Samstag, 1. November 2008

Nobonos Gespür für Schnee

Polarkreis 18 veröffentlichen mit "The Colour of Snow" eines der besten Alben im Spätherbst 2008.

Felix Räubers Leben verläuft in diesen Tagen sehr schnelllebig. Das ist kein Wunder, hat sich doch seit der Veröffentlichung von „Allein allein“ sehr viel um die junge Dresdner Band ereignet. Berücksichtigt man, dass Polarkreis 18 bereits seit über zehn Jahren als Band fungieren (nicht seit Beginn in der heutigen Besetzung), so kann man die Worte des charismatischen Sängers kaum anzweifeln. Was ist also passiert? 2007 veröffentlichen die sechs Jungs ihr erstes selbstbetiteltes Album unter Motor Music. Ein Album, welches kaum einer anderen deutschen Veröffentlichung seiner Zeit gleicht. Der Hang zur Elektronik und zum Experimentellen, gepaart mit der beachtlichen Stimme Räubers lassen schnell Vergleiche zu Sigur Rós oder aber AIR aufkommen. Polarkreis 18 zeigen sich davon unbeeindruckt, es geht ihnen ausschließlich um die Musik. Jahrelang haben sie an den Songs gefeilt und gearbeitet, eine erste Vorabversion gab es unter dem Titel „Look“ bereits exklusiv auf Konzerten zu kaufen. Dennoch: Polarkreis 18 bleibt trotz überwiegend positiver Kritiken eher ein Geheimtipp im hiesigen Musikgeschäft. Zurück in die Gegenwart, also Herbst 2008. Nur knapp ein Jahr nach dem Debüt folgt schon der zweite Wurf „The Colour of Snow“, begleitet von der Vorabsingle „Allein Allein“ unter dem neuen Label Universal Music. „Allein Allein“ wird zugleich der offizielle Soundtrack der Krabat-Verfilmung von Marco Kreuzpaintner (Sommersturm) nach der Vorlage Otfried Preußlers. Der Film und der Clip zur Single, welcher die einzelnen Bandmitglieder in der paradiesischen Natur Norwegens von einem Helikopter gefilmt zeigt, verschaffen der Band einen enormen Popularitätsschub. „Allein Allein“ steigt in die Top 10 der deutschen Singlecharts ein und schafft es dort innerhalb weniger Wochen auf #1. Parallel debütiert das Album auf Platz 14 – das erste Album der Band schaffte es derweil nicht in die deutschen Top 100.
Doch was kann dieses Album eigentlich? Wird der schnell gefolgte Output der Qualität gerecht, die das Debüt als Maßstab im vergangenen Jahr hinterlassen hat?
Der Fehler wäre, „The Colour of Snow“ mit dem selbstbetitelten Debüt vergleichen zu wollen. Unlängst ließ Felix Räuber verlauten, dass man nun „nicht mehr nach einem Sound, sondern nach Songs gesucht habe“. In der Tat klang „Polarkreis 18“ nach Arbeit, nach vielerlei Experimenten und nicht zuletzt daher im Abschluss unverschämt perfekt – gerade für den ersten Wurf. Die Skepsis gegenüber Album zwei ist also gerechtfertigt, wird „The Colour of Snow“ jedoch kaum gerecht. Was Polarkreis 18 dieser Tage veröffentlicht haben, klingt geradliniger, größer und voller, noch selbstbewusster und vielleicht gerade deswegen nach opulentem Pop. Eine Tatsache, die viele Fans der ersten Stunde übel nehmen und auch wegen der Prädikation „Pop“ der großen Firma Universal Music zuschreiben wird. Beobachtet man den Schritt von Album 1 zu Album 2 also nicht als konsequente und logische Entwicklung, kann man ihn eben auch als eine Art Widerspruch auffassen. Wo „Polarkreis 18“ eine Spielwiese für das deutsche Indievolk war, ist „The Colour of Snow“ eine für das hiesige Krabat-Publikum, doch genau das sind und macht Polarkreis 18 als Band aus. Wie sonst könnte man eine klassische Hymne an die Einsamkeit schreiben, in der Tausende Menschen (der Refrain wurde während eines Konzerts mithilfe des Publikums aufgenommen) zusammen einen Refrain wie „Allein allein“ singen? Laut Felix Räuber zeigt die Hymne genau das, was wir sind: Jeder für sich allein, was uns alle vereint, zusammenbringt und letztlich zu Polarkreis 18 führt. Das man für die Aufnahmen zum Album schließlich noch ein ganzes Orchester ins Studio eingeladen hat, scheint also kaum noch ein Zeugnis von Größenwahn – auch wenn Räuber diesen gerne der Band zuschreibt. Die Arrangements von Sven Helbig (u.a. Pet Shop Boys, Rammstein) begleiten den Hörer durch das ganze Album und lassen ihn durch eine emotional berührende Soundlandschaft wandeln. Auf diesem Weg fallen besonders Songs wie „Allein allein“, der Titeltrack des Albums oder 130/70 auf, die nicht nur mit ihrer perfekt konzipierten Geradlinigkeit glänzen, sondern auch nach „Single“ schreien und vor allem eines tun: berühren. „Prisoner“ hingegen weiß durch seinen vielseitigen Sound und einem weiteren Deutsch/Englischen Gesang zu überraschen. Unübertroffen bleibt das wunderbare „River loves the Ocean“ , das den Hörer in die traumhaftesten Klanglandschaften a la Herr der Ringe versetzen dürfte, bevor man im finalen Track „Happy go lucky“ wieder auf den Boden der Tatsachen geholt wird. Auch hier gibt es große verwobene Orchestersounds zu hören, einen traumatischen Refrain und eine plötzlich einsetzende Stille, in der nur noch Räubers Stimme zu hören ist: „It’s not easy / simplicity“. Spätestens hier muss dem Hörer bewusst werden, welches großartige Album einer jungen deutschen Band er gerade gehört, nein erlebt hat.
Die Voraussetzungen mögen in der über zehnjährigen Bandgeschichte nicht immer einfach gewesen sein, doch Polarkreis 18 zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie das bestmögliche für ihre Musik getan haben. Und sie stehen gerade erst am Anfang. Dort, wo wir sie gerade als „Tourist“ durch eines der besten Alben im Spätherbst 2008 begleitet haben. Polarkreis 18 sind angekommen.

"Tipp: Allein alene (Nephew Remix)"

"Allein allein" (Video)

"Polarkreis 18 - Im Schauspielhaus Dresden"

"Klangfilm"
rhododendron - 2. Nov, 18:57

Thumbs up!

Hohoho! Gute Kritik, mein Freund. Wer PK18 jetzt Ausverkauft vorwirft, der hat von Musik echt keine Ahnung und hält vermutlich auch Jack Johnson für nen talentierten Musiker. Ganz schönes Album ist das, vielleicht maximal ne Spur zu glatt. Wobei ich der Band da natürlich pure Absicht unterstelle ;-)

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