Mittwoch, 30. Dezember 2009

Rainbow Party - (10) The Bottom

Ja. Jetzt haben wir ihn erreicht. Den Grund dieses Songbrunnens. Dort wo keine Lichter mehr da sind. Wo alles nur noch traurig, verzweifelt, depressiv ist. Und wo die größte Schönheit liegt.

05.) Thursday - The Lovesong Writer, 2006



Das ist der versprochene letzte Emo-Titel.
Zumindest könnte man das so einordnen, da Thursday ja immerhin aus diesem Genre stammen. Allerdings haben sie sich auf ihrem famosen '06er Werk "A City By The Light Divided" meilenweit davon entfernt. So ist sie wesentlich mehr von New Wave oder Postrock geprägt, als von Pop-Punk. Dennoch ist das Alles etwas ganz anderes als gefühlskalt oder chronisch unterkühlt. Hier brennt's, faucht, winselt, drängt, fleht.
Nicht nur die die Stimme, die doch sehr an Robert Smith erinnert, und einen derart jämmerlichen Klagegesang drauf hat, dass man doch mal schnell den psychologischen Notdienst rufen möchte. Nein, auch die Instrumente und das Arrangement bluten aus allen Poren pure Verzweiflung. Hier hat sich eine Kapelle zusammengefunden, um mit allen Mitteln das limbische System der Rezeptienten zu entern.
Und es gelingt ihnen bravourös. Der ziemlich kratzige, rauhe Klang fräst sich tief in die Hörbahn. Das kombinierte Spiel von Synthie-Piano und Blechgitarre erzeugt maximale Befangenheit. Dazu wimmert der Sänger Geoff Rickly seine Zeilen. Bis schließlich ab dem Punkt von Minute eins und zwei Sekunden das vollendete Affektinferno sich aus den Boxen ergießt.
Ja, die Herren meinen es ernst. Ja, sie schämen sich nicht, sich komplett offen zu legen und es uns frei zu stellen, was wir mit den dargebotenen Innereien der Band anfangen möchten. Werden wir sie verschmähen, werden wir uns dran mästen, oder werden wir uns einfach harakiriös deneben legen?
Und Ladies and Gentlemen: Achtet auf den Text. Nicht nur, dass hier die Crux eines Songschreibers beschrieben wird. Das allein würde noch keinen hinter dem Ofen hervor locken. Denn dazu spricht es einfach nur eine begrenzte Anzahl von Menschen an: nämlich die der kreativ wirkenden Menschen. Diese dürften den Inhalt aber zutiefst nachvollziehen können, ihn nachleiden können, sich verstanden wissen. Nein, Mädels und Jungs! Achtet auch und vor allem auf die Form, auf die Sprache. Das hier ist Poesie in seiner schönsten Form:
So he stumbles through syllables
cut from their sentences
lost letters call to him deep in the alphabet
"please! give us meaning!"

Als ich das zuerst hörte, blieb mir wirklich die Spucke weg. Ich konnte keine Luft mehr holen. Mir schossen die Tränen in die Augen. Aber nicht weil es mich an irgendetwas oder irgendjemand Spezielles erinnert. Es lebte einfach aus sich selbst heraus. Ein Text, der einen nur durch seine Sprache so von den Socken haut. Wo hat man so etwas schon erlebt in den letzten 10 Jahren? Mir ist das sonst nur bei literarischen Klassikern geschehen. Das will was heißen, meiner Meinung nach.
Das hier ist wirklich ein Trommelfeuer aus der Gefühlskanone, die einen absolut lahm legt. Habt ihr auf den C-Teil geachtet? Fifty red roses falling apart in the heart of someone you have scripted and left behind Welche Urgewalt da entfesselt wird? Wie man befürchten muss, dass einen Boxen und Herz gleichermaßen sprengt?
Alter Schwede, Thursday haben hier richtig gemacht, was man richtig machen kann, wenn man sich dem emotionalen Rock verpflichtet fühlt. Ach was! Der Popmusik allgemein. Ganz ganz großes Tennis.

4.) Bright Eyes - Nothing Gets Crossed Out, 2001



Und nochmal zum Thema Text. Konsequent wäre es, an dieser Stelle selbigen einfach nur abzunotieren und ihn einfach so wirken zu lassen. Das ist bei Herrn Oberst auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich müsste es sich inzwischen herumgesprochen habe, dass dieser kleine Mensch der vermutlich beste musikalische Lyriker seiner Generation ist. Seine Fähigkeit Geschichten zu erzählen und Menschen dazu zu bringen ihm permanent zuzunicken und "Jawoll! So ist es, Alter!" zu flüstern, sind schon regelrecht legendär.
Den richtigen Anfang für diesen Hype konnte er mit dem Album Lifted or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground lostreten. Denn auch wenn zuvor schon extrem bewegende Anektoden erzählen konnte, kam 2001 einfach noch das entscheidende Jota Reife dazu, die es zuließen, dass auch eine breite Öffentlichkeit sich mit dem Schaffen des Folker aus Omaha auseinandersetzte.
Das Lied was mich da natürlich hervorragend anspricht ist das hier nun vorgestellte. Nur mal so als Ausriss:
All I do is just lay in bed and hide under the covers.
I just want someone to walking off and not fall off a leader.
I Know I should be brave, but I'm just too afraid of all this change.
I keep making these to-do lists, but nothing gets crossed out.

Nur Ich-Botschaften. Und ja das wirkt ehrlich. Und was für ein Erlebnis, dass man mit seiner leider nicht nur gelegentlichen geistigen Gelähmtheit nicht allein ist. Die Durchreißer unter euch werden jetzt sicher entnervt die Augen verleiern, dass man seine Sensibilität oder sowas nur als Entschuldigung für unfassbare Faulheit und übertriebene Ängstlichkeit nimmt. Schon möglich, aber die andere Hälfte Mensch wird Conor Oberst bzw. mich verstehen. Daher ist es jetzt auch für mich schwierig dieses Gefühl näher zu umschreiben. Aber ich nehme an, wenn eine Mensch, welcher 15'000 Kilometer entfernt von mir groß geworden ist, ähnlich, nein gleich (!), empfindet wie ich, dann gibt es sicherlich noch viele andere dazwischen und darüber hinaus.
Was ich aber beschreiben kann, ist die ganz und gar überwältigende Musik, die den Barden hier begleitet.
Dieses schöne Solo der Vibrato-Gitarre. Dieser Aufbau, der seinen Namen wirklich verdient. Hier wird fortlaufend und unaufhaltsam Instrument um Instrument dazu genommen, bis diese überlebensgroße Lied-Gebäude aufgebaut ist. Die schöne Appeggio-Gitarre, die ab Strophe 3 einsetzt macht den Raum unglaublich groß, ohne in Bombast à la Coldplay oder Editors zu verfallen. Das hübsche Glockenspiel verleiht diesem schweren Text eine unglaublich Leichtigkeit, das Marschschlagzeug zugleich eine gewisse Dringlichkeit.
Und vor allem und an eigentlich erster Stelle. Der Einsatz von Orenda Fink (Azure Ray, ihr erinnert euch) in der zweiten Strophe ist der größte Gänsehaut-Moment, den man mittels Musik vermitteln kann. So leise, so dezent, so zurückhaltend und dennoch so laut, brachial und berserkernd im Gefühlszentrum. Danach steht dort kein Stein mehr auf den anderen. Nein, alles wird aufgebrochen, erhitzt, befreit.
Auch wenn es pathetisch klingt, aber bei diesem Juwel ein mehr oder weniger akustischer Musik, muss ich leider auch schreibertechnisch ziemlich schwere Geschütze auffahren, um ihm wenigstens ansatzweise Herr zu werden. Verzeihung.

3.) Mogwai - Killing All The Flies, 2001



Hier schreibe ich mal lieber Nix über den Text. Da ich einfach noch nie versucht habe, zu entziffern, was da hinter dem Vocoder-Effekt hervorlugt. Von daher spielt es auch keine wesentliche Rolle. Allerdings - und das muss ich dazu sagen - gibt es wirklich tolle die-hard-fans, die auch solche Texte mitsingen können. Habe ich selber auf dem Southside erlebt, dass da irgendein Schotte (der sich nicht auf der Bühne befand), den Vocodergesang inbrünstig mit geträllert hat. Allerdings von Hunted By A Freak. Und nicht von Killing All The Flies. Denn den habe ich sie bei immerhin vier Konzerten noch nie spielen gehört. Warum sie den nicht jeden Tag spielen, ist mir schleierhaft. Denn es gibt kein Stück von Mogwai, was erstens mehr zusammenfasst, wer sie sind und was sie machen, der zweitens live eine unzähmbarere Energie aufbauen müsste und das drittens schlicht und ergreifend schöner ist.
Und nur damit wir uns gleich richtig verstehen: Das was dieses Lied ausmacht, ihn groß und unverzichtbar macht, das passiert bei exakt 2:34. Dieser Ausbruch ist der allerbeste der jemals, und damit meine ich nicht nur die letzten zehn Jahre, in meiner musikalischen Welt stattgefunden hat. Einen besseren Klimax kann man wahrscheinlich auch gar nicht komponieren. Das hier wird hervorragend vorbereitet. Mit sich liebevoll umspielenden cleanen Gitarren. Der sehr schönen "Gesangs"-Melodie. Mit dem bedächtigen aber mächtigen Getrommel. Dem hypnotischen Minimal-Groove des Basses. Dem vorsichtigen Ansätzen, dem kurzen Zurückpfeifen für die zweite Strophe, der relativ raschen Steigerung in diesen straighten Spannungsrhythmus und der sich stetig nach oben schraubenden Melodie. Und ohne diesen Spannungsbogen übermäßig zu überspannen, wird dann zügig und prägnant zu dem Teil gekommen, dem ich nur folgendermaßen beschreiben kann: Orgasmisch.
Das ist eine wahres Feuerwerk aus der Soundatillerie. Die ganze Band plus Streicher und sonstigem Orchestergetöse fällt über einen herein, dass man wirklich nicht anders kann als sich dem hinzugeben und absolut geplättet zu sein.
Wem das jetzt beim ersten Mal hören nicht so ging, dem sei nur empfohlen sich das wirklich LAUT anzuhören. Man muss dazusagen, dass Mogwai, zu der Zeit als sie dieses Lied komponierten, als die zweilauteste Band nach Manowar galt. Ihre Auftritte waren ein gesundheitsgefährdendes Inferno. Die Verstärker glühten, die Club-PA ächzte. Alles war ans Maximum getrieben. Vor allem die Besucher mussten ihre Eingeweide festhalten, damit diese nicht durch Schalldruck resiziert wurden. Als ich 2005 die Band zum ersten Mal live in Berlin am Postbahnhof sah, sind sie schon dazu übergegangen dieses Extrem nicht mehr auszureizen. Allerdings ließen sie sich beim letzten Song des Sets, nämlich Glasgow Mega-Snake doch noch einmal dazu hinreißen. Und ich hatte wirklich das Gefühl, die Welt ginge unter, so massiv wurden die Zuschauer dort zugeballert mit einer unfassbar drückenden Soundwand. Ein sagenhaftes Gefühl, das ich seitdem immer wieder versuche nachzuempfinden, aber bisher nicht mehr erlebt habe. Und nun stelle ich mir das mit diesem wunderschönen Killing All The Flies vor. Das müsste wirklich ein geradezu reinigender, kartatischer Moment sein.
Daher also die Empfehlung die Regler der Anlage so weit es geht nach rechts zu drehen. Wer sich nicht traut Nachbarn, Mitbewohner, Eltern an diesem Erlebnis teilhaben zu lassen, nehme einfach Kopfhörer und gönne sich und seinen Ohren auf diese Weise dieses Erlebnis. Das Erstaunliche ist, dass trotz dieses krassen Schalldrucks der laute Moment nie schwammig oder unsauber klingt. Es sind dennoch alle Instrumente klar zu orten und auseinander zu halten, was extrem für die Produktion dieses Albums spricht. Druckvoll und dennoch klar. Ein Meisterstück.

2.) Maria Solheim - Too Many Days, 2003



Jetzt könnt ihr die Anlage wieder auf normale Lautstärke zurückstellen. Denn diese Dame aus Norwegen hat eine ganz andere Herangehensweise, um einen zu packen. Too Many Days ist nämlich reduziert auf das wirklich Wesentliche: eine fabelhafte Stimme, welche einen unglaublichen Text singt, begleitet von exakt einer Gitarre. Okay später kommen noch Bass, Schlagzeug, Banjo, Streichquartett und irgendwelche Synthies dazu. Diese schaffen es jedoch, das Lied noch weiter nach vorne zu bringen. Sehr weit. Bis an die Grenzen und darüber hinaus.
Einst, als es den fabelhaften TV-Sender Viva Zwei noch gab, erschien von Zeit zu Zeit eine junge Frau, um mit exzellenten redaktionellen Inhalt dem Zuschauer ihre Lieblingsmusik näher zu bringen. Diese Dame sollte später einigen Ruhm ernten, indem sie diverse Feuchtgebiete ergründete. In ihrem früheren Leben jedoch, wurde sie im Wesentlichen durch die Sendung Fast Forward ins allgemeine Indie-Gedächtnis katapultiert. Eines Tages entschied sie und ihre Redaktion sich dazu, das Video Too Many Days einer kleinen zierlichen Frau namens Maria Solheim vorzustellen. Man sah: wie sie in ein leicht antiquiertes Aufnahmegerät dieses Lied sang. Mehr nicht. Ich war dennoch bestürzt. Erfreut. Überwältigt. So einen wundervoll traurigen Song hört man nicht alle Tage. Sicherlich spielt es ihr zu Gute, dass sie mit der Stimme eines Engels gesegnet ist. Dass sie weiß, wie man ein Lied enorm geschmackvoll begleitet. Dass sie ein enormes Gespür für Timing hat. Mit letzterem meine ich nicht nur den, von mir immer wieder geliebten, unvermittelten, überfallartigen Beginn. Auch das Tempo ist ideal, jede Strophe, jeder Refrain, jede Gitarrenakkord dauert genauso lange, wie er klingen muss. Auch der Text fügt sich punktgenau ein. Der Einsatz der dazukommenden Instrumente ist haargenau abgemessen. Alles passt schlicht und ergreifend perfekt.
Dass dachte sich anscheinend auch das Fast Forward-Team, denn sie entschieden sich prompt in der darauffolgenden Sendung, das Video noch einmal zu zeigen. Ein Ereignis, was meines Wissens nach recht selten in der Show vor kam. Und wieder überkam es mich unvermittelt. Der Unterschied war diesmal nur, dass ich es geschafft habe im Videotext nachzuschlagen wer das wann wie gesungen hat. Schnell die CD bestellt. Fertig war das vollendete Glück für eine gewisse Zeit. Diese gewisse Zeit dauert bis heute an.
Während ich die Rezensionen schreibe, höre ich die entsprechenden Lieder natürlich immer in Dauerschleife. Und da kam es durchaus bei einigen Titeln vor, dass ich mir wünschte, ich vollendete endlich den Text. Nicht so bei diesem Stück. Jedesmal bin ich wieder aufs Neue erfreut, es noch einmal zu hören. Ein Glücksfall.

1.) Deftones - Knife Party, 2000



Dieses Lied, nein, dieses Werk ist seit geschlagenen neuneinhalb Jahren mein absolut liebstes Lied aller Zeiten. Durchgängig. Ohne dass je irgendein anderer Song auch nur in die Nähe seiner Größe kommen konnte. Nicht die neunundvierzig Lieder, die ich davor beschrieben habe und auch sonst keine anderen, die mehr als zehn Jahre auf dem Buckel haben.
Wie kam's? Wieder ein Schwenk auf die seligen Viva Zwei-Zeiten. Da lief mehrmals (!) am Tag ein Song namens Digital Bath der mich ganz und gar getroffen hat. Den ich besitzen musste. Den ich einsaugen wollte. Also ab in den Laden (Saturn in Hamburg, werde ich wohl nie vergessen) und White Pony gekauft. Extrem oft durchgehört und lieben gelernt. Den hier vorliegenden Song Knife Party fand ich schon immer gut, war aber nie unbedingt mein Favorit. Bis ich eines Tages das Buch Der Verschollene (Amerika) von Franz Kafka las. Nicht das Übliche, was andere Sechzehnjährige so tun, aber was soll's. Es hat mich zu dem gemacht, der ich bin. Auf jeden Fall ist dieser Roman die Geschichte eines jungen Mannes, der in den US of A sein Glück versucht. Erfolg hat er dabei nicht wirklich viel. Eigentlich ist er von einer unfassbaren Menge an Pech verfolgt. Die Beschreibung, wie er von einer Scheiße - entschuldigt die Ausdrucksweise, es geht nicht anders - in die nächste rutscht, ist gruselig, niederschmetternd, schmerzhaft.
Ich muss an der Stelle eventuell noch kurz einschieben, dass ich eigentlich immer lese und dabei Musik höre. Hat sich halt so eingeschliffen und bisher fahre ich auch recht gut damit. Jedenfalls gibt es eine Stelle in dem Schriftstück, in dem der Protagonist wirklich und wahrhaftig den Boden erreicht. Er hat alles verloren, wurde bestohlen und folgt dann auch noch - weil ihm wenig Anderes bleibt und weil er ein unbeschreibliches Geschick besitzt, Murphy's Law zu personifizieren - den komplett falschen Leuten nach. Schrecklich. Man möchte in das Buch rufen "Tu das nicht. Wähle die Alternative. Mach nicht permanent so einen Scheiß. Bitte! Bitte!" Doch Kafka bleibt grausam und lässt den armen Kerl weiter ins offene Messer, welches mit allerhand fiesen Widerhaken versehen ist, rennen. Und dann auch noch stürzen. Wirklich und wahrhaftig grausam. Und an diesem genau diesem absoluten Tiefpunkt eines vorstellbaren Lebens ertönt dieses Lied.
Seine - noch clean gespielten - Gitarrenakkorde zu Beginn pusten sofort alle Lichter aus. Man ist darauf eingestellt: Von nun an folgt Finsternis. Und prompt mäht einen der massivst verfügbare Riff komplett nieder. Reißt einen sogar noch weiter nach unten. Als ob in einem Bergwerk unter Tage erst die Beleuchtung ausfällt und dann auch noch die tragenden Balken der Last nicht weiter Stand halten können. So klingt der Riff. Niederschmetternd. Was wohl damit zusammenhängt, dass die Gitarren unsagbar tief gestimmt sind. Ein Relikt aus der Deftone'schen New-Metal-Vergangenheit. Dieses aber optimal eingesetzt.
In der Strophe lässt die Band dann erstmal wieder Luft zu atmen, ohne aber für nennenswerte Beleuchtung zu sorgen. Doch im zweiten Teil des Vers - oder 2. und 3. Strophe ... so genau kann man das nicht sagen - folgt wieder die erdrückende Phon-Macht. So zieht sich das weiter durch. Laut-leise, hoch-tief. Doch das alles immer von den vollendeten Moll-Akkorden angeführt. Und darüber schwebt noch die stets zu brechen drohende Stimme des Chino Moreno. Resigniert, verzweifelt, traurig, depressiv und so weiter. Den Mann haben alle Lebensgeister verlassen - jedoch muss, muss, muss er weiter und weiter singen. So klingt das für mich zumindest. Der Mann singt von einer seltsamen Nihilisten-Feier, wo sich das Partyvolk mit Messern aufschlitzt, um zum Einen dadurch verbunden, gleich zu sein und zum Anderen sich zu öffnen, Nähe zulassen zu können, Liebe zu finden. Sehr seltsam das. Noch seltsamer ist, wie vertraut einem diese Vorstellung, dieser Gedanke vorkommt. Da hat jemand ganz tief in sich hinein geschaut und dieses faszinierend abstoßende Bild hervorgekramt. Und kann sich durch diese Parabel hervorragend öffnen und den Hörer und entsprechend tief in sich hinein schauen lassen. Beängstigend. Befreiend. Erstaunlich.
Doch das Lied ist damit noch lange nicht beendet. Nein für den C-Teil haben sich die Herren Deftones etwas ganz dramaturgisch wertvolles einfallen lassen: Mithilfe einer befreundeten Gastsängerin namens Rodleen Getsic, bekommt das Stück nun im Fortlaufenden eine besondere Note dazu: Die der schmerzenden Verzweiflung. Von wunderbaren - an orientalischen Gesang erinnernde - Melodien, die mehrfach durch den Hall- und Echoeffektwolf gejagt worden, schraubt sich das "Ohooohooho" in immer bedenklichere Höhen bis nur noch ein markerschütterndes, angstverzerrtes Kreischen übrig bleibt. Und es hört einfach nicht auf. Auch wenn schon längst der Refrain wieder eingesetzt hat, dringt der Hilferuf aus der Tiefe immer noch ans Ohr. Und man kann nichts tun. Man sitzt da und es sind einem die Hände gebunden, da man ja eigentlich nur mit modifizierten Schallwellen zu tun hat. Als ob man einen Mord am Bahnsteig vom Zugfenster aus beobachtet. Man erlebt das ganze Geschehen mit, kann dem armen Opfer aber nicht helfen, weil der Zug einfach weiterfährt und man ihn nicht verlassen kann. Dieses Erlebnis brennt sich ein und wird einen nie wieder los lassen.
Und so geschah es. Ich war gefangen. Die dunkle Welt des Prager Schriftstellers und die der Musiker aus Sacramento
hat sich verbunden und mich wirklich im Kern erschüttert.

Nie wieder sollte ich Musik davor oder danach so intensiv erleben. Kein Stück hat es seitdem geschafft mich derart heftig emotional anzurühren.
Egal um welche Emotion es sich handelt. Kein Lied konnte mir zum Beispiel in ein so intensives Gefühl der Freude verschaffen. Der Wärme. Der Traurigkeit. Der Hoffnungslosigkeit. Der Geborgenheit. Der Erotik. Der Angst. Des Hasses. Der Lust. Wohl gab es Lieder, die dieses Emotionen bei mir auslösen oder unterstützen konnten.
Doch nie war dieses Erlebnis so intensiv wie bei diesem Werk und der hoffnungslosen Verzweiflung, die es zu CD gebracht hat. Denn das ist das, worum es am Ende des Tages bei Musik eigentlich geht. Dass sie in uns Emotionen hervor zu holen vermag, die wir in der Intensität nicht für möglich gehalten hätten. Die uns mit- und gefangennehmen. Uns einfach nicht mehr loslassen. Die unser Leben begleiten und bereichern.

nobono

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