Donnerstag, 9. Dezember 2010

Lieblingsalben 2010 /// Plätze 10 - 06

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10. Vampire Weekend “Contra”


Wie war das eigentlich mit diesem Afro Beat? Damals beim Debüt vom Vampire Weekend konnte man ja keinen Artikel über die vier Amerikaner lesen, in denen nicht ausführlich betont wurde, wie sehr sich die Band der afrikanischen Weltmusik öffnen würde. Nur, weil eine Band mal nicht klang wie der x-te Joy-Division oder New-Wave-Klon? Solche Kategorisierungen sollen ja helfen. Dabei machen Vampire Weekend doch eigentlich nur intelligenten, kurzweiligen Pop, der stets recht vielseitig um die Ecke kommt. Und mit dem diesjährigen Zweitwerk halten sie die Messlatte noch mal ordentlich oben und zeigen der Welt, dass sie definitiv keine Eintagsfliege sind. Sommerlich leicht sind sie nach wie vor, der kalte Winter (in dem das Album auch erschien), wird gleich zu Beginn auf „Horchata“ weg gesungen. Erfrischungsgetränke gehen zu jeder Jahreszeit. Und gleich der dritte Song „Holiday“ wird zur Hymne auf die Flucht in den Sonnenschein. Vampire Weekend haben das leichte Leben und den Ideenreichtum auch auf „Contra“ gepachtet. Erneut zaubert die Band wunderbare kleine, schrullige Popsongs aus ihren Sonnenhüten, die vom verrückten, sich stets wechselnden Rhythmus vorangetrieben werden und mit allerhand klangtechnischen Spielereien versehen sind. Da gibt es natürlich die lustigen Keyboard-Elemente, viele Streicher, Bongos, Percussions und wild aufspielendes Gitarrengezirpe. Und den mehrstimmigen Harmoniegesang niemals vergessen! Frontmann Ezra Koenig schlängelt sich wieder gewohnt durch zehn kurzweilige Popsongs mit allerhand witzigen Alltagsgeschehnissen. Die von der Band selbst getroffene Aussage, dass „Contra“ wesentlich näher an dem sei, was Vampire Weekend eigentlich sind, wirkt nachvollziehbar. Gradlinige Hits wie „Run“ oder „Giving Up The Gun“ machen sich hervorragend neben schrägen Ausbrüchen wie „Cousins“. Langeweile sieht anders aus. Deshalb gibt’s für „Contra“ ein absolutes Pro.
Beste Songs: „“Horchata“, „Holiday“, „Giving Up The Gun“, „I Think U Are A Contra“

09. Beach House “Teen Dream”


Beach House... Auch so eine Band, welche es schon ein Weilchen gibt und die ich erst 2010 richtig kennengelernt habe. Als ich das erste Mal mit dem reinen Bandnamen in Kontakt kam, nahm ich ganz assoziativ an, ich würde gleich mit irgendwelcher Café del Mar-Lounge-Music straight outta Ibiza beschallt werden. Weit gefehlt, wenngleich die wunderschöne Musik des amerikanischen Duos trotzdem zum Träumen und Entspannen einlädt, dabei aber unweigerlich mehr Stilsicherheit versprüht. Auslöser war die famose Gratis-Single „Norway“, von der ich sofort begeistert war. Die weichen Soundflächen, die relaxte Melancholie und die wundervolle Stimme von Victoria Legrand, welche weit davon entfernt ist, wie die weibliche Konkurrenz zu klingen, sondern etwas sehr eigenes hat, gerade deshalb, weil Legrand nicht versucht, wie ein süßes Zuckerpüppchen zu trällern, wenngleich es die Musik natürlich gestatten würde. Die geschmackvolle Dame und Bandkollege Alex Scally haben hier ein wunderbar stimmungsvolles Stück verträumten Indiepops geschaffen. Ein verspieltes Piano, zirpende Gitarren und ein weicher Orgelklangteppich bilden zusammen mit Lengrands Stimme die Grundlage für zehn astreine Popsongs, die sich irgendwo zwischen klassischem Pop, Folklore und sehr dezentem Shoegaze bewegen. Das kann, um dieses Bild noch mal zu benutzen, auch gern genutzt werden, um den Sonnenuntergang am Strand zu genießen. Gleichzeitig kann diese Musik auch kalte Winterabende erwärmen. Und zum Mitsingen lädt die Platte gelegentlich auch ein. Songs, wie „Zebra“ oder „Lover Of Mine“ sind bspw. so unscheinbare Superhits, das man selber aus dem Staunen nicht mehr rauskommt, wogegen man sich in Songs wie „Walk In The Park“ einfach nur hineinfallen lassen möchte. Das klappt auch auf Albumlänge, denn die einzige Schwäche ist gleichzeitig irgendwie auch die Stärke, denn aus dem gewohnten Klangbild bricht keiner der Songs großartig heraus. Ein in sich geschlossener und in Watte verpackter Traum.
Beste Songs: “Zebra”, “Norway”, “Walk In The Park”, “Lover Of Mine”

08. Yeasayer „Odd Blood“


Im Laufe der letzten Jahre bin ich immer mal wieder auf Bands und Musiker getroffen, mal netter, mal unfreundlicher. Eines habe ich allerdings in 80% der Fälle festgestellt… die Schlagzeuger sind immer die nettesten, bodenständigsten und amüsantesten Mitglieder! Ein Hoch auf euch! Manchmal sind die sein Glücksfall und wenn es nur durch ihren Weggang ist. Luke Fasano von Yeasayer bspw. Der stieg kurz vor Produktionsbeginn von „Odd Blood“ aus und zwang seine Mitmusiker nun kurzerhand auf einen Drum-Computer umzusteigen. Somit bekam der etwas schräge, Weltmusik-Experimental-Sound der New Yorker eine ordentliche Portion 80s-Space-Pop verpasst, was zu einer erneuten Leistungssteigerung gegenüber dem feinen Debüt „All Hour Cymbal“ führt. „Weniger Hippie, mehr Hits“ lautet nun also die Devise und das gelingt Yeasayer hervorragend. „Odd Blood“ ist ein unwiderstehlich ansteckendes Stück kurzweiliger, experimentierfreudiger und vielseitiger Pop-Musik. Hits wie „Ambling Alp“ oder „O.N.E.“ sind Instant-State-Of-The-Art-Pop, den Hot Chip wohl nicht mehr machen können und wollen, andere Songs wie „Rome“ oder „Mondegreen“ haben einen fast schon Rock’n-Roll-artigen Drive, der sich allerdings stehts dem Klangbild unterordnet, dass sich so gar nicht beschreiben und festlegen lassen will. Experimenteller 80s-Pop? Nerd-R’n’B? Hits für Hipster und alle, die an frischen Ideen interessiert sind. Zwar gibt’s auch noch feine Midtempo-Nummern wie „Madder Red“ oder „I Remember“, aber selbst die können den Drive, den dieses Album hat, nicht ausbremsen. Yeasayer sind auf dem besten Weg eine kurzweilige Symbiose aus ganz vielen Elementen der aktuellen Pop-Musik zu werden. Sie sind „Indie“ genug um dem Musikkenner zu gefallen, könnten gleichzeitig aber auch problemlos eine Kanye West-Platte produzieren und damit ordentlich Schotter machen. Wenn es eine Band gibt, die aktuell intensiv daran arbeitet, die Genregrenzen zu verwischen und sich die Qualität zur Richtlinie nimmt, dann ist das Yeasayer. „Odd Blood“ sollte jeden Pop-Fan begeistern und macht Lust auf die Zukunft dieser Kombo! Egal ob mit oder ohne US-Hip-Hop-Stars.
Beste Songs: “Ambling Alp”, “Madder Red”, “O.N.E.”, “Rome”

07. Fotos “Porzellan”


Dass die größte musikalische Überraschung des Jahres ausgerechnet aus Deutschland kommt, ist natürlich eine angenehme Sache, besonders für unsere kulturell oft gebeutelte Republik und den Fakt, dass ich mit deutschsprachiger Musik eigentlich immer so meine Probleme hatte. Mit den Fotos nur bedingt. Die mochte ich anfangs gern, aber zwischenzeitlich hatte ich das Quartett schon als nette, aber unwichtige deutsche Indie-Rockband abgestempelt, deren einziger Vorteil damals war, dass sie mal im Gegensatz zur Konkurrenz damals 2006 nicht zu spät dran war, um auf den Trendzug „Großbritannien“ aufzuspringen. Das Debüt bot ordentlichen New-Wave-Indie-Rock und hatte internationales Format, der Nachfolger hatte hingegen gar nichts mehr zu sagen. Nach einem uninspirierten Auftritt bei Raab’s Song Contest war dann wohl wirklich die kommerzielle Luft draußen. Und nun das? Die Fotos werfen alle Erwartungen und alle künstlerischen Ängste über Bord und präsentieren mit „Porzellan“ eines der besten Alben, dass dieses Land seit Jahren gesehen hat. Warum? Weil hier endlich mal eine Band kommt, die mehr aus deutschem Indie-Rock machen will. Die nicht versucht wie „Beat! Beat! Beat!“ oder die „Kilians“ und damit irgendwie wie eine provinzielle Britrock-Kopie zu klingen, sondern die bewusst raus will aus dem Muster und endlich mal was wagt mit deutscher Musik und deutschen Texten. Aber streng genommen kopieren sie ja immer noch fremde Sounds. Aber im Fall von „Porzellan“ heißen die Vorbilder „Jesus And The Mary Chain“, „My Bloody Valentine“ oder auch gern mal den Spät-80er-Cure. Die Marschrichtung wird durch diese Namen natürlich vorgegeben: viel Hall, viel Flächen, viel Echos, viel Weite. Die Drums hallen in weiter Ferne, genauso wie die Stimme von Sänger Tom, der seine kryptischen Textbotschaften bereits aus dem Äther zu singen scheint. Sphärische Monster wie „On The Run“ oder „Raben“ treffen auf schnittige Single-Kandidaten, wie „Mauer“ oder das New-Wavige Meisterwerk „Nacht“. Das funktioniert deshalb so gut, weil man sich eben 1:1 an den Originalen orientiert, aber die deutsche Sprache eben dann doch mal außergewöhnlich in diesem Soundkontext klingt und vor allem auch funktioniert. Kryptische deutsche Texte kann ja jeder machen, aber hier passt das einfach so perfekt und stimmungsvoll zur Musik, dass man sich nicht wundern muss, warum das Goethe-Institut die Band erst jüngst durch Asien hat touren lassen. Klar, Spex-Indie-Polizisten können jetzt beklagen „Den fällt nix eigenes ein“, aber seien wir mal ehrlich: wann ist das in den letzten Jahren noch irgendjemandem? Und gerade in Deutschland. Damit kommen die Fotos von der Ersatzbank wieder ins Spiel und präsentierten ein echtes großes Meisterwerk voll andächtiger Schönheit. Mein aufrichtigster Respekt!
Beste Songs: „Alles Schreit“, „Nacht“, „Mauer“, „Ritt“

06. Wir Sind Helden “Bring Mich Nach Hause”


Es war Zeit, das alles hinter sich zu lassen. Jahrelang schien es so, als müssten Wir Sind Helden als alleinige Retter und Galionsfiguren der neuen deutschen Popmusik herhalten. Mit ihrem 2003er-Debüt lösten sie eine Welle aus, von der sie sich selbst immer durch geschmackvolle, intelligente und unpeinliche Musik abgrenzten. Die Helden blieben die unpeinliche und geschmackvollere Alternative gegenüber Silbermond, Rosenstolz oder Revolverheld. Selbst einstige Helden, wie die Sportfreunde versackten immer mehr in der eigenen Belanglosigkeit. Den Helden drohte durch Überpräsenz das Gleiche und sie zogen die überfällige Notbremse. Zum Glück! Ich muss gestehen, selbst ich hatte zuletzt ein wenig die Lust an dem Quartett aus Berlin verloren. Doch nun sind sie zurück und der lebende Beweis, dass es ein Leben nach dem Hype gibt. Die Konzertlocations werden wieder kleiner, die Masse hat sich anderem, bedeutungsloserem Deutschquark zugewandt und die Qualität? Die steigt erfreulicherweise wieder. „Bring mich nach hause“ ist das Beste, was die Helden bisher musikalisch gemacht haben. Ein Zeugnis von Reife, Vielseitigkeit und dem Mut zur unpeinlichen Veränderung. Ein unscheinbarer, aber notwendiger Rückschritt, nach Baby- und Bandpause. Hier spielt keine hippe Nachwuchsband mehr auf, sondern gereifte Musiker, die sich ihren Status in der hiesigen Poplandschaft nicht mehr großartig erspielen müssen und wollen. Wer es als „zu ruhig“, „zu unhittig“ und aufgrund der nicht überragenden Verkaufszahlen als „Flop“ bezeichnen möchte, kann das gern nutzen, sieht aber nicht, was dieses Album kann. „Bring mich nach hause“ thematisiert essentielle, persönliche Themen, die man sich in dem Alter, in dem sich die Band befindet nun mal stellt. Da wird mit dem eigenen Leben gehadert, reflektiert und auch akzeptiert. Das man nicht mehr „Die Träume anderer Leute“ träumen kann und muss, das man sprichwörtlich aus der Dunkelheit nach hause gebracht werden möchte. Geborgenheit, Glück in den einfachen Dingen. Eine Akzeptanz der eigenen Grenzen und Werte und doch die Erkenntnis, das „Alles“ drin ist. So weht mit allen Songs ein gewisses Gefühl von Melancholie. Die nachdenkliche Ballade von Wolfgang und Brigitte zum Beispiel über die Tücken der Liebe oder das unglaublich traurige „Meine Freundin war im Koma…“. Das Leben ist kein Ponyhof, aber man kann das Beste draus machen, wenn man nur die Ruhe bewahrt und sich an die Dinge im Leben hält, die wichtig sind. Deshalb gehen die Mundwinkel hier nicht nur nach unten. “Was Uns Beiden Gehört“ verbreitet genauso gute Laune, wie „23:55, Alles Auf Anfang“. Auch das Instrumentarium unterstreicht die erwachsenen Helden. Die üblichen, klirrenden 80er-Synthies fehlen erfreulicherweise, hingegen halten Bläser, Banjos und Akkordeon Einzug ins Instrumentarium. Alles wirkt etwas organischer, gefasster. Klar gibt es die klassischen Helden-Nummern nach wie vor, aber Anleihen an Jazz, eine todtraurige Klavierballade und ein Beatle-esques Outro bei „Im Auge des Sturms“ zeigen, dass hier viel mehr drin ist, als man der Dame und ihren drei Herren bisher zugetraut hat. Wir Sind Helden sind der eigenen Konkurrenz wieder einmal ein paar Schritte voraus und haben zusammen mit den Fotos dieses Jahr bewiesen, dass deutsche Musik mehr sein kann, wenn sie nur will.
Beste Songs: „Alles“, „Bring Mich Nach Hause“, „Die Ballade Von Wolfgang Und Brigitte“, „Die Träume Anderer Leute“, „Meine Freundin war im Koma…“

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