Montag, 1. März 2010

I LOVE REMIXES / #04 - Boys Noize

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„Hello“ – Bam! Bam! Bam! … Gut, das lässt sich lautmalerisch jetzt schwer beschreiben, aber der Albumanfang des Boys Noize Debüts „Oi Oi Oi“ aus dem Jahr 2007 hat fast schon ikonische Wichtigkeit in der (Achtung, schon längst vergessenes Hype-Wort) „Nu-Rave“-Szene. Ein bratzendes Bollwerk, welches einem von der ersten Sekunde an direkt bei den sprichwörtlichen Eiern packt und headbangend auf den Tanzboden zwingt. We Are Rockstars Now! Kaum eine Person steht mehr für die Metamorphose elektronischer Musik in den letzten Jahren als der deutsche Produzent Alexander Ridha. Er macht elektronische Musik, die es schafft zu „rocken“, obwohl bekanntermaßen keine Gitarren oder andere althergebrachte Instrumente in den Tracks vorkommen. Techno im klassischen Sinne. Das heißt: pumpende Beats, harte Acid-Lines und Synthie-Bässe, die gern mal den Verzerrer oder Kompressor bis ans Limit treiben. Alles ist laut, haut auf die Zwölf und piept und zirpt an jeder Ecke. Hemmungsloser Hedonismus also? Na ja, ganz so simpel ist es nicht, aber mit seinem richtigen Riecher für die richtige Partymusik hat sich Ridha als Boys Noize schnell einen guten Namen erspielt. Mehr als mit dem Pop-Vorgängerprojekt „Kid Alex“ jedenfalls. Kennt noch einer „Young Love… Topless“? Gott, ist das lang her.

boys-noize1Obwohl sich die beiden Hipster-Label Kitsuné und Ed Banger beide um den guten Mann prügelten und er auch Kontakte zu ihnen pflegte entschied er sich für den Independent-Weg und machte kurzerhand sein eigenes Label „Boys Noize Records“ auf. Dort hat er in den letzten Jahren eine fleißige Anzahl feinster, extrem clubtauglicher Remixe veröffentlicht, die ein breites Spektrum abdecken. Bereits früh wurden angesagte Acts, wie Bloc Party, die Kaiser Chiefs oder auch Para One auf ihn aufmerksam. Als eine Art Durchbruch kann man dann den bereits jetzt in einfschlägigen Kreisen legendären Remixauftrag für die kanadische Songwriterin Leslie Feist bezeichnen. Ridha nahm den ohnehin schon sehr groovigen Rhythmus von „My Moon My Man“ und versah ihn mit typischen Clubflair ohne dabei das Gefühl des Originals zu vergessen. Mittlerweile ein Standard-Track im Repertoire des guten Mannes, und wenn es nur das berühmte, durch die Effektgeräte gejagte Vocal-Sample ist. Die Massen wissen, was damit gemeint ist. Doch warum schafft es Boys Noize gleichermaßen mit recht simplen, aber lauten Techno-Konstrukten Menschen auf der ganzen Welt zu begeistern und mittlerweile vor riesigen Menschenmengen (dieses Jahr u.a. auch auf dem Hurricane/ Southside) zu spielen. Man muss es erlebt haben und sich vor allem darauf einlassen, wenn Ridha Menschen unterschiedlichster Herkunft zum Rave einlädt. Legendär (ja, ich benutze das Wort heut gern einmal) auch der Auftritt beim MELT! 2007, dem ich glücklicherweise beiwohnen durfte. Ridha spielte ein Wahnsinns-Set, bis 7 Uhr in der Früh. Letztendlich musste man ihm den Strom abdrehen. Aber davor brachte er die Menschen auf den Holzdielen zum Toben. Und da lagen sich tatsächlich skinny Indie-Nerd und muskelbepackte Dorf-Discoprolls feiernd in den Armen, vereint durch diese Musik. Eines der surrealsten Bilder, welches ich je auf einem Musikfestival sah. Doch es funktionierte, weil Boys Noize (und sicher auch andere Gesellen des berühmten Nu-Rave-Jahrganges) der Elektronik das gaben, was dem Rock’n-Roll vor zu viel Bands, Hypes, Style und Plattenfirmen in den Jahren davor abhanden gekommen ist: der Mut zu Kantigkeit und zum Schmutz. Statt wilder Schreie sind es verzerrte Bässe, statt Gitarrenriffs haben wir Acid-Lines. Und klare Songstrukturen sind eh nicht vorhanden. Besonders bei seinen Live-Sets verwurschtelt Ridha das Ausgangsmaterial gerne einmal. Das alles entfaltet eine Kraft, wie sie nur Musik haben kann. Es hebt die Stimmung, es ist treibend und entfaltet eben auch bis zu einem gewissen Grad in seiner Härte den Geist des Rock’n Roll.

Aber natürlich ist es nicht nur die Musik, sondern es sind auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche dieses Phänomen erklären. Angesichts der krisengeschüttelten westlichen Gesellschaft und ihrer Reizüberflutung verlieren sich viele Kids immer mehr in einem hedonistischen Rauschzustand, bei dem das Nachtleben als Fluchtmöglichkeit eine immer stärkere und übertriebene Rolle einnimmt. Berlin Calling… weisse Bescheid! Und so wird sich diese Rave-Elektro-Blase immer mehr aufbauschen, immer greller, bunter und drogenverseuchter werden, bis sie irgendwann demnächst auch wieder Platzen wird. Noch ist die Party ja nicht vorbei, sondern es geht weiter. Aber nicht ewig. Ridha selber schaut sich bereits neu um. Nachdem die Großen, wie Depeche Mode oder Justice bedient wurden sind, sprangen zuletzt auch die Black Eyed Peas auf den Zug auf und ließen sich zu Teilen von Ridha produzieren. Dieser hat sich längst vom reinen Four-To-The-Floor-Musizieren verabschiedet. Bereits das zweite Studioalbum „Power“ ist experimentierfreudiger und spielt mit (Achtung, Hype again) Dubstep oder Hip Hop herum. Die Remixe der letzten Jahre schielen mehr auf den Pop oder klassischen Techno. Da scheint jemand die Zeichen der Zeit zu erkennen. Auf jeden Fall ist Boys Noize für die Zukunft gerüstet und scheint nicht am ewig gleichen Prinzip von „& Down“ und Co. festzuhalten. Was sollte eigentlich nun dieser kurze gesellschaftskritische Exkurs? Vielleicht um ein wenig Verständnis dafür zu erzeugen, dass Electro mittlerweile durchaus in Sachen Kraft dem Rock ebenbürtig sein kann. Oder um zu verdeutlichen, dass man kein druffer Partyjunkie sein muss, um das Wesen dieser Musikform zu verstehen. Wie man damit umgeht und inwieweit man damit lebt, bleibt am Ende jedem selbst überlassen. Und jetzt mal Klappe zu, Boxen aufgedreht, Datei herunter geladen und gut 60 Minuten lang ordentlich abtanzen bitte! Der Meister ist im Haus!

01 Sébastien Tellier - L'Amour Et Le Violence (Boys Noize Euro Remix)
02 Foreign Islands - Fine Dining With The Future (Boys Noize Remix)
03 The Living Things - Bom Bom Bom (Boys Noize Remix)
04 Shiny Toy Guns – Le Disko (Boys Noize Fire Remix)
05 Editors – You Don't Know Love (Boys Noize Classic Remix)
06 Housemeister – In Order To Dance (Boys Noize Remix)
07 Kaiser Chiefs – Everyday I Love You Less And Less (Boys Noize Remix)
08 Tiga – Move My Body (Boys Noize Remix)
09 Teenage Bad Girl – Cocotte (Boys Noize Rework)
10 Depeche Mode – Personal Jesus (Boys Noize Rework)
11 Justice – Phantom Pt. II (Boys Noize Unreleased Turbine Remix)
12 Late Of The Pier – Focker (Boys Noize Terror Remix)
13 Apparat – Aracadia (Boys Noize Remix)
14 Gonzales – Working Together (Boys Noize Vox Mix)
15 Feist – My Moon, My Man (Boys Noize Classic Remix)

DOWNLOAD HERE:
http://uploaded.to/file/vddsg5

Laufzeit: 59:20min

Homepage: www.myspace.com/boysnoize

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