Oden an das Leben
Zwei deutsche Bands feiern das Leben, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und auch die Art und Weise, wie Tomte und Deichkind feiern könnte kaum unterschiedlicher sein. An dieser Stelle Eindrücke zu beiden Werken
So, also eine Tome-Kritik mit dem Satz „Thees Uhlmann ist ein recht streitbarer Charakter“ zu beginnen, ist so ungefähr das abgestandenste Klischee überhaupt. Wie umgehe ich dies alles nun? Hmm, erstmal weg von Uhlmann, hin zum Album. Und zu meinen Tomte-Vorkenntnissen, die sich auf eine handvoll sehr geiler Songs beschränkt, wobei ich aber gestehen muss, nie ein Album wirklich intensiv und komplett mehrmals gehört zu haben. Das quasi als Vorwissen. Somit ist „Heureka“ dann nach einiger Zeit doch das erste Album der Hamburger Band, mit welchem ich mich etwas mehr beschäftigt habe. Why? Zum Einen haben mich die tollen Songs, die ich vorher kannte geködert und zum anderen auch die tolle Single „Der letzte große Wal“. Die ist, un-überraschenderweise, die eingängigste und offensichtlichste Hitsingle der Platte. Ob das so geplant war oder nicht, weiß nur die Band selber. Ansonsten ist „Heureka“, insofern ich das beurteilen kann, eine recht typische Tomte-Platte, was Sound und Songs angeht. Thees Uhlmann schmettert seine kryptischen und vielseitig interpretierbaren Texte wieder einmal mit so schön lang gezogenen Vokalen auf nette Indierock-Songs, die musikalisch irgendwo zwischen Oasis, Death Cab For Cutie oder den Smiths liegen. An sich ja schon mal nicht so verkehrt. Was „Heureka“ bei vielen Tomte-Fans wohl zum Streitthema macht ist die Tatsache, dass die Platte offensichtlich ruhiger, glatter und gesetzter ist, als die bisherigen Tomte Alben. Da stellt sich die Frage, ob Thees Uhlmann mit Mitte 30 langsam altersmüde wird. Man könnte schimpfen, dass „Heureka“ zu zahm ist, zu mild… es fehlen die Reizpunkte von einst. Wobei ich das jetzt mal nicht so extrem sehen würde. Fakt ist nur, dass es Uhlmann grad besser geht, als früher. Vielleicht ist die Wut raus, vielleicht ist es auch die Liebe. Gepaart mit etwas Melancholie. So ist „Heureka“ irgendwie eine kleine Ode an das Leben. Man feiert das Leben und blickt nebenher etwas melancholisch um sich. Dies ist kein Album eines wütenden Typen mit Mitte 20, sondern von jemand der sich mit Mitte 30 langsam damit abfindet, dass zu sein, was er ist. Den Anschein hab ich zumindest. Das muss man nicht mögen und das muss einen nicht ansprechen, aber man muss es akzeptieren.
All die Erklärungsversuche täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die erste Hälfte des Albums eher schwächer ausfällt. Der Titelsong ist ein ganz netter Opener, versucht aber fast schon zu krampfhaft einer zu sein. Songs wie „Wie ein Planet“ oder „Wie sieht’s in Hamburg aus?“ sowie „Es ist nur so das du fehlst“ sind einfach schwach. Keine sonderlich guten Songs. Bis dahin dümpelt das Album eher so vor sich hin. Zwar bietet es mit „Du nennst es Pathos, ich nenn es Leben“ den coolsten Satz des Albums, aber na ja… irgendwie zündet’s nicht. Persönlicher Wendepunkt ist der vielleicht beste Song des Albums, das recht unscheinbar wirkende „Und ich wander“. Uhlmann’s Spaziergang durch eine warme Sommernacht strotzt voller Melancholie, Gefühl und Atmosphäre und ist der lebende Beweis, dass ruhige Songs es eben doch bringen können. Ein Glanzstück. Danach wird es ein wenig besser im Gegensatz zur ersten Hälfte. „Du bringst die Stories“ ist ein schöner kleiner Popsong, „Das Orchester spielt einen Walzer“ eine wunderschöne Ballade, die sich haarscharf am Kitsch bewegt, ihn manchmal mitnimmt, aber der man das doch irgendwie verzeiht. Und dann dieses ganz und gar untypische 6min-Werk „Nichts ist so schön auf der Welt wie betrunken traurige Musik zu hören“. Anfangs wandelt die Band noch im Nebel, bevor der Song am Ende ausbricht und so zu einer kraftvollen Hymne wird, welche die musikalischen Qualitäten der Band einmal mehr zeigt. Und am Ende hin werden die alten Hamburger Schule Fans mit „Dein Herz sei wild“ und der lauten, besseren Variante von „Voran Voran“ bedient. Wenn man so will, sind das die Tomte, die man erwartet hat.
Aber was erwartet man von so einem Album eigentlich. Und muss die Band solche Erwartungen erfüllen? Eigentlich machen sie das auch nicht. „Heureka“ ist kein schlechtes Album. Es könnte natürlich besser sein, besonders die erste, schwache Hälfte. Und man kann den hohen Pathos-Gehalt bemängeln. Aber wenn Oasis so etwas machen, wird es als großes Kino abgetan. Aber warum dürfen Tomte das nicht? Bands und Künstler verändern sich. Ihre Ansichten und Verhaltensweisen. Thees Uhlmann wirkt gesetzter, vielleicht auch gesättigter, aber es muss sich zeigen, ob dies eine Momentaufnahme ist oder nicht. Eine fröhliche, etwas trunkene Melancholie ist es, die „Heureka“ umweht. Jeder, der dieses Gefühl kennt, wird diese Platte auch in großen Teilen verstehen. Die Zukunft für Tomte ist nach wie vor offen. Es ist okay. Heute lassen wir das sein. Thees bringt die Stories und wir trinken dazu statt Bier halt mal Wein.
"Und Ich Wander" (YouTube Clip)
"Der letzte große Wal" (Video)
Bei Deichkind ist das umgedreht. Da ist Bier die oberste Maxime. Darauf kann man sich einigen. Die Musikwelt allerdings nicht wirklich. Für die eine Hälfte ist Deichkind struntzdumme Assimusik, für die andere eine Art intelligentes Kunst-Konzept, welches eben dieser dummen Gesellschaft den Spiegel vorhält und sie so entlarvt. Ironie oder Idiotie? Das ist hier die Frage. Die Lösung für eben jene Frage liegt dabei sicher in der persönlichen Einstellung, Intelligenz und Distanz des Betrachters. Deichkind, als die neuen, seit „E.S.D.B.“ vor 3 Jahren, sind für mich in erster Linie blendendes Entertainment. Ihre Reime sind witzig, ihre Beats sind fette Elektrobretter und ihre Live Shows sind eh legendär. Die Konzerte von Deichkind sind auch die Hauptinspiration für das Album „Arbeit Nervt!“. Das Album zur Show, die Platte zum Konzept Deichkind, deren Mitglieder längst nicht mehr eindeutig ausmachbar sind. Hier geht’s um mehr. Botschaft? Hmm, gibt es so was? Na ja, der Albumtitel inklusive Titeltrack geben das Motto vor. Der Rest der Platte bewegt sich auch in diesem Themenbereich. Deichkind zelebrieren den ungehemmten Hedonismus. Das Doof-Sein! Einmal Assi ohne Wiederkehr. Titten, Tanzen und Trichtersaufen ist das was zählt im Deichkind-Universum. Auf diese Thematik muss man sich einlassen, oder es seinlassen. Wenn man das macht hat man jede Menge Spaß. Wenn beim Opening-Track „Kein Gott! Kein Staat! Lieber was zu saufen“ proklamiert wird, dann hat das sowohl was politisches, aber auch was stumpfsinniges. Auf jeden Fall bekomme ich Durst dabei. „Dicker Bauch“ mit einer Hommage an all die Schwergewichtler des Showgeschäftes ist dann natürlich ein weiterer Grund zum Schmunzeln. „Travelpussy“ ist ein lustiges Sammelsurium von Zweideutigkeiten, während das wirklich struntzdämliche „Komm rüber“ da schon eindeutiger ist. Und obwohl man Lachen muss, ist es halt ganz oft so, dass Deichkind gar nichts anderes machen, als die Realität abzubilden. So breite Spasten, wie in eben diesem Song gibt’s auf jeder Party. Die Computerhymne „Ich und mein Computer“ führt mal ganz nebenbei alle Probleme des modernen Kommunikationszeitalters auf und mit dem poppigen „Luftbahn“ hat man sogar fast schon ein melancholisches Stück über die Schönheit eines Trips, ob nun drogenbedingt oder nicht, an Bord. Im Gegensatz zum noch etwas unbeholfenen Vorgängeralbum „Aufstand im Schlaraffenland“ sind Deichkind musikalisch mittlerweile wesentlich gefestigter, was ihr Metier angeht und vor allem abwechslungsreicher und gewagter. Während „Gut dabei“ klassisch, fast im Hip Hop Korsett, abgeht ist „Metro“ ein knallhartes Brett. Und der letzte Song „Urlaub vom Urlaub“ geht schon fast als Ballade durch. Vielleicht die Richtung der Zukunft.
„Arbeit Nervt!“ macht Laune und Bock auf Feiern und schaltet dabei öfters bewusst das Hirn aus. Wer dies allerdings nicht komplett macht, wird am Ende zwischen den Zeilen öfters mal die Ironie über die moderne Party-Gesellschaft oder den klischeehaften „Hartz IV“-Empfänger erkennen. Deichkind geben sich dümmer, als sie sind, und gerade das macht sie so intelligent. Vielleicht interpretier ich zu viel in diese Musik hinein, aber vielleicht ist das auch einfach etwas, dass damit automatisch einher geht. Damit hat die Band das Ziel, zu unterhalten und auch zu polarisieren, mehr als erreicht. Das Problem an dieser Musik ist dann halt lediglich jenes, dass die Menschen die Ironie und die Übertreibung nicht mehr sehen. Das ist dann das Traurige an dieser Remmidemmi-Gesellschaft. Exzess bis um Extrem und nix dahinter. Aber na gut. Darüber könnte man jetzt mehrere soziologische Aufsätze schreiben. Wer das will, kann das machen. Ich hab jetzt Bock auf Tanzen und Trinken. Und das darf durchaus mal sein. Dazu eignet sich dieses Album bestens! Deichkind machen Lärm! Und den machen sie kreativ. Das Tomte und Deichkind mal zusammen auf das Leben anstoßen halte ich für eher unwahrscheinlich und vergleichen will ich die Platten schon mal gar nicht. Sagen wir mal so. Man kann das Leben manchmal feiern. Egal ob mit Melancholie mit Wein oder mit Party und Bier. Beide Varianten sind auf jeden Fall erwünscht.
"Arbeit Nervt" (Video)
"Luftbahn" (YouTube Clip)
So, also eine Tome-Kritik mit dem Satz „Thees Uhlmann ist ein recht streitbarer Charakter“ zu beginnen, ist so ungefähr das abgestandenste Klischee überhaupt. Wie umgehe ich dies alles nun? Hmm, erstmal weg von Uhlmann, hin zum Album. Und zu meinen Tomte-Vorkenntnissen, die sich auf eine handvoll sehr geiler Songs beschränkt, wobei ich aber gestehen muss, nie ein Album wirklich intensiv und komplett mehrmals gehört zu haben. Das quasi als Vorwissen. Somit ist „Heureka“ dann nach einiger Zeit doch das erste Album der Hamburger Band, mit welchem ich mich etwas mehr beschäftigt habe. Why? Zum Einen haben mich die tollen Songs, die ich vorher kannte geködert und zum anderen auch die tolle Single „Der letzte große Wal“. Die ist, un-überraschenderweise, die eingängigste und offensichtlichste Hitsingle der Platte. Ob das so geplant war oder nicht, weiß nur die Band selber. Ansonsten ist „Heureka“, insofern ich das beurteilen kann, eine recht typische Tomte-Platte, was Sound und Songs angeht. Thees Uhlmann schmettert seine kryptischen und vielseitig interpretierbaren Texte wieder einmal mit so schön lang gezogenen Vokalen auf nette Indierock-Songs, die musikalisch irgendwo zwischen Oasis, Death Cab For Cutie oder den Smiths liegen. An sich ja schon mal nicht so verkehrt. Was „Heureka“ bei vielen Tomte-Fans wohl zum Streitthema macht ist die Tatsache, dass die Platte offensichtlich ruhiger, glatter und gesetzter ist, als die bisherigen Tomte Alben. Da stellt sich die Frage, ob Thees Uhlmann mit Mitte 30 langsam altersmüde wird. Man könnte schimpfen, dass „Heureka“ zu zahm ist, zu mild… es fehlen die Reizpunkte von einst. Wobei ich das jetzt mal nicht so extrem sehen würde. Fakt ist nur, dass es Uhlmann grad besser geht, als früher. Vielleicht ist die Wut raus, vielleicht ist es auch die Liebe. Gepaart mit etwas Melancholie. So ist „Heureka“ irgendwie eine kleine Ode an das Leben. Man feiert das Leben und blickt nebenher etwas melancholisch um sich. Dies ist kein Album eines wütenden Typen mit Mitte 20, sondern von jemand der sich mit Mitte 30 langsam damit abfindet, dass zu sein, was er ist. Den Anschein hab ich zumindest. Das muss man nicht mögen und das muss einen nicht ansprechen, aber man muss es akzeptieren.
All die Erklärungsversuche täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die erste Hälfte des Albums eher schwächer ausfällt. Der Titelsong ist ein ganz netter Opener, versucht aber fast schon zu krampfhaft einer zu sein. Songs wie „Wie ein Planet“ oder „Wie sieht’s in Hamburg aus?“ sowie „Es ist nur so das du fehlst“ sind einfach schwach. Keine sonderlich guten Songs. Bis dahin dümpelt das Album eher so vor sich hin. Zwar bietet es mit „Du nennst es Pathos, ich nenn es Leben“ den coolsten Satz des Albums, aber na ja… irgendwie zündet’s nicht. Persönlicher Wendepunkt ist der vielleicht beste Song des Albums, das recht unscheinbar wirkende „Und ich wander“. Uhlmann’s Spaziergang durch eine warme Sommernacht strotzt voller Melancholie, Gefühl und Atmosphäre und ist der lebende Beweis, dass ruhige Songs es eben doch bringen können. Ein Glanzstück. Danach wird es ein wenig besser im Gegensatz zur ersten Hälfte. „Du bringst die Stories“ ist ein schöner kleiner Popsong, „Das Orchester spielt einen Walzer“ eine wunderschöne Ballade, die sich haarscharf am Kitsch bewegt, ihn manchmal mitnimmt, aber der man das doch irgendwie verzeiht. Und dann dieses ganz und gar untypische 6min-Werk „Nichts ist so schön auf der Welt wie betrunken traurige Musik zu hören“. Anfangs wandelt die Band noch im Nebel, bevor der Song am Ende ausbricht und so zu einer kraftvollen Hymne wird, welche die musikalischen Qualitäten der Band einmal mehr zeigt. Und am Ende hin werden die alten Hamburger Schule Fans mit „Dein Herz sei wild“ und der lauten, besseren Variante von „Voran Voran“ bedient. Wenn man so will, sind das die Tomte, die man erwartet hat.
Aber was erwartet man von so einem Album eigentlich. Und muss die Band solche Erwartungen erfüllen? Eigentlich machen sie das auch nicht. „Heureka“ ist kein schlechtes Album. Es könnte natürlich besser sein, besonders die erste, schwache Hälfte. Und man kann den hohen Pathos-Gehalt bemängeln. Aber wenn Oasis so etwas machen, wird es als großes Kino abgetan. Aber warum dürfen Tomte das nicht? Bands und Künstler verändern sich. Ihre Ansichten und Verhaltensweisen. Thees Uhlmann wirkt gesetzter, vielleicht auch gesättigter, aber es muss sich zeigen, ob dies eine Momentaufnahme ist oder nicht. Eine fröhliche, etwas trunkene Melancholie ist es, die „Heureka“ umweht. Jeder, der dieses Gefühl kennt, wird diese Platte auch in großen Teilen verstehen. Die Zukunft für Tomte ist nach wie vor offen. Es ist okay. Heute lassen wir das sein. Thees bringt die Stories und wir trinken dazu statt Bier halt mal Wein.
"Und Ich Wander" (YouTube Clip)
"Der letzte große Wal" (Video)
Bei Deichkind ist das umgedreht. Da ist Bier die oberste Maxime. Darauf kann man sich einigen. Die Musikwelt allerdings nicht wirklich. Für die eine Hälfte ist Deichkind struntzdumme Assimusik, für die andere eine Art intelligentes Kunst-Konzept, welches eben dieser dummen Gesellschaft den Spiegel vorhält und sie so entlarvt. Ironie oder Idiotie? Das ist hier die Frage. Die Lösung für eben jene Frage liegt dabei sicher in der persönlichen Einstellung, Intelligenz und Distanz des Betrachters. Deichkind, als die neuen, seit „E.S.D.B.“ vor 3 Jahren, sind für mich in erster Linie blendendes Entertainment. Ihre Reime sind witzig, ihre Beats sind fette Elektrobretter und ihre Live Shows sind eh legendär. Die Konzerte von Deichkind sind auch die Hauptinspiration für das Album „Arbeit Nervt!“. Das Album zur Show, die Platte zum Konzept Deichkind, deren Mitglieder längst nicht mehr eindeutig ausmachbar sind. Hier geht’s um mehr. Botschaft? Hmm, gibt es so was? Na ja, der Albumtitel inklusive Titeltrack geben das Motto vor. Der Rest der Platte bewegt sich auch in diesem Themenbereich. Deichkind zelebrieren den ungehemmten Hedonismus. Das Doof-Sein! Einmal Assi ohne Wiederkehr. Titten, Tanzen und Trichtersaufen ist das was zählt im Deichkind-Universum. Auf diese Thematik muss man sich einlassen, oder es seinlassen. Wenn man das macht hat man jede Menge Spaß. Wenn beim Opening-Track „Kein Gott! Kein Staat! Lieber was zu saufen“ proklamiert wird, dann hat das sowohl was politisches, aber auch was stumpfsinniges. Auf jeden Fall bekomme ich Durst dabei. „Dicker Bauch“ mit einer Hommage an all die Schwergewichtler des Showgeschäftes ist dann natürlich ein weiterer Grund zum Schmunzeln. „Travelpussy“ ist ein lustiges Sammelsurium von Zweideutigkeiten, während das wirklich struntzdämliche „Komm rüber“ da schon eindeutiger ist. Und obwohl man Lachen muss, ist es halt ganz oft so, dass Deichkind gar nichts anderes machen, als die Realität abzubilden. So breite Spasten, wie in eben diesem Song gibt’s auf jeder Party. Die Computerhymne „Ich und mein Computer“ führt mal ganz nebenbei alle Probleme des modernen Kommunikationszeitalters auf und mit dem poppigen „Luftbahn“ hat man sogar fast schon ein melancholisches Stück über die Schönheit eines Trips, ob nun drogenbedingt oder nicht, an Bord. Im Gegensatz zum noch etwas unbeholfenen Vorgängeralbum „Aufstand im Schlaraffenland“ sind Deichkind musikalisch mittlerweile wesentlich gefestigter, was ihr Metier angeht und vor allem abwechslungsreicher und gewagter. Während „Gut dabei“ klassisch, fast im Hip Hop Korsett, abgeht ist „Metro“ ein knallhartes Brett. Und der letzte Song „Urlaub vom Urlaub“ geht schon fast als Ballade durch. Vielleicht die Richtung der Zukunft.
„Arbeit Nervt!“ macht Laune und Bock auf Feiern und schaltet dabei öfters bewusst das Hirn aus. Wer dies allerdings nicht komplett macht, wird am Ende zwischen den Zeilen öfters mal die Ironie über die moderne Party-Gesellschaft oder den klischeehaften „Hartz IV“-Empfänger erkennen. Deichkind geben sich dümmer, als sie sind, und gerade das macht sie so intelligent. Vielleicht interpretier ich zu viel in diese Musik hinein, aber vielleicht ist das auch einfach etwas, dass damit automatisch einher geht. Damit hat die Band das Ziel, zu unterhalten und auch zu polarisieren, mehr als erreicht. Das Problem an dieser Musik ist dann halt lediglich jenes, dass die Menschen die Ironie und die Übertreibung nicht mehr sehen. Das ist dann das Traurige an dieser Remmidemmi-Gesellschaft. Exzess bis um Extrem und nix dahinter. Aber na gut. Darüber könnte man jetzt mehrere soziologische Aufsätze schreiben. Wer das will, kann das machen. Ich hab jetzt Bock auf Tanzen und Trinken. Und das darf durchaus mal sein. Dazu eignet sich dieses Album bestens! Deichkind machen Lärm! Und den machen sie kreativ. Das Tomte und Deichkind mal zusammen auf das Leben anstoßen halte ich für eher unwahrscheinlich und vergleichen will ich die Platten schon mal gar nicht. Sagen wir mal so. Man kann das Leben manchmal feiern. Egal ob mit Melancholie mit Wein oder mit Party und Bier. Beide Varianten sind auf jeden Fall erwünscht.
"Arbeit Nervt" (Video)
"Luftbahn" (YouTube Clip)
rhododendron - 23. Okt, 19:14