Don't look back in Anger /// Das MELT! 2009 - Teil 02
Fast schon zu viel Eindrücke, um sie alle hier wiederzugeben. Der zweite Teil meiner musikalischen Festival-Zusammenfassung.
Der Morgen nach der Sinnflut war dann zur allgemeinen Neuorientierung geeignet. Nach der Inventur musste es halt weitergehen. Der Pavillon wurde mit Tape und Ersatzteilen anderer, kaputter Pavillons notdürftig wieder fit gemacht, die Sachen so gut es ging getrocknet bzw. beim Super-Discounter KIK neue besorgt. Die haben übrigens sehr stylische Holzfällerhemden. Warum dafür 25 Euro bei H&M ausgeben, wenn’s da auch für 3 geht? Das nur nebenbei. Und so wurde dem durchwachsenen Wetter mit eifrig Spirituosenkonsum und gutem Humor getrotzt, so dass die MELT-Party abends weiter gehen konnte. Anlaufpunkt Nr. 1 für mich waren die Filthy Dukes um 8 auf der Gemini Stage. Auf ihrem zackigen Debüt „Nonsense In The Dark“ verknüpft das Gespann gekonnt elektronische Club-Musik mit Pop, Rock und dem ein oder anderen Psychodelic-Element. Und auch live wächst das ehemalige DJ-Gespann mittlerweile zur Band heran, auch wenn Sänger Tim Lawton noch Probleme hat, jeden Ton einigermaßen zu treffen. Zum Munterwerden taugen die flotten Beats aber auf jeden Fall, wenngleich ich im Anschluss wohl zu den wenigen Leuten gehöre, die freiwillig auf die absolute Hype-Kultband The Whitest Boy Alive verzichten. Die habe ich dieses Jahr schon gesehen und vom Hocker gerissen hat mich das nicht. Mehr als nettes Mitwippen ist da nicht drin, weshalb ich mich lieber zum wirklich schönen Strand bei der Red Bull Music Academy (dieses Produktplacement nervt!) verzog, um da erstmal gemütlich mit Getränk in der Hand im Liegestuhl die Wellen rauschen zu hören und zu beobachten, wie eine kleine Gruppe Menschen sichtlich Spass hatte auf dem noch etwas Nassen Sand zu knackigen Elektrobeats abzurocken. Laut Timetable müsste Daniel Haaksman aufgelegt haben, aber Namen sind bei den kleinen Elektro-Floors eh nur Schall und Rauch. Eine schöne Sache. Ehe man da allerdings versackt, gings weiter und zwar zum Zelt, um der wundervollen Anna Ternheim beizuwohnen. Die kleine skandinavische Elfe verzauberte das Publikum mit grundsympathischem Singer/Songwriter-Sound. Ein schöner Kontrast zu dem ganzen Elektro-Gekloppe auf allen anderen Bühnen. Auf jeden Fall sollte man sich diese Frau vormerken. Wirkt wie die unnervige Variante von Amy McDonald. Nach dem Hörgenuss sollte aber auch wieder etwas getanzt werden, weshalb ich mich zur Mainstage verzog, wo Punkt Mitternacht zur Geisterstunde Phoenix anfangen sollten. Die Tatsache, dass ich mich zwischen einer Gruppe 15jähriger britischer Fans und ein paar Deutschen Anfang 30 befand, welche jedes Wort mitsingen konnten, rief mir erstmal ins Bewusstsein, dass die Band ja jetzt auch schon seit 10 Jahren im Geschäft ist. Und von dem 5 MELTs, die ich bisher hatte ist sie mit diesem dritten Auftritt auch mein Top-Act des Festivals. Und 2009 machen Phoenix so viel Spass, wie lange nicht mehr. Denn mit „Wolfgang Amadeus Phoenix“ ist jüngst das beste Album seit ihrem Debüt erschienen. Davon wurden natürlich einige Songs gespielt. Das Set beginnt mit „Lisztomania“, dem todsichersten Hit des Jahres und surft dann ein wenig durch die Band-Historie, wenngleich ich überrascht bin, dass bspw. „Everything Is Everything“ oder das tolle „Too Young“ ausgelassen werden. Na ja, kann man nix machen. Luxusproblem auch irgendwie. Immerhin sind neue Songs, wie “Lasso“ oder „Rome“ wunderbar. Das Set endet mit „1901“, welches angesichts der Publikumsreaktionen als ein weiterer todsicherer Klassiker in die Band-Historie eingehen wird. Während des ganzen Auftrittes war das Grinsen nicht aus meinem Gesicht zu bekommen. Pop in Hochform! Irgendwann um diesen Zeitraum müssen auch MSTRKRFT angefangen haben, ihr Set auf dem Red Bull Floor zu spielen. Doch die Suche nach den beiden Kanadiern entwickelte sich eh zum Running Gag des Samstags. Aus dem ursprünglichen Plan, Freitag zu spielen wurde sowieso nix und nun wurde auch der Samstags-Slot um 2h vorgezogen. Das sagten zumindest die Info-Tafeln und kurzzeitig auch die Leute am Infostand. Doch die änderten ihre Meinung wieder und sagten: „Nee, die spielen halb 3 auf der Gemini“. Ja, schön und gut, das taten sie aber dann doch nicht. Leider verpasst aufgrund schlechter Informationspolitik bzw. doofen Personal. Ebenfalls leider verpasst habe ich dann Fever Ray, was ich mittlerweile etwas bereue, da ihr Auftritt wohl einer der besten gewesen sein muss. Stattdessen habe ich mich von der Liebe zu meiner Lieblingsband hinreißen lassen und bin zu Bloc Party an die Hauptbühne gegangen.
Ach, Bloc Party, Bloc Party! Letztendlich schloss sich hier ein Kreis. Vor 5 Jahren habe ich sie hier erstmals gesehen. Da waren noch wesentlich weniger Leute da, aber die Stimmung war super, obwohl die Band damals mit Telekom-Werbe-Leuchtstäben (ja, das gab’s auch 2005 schon) beworfen wurde. Daran sollte sich Kele Okereke später ebenfalls noch erinnern und dafür prompt mit erneutem Bewerfen bestraft werden. Ansonsten muss ich trotz meines Die-Hard-Fantums und meines insgesamt siebten BP-Gigs eingestehen, dass der Auftritt eher enttäuschend war. Sicher, die Band hat nach wie vor die besten Songs. „Song For Clay“ hat immer noch soviel Wut, „One More Chance“ funktioniert als neue Disco-Single bestens und „Uniform“ ist wie die Faust ins Gesicht all der Stylo-Möchtegern-Rockstars im Publikum. Doch die besten Songs täuschen nicht über eine schwache Performance hinweg. Zum einen war der Sound recht mies… war Russells Gitarre bei „Flux“ überhaupt eingestöpselt? Zum anderen hatte die Band keinen guten Tag. Anscheinend hatte der späte Slot um halb 2 dafür gesorgt, dass Okereke mehr Drogen als gewöhnlich eingenommen hat. Dementsprechend lasch wurde gespielt und gesungen. Teilweise hatte er auch wenig Lust drauf. Da wurde lieber das Publikum beleidigt, weil die nicht ausflippten. Hmm, bei dem Angebot verständlich. Da hilft auch kein Sprung in die Masse. Dennoch war das Ende dann für Band und Publikum versöhnlich. Dennoch nicht der Oberknaller und vielleicht sollte die Band langsam wirklich mal über eine längere Pause nachdenken.
Pausen gibt’s auf’m MELT! natürlich angesichts des dichten Programmplanes nicht, so dass im Anschluss ein Kurzbesuch bei Berlins neuem Kult-DJ Paul Kalkbrenner anstand. Ja, der Mann, aus „Berlin Calling“. Und wie der Zufall es auch wollte, ertönte gerade dann das traumhafte „Sky And Sand“ von der Big Wheel Stage, als ich da hinging. Hätte das MELT! 2009 eine Hymne gehabt, dann wäre es dieser Song gewesen! Einmal warmgetanzt ging es halb 4 morgens zurück zur Hauptbühne, wo Digitalism anfingen zu spielen und bewiesen, warum sie Deutschlands Elektronik-Import Nr. 1 sind. Da stand niemand still! Was für eine Performance! Unterstützt mit bunten Visuals und einem Schlagzeuger konnte das Duo beweisen, dass sie den Sprung vom DJ-Team zur Live-Band spielend schaffen, zumal die neuen Tracks von „Idealism“-Nachfolger auch wesentlich stärker nach Band als nach Club klingen. Dennoch wurden gerade die „Klassiker“, wie „Idealism“ oder „Pogo“ frenetisch gefeiert. Ein echtes Highlight! Schon wieder! Doch die Nacht war natürlich nicht vorbei, denn auf der Gemini sollte es noch einige Stunden weitergehen. Dort lieferten die Star-DJs Erol Alkan und Boys Noize ein gemeinsames Set voller Elektro-Bretter ab, das sich gewachsen haben sollte. Assi-Techno auf hohem Niveau! Zwar schaffte es Boys Noize nicht ganz sein mittlerweile schon legendäres 2008er-Set an gleicher Stelle zu wiederholen, aber ne ordentliche Party war das trotzdem. Zwar zeigten sich schon erste Ermüdungserscheinungen, aber immer wenn man der Meinung war, man konnte nicht mehr, baute das türkischstämmige Duo geschickt einen Knaller und eine überraschende Wendung in das Set ein, um die Masse wachzurütteln. Länger als 2 Minuten wurde eh kaum ein Track gespielt. So viel auch der Wunsch nach einer Zugabe frenetisch aus, die dann in Form alter 90er-Jahre-Klassiker kam. Und mit „Zombie Nation“ von Kernkraft 400 kann man eh nix falsch machen. Dann wurde gezeigt, wie wach das Tanzvolk um 7 Uhr morgens noch war! Was für ein Abend, was für ein Morgen! Die einzige die fehlte war die Sonne! Aber die kam dann halt am Sonntag!
Der Sonntag hat beim MELT! seit jeher die Funktion des chilligen Ausklangs nach dem Party-WE, ganz wie im richtigen Leben. Daran hat auch die Belegung mit dem Hauptact seit Björk vergangenes Jahr nix geändert. Glücklicherweise blieb es trocken, wenn auch recht windig. Und so wurde tagsüber versucht, so gut es geht wieder auf zu Kräften zukommen, insofern das ohne wirklich viel Schlaf überhaupt möglich war. Der Sonntag sollte dann ganz in Britischer Dominanz sein, was nicht verwunderlich ist, wenn man mal eben die größten Bands des Landes einlädt. Die verhielten sich okay. Klar, sind Briten etwas prolliger als andere Völker und hier Hang zum Alkoholismus ist beeindruckend. Dennoch hab ich da schon schlimmere Deutsche erlebt. All die (meist betrunkenen oder druffen) Briten, mit denen ich geredet habe, waren stets unglaublich nett und an der deutschen Sprache interessiert. Wenngleich es da eher um Wendungen geht, mit welchen man junge Frauen zum Geschlechtsakt überreden kann. Immerhin besser als nichts. Das nur zur Richtigstellung.
Da ich selber dann doch nicht so schnell aus’m Trott kam, wie ich dachte, wurde der erste Act des Tages, Patrick Wolf leider größtenteils verpasst. Lediglich „The Magic Position“ bekam ich mit und das machte Lust auf mehr von diesem lustigen androgynen Mann im Brüno-Outfit. Na ja, vielleicht an anderer Stelle. Nach einem kurzen Abstecher zum Red Bull Strand (wo man immer noch super chillen konnte), sollte es auf der Mainstage mit Glasvegas weitergehen, von denen ich dachte, sie würden mich vielleicht mit einem guten Auftritt über das enttäuschende Debüt-Album hinwegtäuschen. Doch nichts da. Die Band wird ihren Ruf als „Flop des Jahres“ einfach nicht los. „Scheißvegas“ spielten unmotiviert ihr Set runter und es wurde wieder einmal schmerzhaft deutlich, wie abwechslungsarm diese Jesus-And-The-Mary-Chain-Gitarrenwand-Schmonzetten tatsächlich sind. Die Band tritt eine Idee immer wieder breit und langweilt damit zu Tode. Und Sänger James Allan ist ein selbstverliebter Sack der nervigen Sporte. Sein scheinbar einziges Ziel bestand an diesem Tag wohl darin, Frauen für seine Umkleidekabine zu gewinnen. Das machte er allerdings mit einer Penetranz, dass ich ihm beinahe wünschte, irgendeine junge Dame würde es hinter sich bringen und sich erbarmen. Symbolhaft sein zu erwähnen, dass einige Besucher (mich kurzzeitig inklusive) bei der Performance eingeschlafen sind. Der nächste Aufreger waren dann im Anschluss Polarkreis 18 aus Dresden. Allerdings ist der Aufreger weniger die Band an sich, sondern das Publikum. Natürlich wird die Band vom coolen, hippen Indie-Volk jetzt gehasst, weil sie ’nen Nummer-1-Hit hatte. Das hörte ich nämlich viele Leute sagen. Deutschland ist natürlich das Land des Sozial- und Karriereneids. Da hat sich eine Band jahrelang wirklich nach oben gespielt und hatte auch viel Zuspruch, aber sobald sie einen Schritt weiter geht und sich einem großen Publikum öffnet (und sich dabei musikalisch treu bleibt), wird da gleich „Ausverkauf“ gebrüllt. In England wär das natürlich was anderes. Und ne Massenband, wie Bloc Party wird trotzdem abgefeiert, obwohl die wesentlich mehr verkauft als die Band aus Dresden. Is klar. Dafür haben PK18 wesentlich mehr drauf, als all die Kantes und Tocotronics dieser bunten Republik. Gegen solche Nörgler und Engstirnigkeiten muss die Band um den charismatischen Felix Räuber nun immer wieder anspielen. Doch sie schlägt sich dabei nach wie vor sehr gut und spielt mit Verstand und musikalischem Können gegen diese Wand an. Auch an diesem Sonntag. Da können die hochgestreckten Mittelfinger einiger Spasten nichts ändern. Räuber kokettiert dabei locker mit dem Ausverkauf-Vorurteil und der Applaus wird langsam lauter (auch wegen eines Exhibitionisten im hinteren Teil des Publikums). Die Show ist ansonsten perfekt durchgestylt und am Ende macht „Allein Allein“ trotzdem irgendwie Spass. Ein paar Zweifler werden Polarkreis 18 an diesem Tag wieder umgestimmt haben. Das machen sie immer. Und deshalb werden sie hoffentlich auch weiterhin diesen Weg gehen. Wir haben selten mal eine Band von internationalem Format im Land, also sollten wir uns eher freuen.
Danach übernahmen die Briten dann langsam das Zepter. Kein Wunder, denn als nächstes standen Kasabian auf dem Plan. Mit denen ist es schon eine verrückte Sache. In ihrem Heimatland spielen die psychodelischen Retro-Rocker gar nicht mehr unterhalb riesiger Sportarenen, aber hierzulande haben sie sich bisher nicht durchsetzen können. Vielleicht sind sie dafür zu britisch und zu Eigen. Ein paar gute Songs besitzen sie ja, aber insgesamt klingt das alles wie irgendwie schon zig Mal da gewesen. Allerdings wird schnell deutlich, warum Kasabian als gute Live-Band gelten. Der Sound rockt ordentlich und Frontmann Tom Meighan kann zwar nicht unbedingt optisch punkten, aber versteht es, dass Publikum zum Mitmachen zu animieren. Das klappt auch soweit ganz gut und mit Songs wie „Empire“, „Club Foot“, „Fire“ oder zum Abschluss „LSF“ hat man auch einige Crowd-Pleaser im Angebot. Dafür spendet man gern Applaus, auch wenn ich in Sachen Kasabian trotz dieses Live-Gigs hinterher nicht schlauer bin. Aber diese Gedanken verfliegen schnell, dann der Headliner wird erwartet. Und zu diesem Zeitpunkt bin ich auch in der richtigen Stimmung. Eine seltsame Mixtur aus Alkohol, Schlaf- und Hygienemangel, der Abgeschiedenheit von menschlicher Zivilisation und die fast 24stündige Dauerbeschallung mit Musik bringen mich spätestens Sonntag in die richtige Stimmung für <Oasis<. Legenden live! Alle, die gemotzt haben, das die Könige des Cool Britannia als Headliner gebucht wurden, können mich mal kreuzweise. Oasis Wert für die britische Musik der letzten, sagen wir mal, 10 Jahre kann gar nicht hoch genug gemessen werden. Im Zeitraum zwischen 1994 und 1996 waren sie ganz offiziell die größte und wichtigste Band der Welt und nach diversen schwächeren Platten sind sie heut wieder qualitätsmäßig auf einem recht guten Level zu finden. Doch die Gallaghers sind sich auch durchaus bewusst, dass sie ihren Zenit bereits vor Jahren hinter sich gelassen haben, weshalb sie an diesem Abend alles richtig machen und eine einzige Retro-Show spielen. Nur 3 Songs vom neuen Album gibt’s, ältere Platten werden komplett ausgelassen, der Großteil des Sets bedient sich bei „Definitley Maybe“ und „Morning Glory“. Und das ist auch vollkommen richtig so. Aber Noel hat ja mal vor Jahren gesagt, er ist sich absolut im Klaren, dass dies ihre besten Songs sind. Und so wird ordentlich was abgefeuert… „Cigarettes & Alcohol“, „Roll With It“, „Supersonic“, „The Masterplan“. Hit auf Hit! Die Masse freuts. Noel fragt, wer denn aus Manchester sei. Eine recht hohe Anzahl von Händen wird gehoben, was der schrullige Songwriter dem Publikum nicht wirklich abnimmt. Bruder Liam gibt stattdessen wie immer das Großmaul, welches starr und arrogant herum steht, ab und an mal jemanden grimmig anschaut und unverständliche Kommentare ins Mikrofon rotzt. Mehr muss er auch nicht. Allgemein wirkt die Band aber recht gut gelaunt. Und so millionenfach „Wonderwall“ bereits gecovert und heruntergespielt wurde, wenn die Band es zusammen mit tausenden Fans intoniert ist dies immer noch der Hammer. Und wenn Noel nur auf der Akustik-Gitarre „Don’t look back in Anger“ anstimmt, ohne dabei viel singen zu müssen (denn natürlich kann fast jeder im Publikum diesen Song auswendig), dann bekomme nicht nur ich Gänsehaut. Und dann erst noch dieses Finale. Die 90er-Jahre-Aufbruchs-Hymne „Live Forever“ hat nichts von ihrer Kraft verloren und das epochale „Champagne Supernova“ bleibt sowieso einer der größten Songs aller Zeiten. Nach dem obligatorischen Beatles-Cover zu „I Am The Walrus“ ist nach genau 90min Schluss. Mit einem letzten Jubelschrei verabschiede ich die Band, bin vollkommen fertig, wenngleich das Festival auch noch nicht ganz fertig ist. Auf der Gemini spielt Tiga die letzten Tanzwütigen in Grund und Boden. So sehr, dass das Publikum nach dem unvermeintlichen Schluss um 2 Uhr die Bühne partout nicht verlassen will und mit Stangen und Bechern anfängt, mehr oder weniger rhythmisch auf die Brüstung einzuschlagen und dabei einfach weiterzutanzen. Braucht es ein symbolträchtigeres Bild, als dieses?
Mitbekommen hab ich davon selber wenig, denn mein letzter Termin hieß dann Passion Pit, welche noch mal alle Kraftreserven im Zelt mobil machten und sich die Herzen der Zuschauer mit wunderbar hymnischen Disco-Pop eroberten. Ganze zwei Zugaben musste das Quartett aus Massachusetts spielen, bevor dann das MELT! 2009 endgültig vorbei war.
Von den Klassikern, wie Oasis, bis hin zu so heißen Newcomern, wie Passion Pit zeigt sich die enorme Spannweite und Vielseitigkeit des Festivalkonzepts. Und es ist nicht nur die Musik, auch die Menschen sind so vielseitig, wie nur möglich. Und sicher haben betrunkene Briten, Kids auf Speed und junge Mädels mit riesigen Hornbrillen (welche definitiv KEINE Brille im Alltag brauchen) auch immer einen gewissen Nervfaktor, aber all diese Menschen sind letztendlich trotzdem mehr oder weniger wegen der Musik da und schaffen es über 3 Tage hinweg ohne große Probleme miteinander zu feiern. Diese Vielseitigkeit unter einen Hut zu bringen ist sicher der faszinierendste Aspekt dieses Festivals. Und obwohl nach wie vor nicht alles perfekt war, so halte ich es ganz mit den Worten von Noel Gallagher… Ich blick nicht ärgerlich auf einige Ungereimtheiten zurück, sondern freue mich, dass mein Lieblingsfestival 2009 wieder zu alter Stärke gefunden hat. Ach, man kann ihm einfach nicht böse sein, weshalb es auch im nächsten Jahrzehnt sicher so weitergehen darf.
Der Morgen nach der Sinnflut war dann zur allgemeinen Neuorientierung geeignet. Nach der Inventur musste es halt weitergehen. Der Pavillon wurde mit Tape und Ersatzteilen anderer, kaputter Pavillons notdürftig wieder fit gemacht, die Sachen so gut es ging getrocknet bzw. beim Super-Discounter KIK neue besorgt. Die haben übrigens sehr stylische Holzfällerhemden. Warum dafür 25 Euro bei H&M ausgeben, wenn’s da auch für 3 geht? Das nur nebenbei. Und so wurde dem durchwachsenen Wetter mit eifrig Spirituosenkonsum und gutem Humor getrotzt, so dass die MELT-Party abends weiter gehen konnte. Anlaufpunkt Nr. 1 für mich waren die Filthy Dukes um 8 auf der Gemini Stage. Auf ihrem zackigen Debüt „Nonsense In The Dark“ verknüpft das Gespann gekonnt elektronische Club-Musik mit Pop, Rock und dem ein oder anderen Psychodelic-Element. Und auch live wächst das ehemalige DJ-Gespann mittlerweile zur Band heran, auch wenn Sänger Tim Lawton noch Probleme hat, jeden Ton einigermaßen zu treffen. Zum Munterwerden taugen die flotten Beats aber auf jeden Fall, wenngleich ich im Anschluss wohl zu den wenigen Leuten gehöre, die freiwillig auf die absolute Hype-Kultband The Whitest Boy Alive verzichten. Die habe ich dieses Jahr schon gesehen und vom Hocker gerissen hat mich das nicht. Mehr als nettes Mitwippen ist da nicht drin, weshalb ich mich lieber zum wirklich schönen Strand bei der Red Bull Music Academy (dieses Produktplacement nervt!) verzog, um da erstmal gemütlich mit Getränk in der Hand im Liegestuhl die Wellen rauschen zu hören und zu beobachten, wie eine kleine Gruppe Menschen sichtlich Spass hatte auf dem noch etwas Nassen Sand zu knackigen Elektrobeats abzurocken. Laut Timetable müsste Daniel Haaksman aufgelegt haben, aber Namen sind bei den kleinen Elektro-Floors eh nur Schall und Rauch. Eine schöne Sache. Ehe man da allerdings versackt, gings weiter und zwar zum Zelt, um der wundervollen Anna Ternheim beizuwohnen. Die kleine skandinavische Elfe verzauberte das Publikum mit grundsympathischem Singer/Songwriter-Sound. Ein schöner Kontrast zu dem ganzen Elektro-Gekloppe auf allen anderen Bühnen. Auf jeden Fall sollte man sich diese Frau vormerken. Wirkt wie die unnervige Variante von Amy McDonald. Nach dem Hörgenuss sollte aber auch wieder etwas getanzt werden, weshalb ich mich zur Mainstage verzog, wo Punkt Mitternacht zur Geisterstunde Phoenix anfangen sollten. Die Tatsache, dass ich mich zwischen einer Gruppe 15jähriger britischer Fans und ein paar Deutschen Anfang 30 befand, welche jedes Wort mitsingen konnten, rief mir erstmal ins Bewusstsein, dass die Band ja jetzt auch schon seit 10 Jahren im Geschäft ist. Und von dem 5 MELTs, die ich bisher hatte ist sie mit diesem dritten Auftritt auch mein Top-Act des Festivals. Und 2009 machen Phoenix so viel Spass, wie lange nicht mehr. Denn mit „Wolfgang Amadeus Phoenix“ ist jüngst das beste Album seit ihrem Debüt erschienen. Davon wurden natürlich einige Songs gespielt. Das Set beginnt mit „Lisztomania“, dem todsichersten Hit des Jahres und surft dann ein wenig durch die Band-Historie, wenngleich ich überrascht bin, dass bspw. „Everything Is Everything“ oder das tolle „Too Young“ ausgelassen werden. Na ja, kann man nix machen. Luxusproblem auch irgendwie. Immerhin sind neue Songs, wie “Lasso“ oder „Rome“ wunderbar. Das Set endet mit „1901“, welches angesichts der Publikumsreaktionen als ein weiterer todsicherer Klassiker in die Band-Historie eingehen wird. Während des ganzen Auftrittes war das Grinsen nicht aus meinem Gesicht zu bekommen. Pop in Hochform! Irgendwann um diesen Zeitraum müssen auch MSTRKRFT angefangen haben, ihr Set auf dem Red Bull Floor zu spielen. Doch die Suche nach den beiden Kanadiern entwickelte sich eh zum Running Gag des Samstags. Aus dem ursprünglichen Plan, Freitag zu spielen wurde sowieso nix und nun wurde auch der Samstags-Slot um 2h vorgezogen. Das sagten zumindest die Info-Tafeln und kurzzeitig auch die Leute am Infostand. Doch die änderten ihre Meinung wieder und sagten: „Nee, die spielen halb 3 auf der Gemini“. Ja, schön und gut, das taten sie aber dann doch nicht. Leider verpasst aufgrund schlechter Informationspolitik bzw. doofen Personal. Ebenfalls leider verpasst habe ich dann Fever Ray, was ich mittlerweile etwas bereue, da ihr Auftritt wohl einer der besten gewesen sein muss. Stattdessen habe ich mich von der Liebe zu meiner Lieblingsband hinreißen lassen und bin zu Bloc Party an die Hauptbühne gegangen.
Ach, Bloc Party, Bloc Party! Letztendlich schloss sich hier ein Kreis. Vor 5 Jahren habe ich sie hier erstmals gesehen. Da waren noch wesentlich weniger Leute da, aber die Stimmung war super, obwohl die Band damals mit Telekom-Werbe-Leuchtstäben (ja, das gab’s auch 2005 schon) beworfen wurde. Daran sollte sich Kele Okereke später ebenfalls noch erinnern und dafür prompt mit erneutem Bewerfen bestraft werden. Ansonsten muss ich trotz meines Die-Hard-Fantums und meines insgesamt siebten BP-Gigs eingestehen, dass der Auftritt eher enttäuschend war. Sicher, die Band hat nach wie vor die besten Songs. „Song For Clay“ hat immer noch soviel Wut, „One More Chance“ funktioniert als neue Disco-Single bestens und „Uniform“ ist wie die Faust ins Gesicht all der Stylo-Möchtegern-Rockstars im Publikum. Doch die besten Songs täuschen nicht über eine schwache Performance hinweg. Zum einen war der Sound recht mies… war Russells Gitarre bei „Flux“ überhaupt eingestöpselt? Zum anderen hatte die Band keinen guten Tag. Anscheinend hatte der späte Slot um halb 2 dafür gesorgt, dass Okereke mehr Drogen als gewöhnlich eingenommen hat. Dementsprechend lasch wurde gespielt und gesungen. Teilweise hatte er auch wenig Lust drauf. Da wurde lieber das Publikum beleidigt, weil die nicht ausflippten. Hmm, bei dem Angebot verständlich. Da hilft auch kein Sprung in die Masse. Dennoch war das Ende dann für Band und Publikum versöhnlich. Dennoch nicht der Oberknaller und vielleicht sollte die Band langsam wirklich mal über eine längere Pause nachdenken.
Pausen gibt’s auf’m MELT! natürlich angesichts des dichten Programmplanes nicht, so dass im Anschluss ein Kurzbesuch bei Berlins neuem Kult-DJ Paul Kalkbrenner anstand. Ja, der Mann, aus „Berlin Calling“. Und wie der Zufall es auch wollte, ertönte gerade dann das traumhafte „Sky And Sand“ von der Big Wheel Stage, als ich da hinging. Hätte das MELT! 2009 eine Hymne gehabt, dann wäre es dieser Song gewesen! Einmal warmgetanzt ging es halb 4 morgens zurück zur Hauptbühne, wo Digitalism anfingen zu spielen und bewiesen, warum sie Deutschlands Elektronik-Import Nr. 1 sind. Da stand niemand still! Was für eine Performance! Unterstützt mit bunten Visuals und einem Schlagzeuger konnte das Duo beweisen, dass sie den Sprung vom DJ-Team zur Live-Band spielend schaffen, zumal die neuen Tracks von „Idealism“-Nachfolger auch wesentlich stärker nach Band als nach Club klingen. Dennoch wurden gerade die „Klassiker“, wie „Idealism“ oder „Pogo“ frenetisch gefeiert. Ein echtes Highlight! Schon wieder! Doch die Nacht war natürlich nicht vorbei, denn auf der Gemini sollte es noch einige Stunden weitergehen. Dort lieferten die Star-DJs Erol Alkan und Boys Noize ein gemeinsames Set voller Elektro-Bretter ab, das sich gewachsen haben sollte. Assi-Techno auf hohem Niveau! Zwar schaffte es Boys Noize nicht ganz sein mittlerweile schon legendäres 2008er-Set an gleicher Stelle zu wiederholen, aber ne ordentliche Party war das trotzdem. Zwar zeigten sich schon erste Ermüdungserscheinungen, aber immer wenn man der Meinung war, man konnte nicht mehr, baute das türkischstämmige Duo geschickt einen Knaller und eine überraschende Wendung in das Set ein, um die Masse wachzurütteln. Länger als 2 Minuten wurde eh kaum ein Track gespielt. So viel auch der Wunsch nach einer Zugabe frenetisch aus, die dann in Form alter 90er-Jahre-Klassiker kam. Und mit „Zombie Nation“ von Kernkraft 400 kann man eh nix falsch machen. Dann wurde gezeigt, wie wach das Tanzvolk um 7 Uhr morgens noch war! Was für ein Abend, was für ein Morgen! Die einzige die fehlte war die Sonne! Aber die kam dann halt am Sonntag!
Der Sonntag hat beim MELT! seit jeher die Funktion des chilligen Ausklangs nach dem Party-WE, ganz wie im richtigen Leben. Daran hat auch die Belegung mit dem Hauptact seit Björk vergangenes Jahr nix geändert. Glücklicherweise blieb es trocken, wenn auch recht windig. Und so wurde tagsüber versucht, so gut es geht wieder auf zu Kräften zukommen, insofern das ohne wirklich viel Schlaf überhaupt möglich war. Der Sonntag sollte dann ganz in Britischer Dominanz sein, was nicht verwunderlich ist, wenn man mal eben die größten Bands des Landes einlädt. Die verhielten sich okay. Klar, sind Briten etwas prolliger als andere Völker und hier Hang zum Alkoholismus ist beeindruckend. Dennoch hab ich da schon schlimmere Deutsche erlebt. All die (meist betrunkenen oder druffen) Briten, mit denen ich geredet habe, waren stets unglaublich nett und an der deutschen Sprache interessiert. Wenngleich es da eher um Wendungen geht, mit welchen man junge Frauen zum Geschlechtsakt überreden kann. Immerhin besser als nichts. Das nur zur Richtigstellung.
Da ich selber dann doch nicht so schnell aus’m Trott kam, wie ich dachte, wurde der erste Act des Tages, Patrick Wolf leider größtenteils verpasst. Lediglich „The Magic Position“ bekam ich mit und das machte Lust auf mehr von diesem lustigen androgynen Mann im Brüno-Outfit. Na ja, vielleicht an anderer Stelle. Nach einem kurzen Abstecher zum Red Bull Strand (wo man immer noch super chillen konnte), sollte es auf der Mainstage mit Glasvegas weitergehen, von denen ich dachte, sie würden mich vielleicht mit einem guten Auftritt über das enttäuschende Debüt-Album hinwegtäuschen. Doch nichts da. Die Band wird ihren Ruf als „Flop des Jahres“ einfach nicht los. „Scheißvegas“ spielten unmotiviert ihr Set runter und es wurde wieder einmal schmerzhaft deutlich, wie abwechslungsarm diese Jesus-And-The-Mary-Chain-Gitarrenwand-Schmonzetten tatsächlich sind. Die Band tritt eine Idee immer wieder breit und langweilt damit zu Tode. Und Sänger James Allan ist ein selbstverliebter Sack der nervigen Sporte. Sein scheinbar einziges Ziel bestand an diesem Tag wohl darin, Frauen für seine Umkleidekabine zu gewinnen. Das machte er allerdings mit einer Penetranz, dass ich ihm beinahe wünschte, irgendeine junge Dame würde es hinter sich bringen und sich erbarmen. Symbolhaft sein zu erwähnen, dass einige Besucher (mich kurzzeitig inklusive) bei der Performance eingeschlafen sind. Der nächste Aufreger waren dann im Anschluss Polarkreis 18 aus Dresden. Allerdings ist der Aufreger weniger die Band an sich, sondern das Publikum. Natürlich wird die Band vom coolen, hippen Indie-Volk jetzt gehasst, weil sie ’nen Nummer-1-Hit hatte. Das hörte ich nämlich viele Leute sagen. Deutschland ist natürlich das Land des Sozial- und Karriereneids. Da hat sich eine Band jahrelang wirklich nach oben gespielt und hatte auch viel Zuspruch, aber sobald sie einen Schritt weiter geht und sich einem großen Publikum öffnet (und sich dabei musikalisch treu bleibt), wird da gleich „Ausverkauf“ gebrüllt. In England wär das natürlich was anderes. Und ne Massenband, wie Bloc Party wird trotzdem abgefeiert, obwohl die wesentlich mehr verkauft als die Band aus Dresden. Is klar. Dafür haben PK18 wesentlich mehr drauf, als all die Kantes und Tocotronics dieser bunten Republik. Gegen solche Nörgler und Engstirnigkeiten muss die Band um den charismatischen Felix Räuber nun immer wieder anspielen. Doch sie schlägt sich dabei nach wie vor sehr gut und spielt mit Verstand und musikalischem Können gegen diese Wand an. Auch an diesem Sonntag. Da können die hochgestreckten Mittelfinger einiger Spasten nichts ändern. Räuber kokettiert dabei locker mit dem Ausverkauf-Vorurteil und der Applaus wird langsam lauter (auch wegen eines Exhibitionisten im hinteren Teil des Publikums). Die Show ist ansonsten perfekt durchgestylt und am Ende macht „Allein Allein“ trotzdem irgendwie Spass. Ein paar Zweifler werden Polarkreis 18 an diesem Tag wieder umgestimmt haben. Das machen sie immer. Und deshalb werden sie hoffentlich auch weiterhin diesen Weg gehen. Wir haben selten mal eine Band von internationalem Format im Land, also sollten wir uns eher freuen.
Danach übernahmen die Briten dann langsam das Zepter. Kein Wunder, denn als nächstes standen Kasabian auf dem Plan. Mit denen ist es schon eine verrückte Sache. In ihrem Heimatland spielen die psychodelischen Retro-Rocker gar nicht mehr unterhalb riesiger Sportarenen, aber hierzulande haben sie sich bisher nicht durchsetzen können. Vielleicht sind sie dafür zu britisch und zu Eigen. Ein paar gute Songs besitzen sie ja, aber insgesamt klingt das alles wie irgendwie schon zig Mal da gewesen. Allerdings wird schnell deutlich, warum Kasabian als gute Live-Band gelten. Der Sound rockt ordentlich und Frontmann Tom Meighan kann zwar nicht unbedingt optisch punkten, aber versteht es, dass Publikum zum Mitmachen zu animieren. Das klappt auch soweit ganz gut und mit Songs wie „Empire“, „Club Foot“, „Fire“ oder zum Abschluss „LSF“ hat man auch einige Crowd-Pleaser im Angebot. Dafür spendet man gern Applaus, auch wenn ich in Sachen Kasabian trotz dieses Live-Gigs hinterher nicht schlauer bin. Aber diese Gedanken verfliegen schnell, dann der Headliner wird erwartet. Und zu diesem Zeitpunkt bin ich auch in der richtigen Stimmung. Eine seltsame Mixtur aus Alkohol, Schlaf- und Hygienemangel, der Abgeschiedenheit von menschlicher Zivilisation und die fast 24stündige Dauerbeschallung mit Musik bringen mich spätestens Sonntag in die richtige Stimmung für <Oasis<. Legenden live! Alle, die gemotzt haben, das die Könige des Cool Britannia als Headliner gebucht wurden, können mich mal kreuzweise. Oasis Wert für die britische Musik der letzten, sagen wir mal, 10 Jahre kann gar nicht hoch genug gemessen werden. Im Zeitraum zwischen 1994 und 1996 waren sie ganz offiziell die größte und wichtigste Band der Welt und nach diversen schwächeren Platten sind sie heut wieder qualitätsmäßig auf einem recht guten Level zu finden. Doch die Gallaghers sind sich auch durchaus bewusst, dass sie ihren Zenit bereits vor Jahren hinter sich gelassen haben, weshalb sie an diesem Abend alles richtig machen und eine einzige Retro-Show spielen. Nur 3 Songs vom neuen Album gibt’s, ältere Platten werden komplett ausgelassen, der Großteil des Sets bedient sich bei „Definitley Maybe“ und „Morning Glory“. Und das ist auch vollkommen richtig so. Aber Noel hat ja mal vor Jahren gesagt, er ist sich absolut im Klaren, dass dies ihre besten Songs sind. Und so wird ordentlich was abgefeuert… „Cigarettes & Alcohol“, „Roll With It“, „Supersonic“, „The Masterplan“. Hit auf Hit! Die Masse freuts. Noel fragt, wer denn aus Manchester sei. Eine recht hohe Anzahl von Händen wird gehoben, was der schrullige Songwriter dem Publikum nicht wirklich abnimmt. Bruder Liam gibt stattdessen wie immer das Großmaul, welches starr und arrogant herum steht, ab und an mal jemanden grimmig anschaut und unverständliche Kommentare ins Mikrofon rotzt. Mehr muss er auch nicht. Allgemein wirkt die Band aber recht gut gelaunt. Und so millionenfach „Wonderwall“ bereits gecovert und heruntergespielt wurde, wenn die Band es zusammen mit tausenden Fans intoniert ist dies immer noch der Hammer. Und wenn Noel nur auf der Akustik-Gitarre „Don’t look back in Anger“ anstimmt, ohne dabei viel singen zu müssen (denn natürlich kann fast jeder im Publikum diesen Song auswendig), dann bekomme nicht nur ich Gänsehaut. Und dann erst noch dieses Finale. Die 90er-Jahre-Aufbruchs-Hymne „Live Forever“ hat nichts von ihrer Kraft verloren und das epochale „Champagne Supernova“ bleibt sowieso einer der größten Songs aller Zeiten. Nach dem obligatorischen Beatles-Cover zu „I Am The Walrus“ ist nach genau 90min Schluss. Mit einem letzten Jubelschrei verabschiede ich die Band, bin vollkommen fertig, wenngleich das Festival auch noch nicht ganz fertig ist. Auf der Gemini spielt Tiga die letzten Tanzwütigen in Grund und Boden. So sehr, dass das Publikum nach dem unvermeintlichen Schluss um 2 Uhr die Bühne partout nicht verlassen will und mit Stangen und Bechern anfängt, mehr oder weniger rhythmisch auf die Brüstung einzuschlagen und dabei einfach weiterzutanzen. Braucht es ein symbolträchtigeres Bild, als dieses?
Mitbekommen hab ich davon selber wenig, denn mein letzter Termin hieß dann Passion Pit, welche noch mal alle Kraftreserven im Zelt mobil machten und sich die Herzen der Zuschauer mit wunderbar hymnischen Disco-Pop eroberten. Ganze zwei Zugaben musste das Quartett aus Massachusetts spielen, bevor dann das MELT! 2009 endgültig vorbei war.
Von den Klassikern, wie Oasis, bis hin zu so heißen Newcomern, wie Passion Pit zeigt sich die enorme Spannweite und Vielseitigkeit des Festivalkonzepts. Und es ist nicht nur die Musik, auch die Menschen sind so vielseitig, wie nur möglich. Und sicher haben betrunkene Briten, Kids auf Speed und junge Mädels mit riesigen Hornbrillen (welche definitiv KEINE Brille im Alltag brauchen) auch immer einen gewissen Nervfaktor, aber all diese Menschen sind letztendlich trotzdem mehr oder weniger wegen der Musik da und schaffen es über 3 Tage hinweg ohne große Probleme miteinander zu feiern. Diese Vielseitigkeit unter einen Hut zu bringen ist sicher der faszinierendste Aspekt dieses Festivals. Und obwohl nach wie vor nicht alles perfekt war, so halte ich es ganz mit den Worten von Noel Gallagher… Ich blick nicht ärgerlich auf einige Ungereimtheiten zurück, sondern freue mich, dass mein Lieblingsfestival 2009 wieder zu alter Stärke gefunden hat. Ach, man kann ihm einfach nicht böse sein, weshalb es auch im nächsten Jahrzehnt sicher so weitergehen darf.
rhododendron - 22. Jul, 22:28