Samstag, 29. Mai 2010

A Midsummer’s Day Dream

Cover

Nun will man den jungen Musikern nicht grundsätzlich einen Hang zum überbordernden Drogenkonsum unterstellen. Aber wer es schafft derart entrückte Musik zu produzieren, die repetitiv, hypnotisch und von vorn bis hinten mit Klang zugebombt ist, der muss sich auf jeden Fall derartigen Gerüchten stellen. The Depreciation Guild haben das Ganze dann auch noch völlig unverdächtig Spirit Youth genannt.

Mit diesem Album kann der Sommer kommen. Die faulen Nachmittage auf der Wiese. Man liegt da, von der Hitze ermüdet, vermeidet jede Regung. Im Hintergrund hört man Kinder toben, allerlei Insekt schwirrt durch die Luft. Alles ist friedlich. Man schaut in den Himmel, wie die zwei knallweißen Wolken ziehen und sich in Super-Slow-Motion transformieren, zerreißen, sich wieder zusammenfinden und entweder irgendwann auflösen oder hinterm Horizont verschwinden. Das Buch hat man zur Seite gelegt, weil man nicht mehr weiß, wie man sich zum Lesen positionieren soll. Ein sanfter Wind, der angenehm kühlend über die Haut weht, hat außerdem immer mit zarter Hand versucht die Seiten umzublättern. Man lässt ihn nun gewähren. Das Buch wird beiseite gelegt, man selbst nur noch auf dem Rücken. Und die Ohrstöpsel flüstern einem vorsichtig in Ohren. Minimal angezerrte Gitarren, durch alle Effektgeräte der Welt gejagt wurden, damit sie länger und dichter klingen. Ein Schlagzeug, dass scheinbar in einer Duschkabine steht und von dort aus unter den Gitarren herpoltert. Darüber einerseits die fragile Stimme von Kurt Feldman (sonst Drummer bei The Pains Of Being Pure At Heart) und anderseits, hübsche Orgeln, Synths, Chöre, Solo-Gitarren und so weiter. Obwohl alles vollgestopft ist bis zum Rand, wirkt diese Postrock-Variante nicht laut, sondern einfach nur butterweich, träumerisch. Wunderschön. Doch im Unterschied zum Rock von der Post, wird hier nicht lange instrumental rumgeschwelgt, sondern schöne Popsong vorgetragen. Dies zwar auch eher langsam und mit starker Kifferschwere in der Intonation, aber wer will bei der Hitze schon hetzen? Das Genre heißt doch Dream Pop, oder? Das ist Musik von Tagträumern für Tagträumer. Also: Keine Eile! Und so wird man von einem Song zum nächsten getragen, die vor einem vorbeiziehen wie diese Wolke am Himmel. Eigentlich passiert Nichts weiter, aber man hört genauso fasziniert zu, wie man zuschaut. Wenn man mal kurz nicht aufpasst, weil die Gedanken auch ins Wandern kommen, macht das keinen großen Unterschied, beides – die Wolke und die Musik entfleucht einem nicht so schnell. Man kann keine einzelnen Lieder unterscheiden, man kann nachher keine einzige Zeile mitsingen, man wurde nie überrascht, das Album fängt an, wie es aufhört. Trotzdem ist man geneigt, sich nach einem Durchgang, den nächsten gleich hintendran zu geben. Einfach zu schön das Ganze, zu passend. Zu friedlich. Wie dieser Sommertag.

Spirit Youth erschien am 28.05.2010.

Hörbeispiel: Dream About Me (vimeo)

The Depreciation Guild - "Dream About Me" from Jack Ferry on Vimeo.

|:Mottenkiste:| / Pomp und Grandezza

Cover

Die Norweger Delaware haben anno 2003 das extrem überladene …and everything reminds me auf den Markt gehauen. Obwohl es so klingt, als könnte man damit die größten Stadien der Welt füllen, hat es letztendlich nur für ein paar gammeligen Kaschemmen außerhalb von Norwegen gereicht. Obwohl sie schon beim Major-Label Sony BMG gelandet sind, der allerdings nicht so richtig wusste, wie man dieses Hitalbum vermarktet. Das verstehe wer will.

Bands, die meinen ihre Emotionalität mithilfe von Streichern, Richard Clayderman-Pianos, Midtempo, hymnenhaften Gesang und einem entrockten Sound ausdrücken zu müssen, sollten einem erstmal sehr suspekt sein. Und wenn man willkürlich in irgendein Titel dieser Platte reinlauscht, wird dieser Eindruck auch unterstützt. Hier macht jemand auf ganz große Geste. Der ganze Hofstaat für kitschige Musik steht Spalier, um Richard Holmsen mit seiner butterweichen Stimme den Geleit zu bieten, wie er den Soundteppich zu Schmachtfetzen zerreißt.
Und was für welche! Sowas würde sogar 30 Seconds To Mars die Schamesröte ins Gesicht treiben.  Doch trotz dem, dass man die Scheibe lieber im plüschigen Versteck hört, als im offenen Cabrio, muss man doch gestehen, dass sich hier Songperle an Songperle zu einer schönen Powerballaden-Kette reiht. Und damit sind natürlich nicht nur die Refrains gemeint, hier stimmt zum großen Teil alles. Die Streicherarrangements könnte Andrew Lloyd Webber nicht besser machen. Das Glockenspiel zur Eröffnung bei Everything Sometimes, zaubert ein Lächeln aufs Gesicht. Die Strophe aus Secret würde bei vielen Bands bereits als vollwärtiger Refrain durchgehen. Bei Delaware ist das erst der Anfang, der eigentlich Refrain, wäre bei anderen schon das absolute Finale grande, kurz hinterm Ausverkauf. So wird man Song um Song weichgespült, bis die Gitarren beim vorletzten About You einem so hart vorkommen wie Death Metal, obwohl sie doch nur leicht angezerrte Akkorde schrammeln. Doch gerade die Tatsache, dass die Norweger sich dafür nicht zu schade sind und offenbar den Ausverkauf nicht fürchten, sondern völlig ungeniert die größten Schmalzfässer aufmachen, ringt doch einfach nur Respekt ab.
Seit den Anfängen der Christenheit, wurde von so genannten Säulenheiligen berichtet, die ihre Tage damit verbrachten auf Säulen zu leben und zu beten, manche davon mit permanent ausgebreitet Armen. Sechzehn Stunden am Tag. Wer mal versucht, dass nur drei Minuten nachzustellen, weiß, was das für eine Leistung ist. Delaware gebahren sich ebenfalls als Säulenheilige und schleudern einen Refrain nach dem dem anderen ins Rund, die dazu einladen bei Sonnenuntergang mit wehenden Haar am schönsten Kliff der weißesten und höchsten Steilküste der Welt zu stehen und die Arme auszubreiten. Immerhin fünzig Minuten lang. Ihre Fähigkeit eine übergroße Melodie nach der nächsten rauszuschleudern und gleichzeitig diese mit stets überraschenden Harmonien abzupolstern, ist wohl das, was das Album so erstaunlich macht.
Natürlich ist das auf Dauer anstrengend und Last Night trotz vollem Einsatz einfach nur langweilig. Aber im Wesentlichen überwiegt das Licht die paar Schatten. Das gleißendste und wärmste, dass man sich vorstellen kann. Plus Glitzereffekt.

Hörbeispiel: Always (RuTube)

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