Mittwoch, 16. März 2011

Der neue Glanz vergangener Zeiten

Musik, wie aus einer anderen Zeit. Nach längerer Pause wagt die britische Band Feeder mal wieder einen Besuch auf deutschen Konzertbühnen und präsentiert sich im Berliner Postbahnhof trotzig-rockend. Überzeugt man damit auch einen alten Fan, der sich längst abgewendet hat? Report eines Selbstexperiments…

feeder-ticketsSelbstkopieren nervt und kostet ja auch Zeit. Einen entsprechenden Text-Monolog zum Thema Musik, ihre nostalgische Verklärung und die veränderte Einschätzung nach ein paar Jahren hab ich erst beim Bericht zu Interpol abgehalten. Da muss man nur einmal das jüngere Blog-Archiv hier durchwühlen. Die Quintessenz bleibt: Musikalische Qualität bleibt auch über die Jahre erhalten, die persönliche Wertschätzung aktueller Musik, auch von einstigen Helden kann sich dann doch mal ändern. Machen wir’s mal kurz und bündig und aus meiner Sicht subjektiv: Die britische Rockband Feeder hat ihre beste Zeit offensichtlich hinter sich. In Deutschland hatte sie die eh nicht, da blieb man stets der ewige Geheimtipp, der die kleinen Clubs bedienen musste, während man in der Heimat auch gern mal ein paar tausend Menschen gleichzeitig zum Mitgrölen motiviert werden können. Von den unzähligen Top 20 und Top 10 Singles der letzten fünfzehn Jahre mal ganz zu schweigen. Verkehrte Welt in der restlichen Welt. Feeder bleiben ein britisches Phänomen, dass allerdings auch hierzulande eine kleine Fanbasis halten kann, zu denen ich mich tendenziell auch zählen würde, wenngleich die einstige Liebe zuletzt auf eine harte Probe gestellt wurde.

Wie viele andere war es das 2002er „Comfort In Sound“-Album, welches mich vor gut 8 Jahren zum Fan machte und mein jugendliches Leben das ein oder andere Mal rettete. Ein pop-rockendes Meisterwerk, das unter dem tragischen Selbstmordtod des damaligen Drummers John Lee entstanden ist, der Band aber nach dem lustig-harmlosen Pop-Rock der
Spät-90er eine gewisse Reife bescherte. Auch der Nachfolger „Pushing The Senses“ hielt die Messlatte, wurde noch kommerzieller, aber auch erfolgreicher. Feeder hatten ihren populären Zenit erreicht. Doch diese Zenite haben ja meist die Tendenz dazu, in einen Abstieg zu münden. Bereits das 2008er „Silent Cry“ war so halb gar, Schlagzeuger Mark Richardson stieg aus, um zu seiner alten Band Skunk Anansie zurückzukehren, das hauseigene Echo Label ging pleite. So war das letztjährige Album „Renegades“ eine Art trotziger Befreiungsschlag mit ordentlicher „Fuck-You“-Attitüde. Mit neuem Drummer Karl Brazil gab es einen konsequent harten, kompromisslosen Rocksound, der gar nicht erst auf die Charts zielte. An sich ja eine gute Einstellung für eine Band in der Größenordnung (so wurde das Album auch ein relativer Flop in der Heimat), musikalisch aber eher langweilig und zumindest für mich selber nicht mehr wirklich ansprechend.

Warum also noch mal ein Konzert im Jahr 2011? Etwas Skepsis ist ja im Vorfeld angebracht, denn Feeder könnten sich ja auch blamieren, irgendwie verbittert wirken oder generell peinlich. Glücklicherweise wird der Abend diesen Befürchtungen nicht gerecht werden, soviel sei gleich vorweggenommen. Nach einer eher durchschnittlichen deutschen Vorband namens Elevate, die mich schmerzlich daran erinnert, dass das Subgenre des gradlinigen 90er-Jahre-US-Alternative-Rock immer noch existiert und ich damit nur bedingt etwas anfangen kann, betreten die Briten gegen 22.15 Uhr nach einer etwas langen Umbaupause die Bühne des Berliner Postbahnhofs zum zweiten Konzert ihrer Deutschlandtour. Die sollte eigentlich schon im Oktober stattfinden, wurde nun aber auf dieses Frühjahr verschoben. Lange Wartezeit also für die richtigen Feeder-Fans, welche es sich auch in den ersten beiden Reihen bequem machten und die Stimmung retteten. Feeder selber sind so, wie man sie in Erinnerung behalten hat. Gut, Basser Taka Hirose trägt seine Haare jetzt länger und bei Sänger Grant Nicholas merkt man trotz ewig jugendlicher blonder Haarpracht und Grunge-Holzfällerhemd dann doch ein paar Falten. Aber singen kann er immer noch… und wie. Vielleicht macht auch das den kleinen, feinen Unterschied dieser Band aus. Dennoch stehen die Gitarren an diesem Abend im Vordergrund. Repräsentiert durch viele neue Tracks der „Renegades“-Platte. Die funktionieren mal mehr, mal weniger, haben aber in jedem Fall eine durchschlagende Wirkung. „Down To The River“, einer der wenigen ruhigeren Tracks der neuen Platte überzeugt mich dann doch live ordentlich und zeigt, dass diese Band auch mich noch emotional erreichen kann. Doch es sind natürlich vor allem die alten „Hits“, die an diesem Abend die Jubelschreie der Menge auf sich ziehen. Wunderbare Hymnen wie „Feeling A Moment“ oder „Just The Way I’m Feeling“ sind immer noch Gänsehaut-Garantien, bei denen mir sofort wieder einfällt, was ich an Feeder und Nicholas’ kraftvoller Stimme seit jeher so zu schätzen weiß. Das Publikum schätzt das auch, die Band sowieso. Man dankt die ganze Zeit, grinst um die Wette und freut sich sichtlich, dass man nach all der Zeit und vor allem einer längeren Abwesenheit von deutschen Bühnen doch noch ein paar Leute mitreißen kann. Besonders beim Zugabenblock, bestehend aus der schnittigen Midtempo-Single „Tumble And Fall“, sowie den Party-Rock-Evergreens „Buck Rodgers“ und „Just A Day“ merkt man das, denn hier wird die Masse auch mal zum Springen motiviert.

Der Sympathiefaktor des Abends bleibt einfach erstaunlich hoch. Der Postbahnhof ist okay gefüllt, aber in einem Maße, bei dem man sich noch gut bewegen kann, die Menschen wirken entspannt und an der Musik interessiert, was angesichts all der chronisch desinteressierten Hipster-und-Hype-Besucher auf anderen Konzerten mal extrem angenehm wirkt und die Band ist schlussendlich eh gut drauf, selbst wenn sie aus meiner Sicht auch noch wesentlich mehr Hits hätten spielen können. Aber Platz nach oben ist ja immer. Und vielleicht geht da ja tatsächlich noch etwas, zumal Grant Nicholas jüngst ankündigte, dass ein neues Album schon in Bälde erscheinen soll. Dieses soll sich wieder stärker an den kommerziell erfolgreichen Platten von Feeder orientieren. Ob es gelingt, wird die Zukunft zeigen, aber eine neue Hochphase kann man der Band einfach nur wünschen. Vielleicht retten sie dann noch die Leben einer neuen Generation bzw. die der alten. Dafür ist es bekanntermaßen nie zu spät.

Setlist:

01 Home
02 Insomina
03 Sentimental
04 This Town
05 Feeling A Moment
06 Renegades
07 Pushing The Senses
08 Down To The River
09 Just The Way I’m Feeling
10 Come Back Around
11 High
12 White Lines
13 Lost And Found
14 Call Out

15 Tumble And Fall
16 Buck Rogers
17 Just A Day

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