Dienstag, 25. August 2009

IAMX - Tear Garden

Auch Chris Corner alias IAMX veröffentlicht mit Tear Garden aktuell die zweite Single aus seinem Album Kingdom of Welcome Addiction. Passend zu IAMX' leichter Affinität für Kitsch wandelt der Astrophysiker und Wahl-Berliner den Stadtteil Tiergarten in Tear Garden um. Das Video besticht durch gewohnt düstere Ästhetik und einer leicht bekleideten, schön beleuchteten Band. Man hofft nur, der von Chris getragene Pelz ist eine Fälschung. Bis November tourt der Ex-Sneaker Pimps Frontmann mit seinen Kompanen noch durch Polen, Rumänien, Österreich und Deutschland.

Julian Plenti ft. Emily Haines - Games For Days

Nachdem Interpol Frontmann Paul Banks aka Julian Plenti für sein Album ... is skyscraper ausschließlich überwältigende Kritiken bekommt und rhododendron ihn auf nobono auch kürzlich schon positiv erwähnt hat, muss man fairerweise nochmal das Video zur ersten Single Games For Days an dieser Stelle zeigen. Adrette Unterstützung erhält Julian Plenti zudem auch noch von seiner kanadischen Kollegin Emily Haines, die momentan auch mit frischen Sachen ihrer Band Metric unterwegs ist. Die Musik von Julian solo ist anders als die seiner Band Interpol. Sie ist verspielter und experimenteller. Sehr freuen kann man sich also im Augenblick über die Soloplatte aber dann auch wieder über die zukünftigen Interpol-Songs.

Bat For Lashes - Sleep Alone

Dass sich Bat For Lashes gerne mit den verspielten Seiten des Lebens herumschlägt ist bekannt. Im neuen Video zu Sleep Alone ist ebenfalls keine Veränderung diesbezüglich zu sehen. Doch was wäre Natasha Khanh ohne magischem Denken, Zauberei, Tagträumen und Traumsequenzen? Diese Verspieltheit, die manchmal auch düster wirkt, ist essentiell für das Konzept von Bat For Lashes. Im letzten Video zu Pearls Dream schwebte sie über die Theaterbühne mit Wölfen, während ihr ihre böse Zwillingsschwester zusah und gegen Ende des Songs starb. Im aktuellen Video arbeitet sich Natasha durch ihre Schlaflosigkeit in dem Sie munter nachts durch die Straßen läuft und dann Dinge zu basteln, die ihr helfen sollen wieder alleine schlafen zu können. Genau dies schafft sie dann auch zum Ende des Videos. Na dann, schlafen sie schön Ms. Bat For Lashes.

Antony and The Johnsons - Crazy In Love

Was sagt man dazu? Antony Hegarty covert Beyonces Überhit Crazy in Love. Das Cover begleitet Antonys 2. Auskopplung Aeon aus seinem Album The Crying Light als Doppel A-Seite. Hatte man bei Beyonces Original noch das Gefühl es ginge weitestgehend um Party und sich möglichst sexy zum Song zu bewegen, so dreht es Antony genau in die andere Richtung. Plötzlich erhält der Song Tiefe. Antony singt zwar die gleichen Zeilen wie Beyonce, doch er singt sie anders. Man glaubt ihm jedes Wort und erhält das Gefühl man würde gerade einen Mann hören, der einfach nur außer sich ist, verzweifelt vor Verliebtheit und Fokussiertheit auf eine Person. Langsam schleicht sich das Gefühl ein, auch Antony könnte etwas wunderbares aus Boom Boom Boom (I want you in my Room) der Vengaboys machen. Ja, unser Wunderkind könnte das sogar, ohne Zweifel.

A Camp - Love Has Left The Room

Zeit für Single Nummer 2 aus Album Nummer 2, dachte sich wohl unsere bezaubernde (eigentlich Cardigans-Frontfrau) Nina Persson, die bis vor kurzem noch quer durch Europa tourte. Kritiker waren sich einig, dass es auf dem neuen A Camp Album Colonia, wie auch schon auf dem selbstbetitelten Vorgänger, eigentlich nur wenige Hits gäbe und es primär Langeweile beim Hören auslöst. Dies kann uns an dieser Stelle egal sein, denn Love Has Left The Room stellt definitiv einen erfrischenden Hit dar und man fragt sich zu Recht wieso diese Single nicht der Albumvorboote war. Das Video zu Love Has Left The Room wurde auf einem Leuchtturmgelände von Long Island, NY von Sarah Flicker und Maximilla Lukacs gedreht.

Tanz auf der Trauerfeier

Das Highfield in Hohenfelden sagt „Auf Wiedersehen“ und ich winke mal zum Abschied mit. Ansonsten the same procedure as every year. Ein musikalisches Kondolenzschreiben…

PS: Die hier zu sehenden Fotos stammen alle von der Homepage der TLZ. Da gibt’s auch noch dutzende mehr. Einfach hier klicken…


Akzeptanz und Gelassenheit sind einige der absoluten Vorzüge des “Alters”. Und ja, ich sage „Alter“, obwohl ich vergangenen Monat „erst“ 25 geworden bin. Na jedenfalls entwickelt man da eine gewisse Entspanntheit, was Dinge angeht. Vergangenes Jahr habe ich meine Highfield-Review noch mit ausgiebigem Schimpfen über die Ideenlosigkeit klassischer Rockmusik und die Prolligkeit vieler Festivalbesucher eröffnet. Und um das gleich mal vorauszuschicken: Geändert hat sich daran nicht wirklich etwas. Warum auch? Das Prinzip „Rockfestival“ funktioniert seit Woodstock vor fast exakt 40 Jahren bestens und meist immer gleich. Also zelebrierte man den gepflegten bzw. ungepflegten Eskapismus mit viel Bier, viel Gegröle, viel Gitarren und noch mehr Bier. Wenn Jimi Hendrix das noch erleben dürfte. Dennoch, und das sei dem Festival hoch angerechnet, geht es im Allgemeinen immer recht friedlich und harmonisch zu. Entspannte Idiotie, die irgendwie ansteckt. Fernab der Zivilisation am Stausee Hohenfelden kann man mal endlich all das machen, was normal an Schule, Uni oder Arbeitsstelle nicht geht. Arbeit Nervt halt! Wo waren eigentlich Deichkind an diesem Wochenende? Und so setzt sich das Publikum aus einem bunten Haufen unterschiedlichster Charaktere zusammen. Vom hippen „Ich-komm-aus-Berliiiiiin“-Indie-Starlett bis zum Dorfproll in Camouflage-Badeshorts findet man hier alles vor. Von denen die sich ganz zeitig schon aufs Festivalgelände begeben bis zu denen, deren Alkoholpegel bereits vor 20 Uhr auf bedrohlichem Level ist und die den Zeltplatz teilweise während des ganzen Wochenendes nicht verlassen. Bester gehörter Satz in diesem Kontext: „Hä? Ihr geht euch Musik anschauen? Ihr seid ja spießig!“ Ja, ich bin spießig, aber in dem Zusammenhang steh ich dazu. Selbst-Profilierung bei 25.000 elektrisierenden Besuchern ist auch ein recht schwieriges Unterfangen, also lass ich’s gleich sein. Deshalb geht’s mit uncooler aber zweckmäßiger Billig-Regenjacke (die zum Glück nicht wirklich benötigt wurde) am Freitag schon gegen Nachmittag aufs Gelände.

Erster Anlaufpunkt des Wochenendes war Get Well Soon. Seit dem Erscheinen Anfang 2008 ist der Wahl-Münchner Konstantin Gropper mit seinem Projekt fast ununterbrochen on the road, wie man so schön neudeutsch sagt. An ihrer Kraft und Intensität haben diese Songs aber nach wie vor nichts verloren. Noch immer ist „I Sold My Hands For Foot, So Please Feet Me“ ein unglaubliches Monster von Song. Höchste Zeit, dass ich mir das Album nochmal anhöre. Ansonsten ist die Show aber relativ unverändert gegenüber 2008 und da es keine neuen Songs gab, darf man gespannt sein, was denn Album Nummer Zwei, wann auch immer es kommt, zu bieten haben wird. Bei den Wombats freu ich mich darauf nicht wirklich. Die spielten im Anschluss ihren very british Indie-Poprock von der Stange und da grad nichts anderes lief, schaute ich halt mal hin. Und an ihrer Überflüssigkeit haben die aus meiner Sicht auch nach wie vor nichts verloren. Das Debüt, dessen seltsamer Name mir gerade entfallen war, bot außer den recht ordentlichen Hitsingles kaum Weiterhörenswertes. Und die neuen Songs… Gut, die konnte ich als solche nicht identifizieren, aber na ja. Der Mehrheit im Publikum hat’s gefallen und das ist ja auch okay. Aus den Ohren aus dem Sinn. Ich möchte ja nicht sagen, dass dies bei Wilco im Anschluss ähnlich war. Aber die waren mir vorher nur vom Hörensagen ein Begriff. Und von der Tatsache, dass sie im Altherren-Musikjournalismus des Rolling Stone Magazins immer hochgelobt werden. Hmm, ob dies ein gutes Kriterium ist? An sich aber ein solides Set, welches die Band aus Chicago abliefert. Und angesichts der Wombats und der ewig gleichen Mainstream-Rock-Beschallung durch die Hosen, Ärzte oder Beatsteaks auf dem Zeltplatz war dieser ur-blusige US-Folkrock (darf man das so beschreiben, liebe Wilco-Fans?) eine gelungene Abwechslung. Gute Band! Doch natürlich dienten Wilco nur dazu, sich einen guten Platz zu sichern. Von diesem konnte man sich anschließend das Heimspiel des Erfurters Clueso mit samt Band anschauen. Und das war mal richtig überraschend. Überraschend gut nämlich. Schon beeindruckend, welch erstaunliche Entwicklung dieser kleine Lausbub in den letzten Jahren genommen hat. Vom kleinen Hip Hopper hin zu einem der interessantesten und sympathischsten Popstars des Landes, dessen musikalisches Spektrum mittlerweile recht vielseitig angelegt ist.

Und Songs wie „Gewinner“ sind halt einfach mal gute Songs. Das sieht die Mehrheit der Leute an diesem Abend genauso und macht es dem jungen Mann leicht. Kein Wunder, ist er doch der einzig brauchbare Popstar des Bundeslandes und damit auf der sicheren Seite. Die Masse geht gut ab und kann wortgenau mitsingen. So werden gerade die Balladen, wie das wunderbare „Chicago“ zu einem echten Gänsehauterlebnis. Spätestens, wenn er als Zugabe das ruhige „so sehr dabei“ als Schwanengesang auf das Highfield anstimmt. Denn das Festival muss ja bekanntlich den Stausee Hohenfelden räumen. Zu groß sind die Schäden für die Bauern und den See. Na ja, irgendwie unnütz. Aber na gut, zurück zur Musik. Eine erstaunlich souveräne Darbietung von Clueso war das allemal. Grönemeyer kann schon mal in Rente gehen. Jedenfalls war ich jetzt gut eingestimmt um meine persönliche Haupt-Wunschband des Tages, nämlich Maximo Park, die im Anschluss spielten. Seit jeher eine meiner Lieblingsbands, die es geschafft hat, seit 2005 drei sehr gute Alben unters Volk zu bringen. Auch das neue Album, „Quicken The Heart“ ist wieder so eins, auch wenn man das nicht sofort hören mag. Los ging’s aber erstmal mit „altem Scheiß“, nämlich „Graffiti“ vom Debüt. Da war die Hütte schon am Abhotten. In den nächsten 70min gab’s dann ein buntes Set aus allen Alben. Dazu neben einer solide spielenden Band (wie immer ein humorvoller Anblick: Keyboarder Lukas) wie immer ein herrlich aufgedrehter Paul Smith. Die Frontsau, wie immer, im stilsicheren Anzug und auf 180. Er wirbelt herum, feuert das Publikum an, zuckt und tanzt und schafft es dabei immer noch mit allerhand pathetischen Gesten diese wundervollen, kleinen Poprock-Songs zu singen. Ach, und was für welche… „The Kids Are Sick Again“, „Books From Boxes“, „Going Missing“ oder die tolle neue Single „Questing, Not Coasting“… alle waren sie dabei. “The Coast is always changing” wäre die Krönung gewesen, dafür gab’s aber überraschenderweise das kunstvolle, ruhige „Acrobat“ vom Debütalbum. Eine tolle Vorstellung, wenngleich der Sound nicht so berauschend war. Hmm, das übliche Problem in der ersten Reihe. Deshalb, und weil’s etwas zu voll wurde, ging ich im Anschluss nach hinten, um mir den Hauptact des Tages, die <bArctic Monkeys anzuschauen. Diese kamen pünktlich zur Geisterstunde um Mitternacht auf die Bühne und überraschten auf ganzer Linie. Die jungen Herren aus Sheffield scheinen angesichts des neuen Albums „Humbug“ wirklich ein wenig reifer geworden zu sein. So begnügt man sich an diesem Abend nicht damit, dem Publikum zu geben, was es haben möchte. Die Songs des kultigen Debütalbums kann man an ein paar Fingern abzählen. Das totgespielte „I bet you look good on the dancefloor“ wird widerwillig gespielt, aber auf “When the Sun goes down” wird bspw. komplett verzichtet. Interessant. Dafür gibt’s zu großen Teilen die etwas ruhigeren und verworrenen Songs des neuen Albums „Humbug“. Großes Tennis, das beweist, dass die Band mehr drauf hat als Wombats-ähnliche Disco-Songs zu schreiben. Die Ambitionen des Quartetts kommen weiter hinten nicht so sehr an, aber vorn ist der Applaus größer. Ich persönlich freue mich über persönliche Favouriten, wie „If you were there, beware“ vom letzten Album und so viel Mut. Wortkarg waren sie schon immer. Das ist okay. Und auf jeden Fall macht es immer noch Spass, „Humbug“ zu hören und dabei die Songs zu entdecken. Ein mehr als gelungener erster Tag ging deshalb zu Ende. Und ich war dann sogar so uncool, dass ich am Partyzelt und dem x-ten Mal „Hello Joe“ vorbei ging um mich direkt ohne Los Richtung eigenes Zelt zu begeben.

Kurz war die Nacht dann allerdings trotzdem. Is ja immer so. Da hilft nur eins! Aufstehen, Weitertrinken, Weiterfeiern! Oder so ähnlich. Während viele noch ihren Rausch ausschliefen gings gegen Nachmittag ganz entspannt aufs Festival um noch ein paar musikalische Highlights zu finden. Spinnerette war sicher keines davon. Die US-Rockband um die frühere Distillers-Frontfrau Brody Dalle macht so absolut nichtssagenden US-Alternative-Rock, dass man ihr deshalb gar nicht böse sein kann. Oh, und ich hab gelernt, dass sie mit Josh Homme verheiratet ist. Dennoch hab ich hier erstmal weiter hinten etwas gechillt. Danach wollte ich allerdings munter werden, wozu sich die mexikanische Band Panteon Rococo bestens eignete. Ein luftig leichter aber enorm tanzbarer Mix aus Rock, Pop, Ska und lateinamerikanischen Klängen machte Bock auf Arschwacklen, Händeklatschen und andere Bewegungsspielarten. Eigentlich nicht so Musik, die ich privat höre, aber in diesem Fall einfach genau richtig an diesem schönen, warmen Sommertag. Und es macht immer Spass eine Band mit Spielfreude zu sehen. Im Prinzip dass, was letztes Jahr an gleicher Stelle Gogol Bordello für mich waren. Diese musikalische Vielfalt an unterschiedlichen Rockspielarten ist ja auch ein großer Pluspunkt dieses Festivals. Denn wo bekommt man schon mexikanischen Rock gefolgt von deutschem Indierock? Im Anschluss standen nämlich die unverwechselbaren Tomte auf dem Spielplan, zu denen ich in den letzten Jahren eine innige Liebe entwickelt habe. Zum einen, weil sie ganz wunderbare Popsongs in unpeinlicher deutscher Sprache schreiben und zum anderen, weil Bandleader Thees Uhlmann einfach so’n Vollsympath ist. Auch an diesem Tag. Das Set beginnt mit einem kurzen Akustik-Cover von „Human“ von den Killers (!) und mündet dann gleich in die famose „Schönheit der Chance“. „Alles real, nix fake!“ propagandiert Uhlmann. Danach spielen Tomte ein solides Set aus ihren größten Hits, bei dem das Publikum gut mitgeht und mitsingt. Ach, und einen Flashmob gab’s. Ist aus dem eigentlich was geworden? Ich hab mitgemacht, mich trifft keine Schuld. Und ganz nebenbei gibt sich Uhlmann, der „Godfather of german Indie-Rock“ (O-Ton: Ich) als Anekdotenerzähler, der von nächtlichen Badeunfällen berichtet und gegen die NPD wettert. Hinter mir schreien einige „Langeweilig!“, aber so isser halt. Eine Figur, an der sich die Geister scheitern. Ein toller, leider zu kurzer Auftritt der Band. Die Überpünktlichkeit brachte mich aber dazu endlich mal einen Abstecher drüben ins Zelt zu wagen, wo ich dann noch die ersten Songs von Metric mitbekommen sollte. Die Band um die extrem attraktive und extrem talentierte Emily Haines spielte vor vollem Haus bzw. Zelt und schien, wie ich mir später sagen lies, das Publikum gut im Griff zu haben. Mir war’s dann leider etwas zu voll und ich entschloss mich wieder Frischluft zu schnappen, um einen lauschigen Sonnenuntergang am See zu genießen. Die Musik dazu lieferten Vampire Weekend, die mir mit ihrem selbst betitelten Debüt mein persönliches Sommeralbum für 2008 bescherten. Was gibt es also mehr, als die Kombination Sonne und Vampire Weekend auch an diesem Abend zu genießen? Gespielt wurden alle relevanten Hits des Debüts und schon einige sehr vielversprechende Vorboten des Nachfolgers. Das Publikum wurde im Verlauf der Performance zusehens munterer und interessierter, wenngleich man natürlich primär auf den Mini-Hit „A-Punk“ wartete. Aber auch „Blake’s Got A New Face“ funktionierte ganz gut. Ein sehr stimmungsvoller, kurzweiliger Auftritt. Danach war allerdings die Sonne untergegangen und die Party sollte richtig losgehen. Dafür eignet sich Deutschlands landeseigner Punkrock-Stimmungsmacher Farin Urlaub natürlich bestens. Dieser enterte kurz nach halb 9 mitsamt seinem Racing Team die Hauptbühne und wurde da wärmstens empfangen. Die Masse des Publikums ist bei einem Farin Urlaub Gig mittlerweile eh ähnlich dem eines Ärzte-Auftritts. Kaum ein Ärzte-Fan, der nicht auch Farins Solo-Zeug mag. Umgedreht gibt es das sowieso nicht. Immerhin gehen auch die größten Ärzte-Hits auf das Konto von Jan Fedder aka Herr Urlaub. Und einen großen musikalischen Unterschied zu seinen Solo-Sachen kann ich auch nicht ausmachen. Das bleiben schmissige, eingängige und ungefährliche Poppunk-Songs, wenngleich der Bläseranteil bei den Solosachen größer ist. Textlich widmet sich Urlaub ebenfalls den begehrten Themen Liebe/ Gesellschaft und Schwachsinn. Vielleicht ne Spur ernster, das macht vielleicht das Alter. Kein Wunder dass dieser blonde 45jährige Berliner mit den nie langweilig werdenden „Teen Angst“-Themen nach wie vor eine breite Altersschicht anspricht. Als die Band mit Spielen beginnt, geht ordentlich die Post ab. Vielleicht etwas zu sehr. Ärzte-Fans moshen halt gern. Vielleicht etwas zu viel für meinen Geschmack und vielleicht auch für den von Herrn Urlaub, der das Konzert kurz unterbricht um das Publikum zum Friedlichsein zu animieren. Sehr löblich! Is mir dennoch etwas zu viel Kampf und zu wenig Konzert, also geh ich ein wenig weiter hinten. Da ist die Stimmung auch gut, aber man kann noch atmen und bekommt nicht die schwitzenden Körper irgend welcher halbnackter Farin-Fans hautnahe zu spüren. Das Racing Team spielt einen fulminanten Auftritt und macht Spass, auch wenn es mir als Laie schwer fällt, da was auseinander zuhalten. Dennoch gute Arbeit, doch mich zog es noch kurz rüber ins Zelt um da noch ein paar Songs der viel umjubelten Maccabees mitzubekommen. Bisher waren die mir nämlich bis auf den Namen relativ fremd, muss ich sagen. Hört sich nach nettem Indierock an. Sänger Orlando Weeks trifft in etwa die Stimmlage eines Win Butler (Arcade Fire) und hat die Gitarre soweit oben hängen, dass man ihm fast Bela B. auf den Hals hetzen möchte. War irgendwie nett, aber nicht sonderlich spektakulär. Müsste man vielleicht noch mal reinhören. Danach war ich allerdings definitiv bereit für eine Pause, am besten in Form eines guten Dresdner Handbrotes. Yammi! Also entspannte ich ein wenig im Coca Cola Soundwave Tent (immer noch furchtbarster Name der Welt) während der Umbaupause. Draußen spielten The Offspring, die ich mir aber erspaarte. Vor zehn Jahren wäre ich da vielleicht hingegangen, aber heutzutage gibt mir das nix mehr. Während die anderen also noch in nostalgischen Erinnerungen schwebten, genoss ich die kurze Erholung, um dann im Zelt mal kurz aus der Lethargie gerissen zu werden. Und wie! Die letzte Band des Abends sollten da nämlich die wunderbaren Baddies sein. Ich meine, im Prinzip ist diese ganze Indie-New-Wave-Rock-Welle aus England ja seit einiger Zeit tot und ich persönlich bin all dieser Franz-Ferdinand-Klone langsam überdrüssig. Aber an diesem Abend kommt diese Band auf die Bühne spielt innerhalb einer Stunde ein famoses Set aus kantigen, schroffen Post-Punk-Songs, die gleichzeitig schroff, wie druckvoll, wütend wie eingängig sind. Keine Ahnung, wie es diese Band geschafft hat, aber für einige Momente fühlte es sich an, als sei dies die Entdeckung des nächsten großen Dings! Und dabei meine ich die Joy-Division-Größenordnung! Das relativiert sich natürlich im Laufe des Auftritts wieder, aber in diesem Moment war ich vollkommen überwältig von ihrem energetischen punktgenauen Rock und dem Auftritt der Band. Die sahen zwar alle aus wie Versicherungsvertreter, legten sich aber ordentlich ins Zeug. Besonders Lead-Sänger Michael Webster, welcher den zappelnden Gitarrenroboter gibt und eine mit durchstechenden Blick ins Mikro schreit. Nach all dem Mainstream-Rock des Festivals oder auch all dem Elektro-Kram, den ich zuletzt auf dem MELT! gehört hatte, war diese Band irgendwie erfrischend für meine Ohren und Beine. Schroff, aber schön und mit ansprechender Direktheit. Ob sich das auch auf der bald erscheinenden Debütplatte „Do The Job“ so gibt, bleibt abzuwarten, aber an diesem Abend waren die Baddies für knapp 60 Minuten für mich die wichtigste und beste Band der Welt! Und das ist ein Gefühl, an das ich mich gern zurückerinnere. Damit hat auch dieser Festivaltag einen gebührenden Abschluss gefunden. Die Baddies bedanken sich dafür, dass ihre Zuschauer sich neuer Musik öffnen, was natürlich einen schönen Kontrast du den draußen aufspielenden Faith No More darstellt. Die Band hatte ihren musikalischen Zenit sowieso schon hinter sich gelassen, als ich angefangen habe, aktiv Musik zu hören. Ist zwar schön, dass die sich damals 1998, als das Highfield das erste Mal stattfand auflösten und nun pünktlich zum letzten wiederkommen, aber es stellt sich einem einfach die Frage: Wer braucht diese Band 2009 noch bzw. wieder? Cross-Over? Himmelherrgott… Mike Pattons Solosachen waren da ja wesentlich interessanter. Hier wirkt die Band wie eine alte Kirmesband, die ihre alten Kamellen spielt. Immerhin passen die trashigen Anzüge dazu. Zwischendurch beschwert sich Patton, welcher mittlerweile ein wenig aussieht wie Robert Downey Jr., warum denn das Publikum nicht komplett austickt. Vielleicht, weil es zu wenig Grund dazu gibt. Meine Generation kann damit einfach nichts anfangen. Vielleicht wenn ich 5 Jahre älter wäre, aber so besitzt diese Band einfach Null Relevanz und ich verzieh mich nach kurzem Gastspiel wieder Richtung Zeltplatz.

Und wo wir gerade bei seltsamen 90er-Jahre-Band-Revivals sind… da schlag ich doch spontan gleich die inhaltliche Brücke zum Sonntag und Deutschlands Antwort auf eben dieses Revival: Selig! Die sollten an diesem noch heißeren Abschlusstag für mich die erste Band des Tages sein. Allerdings tut der Vergleich mit Faith No More hier ziemlich hinken. Immerhin sind Selig nicht nur mit neuen Kamellen am Start, sondern haben ein neues Album mit dabei, welches beim Publikum sehr gut ankommt. Die Altersschichten scheinen auch etwas durchmischter zu sein, als am Vorabend. Und so spielt man bspw. „Ist es wichtig?“ als sperrigen Anfang oder die Allzweck-Schmuseballade „Ohne dich“, welche auch nach 15 Jahren immer noch einer der besseren deutschsprachigen Songs ist und vom Publikum ordentlich intoniert wird. Frontmann Jan Plewka hat sich farblich unter das Motto „rot und eng“ gestellt und genießt das Comeback sichtlich. Also, schlecht war das nicht, muss ich sagen. Gute Vorstellung! Danach erstmal Pause. Generell ist dieser Sonntag relativ ereignisarm und dient eher zum entspannten Ausklang meinerseits, was angesichts der Vortage durchaus okay ist. Also legt man sich auf den leicht verdorrten Rasen, während im Hintergrund die furchtbaren AFI einen undeutbaren Scheiß zusammenspielen. Anschließend spielen Apocalyptica aus Finnland und das gar nicht mal so schlecht. Ich meine, die machen Cello Metal… das ist so dämlich, dass man es schon wieder gut finden muss. Außerdem sehen die Typen aus, wie direkt aus „World of Warcraft“ entsprungen. Gespielt wird ein Mix aus Metallica-Covern und ein paar eigenen Songs. Klassik-Einsprenkler inklusive. Macht eigentlich Laune und es rockt recht gut. Als am Ende „Enter Sandman“ gespielt wird und das Publikum dazu den Gesang übernimmt macht das einfach nur Spass. Es ist das 200. Konzert der aktuellen Apocalyptica-Tour und auch das Letzte. Ein würdiger Abschluss, würd ich sagen. Recht unterhaltsam, privat aber nichts für mich. Nichts mehr für mich sind dann im Anschluss die Deftones, die ich mir aber, auch bedingt durch meine kurze aber intensive Teenager-Nu-Metal-Phase gern noch mal anschaue. Der alten Zeiten wegen. Wenngleich die Deftones immer die gute Seite dieses furchtbaren Kurzzeit-Genres repräsentierten. Offen für Experimente und bekannt für den charismatischen Sänger Chino Moreno, der es schafft binnen Sekunden von wütendem Geschrei auf zerbrechlichen Gesang umzuschwenken. Auch 2009 klappt das noch und die Band kommt gut an, spielt am Ende das unverwüstliche „Change (In The House Of Flies)“, sowie „Back in School“. Herrlich altmodisch! Ich hätte mich noch über „Digital Bath“ gefreut. Na ja, schöne Sache zum Erinnern. So ähnlich müssen sich die Faith No More-Fans am Vorabend gefühlt haben. Danach lief erstmal eine Weile nichts. Im Zelt spielten Blitzen Trap schrulligen Südstaaten-Rock der Marke „Okay“, während Rise Against auf der Hauptbühne die Massen zu austauschbarem US-Krach-Punk zum Toben brachten. Das ich vorher noch nie etwas von der Band gehört hatte beweist nur, dass ich in dem Genre nicht wirklich beheimatet bin. Nee, ich fühl mich da, ganz männlich, natürlich eher von homosexuell angehauchten Indie-Pop angesprochen! Und so sollte dieses Festival im Coca Cola Tent mit dem famosen Patrick Wolf enden! Und was für ein Ende! So hatte sich dann doch ein großer Pulk an Menschen mit Geschmack und Unlust auf Campino und Co. eingefunden, als Wolf gegen halb 10 die Bühne betrat. Und natürlich stilsicher in eine Kombination aus Gold mit… ähm… noch mehr Gold. Wolf treibt die schwule Diva mittlerweile endgültig auf die Spitze und sieht aus, als sehr er beim ABBA-Coverband-Casting bis in die letzte Runde gekommen. Ein feiner Anblick! Als er dann mit seiner akkuraten Begleitband loslegt, kann die Abschlussparty beginnen. Das Publikum gibt sich erst etwas verhalten bis verwundert, taut dann allerdings ordentlich auf und schließt sich der Spielfreude des Protagonisten an. Wolf ist gut drauf, klettert in den Bühnengraben und fast sogar ins Publikum, umarmt die Ordner und freut sich über die verschwitzte Unterwäsche, welche ihm auf die Bühne geworfen wird. Männer, wie Frauen liegen ihm in der ersten Reihe zu Füßen… vielleicht sogar mehr Männer. Das wird mit einem kleinen Strip belohnt. Und sagen wir mal so… das was da unter dem goldnen Gewand getragen wird, überlässt nichts der Fantasie. Spielend leicht schafft Patrick Wolf den Sprung durch alle Genres. Egal, ob Rock, einfühlsames Singer-Songwritertum oder einfach nur Disco… er kann alles und man nimmt ihm diese Vielseitigkeit auch zu jedem Zeitpunkt ab. Zwischendurch bedankt er sich ganz artig und verrät, dass er gerade am Deutschlernen ist. Das wird natürlich im Land der Dichter und Denker gern aufgenommen. Am Ende ist der Jubel gewaltig und es gibt noch mal eine Zugabe des erblondeten Entertainers sowie noch mal ordentlich Publikumskontakt. Ein fulminantes Ende dieses Festivals! Hatte der Sonntag doch noch Sinn!

Nach so einem geilen Auftritt wirken Die Toten Hosen auf der Hauptbühne dann gleich noch mal doppelt so lahm, wie man es erwartet hätte. Sicher, die Düsseldorfer Altpunks sind deutsches Kulturgut und ein Lied bzw. Refrain kann jeder Deutsche mindestens mitsingen, aber irgendwie ist das so gar nicht mehr meine Welt. Und das obwohl ich in jungen Jahren ein paar Songs ganz gern mochte. Aber na ja, wer halt nach 20 Jahren immer noch nicht die Schnauze voll hat von den ewig gleichen Mitgröhl-Hymnen übers Durchhalten, Herzschmerz und vor allem Alkohol, der soll sie halt feiern, die guten, alten Zeit. Immerhin ist Campino ganz locker drauf an diesem Abend. Ich könnte mir schon denken, dass der mittlerweile auch mal mehr Bock auf anspruchsvollere Sachen hätte, aber Hosen-Frontmann bist du halt auf Lebenszeit. Egal ob mit 25 oder mit 45. Muss man einfach mit! Vielleicht wär ich mit ’nem Pegel jenseits der 2 Promille auch noch mal mitgezogen… der alten Zeiten wegen halt. Aber so irgendwie nicht. Dennoch ein imposanter Abschluss, wenn am Ende tausende Leute zusammen „You’ll Never Walk Alone“ grölen. Damit ist dann aber auch endgültig Schluss! Das Highfield gibt zur Abschiedsvorstellung noch mal eine Art Best of mit den größten Hits der letzten 20 Jahre und einem Publikum von 14 bis 40. Die Blaupause eines Rockfestivals. Und natürlich soll das Highfield 2010 wiederkommen mit neuer Adresse und im Osten wie man versichert. Dennoch ist man am nächsten Tag irgendwie leicht wehmütig. Denn eigentlich ist das eine schöne Landschaft da am Stausee Hohenfelden. Und wenn man dann die Unmengen an übrig gebliebenen Müll sieht versteht man die Bauern schon ein wenig, aber schön wär’s schon gewesen, wenn man sich einen Ruck gegeben hätte. Mit der Location stirbt halt das essentielle Stück Highfield. Ob dies nächstes Jahr an andere Stelle genauso gut funktioniert bleibt fraglich. Ich hab mich jedenfalls schon mal mehr oder weniger verabschiedet. Das Highfield 2009 war, wohl auch aufgrund der überschaubaren Highlights, ein recht entspanntes Festival mit hohem Unterhaltungswert aber wenig musikalischen Offenbarungen. Und trotz des Umzugs werden sicher auch im nächsten Jahr viele Menschen kommen, um den guten alten Zeiten bzw. dem hemmungslosen Eskapismus zu frönen. Und das ist ja auch okay so. Jedenfalls wurde die Trauerfeier 2009 eher zum Besäufnis als zur Beerdigung. Das Leben geht halt weiter. Dann sag ich mal: Bis zum Festivalsommer 2010. Egal, wann oder wo genau.

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