Mittwoch, 17. März 2010

Nobono 2.0

nerd-46422

Juchee! Hier seht ihr unseren Haupt-Design-Nerd, welcher momentan akribisch damit beschäftigt ist, das alte Schlachtross Nobono pünktlich zum Frühjahrsbeginn wieder etwas flott zu machen. Nach drei Jahren Betriebszeit war eine kleine optische Frischzellenkur natürlich mehr als überfällig. Jetzt beißt das Gelb auch nicht mehr allzustark. Das Ganze wird in den nächsten Tagen sicher noch ein wenig optimiert. Der Rest bleibt aber beim Alten. Immernoch massig viel Plattenbeurteilungen und lyrische Ergüsse über aktuelle Veröffentlichungen der Popmusik. Ich hoffe es gefällt nachwievor. Bleiben sie uns und dem Nerd auch in Zukunft gewogen! Wo und wie auch immer. Es grüßt das Nobono-Team!

|:Mottenkiste:| / Vom Überleben

CoverBei Soundcloud gibt es seit einigen Tagen ein neues Stück der progressiven Emostudenten von Circa Survive namens Get Out. Es klingt auch recht fein, kann jedoch nicht mit der Größe ihres letzten Werkes On Letting Go von 2007 mithalten.

Dieses vermochte nämlich emotionale Berge zu versetzen.
Fangen wir schon einmal mit dem Cover an. Ganz große Kunst. Ein Mädchen, welches sich selbst fortbewegen vermag, indem sie mit brennendem Haupt einen Ballon befüllt, der sie zu mobilisieren im Stande ist. Das alles in schönen dunklen, aber kräftigen Farben gehalten, die dem Gemälde von Esao Andrews einen latenten Glanz verleiht. Je weiter man jedoch im Booklet voranblättert, desto mehr zerfällt das Bild bis nur noch ein kleinerer Farbtupfer um das fliegende Mädchen vor weißem Grund zu sehen ist. Wundervoll.
Es setzt sich fort mit dieser Stimme. Oh diese Stimme! Sie gehört zu Anthony Green (ja, das ist ein Männername und bekleidet dementsprechend auch ein männliches Wesen). Dieser war auch mit mittelstarken Ergebnis bereits Solo und akustisch in Avalon unterwegs und des Weiteren bei der Debüt-EP der brillanten Emorocker von Saosin, denen sehr viele Vorschusslorbeeren zuteil wurden und von diversen fachlichen Stellen durch die musikalische Qualität und das Charisma des Frontmanns eine glänzende Zukunft bescheinigt.
Auf diese gab der Sänger mal eben zwei feuchte Fürze und teilte seinen Kollegen kurz vor der mutmaßlichen Durchbruch-Tour mit, dass er sich musikalisch und vor allem szenisch nicht zugehörig fühle und daher lieber eine neue Band gründen wolle.
Diese war dann Circa Survive. Oh, was für ein Bandname! "Um's Überleben" oder "Vom Überleben"! So schön unkitschig pathetisch, dass einem ganz warm circa Herz wird.
Anno 2005 erschien dann das Debütalbum Juturna (übrigens die römische Göttin der Quellen und Brunnen, welch' schönes Symbol für den Neuanfang), welches den radikalen Schritt vom wahrscheinlichen Chartbreaker in die Ungewissheit eines Neuanfangs bereits ab der ersten Sekunde fundiert begründet. Denn praktisch ab dem ersten Akkord von Holding Someone's Hair Back wird die abspielende Stereoanlage verhext. Von einer öden und profanen Ansammlung von PVC, Metall und Magneten zu einem geheimnisvoll schimmernden Quell der musikalischen Magie und einem überwucherndem Kaleidoskop der Emotionen.
Meist in dem schöneren und edleren Tongeschlecht Moll gehalten, werden erstklassige Songs zu schier unmenschlichen Arrangements montiert.
Nein, vielmehr verwoben. Im tiefsten Sinn des Wortes. Die zwei Gitarren existieren nicht nebeneinander her, sondern umspielen sich permanent wie ein junges verliebtes Paar, die Läufe greifen ineinander, tragen sich, entfernen sich und krallen sich wieder aneinander. Getragen oder vielmehr umgeben werden von dem sich ebenfalls ergänzenden und bereichernden Zusammenspiel von progressiv-breakigem Schlagzeug (oder kurz: der Trommler trommelt sich ordentlich einen Wolf) und verträumt-laufigem Bass. Auf diesem mal lockeren, mal festen Geflecht aus Instrumenten, Läufen, Rhythmen und Harmonien darf sich dann die honigsüße Mädchenstimme von Anthony Green ausbreiten. Honigsüß deshalb, weil sie hoch ist. Sehr hoch. Beängstigend hoch für einen Mann. Dennoch klingt er so, als hätte er noch Platz nach oben. Die Stimme klingt nie dünn, eiert nicht und bekommt teilweise auch eine gewisse Rauheit verpasst.
An dieser Stelle auch Chapeau an Brian McTernan (Darkest Hour, Thrice), der es schafft, dass das ganze Geflecht dann auch so klingt, als wäre jedes einzelne Instrument kurz vorm Untergehen im Soundbrei, dies aber gerade so nicht passiert. Der Kompressor blinkert zwar, kommt aber nie zum Dauerleuchten.
Formell bezieht sich die Beschreibung zwar jetzt noch auf Juturna, gilt aber genauso für On Letting Go. So großartig unterscheiden sich die beiden Alben nämlich nicht. Warum also Zweiteres hervorheben?
Nun, es wurde noch etwas dichter verarbeitet. Die Geräuschwände lassen inzwischen überhaupt keine Lücke mehr. Was ich, als geneigter Postrocker, astrein finde. Die Songs sind stehen nun auf sicherem Fundament. Kompositorisch makellos. Null Füllmaterial. Jeder Song kann gefallen. Aber - und das ist das eigentlich Erstaunliche - ist es dennoch nicht möglich einen Favoriten herauszupicken und speziell an Mann zu bringen. Denn alles fließt. Jetzt nicht im Philosophisch transzendentem Sinne, sondern im musikalischen. Trotz formeller Trennung der Titel, wird man so eingelullt, dass das gesamte Album wie im Fieberwahn vorüberzieht. Wenn es endete, kann man sich an keine einzige Melodie erinnern, alles ist unter den Ohren zerflossen, ohne nur einen Moment sperrig zu sein.
Hier passiert Pop. Die Lieder klingen alle gleich. Hohes Stimmchen. Nix bleibt hängen. Moment! Das hatten wir doch erst letzte Woche bei Ellie Goulding! Warum ist das jetzt gut? Und die zierliche Engländerin nicht?
Nun, wenn die Musik aus ernsthaften Instrumenten und nicht aus einem digitalen System kommt, bringt das im Allgemeinen mehr Glaubwürdigkeit. Vor allem aber ist hier Nix auf Hit gebürstet. Die Songs sind also catchy, aber nicht cheesy.
Die Gleichförmigkeit der Titel bringt keine Langeweile mit sich, sondern eher einen Trancezustand. Dieser Rauschzustand scheint auch initiiert worden zu sein und nicht ein zufälliges Nebenprodukt.
Und wir haben es hier mit echten, ernsthaften Emotionen zu tun. Auch wenn das Emo-Genre immer gern belächelt wird. Die fast schon körperliche Manifestation ungefilterter Emotionalität ohne vorher durch irgendeine Coolness- oder was weiß ich -was-Kontrolle zu müssen, sollte jedem ernsthaften Musikhörer doch eigentlich ein heiliges Gut sein. Und wenn nun ein Emo-Musiker sich der Musik und der Szene entsagt ohne diesen Habitus abzulegen kommt es zu einem wahren Feuerwerk aus der Gefühlskanone, die den interessierten Hörer direkt in die Körpermitte trifft und aber einfordert, den Kopf dabei auszuschalten. On Letting Go halt.

Da ja, wie bereits erwähnt, es schwer ist einen unbedingten Anspieltipp zu nennen und das Album am besten in seiner Gesamtheit wirkt verweise ich einfach auf diese YouTube-Playlist, wo alle Titel angehört werden können. Bei mir hat damals The Difference Between Medicine and Poison is in the Dose gereicht, um mich total anzufixen. Inzwischen bin ich von Semi Constructive Criticism am meisten gefangen. Viel Freude beim Entdecken.

nobono

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