Samstag, 27. März 2010

Kampf gegen Windmühlen

Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Thirteen Senses? Ich jedenfalls schon. Und auch wenn es sonst kaum einer mitbekommen hat... es gibt ein neues Album, wenngleich auch momentan nur zum Anhören. Hier die Details...

Lang, lang ist’s her. Na gut, auch nicht so lang. Dennoch sah die Musikwelt vor ca. 6 Jahren noch ein wenig anders aus. Franz Ferdinand waren gerade dabei alles über den Haufen zu werfen und von Nur Rave, Twitter oder Lady Gaga war noch keine Spur. Alles irgendwie übersichtlicher. Die von Travis und Coldplay losgetretene Britpop-Welle der späten 90er flaute also gerade ab. So gesehen waren die Thirteen Senses aus Cornwall sogar relativ spät dran mit ihrem 2004er Debüt „The Invitation“. Dennoch konnte man damit einige Kritiker- und Fanherzen für sich gewinnen. Besonders meines, denn ich bin nach wie vor ein riesiger Verehrer dieses traumhaften Meisterwerkes, dass ich ganz klar zu den qualitativ besten Debüts der letzten zehn Jahre zähle. Für die Band war also alles drin, aber im Anschluss lernten sie dann leider die Schattenseiten der Industrie kennen. Von Hundert auf Null. Der Nachfolger „Contact“ war ein kolossaler Flop, der es gerade mal so in die UK Top 100 schaffte. Dabei hatte das Album durchaus helle Momente, aber die Band hatte am Ende irgendwie den roten Faden darauf verloren. Schlechte Promotion tat ihr übliches, so dass die Band sang- und klanglos ihren Plattenvertrag verlor und ihn bis heute auch nicht wiederhat.

thirteensenses
Tragische Vorgeschichte zu einem an sich tollen Ereignis. Wie aus dem Nichts gibt es jetzt nämlich ein neues Album der Band! Zwar noch nicht physisch oder digital veröffentlicht, aber seit vergangener Woche streamt die Band ihr Drittwerk „Crystal Sounds“ gratis auf der hauseigenen Homepage. Ohne Anzeichen eines VÖ-Datums oder CD-Covers. Und ein Label hat man ja auch noch nicht. Ist dies etwa das Bewerbungsschreiben? Geht da noch etwas im Kampf gegen die Windmühlen? Eigentlich schon, denn es ist schon beeindruckend welch gutes Album die Jungs in Eigenregie im heimischen Studio zusammengezimmert haben. „Crystal Sounds“ ist natürlich kein zweites „Invitation“, aber es merzt ein wenig die Fehler von „Contact“ aus, in dem sich die Band auf ihre Stärken beruft. Und das heißt natürlich gefühlvolle Britpop-Balladen voller Melancholie und gern mal etwas Kitsch. Die Schuster bleiben bei ihren Leisten. Der Reigen der neun Songs wird durch das nette, wenn auch etwas lange Titelstück eröffnet. „A little wiser now“ stellt Sänger Will South darin fest. Ist wohl was dran… im Anschluss zeigt die Band aber, dass sie durchaus noch in der Lage ist, ein paar anständige Hits aus dem Ärmel zu schleudern, nach denen sich Snow Patrol sicher die Finger lecken würden. „The Loneliest Star“ begeistert mit wuchtigem Refrain, während man sich beim eingängigen „Home“ sofort heimisch fühlt und da erstmals wieder den Spirit spürt, welcher das Debüt durchwehte. Mit dem ziemlich flotten, aber gefühlvollen „Imagine Life“ kann die Band dann ebenfalls punkten und zeigt, dass sie auch abseits der reinen Balladen etwas zu bieten haben. Funktioniert hier besser, als beim Zweitwerk. „Animals“ entpuppt sich im Anschluss als siebenminütiges Kitsch-Epos, mit dicken Streicherwänden, welches zwischendrin mal spontan die Richtung wechselt. Ambitioniert und durchaus reizvoll. Mit „After The Retreat“ gibt’s danach den obligatorischen Rohrkrepierer des Albums, was aber vorkommen kann. „I Saw Stars Disappear“ ist dann schon wieder hochgradig melodramatisch und zelebriert einmal mehr die orchestrale Seite der Band, die mehr als auf den anderen Alben, diesmal in den Vordergrund tritt. Wo haben die denn das Orchester her? „Answer“ gibt sich dann wieder als klassischer Thirteen-Senses-Song. Irgendwie abgedroschen… Gott, aber so wunderschön. Und am Ende wird dann noch mal richtig aufgefahren… „Out There“ ist purer Orchesterkitsch auf 8-Minutenlänge, der fast schon eine kleine Symphonie darstellt. Vielleicht das bisher ambitionierteste Stück, welches die Band bisher aufgenommen hat. Funktioniert trotz hohem Kitschfaktor sehr gut, auch weil es scheint, als ob man einiges seit „Contact“ dazu gelernt hat. Besonders in dem Bereich „Stärken und Schwächen“. Die Thirteen Senses versuchen nun nicht mehr allzu sehr, wie andere Bands zu klingen, sondern scheinen ihren Sound langsam zu finden. Der lehnt sich natürlich immer noch an all die genreverwandten Bands an und driftet stellenweise diesmal halt etwas arg in kitschige Gefilde ab, gerade was die Streicher angeht. Aber einfach ist wohl nichts mehr, denn dieses Album schielt eindeutig auf den Erfolg und möchte trotz Eigenständigkeit nichts dem Zufall überlassen. „Seht her, liebe Plattenfirmen… wir können doch was.“ Ein gutes Album ist „Crystal Sounds“ am Ende nämlich wirklich geworden. Das Debüt wird als persönliche Messlatte vermutlich auch nicht mehr erreicht, aber immerhin verweigert man sich dem völligen qualitativen Abstieg. Was jetzt passiert, wissen wohl alle Beteiligten nicht so genau. Ob es „Crystal Sounds“ schafft, aus dem Meer an Veröffentlichungen entscheidend herauszuragen, um die Band voranzubringen steht in den Sternen. Wünschen würde ich es ihnen aber nach wie vor von ganzem Herzen.

Das komplette Album bei Soundcloud anhören...
Crystal Sounds - Full Album Stream by ThirteenSenses

Thirteen Senses @ MySpace

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