Tauwetter

Für alle, die gerne auch im Winter etwas Sommergefühle in ihr Herz lassen, sei an dieser Stelle das wunderschöne Album Replicants von Millionyoung ans Herz gelegt. Chillwave nennt man diese Spielart des Pop wohl. Also Musik, die an New Wave erinnert, aber keinesfalls kalt oder zackig klingt, sondern halt eher mit elektronischen Mitteln versucht, die Karibik in die heimische Stereoanlage zu bringen. Und die Entspannung.
Eigentlich hat Mike Diaz, wie der Mastermind hinter Millionyoung heißt, nur mal so in seinem privaten Tonatelier die Sunndreamm-EP (hier frei erhältlich) zusammengelötet, um es seinen Freunden und vor allem seiner Freundin zu hören zu geben. Da es aber auch via seiner tumblr-Seite verbreitet wurde, haben dann mehr und mehr Blogs davon Wind bekommen. So wurde reichlich Staub aufgewirbelt, aus dem Mr Diaz nun schließlich Replicants gebären konnte, sich selbst mittels zusätzlichen Bassist und Drummer zur Kapelle erweitern konnte und nun die ganze Westküste der USA bereist.
Mich erinnert es irgendwie an eine Mischung aus dem Sound von Beach House mit den Mitteln von Fear Of Tigers. Keine richtigen Popsongs mit klassischer Strophe-Refrain-Struktur, sondern es sind halt Tracks oder vielmehr Traumlandschaften. Klanggewordene Federkissen. Sonnenwärme durch Schallwellen.
Zum Beispiel das schon titular spacige Calrissian (Lando Calrissian ist wohl der Dude, der den sterne-bekriegenden Han Solo aus der Gefangenschaft befreit hat), beginnt zwar erst noch mit einem – ähemm – zackigen Beat, aber ziemlich schnell setzen Jack Johnson-Gitarren und schwer verschleppter Gesang ein, dazu später dann noch Synthiesounds, die klingen wie Glockenspiel oder singende Sägen. Und obendrauf eine fette Portion Hall – kurz vor der Völlerei – die das ganze Konstrukt aber vom Fleck weg schwerelos werden lässt. Innerhalb von den zweieinhalb Minuten, die das Stück dauert, hat man die Troposphäre verlassen.
Da aber der Aufenthalt jenseits der Gravitation wohl ein ziemlich kräfteraubendes Unterfangen ist, wie ein jeder Astronaut berichtet hat, muss man dafür schon ganz schön gestählt sein, um sich nicht in Zeit und Raum zu verlieren. Das gleiche auch an dieser Stelle mit Replicants. Ein paar kurze Brocken zu Erdung hätten dem ganzen Vergnügen keinen Abbruch getan, damit man konzentriert bleiben kann. Denn gerade schon zu Beginn reiht sich mit dem fabelhaften Cosmonaut (womit wir mal schön beim Thema bleiben), dem schon ziemlich außerirdischen On On und dem Titeltrack Träumerei an Träumerei, die den Hörer recht unvermittelt in Richtung Omicron Ceti entlassen. Ohne Garantie auf Rückkehr. Vielleicht sollte man aber die Kontrolle auch einfach abgeben. An Captain Millionyoung und seine Reise zu den Sternen.
Replicants erscheint am 11. Januar als download und im Februar dann auch in physischer Form.
Hörbeispiel: Cosmonaut
MillionYoung - Cosmonaut by Vicente P