. Kurz nach 7 und der zweiten Zugabe („Sweet Dreams“ von den Eurythmics… wtf?) wird Boys Noize der Strom abgedreht. Sowohl er, als auch das Publikum wollen mehr, aber er darf nich. Schade, Schade, Schade. Zufrieden und erschöpft waren wir aber dennoch. So konnte man mit all den anderen Partywütigen bei strahlender Sonne wieder Richtung Zelt laufen, fest davon überzeugt, dass jetzt der Sommer kommen würde und mit ihm alles automatisch besser wird.
Sonntag – Pille. Palle. Björk für alle.
Da war er nun. Der Sonntag. Neu! Augenscheinlich natürlich nur wegen Island’s Stargast, Björk (immerhin erster Deutschland-Gig nach 5 Jahren) angelegt. Andererseits sicher auch ein Testlauf, ob sich das Konzept 3-Tage-Festival in den nächsten Jahren lohnen würde. Also gab’s vor der isländischen Art-Allzweckwaffe noch ein paar Bands und die Shops und Imbissbuden lies man am besten auch gleich noch mal auf. Man weiß ja nie, ob sich da nicht noch was rausholen lässt. Auf Björk möchte ich übrigens gar nicht eingehen. Das legomännchen war auch vor Ort und er möchte gern eine separate Ode auf die isländische Bardin anstimmen. Darf er hiermit sehr gern! Der Beitrag folgt sicher bald.
Aus den morgendlichen Hoffnungen auf Sommer wurde dann im Laufe des Tages wieder mal nix. Das typische Wolken-Wetter der letzten Tage hatte sich längst wieder eingepegelt. Allerdings ne Sour wärmer. Da uns nach dem Boys Noize Tanzexkurs immer noch die Beine wehtaten und es wenig schlaf gab, verzichteten wir auf Act Nr. 1., die Los Campensinos (oder wie sie auch immer heißen). Allerdings entpuppte sich der zweite Act, zu dem wir es dann noch rechtzeitig schafften als umso größerer Überraschung… Das Synthiepopprojekt Neon Neon (jüngst für den renommierten Mercury Prize nominiert) zog mich mit seinen packenden Popsongs sofort in seinen Bann. Immerhin haben sie mit dem unwiderstehlichen „I Lust You“ einen Hit des Jahres im Gepäck. Und auch der Rest des Albums „Stainless Style“ überzeugte live mit netten Popsongs, inkl. 80er-Synthies und Kuhglocken. Die bescheidene Masse vor der Hauptbühne war ebenfalls sehr angetan. Da wollte auch der Regen lieber die Klappe halten und hielt sich bewusst zurück. Am Ende kamen dann auch noch die Campensinos (oder so, halt) mit auf die Bühne und alle feierten eine kleine, schöne Party der Vorbands. Sehr, sehr angenehm.
Auch Konstantin Gropper ist ein angenehmer Zeitgenosse. Er und sein viel besprochenes Projekt Get Well Soon standen als nächstes auf dem Plan. Gut, Gropper wirkt vor dem Auftritt bierernst, obwohl die Band vorher noch ein paar Gläser Jägermeister hinter der Bühne leert. Doch dann spielt er sie. Die Songs seines Debüts „Rest Now, Weary Head, you Will Get Well Soon“. Eines der besten Alben des Jahres. Das beste, was seit Jahren musikalisch aus diesem ansonsten eher highlightarmen Land kam. Und was das für Songs sind. Voller Kraft, Gefühl und Emotion. Große Kunst. Endlich mal! Ansonsten war diese Thematik ja eher rar auf dem diesjährigen MELT! gesät. Während die meisten Pille-Palle-Druff-Druff-Druff-Drogie’s noch in ihren Zelten schlummerten, zeigte Gropper mit seiner Band, welche Kraft Musik sein kann. Ein Monstrum wie „I sold my hands for food, so please feed me“ baut sich minutenlang auf, um dann am Ende zu explodieren. „If this head is missing…“ groovt sowieso und entwickelt dann, wenn die Band mit Kopfstimme den Refrain anstimmt, sogar unfreiwillige Komik. Auch das Underworld-Cover von „Born Slippy“ passt wohl nirgends so gut hin, wie in dieses Szenario. Die einstige Rave-Party-Hymne als melancholische Ballade. Besser geht’s nicht. Das merkt auch Herr Gropper, dem nun durchaus das ein oder andere Lächeln über die Lippen gleitet. Sehr angenehm. Toller Auftritt, der mir mal wieder vor Augen und Ohren gehalten hat, wie toll denn dieses unglaubliche Album ist. Wir sehen uns bei der Jahresendauswertung. Danach folgten die Battles, deren verrückter Experimentalmix aus Elektro, Rock, Prog und was auch immer sicher ganz nett ist für Menschen, denen so was gefällt, aber ich gehör leider gar nicht dazu. Deshalb ging das so völlig an mir vorbei. Da hab ich mir lieber ne Zuckerwatte gekauft. Beste Vorbereitung für den langerwarteten Zuckerpop von Hot Chip im Anschluss.
Nachdem fulminanten Auftritt zum letzten MELT! und auch einem sehr genialen Sologig, dem ich im März in München beiwohnen durfte, gilt die Band für mich mittlerweile nicht nur als eine der innovativsten Bands überhaupt, sondern auch als eine der besten Livebands überhaupt. Hot Chip brennen live regelmäßig alle Spielstätten ab, in denen sie anwesend sind. Die Messlatte lag also sehr hoch, aber am Ende blieb die Band weit unter ihren Erwartungen zurück. Und da konnte sie am Ende nicht mal irgendwas dafür.
Schuld war dieses MELT! Dieses Massen-MELT! Vermutlich waren sämtliche Techniker Backstage schon mit den Gedanken bei Björk angelangt, denn es hielt anscheinend niemand für notwendig, sich um Hot Chip zu kümmern, deren Bühnenmonitore anscheinend von Anfang an rumsponnen. Besonders Front-Nerd Alexis Taylor hatte damit zu kämpfen, dass er sich nicht hören konnte. Ich glaub, die ganze Band konnte sich nicht richtig hören. Wir sie schon, aber was bringt denen das. Permanentes Nachfragen hinter der Bühne brachte gar nichts. Nach jedem Song verschwand Taylor backstage um sich zu beschweren, aber erst nach ner halben Stunde kam endlich mal jemand, mit dem Ergebnis, dass es am Ende kein Ergebnis gab. Die Band wurde wütend und es folgte das, was man da erwartet. Ein verkürztes Set, eine größtenteils instrumentale Version von „One Pure Thought“, nachdem Taylor gefrustet das Mikro weggeschmissen hat, Planlosigkeit bei Band und Personal. Die Band war sauer, angepisst und so kann kein Funke überspringen. Schon gar nicht bei einem Publikum, welches bei weitem nicht so ausgetickt ist, wie noch 2007 bei dieser Band. Das hätte noch was gerettet, aber anscheinend sind 3 Tage Festival für viele zu viel Party. Ich konnte noch, aber na ja. Mich fragt ja keiner. Auf der Homepage war das MELT! so stolz im Vorfeld, das Hot Chip zum dritten Mal in Folge auf dem Festival spielten. Ja, von Liebe war da sogar die Rede. Diese Beziehung wurde an diesem Abend wohl auf unbestimmte Zeit beendet, durch ein extrem unprofessionelles Auftreten der Techniker. Erwähnt wird dieser peinliche Auftritt natürlich in sämtlichen Lobes-Rückblicken nicht. Was? Hot Chip waren da? Ich denk, es gab nur Björk? Tja, immerhin rettete Björk den Abend dann noch. Aber dazu wird unser Legomann hier auf Nobono bald mehr berichten…
Fazit – Was bleibt.
Insgesamt bleibt ein recht durchwachsenes Fazit meines Lieblingsfestivals übrig. Sicher, die Musik und die Auswahl war gut wie jedes Jahr, das Lineup nahe an der Perfektion. Wenn’s um die Musik geht macht dem MELT! so schnell keiner was vor. Doch zu einem gelungenen Festival gehören dann am Ende einfach noch viele andere Faktoren. Eine chaotische Organisation, schlechte Kommunikation unter dem Personal, Nazi-Ordner, schlechte Informationspolitik und schlechte Planung (noch mal… Whitest Boy Alive in nem Club???) gehören nicht dazu. Auch kann man sich streiten, ob 23.000 Leute gut für’s MELT! sind. Besonders die Leute, die am Ende dabei waren. Ja, gegen hippe Mode-Rave-Kiddies kann man nix machen. Deren Oberflächlichkeit ist subkulturbedingt. War ja schon immer so. Ich persönlich kann auf zugedröhnte Drogis aus England und Dorf-Prolls aus der Umgebung in Zukunft verzichten. „Pille-Palle-Druff-Druff-Druff“ muss doch nicht sein. Das Festival verliert seine Exklusivität, dieses gewisse Etwas, diese Form von Geschmack. Das MELT! braucht keine 90er-Trash-Acts. Wehe sie laden Scooter nächstes Jahr ein. Generell brauch das MELT! weniger von allem. Weniger Gäste, weniger Acts, weniger Bühnen. Oder kleinere Bühnen. Zwar war die Main Stage dieses Jahr größer und anders positioniert, was allerdings das Problem mit sich brachte, dass sich die Menschenmenge, selbst bei Björk, vor der Bühne verlaufen hat und nie annähernd die Stimmung aufkam, welche in den letzten Jahren vor der Hauptbühne aufgekommen ist. Das ist schade. Für’s Festivalbild und für die Bands. Es ist ein abgedroschener Spruch, aber Größe ist nun mal wirklich nicht alles. Das MELT! muss nicht Hurricane und Highfield sein. Es funktioniert auch mit weniger. Am Ende waren es trotzdem 3 sehr schöne Tage, trotz des Wetters und des Chaos. Es bleibt halt ein etwas bitterer Beigeschmack, wenn man es von den letzten Jahren her kannte. Das MELT! steht nun am Scheideweg und man muss schauen, welche Änderungen, die die Veranstalter jetzt schon versprochen haben, nächstes Jahr wirklich zünden werden und welche Acts sie uns dann präsentieren. Bis dahin warte ich einfach noch etwas mit dem Kartenkauf und schaue, was passiert.
rhododendron - 25. Jul, 15:34