Tie Me Up and ...

Pin Me Down heißt das Projekt, das Bloc Party-Gitarrist Russel Lissack gemeinsam mit seiner alten Bekannten Milena Mepris auf den Weg gebracht hat. Die beiden haben uns nun schon seit geraumer Zeit mit kleinen Häppchen ihres Dancepops angefüttert. Nun schafften sie es endlich das große Mahl mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum aufzufahren.
Um es gleich festzuhalten: Time Crisis ist ein massiver Hit. Daran kann auch sein Sound nix rütteln, der sogar fürs lokale öffentlich-rechtliche Popradio geeignet ist. Zu eingängig die Melodie, zu viel gute Laune verbreitend die Harmonien, zu infektiös die gesamte Stimmung dieser niedlichen Uptempo-Nummer.
Nun soll damit nicht gesagt sein, dass das der einzige gute Song ist. Aber dennoch einer von wenigen. Als in Ordnung kann man noch folgende einordnen: Treasure Hunter, das gleichzeitig zum Album als Single auf den Markt geworfen wurde. Das leicht melancholische Pretty In Pink, welches Ende auch noch mit einer astreinen Bloc Party-Gedächtnis-Gitarrenabfahrt punkten kann. Und auch der bereits im Vorfeld herausgebrachte Opener Cryptic kann durch seine hübschen Melodien überzeugen.
Letzterer wurde ja 2008 von Kitsuné gemeinsam mit vier Remixen auf eine EP gepackt. Hörte man sich selbige in voller Länge an, so war doch schnell festzustellen, dass man schon starke Nerven braucht, um diesen Song dann auch zum fünften Mal hintereinander erklingen zu lassen. Dem Duo soll an der Stelle dafür ein kein Strick gekordelt werden, denn – mal ehrlich – welchen Song erträgt man schon fünfmal in Folge? Allerdings stellt sich in der Retrospektive heraus, dass es vor allem die Stimme von Ms. Mepris war, die einem doch sehr viel Geduld abverlangt hat. Der Song ist – wie bereits erwähnt – recht gut. Die Instrumentierung mit Drumcomputer-4/4-Beat, Gitarre, diversen Synths, Keyboards und Co. schon okay. Immerhin lässt sich auch erkennen, dass Russel Lissack sich einen wirklich einzigartigen Gitarrenstil erarbeitet hat, der einen hohen Wiedererkennungswert hat. Den recht engstirnigen Indie- oder gar Rockhörer dürfte es allerdings zutiefst verstören so einen billigen Chartspop zu erlauschern, wie man ihn eigentlich nicht mehr hören wollte. Allerdings ist es genau das, wofür man den meisten Respekt aufbringen könnte. Nämlich das dem erstaunten Bloc Party-Fan hier so unverhohlen ein mainstreamigstes Album angedreht wird. Und zwar ohne “Gänsefüßchen” oder verschmitzten Lächeln, sondern in vollem Ornat und mit heiligem Ernst.
Allerdings – und da kommen wir zum Pferdefuß der ganzen Geschichte – heißt Mainstream nicht, dass man als halbwegs ambitionierter Musiker über die gesamte Laufzeit immer wieder den gleichen Song zelebrieren muss. Zwar wird das Tempo mal variiert, oder der Beat (wie der federleichte Breakbeat bei Oh My Goddess) oder das Instrument (Verzerrung bei Boy Who Cried Wolf, Zuckerbäcker-Streicher bei Curious), aber praktisch nie – nie! – die Stimme. Zwar trifft die gute Frau größtenteils die Töne, wie man es bei einer solchen Aufnahme erwartet, allerdings klingt sie immer dermaßen gepresst, dass man annehmen muss, sie könnte innerlich einen Bleistift in einen Diamanten verwandeln. Der Musik tut sie damit allerdings keinen Gefallen. Auf Dauer kann man dieses gequälte Organ, das – wie sich das für ein Popalbum gehört – auch noch sehr weit in den Vordergrund gemischt wurde, um dort doppelt und dreifach ans Ohr zu preschen, einfach nicht mehr hören. Zumal sie auch einige Melodiewendungen mehr als einmal verwendet. Man könnte es charakteristisch nennen. Oder eintönig.
Und so ziehen die Songs dahin und man wünscht sich im fortschreitenden Verlauf immer sehnsüchtiger das Ende heran. Was sehr schade ist, da gerade Time Crisis so einen guten Eindruck hinterlassen hat (laut last.fm-Statistik einer der meist gehörten Songs des Autor), dass man doch schwer enttäuscht sein muss, dass diese hohe Qualität weder gehalten, geschweige denn getoppt werden konnte.
Pin Me Down erschien heute.