Mittwoch, 19. Januar 2011

Überlebensgroßes Leiden

Nächste Woche auch offiziell in Deutschland erhältlich, jetzt schon im UK und auch im Stream. Das zweite Album der White Lies präsentiert sich als opulentes Düster-Pop-Konstrukt, das in einer Liga mit den Großmeistern der 80er spielen möchte. Und sich dabei gar nicht mal so schlecht schlägt...

411OIRFUL7L-_SL500_AA300_Den Vorwurf, es beim zweiten Album immer etwas zu übertreiben müssen sich ja viele Newcomer gern mal gefallen lassen. Gab es im Laufe der letzten Jahre genug… Einfach mal bei Bloc Party, den Killers oder Editors nachfragen. Alles muss eine Spur größer, perfekter, ausgefeilter und ausladender von statten gehen. Warum? Weil man es kann… oder den dringlichen Wunsch verspürt, es zu müssen. Immerhin hat man jetzt Erfolg, etwas Geld und Erfahrung in Sachen Produktion. Warum also nicht in die Tat setzen. Diesen Vorwurf kann und muss man irgendwie auch den White Lies aus London machen. Wenn, ja… wenn das nicht so unüberraschend käme und sie den Schritt nicht irgendwie schon auf dem Debüt gewagt hätten. Schon da ging es gern mal ausladender zu und in Sachen Produktion hat man schon damals dick aufgetragen. Die Nummer Eins im UK gab dem Trio dann auch Recht. Die Mischung dunkler New-Wave-Magie á la Joy Division mit der Radiokompatibilität der Killers funktionierte und warf einige ordentliche Hits ab.

Zwei Jahre später soll der Nachfolger „Ritual“ nun diesen Weg konsequenter weitergehen und perfektionieren. Nach dem intensiven Auseinandersetzen mit den zehn neuen Tracks muss man sagen, dass das Konzept vollends aufgeht. Egal, wie man dazu steht. Jetzt wird richtig aufgefahren. Da stellt die Vorab-Schwulst-Hymne „Bigger Than Us“ nur die Spitze des Eisberges da. Album Nr. Zwei kann alles genauso gut, wie Nr. Eins, setzt aber neue Akzente. Zum einen deutlicher Richtung Stadionrock und Formatradio-Beschallung und zum anderen- und das bedingt sich dann ja auch durchaus gegenseitig- in punkto Retro-Faktor. Die White Lies schielen noch mehr auf die Hochphase des 80er-Poprocks, erinnern jetzt stärker an Tears For Fears oder die Talk Talk dieser Phase, als an Joy Division. Lediglich der düstere Bariton von Frontmann Harry McVeigh könnte da noch als Vergleich herhalten. Ansonsten merkt man aber, warum das Trio den erfahrenen Alan Moulder als Produzenten angeheuert hat. Kurzes Name-Dropping? Depeche Mode, Jesus And The Mary Chain oder die Nine Inch Nails zählten schon zu seinen Auftraggebern. Die Vergleiche sind aber auch in Ordnung, denn die hier angesprochenen Namen sind ja auch nicht die schlechtesten Referenzen. Wie schon „To Lose My Life“ durchweht auch „Ritual“ diese düstere Magie, eingebettet in ein technisch perfektes Pop-Korsett. Irgendwo zwischen Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Auch weil McVeigh seine Songs gern mal in großen Bildern malt, die uns die offensichtliche Verzweiflung der Inhalte vor Augen halten sollen. So muss das sein. Nicht besonders scharf- oder tiefsinnig, aber zu dem, was die White Lies da produzieren absolut passend.

Wie schon beim 2009er Debüt kann man das jetzt natürlich gern madig reden und den White Lies furchtbaren Mainstream-Indie-Rock vorwerfen, der jetzt auch noch auf den übervollen 80er-Zug aufspringt. Aber wer das tut, erwartet wohl immer noch, dass alle Bands aus der Abteilung „Düster“ und „Retro“ wie Interpol klingen müssen. Schwachsinn eigentlich, denn das ist ja gar nicht Absicht der White Lies. Wer tiefgründige, komplexe Kompositionen sucht, soll sich lieber ein Album von The National kaufen. Das hier ist Pop. Und wie schon bei „To Lose My Life“ spricht die Qualität von diesem für sich. Die Hitdichte wird gehalten, schmissige Hits wie „Strangers“ oder „Streetlights“ kann man sich als kurzweilige, dauerhaft unnervige Radiohits vorstellen. Auch Pathos-Konstrukte wie „Turn The Bell“, das disco-esque „Holy Ghost“ oder „Peace And Quiet“ haben ziemlichen Ohrwurm-Charakter. „Power And Glory“ ist dann vielleicht der etwas belanglose Schwachpunkt der Platte, aber den gibt’s ja bekanntermaßen immer. Außerdem wirken einige Nummern so, als seien sie zu sehr in die Länge gezogen, um eine epische Fünf-Minuten-Grenze zu erreichen. Schönheitsfehler, die bei allem gesunden Größenwahn ja durchaus verzeihlich erscheinen. Mehr Songs wären eh nicht ratsam gewesen, da die Haltwertszeit dieses Sounds mit 55 Minuten Spieldauer durchaus schon ihre Grenze erreicht hat. Wer das Debüt mochte und auf diese Art von glatt gebügeltem Pop-Rock mit 80er-Anstrich steht (wie ich halt), dem sei „Ritual“ ans Herz gelegt. Wer etwas mehr Seele und weniger Schwulst will, für den gibt es ja noch genug andere Produkte auf dem Markt. Es wird sich zeigen, ob diese Band in den nächsten Jahren dazu bereit ist, ihr eigenes Korsett zu durchbrechen und nicht komplett abdreht, für 2011 ist dieses Resultat allerdings durchaus zufrieden stellend.

nobono

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