Sonntag, 5. September 2010

Peinliche Popvorlieben / Teil 04

Humor ist eine grenzwertige Sache. Das dürfte klar sein. Während sich manche am filigranen und hintersinnigen Wortwitz eines Loriot erfreuen, lachen viele auch über die ewiggleichen „Meine-Frau-kann-nicht-den-Fernseher-anmachen“-Witze eines Mario Barth. Manche stehen auf feinfühlige Satire, andere auf Pippi-und-Kacka-Witze. Woody Allen oder Adam Sandler? Das ist hier die Frage. Oder auch nicht. Ich glaube, es gibt viele Abhandlungen darüber, was witzig ist und was nicht. Der Mensch lacht auch gern mal, wenn er eigentlich nicht lachen sollte. Wie viele haben damals zu Beginn der 00er Jahre mal bei „Jackass“ oder „South Park“ reingeschaut, wegen dem dummen Humor, es für blöd gefunden, sind aber doch irgendwie immer mal wieder beim Zappen hängen geblieben. Manchmal ist es halt witzig, wenn jemand von ’nem Baum fällt. Schadenfreude ist ein hohes Gut! Humor ist vielseitig und streitbar. So auch in diesem Fall aus der Abteilung „So dämlich, dass man schon wieder lachen kann!“

Laserkraft 3D „Nein Mann!“

Der neueste Hype aus den deutschen Clubs, Hipster-Läden und Studentendiscos ist ein Techno-Projekt aus Mannheim bzw. Kaiserslautern. Der Name: „Laserkraft 3D“. Die Single, die einen wahlweise mit Kopf-Schütteln, Ausbürgerungsphantasien oder einem dicken Grinsen hinterlässt: „Nein Mann!“. Die Idee, das Konzept dieses Tracks allein ist schon mal ganz knuffig. Man nehme einen 08/15-Techno-Beat (den man evtl. in das Subgenre Minimal einordnen kann), versehe das mit überspitzen Spoken-Worts-Phrasen, die man in der Form vielleicht schon mal irgendwie in dem Umfeld gehört hat und fertig ist der Lacheffekt. Der Protagonist entpuppt sich als schon etwas ausgepowerter Druffi, der im Refrain immer wieder betont, dass er doch nur weiter tanzen will, selbst wenn um ihn herum schon alles am Auf- und Abbrechen ist. „Strophe“ Nummer Eins: die Freundin, die krampfhaft gehen will und kein Verständnis für den Dauertanz ihres Mackers hat. Schnauze voll vom Elektro-Gehacke und des Ignorierens von David Guetta im DJ-Set. Allein für diesen Seitenhieb auf den nervigsten Produzenten, der in der Pop-Welt momentan herumgeistert muss der Song hier Erwähnung finden. Als Gelegenheits-Indie-DJ kenn ich die ewigen „Ey, sach ma, haste auch was von Dääävid Gätttaaa?“-Sprüche zur Genüge. Strophe Zwei: die Disco-Schlampe, die den Tänzer mit in die nah gelegene Wohnung schleppen will. Nix da, es wird weitergetanzt. Strophe 3, der Türsteher, der unwiderruflich klarmacht, dass der Ofen aus ist und alle nach Hause wollen. Nix da! „Noch’n bisschen tanzen!“ Selbst als der DJ am Ende in der Original Version vom Clubbesitzer abgedreht wird, geht die Sause noch etwas weiter. Der naive Protagonist offenbart seine Argumente. Was will man da noch sagen?



Musikalisch ist das natürlich einfach ziemlich mittelmäßig, lediglich die Idee täuscht über alles hinweg, aber vielleicht liegt da ja auch der Sinn. „Nein Mann!“ ist eine recht clevere Widerspieglung des all abendlichen Clubtreibens, egal, ob man dem freundlich (Protagonist) oder eher kritisch (dessen Anhang) gegenübersteht. Das ewig monotone Gehacke des Beats, dem gelegentlich mehr oder auch weniger tiefgründige kompositorische Absichten unterstellt werden, die Tanzwut, die nicht enden soll und das übliche Volk, was sich in den entsprechenden Clubs herumtreibt. Man lacht, weil es eine kleine Überspitzung der Normalität ist. Man kann das ein wenig witzig finden, muss es aber nicht. Dazu ist der Track weit entfernt von der Qualität eines „3 Tage Wach“ oder gern auch einiger Deichkind-Nummern. Während Lützenkirchen und die Hamburger Elektro-Rapper auch zur Ironie stehen, weiß man nach dem Hörern auch nicht richtig, ob Laserkraft 3D das nun ernst oder eher spaßig meinen bzw. ob dahinter irgendwelche unterschwellige Sozialkritik steckt. Die einen werden es vermutlich so sehen, während die anderen eher dazu abfeiern werden, bis eben die Tanzfläche leer geräumt wird. Ein sehr ambivalentes Stück elektronischer Musik ist es, dieses „Nein Mann!“ Es obliegt also jedem, ob er es peinlich oder witzig findet. Humor ist halt am Ende auch eine höchst individuelle Angelegenheit.

rhododendron's ranking ... 35/ 2010

Ich hab hier ja schon öfters mal das neuzeitliche Problem angesprochen, dass man im Jahre 2010 Singles nicht mehr so deutlich ausmachen kann, wie man eigentlich möchte. Aber wenn ich sie als Kriterium für den Einstieg ins Ranking nehme, dann muss ich halt drauf achten. Die heutigen Neueinsteiger bekommen wohl keine wirkliche Maxi- oder Single-CD mehr gesponsort. Vielleicht irgendwie ne vereinzelte 7’’ für die Fans. Ein Video gibt’s zum Glück immer noch. Im Falle von Arcade Fire aus Kanada ist das aber sowieso schon lange nicht mehr eindeutig erkennbar. Videos machen die gar nicht und jetzt gibt’s gleich zwei neue, die irgendwie auch keine sind. „We Used To Wait“ bekommt einen seltsamen interaktiven Kurzfilm und „Ready To Start“ eine schwarz/weiß-Konzertaufnahme. Immerhin. Ich entscheide mich jetzt einfach mal für Letzteres als „Single“ und gönne ihr von Herzen den Einstieg auf Platz 3. Feines Teil! Auch die Band mit dem lustigen Namen, Does It Offend You, Yeah?, ist zurück. Die neue Single „We Are The Dead“ gibt unweigerlich den Maßstab fürs neue album vor: alles muss in Schutt und Asche gerissen werden, vor allem live. Ist doch mal ne Ansage. Außerhalb der Top 10 gibt’s neben einigen Plartzverlusten auch noch die neue MGMT-Single „Congratulations“ auf der 14. Zu dem Video sag ich auch nichts, aber vielleicht hätte denen mal einer das Yeasayer-Video aus der Vorwoche zeigen sollen. Bei der Idee „Hippie-Muisk mit bizarrer Puppe“ belegen sie also nur die Vizeposition. Happens!

01.( 01 / #4 ) Interpol „Barricade“
02.( 02 / #3 ) Kisses “People Can Do The Most Amazing Things”
03.(NEW/ #1) Arcade Fire “Ready To Start”
04.( 03 / #5 ) Wir Sind Helden “Alles”
05.( 06 / #2 ) Orchestral Maneuvers In The Dark “If You Want It”
06.( 05 / #4 ) Robyn “Hang With Me”
07.( 04 / #6 ) Klaxons “Echoes”
08.( 08 / #2 ) Yeasayer “Madder Red”
09.(NEW/ #1) Does It Offend You, Yeah? “We Are The Dead”
10.( 07 / #7 ) Kele „Everything You Wanted“
11.( 11 / #2 ) Trentemøller “... Even Though You’re With Another Girl”
12.( 10 / #8 ) The Pass „Treatment Of The Sun“
13.( 09 / #5 ) Metric “Eclipse (All Yours)”
14.(NEW/ #1) MGMT “Congratulations”
15.( 15 / #6 ) Ellie Goulding “The Writer”
16.( 14 / #5 ) Marina And The Diamonds “Oh No!”
17.( 12 / #12) Arcade Fire “The Suburbs”
18.( 13 / #11) The Coral “1000 Years”
19.( 16 / #5 ) Jónsi “Animal Arithmetic”
20.( 17 / #7 ) A-ha “Butterfly, Butterfly (The Last Hurrah)”





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