Der Prophet im eigenen Land…
… ist bekanntlich wenig wert. Doch PeterLicht arbeitet mittlerweile dran. Jetzt muss man ihm nur noch zuhören. Gern auch auf dem eigenen Konzert. Wie gestern in Dresden.
Immer mal wieder bringt mich Deutschland dazu, sich über Selbiges mehr als zu wundern. Egal, ob’s das Nachmittagsprogramm von RTL ist, die Beliebtheit von Silbermond, das unnötige Comeback von Udo Lindenberg oder jetzt auch die Nr. 1 von Polarkreis 18. Dieses Land ist gleichermaßen unberechenbar, wie unverständlich. Fremdschämfaktor inklusive.
Ein weiteres herausragendes Beispiel ist die Tatsache, dass im ehemaligen Land der Dichter und Denker ein so feiner Mensch, wie PeterLicht einfach nur einer Minderheit von Menschen ein Begriff ist. Die, die von ihm schon mal flüchtig was gehört hatten, kennen sein „Sonnendeck“, den kleinen feinen Elektropopsommerhit mit sich bewegendem Bürostuhl aus dem Jahr 2001. In der Zwischenzeit hat sich aber einiges getan. Vier gute Alben hat der schlaksige Mann aus Köln mittlerweile veröffentlicht. Darunter das, aus meiner Sicht, geniale „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ vor 3 Jahren. Jetzt ist er mit neuer Platte „Melancholie und Gesellschaft“ zurück. Die ist etwas ernster, etwas eindeutiger und reifer, als die letzte, was aber eine konsequente Entwicklung darstellt.
Diese vorzustellen galt es gestern Abend im Dresdner Beatpol, den ich immer noch lieber als StarClub bezeichnen möchte. Kurz vor 10 kam dann der gute Mann mitsamt 3-köpfoger Begleitband auf die Bühne. Fotografieren war, wie immer, unerwünscht. Man möchte die Maske noch etwas wahren. So wird der erste Song des neuen Albums und des Abends, „Räume räumen“, dann auch ohne Bühnenbeleuchtung gespielt. Ein erhabener Song, dessen Erhabenheit leider wenig zu Geltung kommt. Das liegt aber nicht an Peter, sondern an den Menschen, die ihm zuhören sollen, oder auch nicht. Da bin ich gern mal penibel. Stille wäre angebracht. Doch im ganzen Saal herrscht eine leichte Hibbeligkeit. Musik-Nerds unterhalten sich über die Entwicklung seiner Platten und die damit verbundene Live-Umsetzung, andere quatschen über das Studium, die Party gestern, die Parallelen zu Funny van Dannen oder was auch immer. Bierflaschen werden aneinander geschlagen, aber keine Räume geräumt. „Wer stört fliegt raus“ singt PeterLicht auf der Bühne. Deutlicher wird die Ironie nur bei den kuschelnden Pärchen während des „Trennungsliedes“. Der Prophet gilt im eigenen Land ja bekanntlich wenig. Aber auch auf seinen Konzerten? Der Anfang ist bewusst ruhig gewählt. Ein Schlagzeug verirrt sich erst dezent im dritten Song ins Instrumentarium. Sicher, so was ist gewagt, aber bei etwas intellektuellem Anspruch, wie ihn Herr Licht gern pflegt, hätte man da etwas mehr Verständnis erwartet. Na ja, bei den „Hits“ sieht das dann anders aus. Die flotten Elektrosongs des Debüts, wie „Siva“ oder „Die transsylvanische Verwandte ist da“ werden genauso gefeiert, wie der Gaga-Song „Fuzzipelz“. Und Songs wie „Wettentspannen“ oder „Gerader Weg“ entfalten gerade live deutlich mehr Druck, als auf Platte. Dazu darf dann auch gern mal gemosht werden. Wer’s braucht…
Die Unkonzentriertheit von Teilen des Publikums ist dann aber auch nur der einzige kleine Wehrmutstropfen Ansonsten hat der Mann eh nur Hits. „Hits“ im Sinne von tollen Songs. Denn PeterLicht ist ein toller Texter und Komponist. Vielleicht der beste, den wir in Deutschland haben. Wer braucht da noch Grönemeyer oder Thees Uhlmann? Oder Dirk von Lotzow? Lichts Lieder sind ehrlich, kunstvoll, politisch, gesellschaftskritisch und haben Witz und Wortakrobatik Dazu noch tolle Melodien und eine hohe Musikalität, was spätestens seit den letzten beiden Platten nicht mehr zu leugnen ist. PeterLicht bringt all das, was gute Popmusik braucht. Er erzählt Geschichten. Gern auch mal abseits des Songformates, wie er an diesem Abend mit zwei kurzen Lesungen auch bewies. Damit hatte er am Ende des Abends sicher auch den letzten Zweifler überzeugt. Seine Texte laden zum Schmunzeln ein, aber auch zum Nachdenken. Und auch mehrmals hören. Gerade die neue Langspielplatte lädt zum wiederholten Mehrfachhören ein. Das Konzert auch. Licht macht an diesem Abend alles richtig. Er lässt seine Songs sprechen. Keine große Show. „Bühnenpräsenz“ wäre sowieso das falsche Wort bei diesem dürren Männlein mit schütterem Haar und Brille. Die „Waffe“ von PeterLicht sind seine Worte. Die fügt er, wie kein Zweiter, zu tollen kleinen Hymnen zusammen. Die berühren und rütteln auf. Aber das wusste ich auch schon vor diesem Abend. Aber vielleicht hat er ja noch den ein oder anderen Unentschlossenen überzeugt und wachgerüttelt. Dann hat er seinen Auftrag erfüllt und wenn da so weiter geht, besteht vielleicht sogar noch Hoffnung für Deutschland.
Setlist: 01 Räume räumen 02 Heimkehrerlied 03 An meine Freunde vom leidenden Leben 04 Das absolute Glück 05 Marketing 06 "Viel hilft" (Text) 07 Benimmunterricht (Der Arbeigeberpräsident) 08 Shiva 09 Stratosphärenlieder 10 Stilberatung / Restsexualität 11 Dein Tag (Reise zurück an den Anfang) 12 Alles was du siehst gehört dir 13 Trennungslied 14 Beipflichtn 15 Die transsylvanische Verwandte 16 Fuzzipelz 17 Wir werden siegen 18 Safarinachmittag 19 Wettentspannen 20 Lied gegen die Schwerkraft 21 Sonnendeck 22 Gerader Weg 23 "Wettentspannen" (Text) 24 Lied vom Ende des Kapitalismus 25 Unsere Zeit 26 Zonen
PeterLicht @ MySpace
Immer mal wieder bringt mich Deutschland dazu, sich über Selbiges mehr als zu wundern. Egal, ob’s das Nachmittagsprogramm von RTL ist, die Beliebtheit von Silbermond, das unnötige Comeback von Udo Lindenberg oder jetzt auch die Nr. 1 von Polarkreis 18. Dieses Land ist gleichermaßen unberechenbar, wie unverständlich. Fremdschämfaktor inklusive.
Ein weiteres herausragendes Beispiel ist die Tatsache, dass im ehemaligen Land der Dichter und Denker ein so feiner Mensch, wie PeterLicht einfach nur einer Minderheit von Menschen ein Begriff ist. Die, die von ihm schon mal flüchtig was gehört hatten, kennen sein „Sonnendeck“, den kleinen feinen Elektropopsommerhit mit sich bewegendem Bürostuhl aus dem Jahr 2001. In der Zwischenzeit hat sich aber einiges getan. Vier gute Alben hat der schlaksige Mann aus Köln mittlerweile veröffentlicht. Darunter das, aus meiner Sicht, geniale „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ vor 3 Jahren. Jetzt ist er mit neuer Platte „Melancholie und Gesellschaft“ zurück. Die ist etwas ernster, etwas eindeutiger und reifer, als die letzte, was aber eine konsequente Entwicklung darstellt.
Diese vorzustellen galt es gestern Abend im Dresdner Beatpol, den ich immer noch lieber als StarClub bezeichnen möchte. Kurz vor 10 kam dann der gute Mann mitsamt 3-köpfoger Begleitband auf die Bühne. Fotografieren war, wie immer, unerwünscht. Man möchte die Maske noch etwas wahren. So wird der erste Song des neuen Albums und des Abends, „Räume räumen“, dann auch ohne Bühnenbeleuchtung gespielt. Ein erhabener Song, dessen Erhabenheit leider wenig zu Geltung kommt. Das liegt aber nicht an Peter, sondern an den Menschen, die ihm zuhören sollen, oder auch nicht. Da bin ich gern mal penibel. Stille wäre angebracht. Doch im ganzen Saal herrscht eine leichte Hibbeligkeit. Musik-Nerds unterhalten sich über die Entwicklung seiner Platten und die damit verbundene Live-Umsetzung, andere quatschen über das Studium, die Party gestern, die Parallelen zu Funny van Dannen oder was auch immer. Bierflaschen werden aneinander geschlagen, aber keine Räume geräumt. „Wer stört fliegt raus“ singt PeterLicht auf der Bühne. Deutlicher wird die Ironie nur bei den kuschelnden Pärchen während des „Trennungsliedes“. Der Prophet gilt im eigenen Land ja bekanntlich wenig. Aber auch auf seinen Konzerten? Der Anfang ist bewusst ruhig gewählt. Ein Schlagzeug verirrt sich erst dezent im dritten Song ins Instrumentarium. Sicher, so was ist gewagt, aber bei etwas intellektuellem Anspruch, wie ihn Herr Licht gern pflegt, hätte man da etwas mehr Verständnis erwartet. Na ja, bei den „Hits“ sieht das dann anders aus. Die flotten Elektrosongs des Debüts, wie „Siva“ oder „Die transsylvanische Verwandte ist da“ werden genauso gefeiert, wie der Gaga-Song „Fuzzipelz“. Und Songs wie „Wettentspannen“ oder „Gerader Weg“ entfalten gerade live deutlich mehr Druck, als auf Platte. Dazu darf dann auch gern mal gemosht werden. Wer’s braucht…
Die Unkonzentriertheit von Teilen des Publikums ist dann aber auch nur der einzige kleine Wehrmutstropfen Ansonsten hat der Mann eh nur Hits. „Hits“ im Sinne von tollen Songs. Denn PeterLicht ist ein toller Texter und Komponist. Vielleicht der beste, den wir in Deutschland haben. Wer braucht da noch Grönemeyer oder Thees Uhlmann? Oder Dirk von Lotzow? Lichts Lieder sind ehrlich, kunstvoll, politisch, gesellschaftskritisch und haben Witz und Wortakrobatik Dazu noch tolle Melodien und eine hohe Musikalität, was spätestens seit den letzten beiden Platten nicht mehr zu leugnen ist. PeterLicht bringt all das, was gute Popmusik braucht. Er erzählt Geschichten. Gern auch mal abseits des Songformates, wie er an diesem Abend mit zwei kurzen Lesungen auch bewies. Damit hatte er am Ende des Abends sicher auch den letzten Zweifler überzeugt. Seine Texte laden zum Schmunzeln ein, aber auch zum Nachdenken. Und auch mehrmals hören. Gerade die neue Langspielplatte lädt zum wiederholten Mehrfachhören ein. Das Konzert auch. Licht macht an diesem Abend alles richtig. Er lässt seine Songs sprechen. Keine große Show. „Bühnenpräsenz“ wäre sowieso das falsche Wort bei diesem dürren Männlein mit schütterem Haar und Brille. Die „Waffe“ von PeterLicht sind seine Worte. Die fügt er, wie kein Zweiter, zu tollen kleinen Hymnen zusammen. Die berühren und rütteln auf. Aber das wusste ich auch schon vor diesem Abend. Aber vielleicht hat er ja noch den ein oder anderen Unentschlossenen überzeugt und wachgerüttelt. Dann hat er seinen Auftrag erfüllt und wenn da so weiter geht, besteht vielleicht sogar noch Hoffnung für Deutschland.
Setlist: 01 Räume räumen 02 Heimkehrerlied 03 An meine Freunde vom leidenden Leben 04 Das absolute Glück 05 Marketing 06 "Viel hilft" (Text) 07 Benimmunterricht (Der Arbeigeberpräsident) 08 Shiva 09 Stratosphärenlieder 10 Stilberatung / Restsexualität 11 Dein Tag (Reise zurück an den Anfang) 12 Alles was du siehst gehört dir 13 Trennungslied 14 Beipflichtn 15 Die transsylvanische Verwandte 16 Fuzzipelz 17 Wir werden siegen 18 Safarinachmittag 19 Wettentspannen 20 Lied gegen die Schwerkraft 21 Sonnendeck 22 Gerader Weg 23 "Wettentspannen" (Text) 24 Lied vom Ende des Kapitalismus 25 Unsere Zeit 26 Zonen
PeterLicht @ MySpace
rhododendron - 2. Nov, 20:32
doughnut_ - 3. Nov, 21:49
wo viel licht ist, ist eben auch schatten ;) das hatte ich bei meinem peterlicht konzert auch festgestellt, wenngleich wir gott sei dank keine mosh oder pogo versuche hatten! insgesamt sehr schöne review und trifft auch auf das zu, was ich erleben durfte. einer der letzten großen musiker und poeten! :)
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