Mittwoch, 2. Juni 2010

Missverstandene Clowns

Sie surfen auf einer Welle von Vorschusslorbeeren und wollen dabei doch so viel mehr sein, als nur Spassmacher. The Drums gaben am Montag ein kurzes, aber auf jeden Fall kurzweiliges Konzert im Berliner Postbahnhof. Ein Augenzeugenbericht …

Die Wolken hängen tief, die Luftfeuchtigkeit liegt irgendwo zwischen 95 und 100% und die Temperaturen siedeln sich irgendwo im niedrigen zweistelligen Bereich ein. Nein, es sieht nach vielem aus an diesem Montagabend in Berlin, nur nicht nach einem beschaulichen, lauen Frühsommerabend. Hawaii-Hemden und Surfbretter bleiben also an diesem Abend im Schrank, als sich die Drums aus New York im Berliner Postbahnhof ein Stelldichein geben. Aber manchmal muss man sich den Sommer halt auch selber machen, wenn er persönlich eher mit Abwesenheit glänzt. Den junge Herren von der East Coast kann’s sicher auch egal sein, denn überhaupt ist dieses ganze Klischee mit der Surfpop-Band ja nur ein großes Missverständnis. Da macht man einmal einen Song zum Thema Surfen und schon denkt man, hier herrscht Jux und Tollerei. Dabei sind die Drums, wie sie selber behaupten, eigentlich Freunde der gepflegten Melancholie und ihre Songs sind eigentlich keine naiven Sommersongs, sondern von tiefster Traurigkeit. Hmm, ich weiß nicht, ob man ihnen das unbedingt glauben sollte, denn ihre Außenwirkung ist definitiv eine andere.

Drums-LiveNatürlich, wie sich das, für eine gerade so extrem gehypte Kombo gehört, wird der Postbahnhof deshalb an diesem Abend von jede Menge Berliner Hipstern und solchen, die es werden wollen heimgesucht. Von angehenden Abiturientinnen bis zu alten Haudegen mit grauen Schläfen ist da alles vorhanden, was man einer solchen Band ja schon einmal hoch anrechnen muss, immerhin erscheint das Album offiziell ja erst diesen Freitag und vorher geleakt war es meines Wissens an diesem Abend auch noch nicht. Die Hits kennt man trotzdem, weil sich die Band ja in den letzten Monaten im Internet gut herumgesprochen hat. Dabei ist das ja alles keinesfalls, wie an diversen Orten behauptet wird, die größte Erfindung seit der Mikrowelle oder den Strokes, sondern recht gewöhnlicher Indie-Poprock, der sich seine Versatzstücke aus der Geschichte klaut. Etwas Smiths hier, etwas Cure da und natürlich halt auch die Beach Boys, Surfen hin oder her! Aber in der Retrokiste kann man ja gern wühlen. Und das R-Wort haben sich die Drums ja ohnehin auf die Fahne geschrieben. Egal, ob Sound, Videos, Fotos oder klamottentechnisches Erscheinungsbild… hier gilt alles nach 1987 als notorisches Feindbild, so scheint es. Aber vielleicht ist es gerade diese bewusste Abneigung gegen ein modernes Erscheinungsbild, welche die Band so interessant hat. Egal, ob Kalkül oder Kunst- es erweckt Aufmerksamkeit, denn die Hütte war schon gut gefüllt. Nach einer verzichtbaren Berliner Indie-Rock-Band namens „Use Your Fucking Headphones“ (nicht weil die jetzt so schlecht waren, sondern weil ich all diese Versatzstücke in den letzten fünf Jahren schon ca. 400 Mal an anderer Stelle gehört habe und sich mein Kopf da weigert, Interesse dran zu zeigen) ließen sich die Herren Drums dann etwas Zeit und betrachten nach einer unnötig langen Umbaupause mit unnötig viel Michael-Jackson-Songs gegen 22.15 Uhr die Bühne und boten dem Publikum eine extrem kurzweilige Show.

So, wie man sich die Band vorstellt, sehen sie auch aus. Direkt aus der Zeitmaschine. Und dann noch diese Namen… Jonathan Pierce, Jacob Graham, Adam Kessler, Connor Hanwick! So müssen Musiker heißen. Frontmann Jonathan hatte die graue Stoffhose natürlich bestmöglich nach oben über sein großes weißes Shirt gezogen. Tennissocken-Alarm! Und dann ging es gleich mal mit dem schnittigen „It Will All End In Tears“ vom Debüt-Album los und die Band spielte gut auf. Und Pierce brachte sich in Stimmung. Dramatische Gesten, wildes Zucken und jede Menge Ausdruck in allem was er tat und sang… das sollte die Richtlinie des Abends werden und spätestens beim zweiten Track „Best Friend“ begann man dann die Bühne vollständig für sich einzunehmen. Natürlich Pierce, der ein wenig wirkt, wie eine Mischung aus Ian Curtis auf Ecstasy und einem wahnsinnigen Michel aus Lönneberga. Auf jeden Fall mit ordentlich Show. Auch Kollege Graham steht ihm bei diesem Stück in Nichts nach, sondern legt einen unterhaltsamen Ausdruckstanz mit dem Tamburin hin. Ein Wunder, dass sich die beiden dabei nicht über den Haufen rennen! Ein Schelm, der einen Choreographen dahinter vermutet. Aber gerade in einem Land, wo gerade alle steil auf die Natürlichkeit einer gewissen Grand-Prix-Gewinnerin gehen, zeigen Pierce und seine Kollegen auch, wie’s anders geht. Komplette Hingabe und Übertreibung bitte schön! Man gönnt sich ja sonst bekanntermaßen nichts. Das sorgt natürlich für einen gewissen Unterhaltungswert, lässt aber auch an der Seriosität, welche die Band immer gern betont, so seine Zweifel aufkommen. Die Songs tun ihr Übriges dazu. Das sind natürlich formidable Popsongs, was ja sicher der Hauptgrund für den momentanen Hype ist bzw. sein sollte. Die Drums spielen mit „Me And The Moon“ oder „Book Of Stories“ ein paar neue, bisher noch unbekannte Stücke aus dem Album, welche Lust auf dieses Werk machen. Die Mehrheit der Meute freut sich aber natürlich auf die Stücke der letztjährigen „Summertime!“-EP, die allesamt in die Gehörgänge gehen. Egal, ob das swingende „Make You Mine“, das pathetische „Submarine“ oder das Cure-Rip-Off „I Felt Stupid“… hier sind wahre Schätze versteckt, voller eingängiger Mitsingmomente und kurzweiliger Texte. Das sorgt auch live für den ein oder anderen Schmunzler, wenn sich bspw. Pierce im Refrain von „Don’t Be A Jerk, Johnny“ in die Rolle seiner Partnerin hineinversetzt, welche er später dann im selben Song auch gern mal als „Horse Shit“ bezeichnet. Aber die naive Tragik schwingt natürlich mit. Jenny war einst so schön, doch jetzt ist sie faul und unnütz. Ja, die Drums wählen einfache Worte für einfache Gefühle. Hey, und wenn die Sonne schon scheint, warum sollte man da nicht einfach mal zum Strand surfen gehen? Die einfache Ansage der Mitpfeifnummer „Let’s Go Surfing“ verfehlt ihre Wirkung anscheinend nie, deshalb bildet der Song auch heute wieder das Highlight des Abends. Da kommt durchaus mal Sommerstimmung im Publikum auf, welches sich ansonsten aber eher an die Wetterbedingungen außerhalb der Halle hielt. Der Zugabenblock bestand dann aus einem weiteren neuen, sehr atmosphärischen Track, sowie den EP-und-nun-auch-Album-Smasher „Down By The Water“, bei dem schon mal die Feuerzeuge angemacht wurden. Schade, dass „Saddest Summer“ nicht berücksichtigt wurde, dann wär die „Summertime!“ komplett gewesen. Ein schönes Finale dann mit der aktuellen Single „Forever And Ever, Amen“. Und dann war’s das auch schon, nach gerade mal 45 Minuten! Hmmm, mehr kann vielleicht bei einer neuen Band nicht unbedingt erwarten, aber schade war’s schon, denn man hatte das Gefühl, Publikum und Musiker hätten gerade erst angefangen, zarte Bände der Zuneigung zu knüpfen. Aber in der Kürze liegt halt für die Drums die Würze. Gute Popsongs müssen halt auch nicht länger als 3:30 sein… und bitte nicht allzu viel auf einmal davon.

Was bleibt nun also für ein Live-Eindruck vom neuesten, heißen Scheiß aus der schnelllebigen Welt der Populärmusik? Ein eigentlich guter, wenngleich wir hier vielleicht einfach mal auf’m Teppich bleiben sollten. The Drums sind eine vorzügliche Indie-Popgruppe, welche aber keinesfalls Vorreiter einer neuen Welle (surfbrettunabhängig) sind, sondern lediglich eine sehr schicke und gute Referenzliste vorzuweisen haben. Und wenn man dann nicht nur bei den Besten abkupfert, sondern auch in der Lage ist, wirklich eingängige Popsongs zu schreiben, dann rechne ich das einer Band natürlich hoch an. Aber eine Offenbarung sind die nun auch nicht. Die beanspruchte Tiefe lässt sich in all den netten, wenn auch gelegentlich mal etwas bissigen und spaßigen Schlagerlyrics nicht wirklich herausfiltern, aber da verstehe ich sie sicher einfach nur falsch. Naive, aber unglaublich eingängige Popsongs, hervor getragen von einer sehr kurzweiligen Live-Band, die gerade durch ihren Hang zur vollkommen übertriebenen Geste angesichts der eher einfachen Pop-Songs für das ein oder andere Grinsen auf den Lippen des Publikums sorgten. Und wenn sie dann da so mit ihrem ulkigen Klamotten in purer Selbstdarstellung ihre schmissigen Popsongs spielen, dann ist das echt mal einen Konzertticketkauf wert, wenngleich die ganze Zeit die Frage im Raum schwebt, ob die sich wirklich selber ernst nehmen können. Aber das ist nun mal das Los, welches so missverstandene Spaßmacher halt tragen müssen, nehme ich an. Ob dies alles für mehr als nur einen Sommer (wann auch immer der kommt) reicht, wage ich noch gar nicht abzuschätzen. Muss ja auch nicht. Manchmal zählt halt auch einfach mal der Moment. Fuck It, Let’s go surfing!

Setlist:

01 It Will All End In Tears
02 Best Friend
03 Submarine
04 I Felt Stupid
05 Book Of Stories
06 Make You Mine
07 Don’t Be A Jerk, Johnny
08 Me And The Moon
09 Let’s Go Surfing

10 Skippin’ Town
11 Down By The Water
12 Forever And Ever, Amen

nobono

currently resting in peace. 2007 - 2011

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelles ...

Protest!!
Oh, menno!wie schade.ich befürchte, eine n21-protestwelle...
stephox (Gast) - 29. Aug, 13:17
A Start Has An End
Unser Blog verzieht sich aus der Blogosphäre. Ein paar...
rhododendron - 22. Jul, 16:45
stimmt!
ich stimme dir zu 100% zu. langweilig war das gestern,...
Astrid (Gast) - 19. Jul, 17:19
Götterdämmerung
Für ein einzelnes Gastspiel beehrt der Altmeister der...
rhododendron - 19. Jul, 13:48
Chillaxing
PBMR präsentiert sein 'finales' Mixtape ... relaxte...
rhododendron - 16. Jul, 14:26
Danke
Hört man immer wieder gern. Besonders schön, wenn's...
rhododendron - 8. Jul, 13:49
blog
ich verfolge hin und wieder deinen Blog und wollte...
ZoneZero (Gast) - 6. Jul, 18:04
Kurz und Bündig - 07/2011
Once more with feeling... ein verliebter Traumtänzer,...
rhododendron - 1. Jul, 15:55

Durchforsten ...

 

Besucherzahl seit März 2010 ...

Status

Existent seit 6610 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Aug, 13:17

Credits


Ausgehen
Diskurs
Listen
Mixtape
Mottenkiste
Plattenteller
Ranking
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren