Kurz und Bünding
In der Kürze liegt bekanntlich die Würze. Es wird mal wieder Zeit, dass ich mich hier einigen Platten kurz widme, welche in den letzten Wochen auf dem Musikmarkt aufgetaucht sind und für die hier angesichts der Sommerhitze und einiger anderer Verpflichtungen einfach kein Platz für eine längere Besprechung war. Aber niemand soll vergessen werden, so auch die hier.
Kent – En Plats I Solen
Das ist sicher die Überraschungsplatte des letzten Monats. Eigentlich steuerten die schwedischen Rocker ja bereits auf die Pause zu, nachdem sie ihr erst im November 2009 erschienenes Album „Röd“ ausgiebig beworben und betourt haben. Natürlich nur in Skandinavien. Wär ja auch noch schöner, wenn man die weltweite Fanbasis mal bedienen würde. Doch dann wurde quasi aus dem Nichts ein Album angekündigt, welches man bereits im Frühjahr aufgenommen hat. Es heißt übersetzt „Ein Platz in der Sonne“, zeigt einen romantischen Sonnenuntergangsstrandspaziergang auf dem Cover und klingt auch sonst wieder etwas heiterer, nachdem die letzten Alben etwas düster ausgefallen waren. Auch ist Produzent Stefan Boman wieder dabei, welcher schon für den Band-Meilenstein „Du Och Jag Döden“ verantwortlich war. Er gibt dem Album ein paar Streicher mehr, um das sonnige Gemüt zu untermalen. Ansonsten ändert sich nicht sonderlich viel im Hause Kent. Bei einem Album, welches nicht einmal ein Jahr nach dem letzten erscheint, drängt sich der Vorwurf „Resteverwertung“ natürlich auf und den muss man auch nicht abstreiten. Neben einigen wirklich schönen Songs, wirken einige Tracks auch wie lieblose Versatzstücke auf B-Seiten-Niveau. Aber das ist noch verträglich. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass Kent erneut nicht von ihrem Hang zu glatt gebügelten Formatradiopop wegkommen, selbst wenn’s nicht mehr ganz so schlimm nach Depeche-Mode-Coverband klingt, wie auf „Röd“. An sich nicht schlimm, wenn da nicht die übergroße Vergangenheit und einstige Glanztaten wären, bei dem die Band genau dann funktionierte, wenn sie eben nicht diesen vorhersehbaren Klischees entsprach. Ein solides Popalbum ist „En Plats I Solen“ aber allemal und ich find’s sogar besser als den Vorgänger. Nicht nur aufgrund des Namens mehr Licht als Schatten.
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Delorean – Subiza
Also wenn sich eine Band schon nach der legendären Zeitmaschine aus „Zurück in die Zukunft“ benennt, dann müssen da schon ziemliche Super-Nerds am Werk sein. Sind sie auch… Delorean kommen zur Abwechslung mal aus Spanien, statt aus New York oder London, können es aber locker mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen. Das Rezept: grenzenlos optimistischer und heller Retro-Dance-Pop, der gleichzeitig Indie ist, aber auch voll gepackt mit Versatzstücken aus der Zeit, als Drumcomputer, Flächensynthies und fette Früh-90er-House-Pianos noch salonfähig waren. Und habe ich schon die gepitchten Vocals erwähnt? Aber hallo! Delorean macht Musik, die einen, wenn man wie ich in den frühen 90ern Kind war, permanent nostalgisch stimmt, weil man immer wieder einige Elemente heraushört. Dazu kommen astreine Popsongs, wie „Stay Close“, „Glow“ oder „Endless Sunset“. Das alles ist natürlich gleichzeitig hochgradig tanzbar, wie hymnenhaft und erinnert dabei am Ehesten an den Sound der amerikanischen Kollegen von Passion Pit. Delorean sind hier allerdings mit ihren Anleihen im Dance-Sound der späten 80er und frühen 90er wesentlich konsequenter und eindeutiger, was jemanden wie mich natürlich freut. Das sehr gute Songwriting bewahrt die Band dann glücklicherweise davor in irgendeiner Trash-Falle zu landen, zumal das hier glücklicherweise immer noch viel mehr mit Phoenix, als mit Mr. President zu tun hat. Dies sei mal gesagt. Ansonsten ist das Debüt „Subiza“ auch abseits aller nostalgischen Gefühle eines der bisher frischesten, kurzweiligsten und feinsten Popalben dieses Jahres. Es verbreitet auf angenehm unaufdringliche Art und Weise tolle Laune und sollte ab jetzt der ideale Soundtrack für jeden schönen Sommertag sein. Doc Brown würde mir zustimmen!
Delorean @ MySpace
Best Coast – Crazy For You
Streng genommen erscheint das Debütalbum des kalifornischen Indie-Duos Best Coast offiziell erst nächste Woche in Deutschland, aber wen interessiert das mittlerweile im World Wide Web eigentlich noch. Kaufen sollte man sich das aber trotzdem, ich werde das auf jeden Fall machen. Ganz stark im Kommen sind die Beiden sowieso, besonders Frontfrau Bethany Cosentino, die gern mal als neues Szene-Sternchen aufgezogen wird. Mitmusiker Bobb Bruno hat da nicht nur optisch das Nachsehen, stellt sich aber gern in den Hintergrund. Nach diversen EPs und Tracks nun also das Debüt „Crazy For You“. Darauf gibt es zwei Handvoll Songs, die sich genretechnisch irgendwo in den Bereichen Indie-Rock, Lo-Fi oder gern auch mal Surf-Pop einordnen. Gerade letzteres Subgenre wurde durch Hipster-Acts wie die Drums zwar zuletzt etwas schief gelegen, aber hier kommt ein echtes Original. Die Musik kann durchaus als authentisch cool durchgehen, die Gitarren schrammeln relativ unsauber daher, Mrs. Cosentino singt ein paar nette Songs mit naiven Mädchenthemen (der Sommer, Jungs, Gudde Laune!) vor sich hin und dazu jede Menge Harmoniegesang und auch sonst ein Vibe, der am ehesten als „sommerlich“ eingestuft werden kann. Warum auch nicht. Das Prinzip reizt sich zwar auf Albumlänge relativ schnell aus, aber dafür überzeugt das Debüt mit einem schönen Gesamtklang, sprich: die Stimmung stimmt! Genauso wie man sich einen chilligen Tag im heißen kalifonischen Sommer vorstellt, so klingt „Crazy For You“. Irgendwie sympathisch, etwas unbeholfen, aber dabei doch ziemlich cool. Und einen erhöhten Pop-Appeal mag ich hier auch nicht absprechen. Also ehrlich gesagt: ich bin ziemlich anfällig für solche Musik, das hatte man letztes Jahr auch beim Album der „Girls“ gesehen. Best Coast sind vielleicht nicht mehr als eine kühle Hype-Brise in einem heißen Sommer, aber ist es nicht genau dass, wonach man sich an solchen Tagen sehnt?
Album-Stream zu "Crazy For You"
Robyn – Body Talk, Part I
Wie ein Phoenix aus der Mainstream-Asche. Seitdem die schwedische Pop-Blondine seit einigen Jahren ihren eigenen Weg abseits ihrer Vergangenheit geht, sind neben den Käufern auch die Kritiker auf ihrer Seite. Nachdem das selbstbetitelte Erfolgsalbum nun schon eine Weile her ist, hat die neue Queen Of Pop (wenn man den Kritikern glauben darf) nun 2010 den waghalsigen Plan aufgestellt, drei Alben in einem Jahr zu veröffentlichen. Das schafft Aufmerksamkeit und natürlich ordentlich Geld in der Portokasse. Inwieweit man diesen Weg mitgeht, sollte jeder für sich selbst entscheiden, immerhin beinhaltet der erste Teil der „Body Talk“-Reihe gerade mal acht Tracks, die aber recht ordentlich dort weitermachen, wo Robyn zuletzt aufgehört hatte. Die Songs bieten wieder ein erstaunliches Spektrum, irgendwo zwischen Pop, Elektronik und auch Hip Hop. Alles natürlich astrein auf den Punkt gebracht und vor allem produziert, so wie Hochglanzpop halt sein sollte. Und gerade wenn man denkt, die Platte erstickt in elektronischen Produzentenspielereien (Röyksopp sind u.a. mit dabei), serviert uns die gute Dame ein akustisches „Hang With Me“, sowie ganz am Ende mit „Jag Vet en Dejlig Rosa“ sogar ein traditionelles schwedisches Schlaflied. Was will man da noch dagegen sagen? Robyn macht ihr Ding sehr gut, die Maschine läuft kalkuliert und produziert eifrig eingängige und gleichzeitig hippe Popsongs, wie sie die Künstlerin beabsichtigt hat. Qualitativ sicher Kommerzpop von der besseren Sorte. Wenn die Hit-Quote auf den Parts 2 und 3 genauso hoch sein wird, dann sollte Lady Gaga demnächst sicher mal nachlegen. Und wer war eigentlich diese Madonna?
Album-Stream bei "Soundcloud"
Stars – The Five Ghosts
Es ist immer ein wenig wie Nachhausekommen, wenn die Stars aus Kanada wieder neue Musik veröffentlichen. Es sind diese wunderbaren Songs, die schönen Geschichten und das gesangliche Doppelspiel der beiden Frontprotagonisten Torquil Campell und Amy Milan, die mich seit über einer halben Dekade nun schon begeistern. Das neue Studioalbum „The Five Ghosts“ ist da nicht anders. Allein wenn die beiden zu ruhigen Gitarrenklängen im Opener „Dead Hearts“ wieder ihren Dialog beginnen und von Geistern aus der Vergangenheit berichten, dann ist es dieses Gefühl von Sicherheit, gerade in Milans Stimme. Das wäre aber nur halb so gut, wenn die Songs nicht voller Gefühl, Größe und wunderbarer Melodien wären. Wie die Band das nach dem opulenten „In Our Bedroom After The War“ von 2007 noch steigern wollte, war mir ein Rätsel, doch die Antwort ist so simpel, wie logisch zugleich: einfach auf dem gleichen hohen Niveau weitermachen und ein Album abliefern, welches dem Vorgänger ebenbürtig ist. Powerpopsongs wie „Wasted Daylight“, „Fixed“ oder „How Much More“ sind der Grund warum, man die Band liebt, genauso wie die Balladen „Changes“ oder „Winter Bones“. Nachdem sich der Vorgänger etwas organischer und orchestraler gab, wird es auf „The Five Ghosts“ etwas elektronischer, als zuvor. Allerdings relativ dezent, muss man sagen. Ein wenig erinnert das vom Sound her sogar wieder an das 2003er Album „Heart“, nur halt mittlerweile auf einem produktionstechnisch viel hochwertigeren Level. Die Melodien und die Musik stimmen wieder und auch die Geschichten bleiben spannend. Es geht natürlich wieder um die großen Gefühle Tod, Verlust und Liebe… und jede Menge Geistergeschichten, passt ja zum Album. „The Five Ghosts“ gehört schon jetzt zu meinen zehn Lieblingsalben des Jahres, auch wenn noch die Hälfte vor uns liegt. Die Stars bleiben ein Qualitätsgarant für wunderschönen Indie-Pop, der keine Scheu vor großen Gefühlen hat. Da macht ihnen in dieser Abteilung fast niemand etwas vor. Hoffentlich auch in Zukunft.
Album-Stream zu "The Five Ghosts"
rhododendron - 21. Jul, 22:30