Mittwoch, 25. März 2009

Die neue Leichtigkeit des Seins

Gegen die Rezession. Die Pet Shop Boys sagen „Ja“… zum Leben, zum Pop, zum gezielten Superhit! Der dritte Frühling kann kommen. Eine, hoffentlich objektive, Albumbetrachtung von doughnut und rhododendron.

Die Pet Shop Boys sind ein Duo der Gegensätze. Sie verbinden melancholische Lyrics mit zuckersüßen und zackigen Melodien, erscheinen in „ihrer eigenen Welt“, wie Neil Tennant immer wieder gerne betont, wie fantastische, unnahbare Figuren, in Interviews wirken sie jedoch wie die zwei Menschen, die man gerade von der Straße eingesammelt haben könnte um mit ihnen über was auch immer zu sprechen. Auch bei mir schlägt sich dieser Widerspruch nieder: während ich “Yes“, das neue und nunmehr zehnte Studioalbum rezensiere, läuft einer der Vorgänger, “Release“. Ein Problem ist das nicht, denn die meisten, die das Album bereits besitzen, dürften es mittlerweile so gut wie auswendig kenne. Was ist also anders anno 2009?

Nachdem man sich beim Vorgänger “Fundamental“ auf den Altmeister Trevor Horn verlassen hat, setzt man bei “Yes“ auf Xenomania, dem hippen Hochglanz-Pop Produzententeam aus – wie könnte es anders sein – England. Dass Neil Tennant und Chris Lowe während ihrer Zusammenarbeit mit Brian Higgins und Co. auch eine Single für Girls Aloud schrieben, dürfte somit keine ernsthafte Überraschung darstellen. Xenomania haben, das kann man dem Klangbild von “Yes“ entnehmen, die Produktion nicht bestimmt, sondern angenehm gelenkt. Sie haben die Pet Shop Boys arbeiten lassen, Brian Higgins vergab Noten für die Melodien und Texte von Neil Tennant und es wurde offen darüber diskutiert, dass man seit Introspektive wohl „alles falsch gemacht habe“. Was aber haben Brian Higgins und sein Team in Kent besser gemacht? Wie kann man das Album in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise und Obama-Euphorie beschreiben?

Konsequent und knapp: “Yes“ ein überschwängliches, kommerzielles, extrovertiertes Zuckerpop-Album geworden, das es in der Form und Ausführung seit dem 1993er “Very“ nicht mehr gab. Und vielleicht auch aus diesem Grund ist es das beste Pet Shop Boys Album seit eben jenem Nr.-1-Album, welches dieses noch heute nachhaftende „Go West“ beinhaltete. “Yes“ ist genau das, was der Titel ankündigt. Euphorie- und Hochglanz-Pop, hoffnungslos Melodieverliebt, naiv und in seiner Konsequenz, Glätte und Eingängigkeit geradezu rebellisch. Und am Ende keinesfalls billig, sondern musikalisch hochwertig und vor allem intelligent. Intelligenz und Tiefsinnigkeit, verpackt in scheinbar oberflächlichen Elektro-Pop! Und genau das ist es, wofür Tennant/Lowe seit einem Vierteljahrhundert steht. Klangen “Release“ und besonders “Fundamental“ zuletzt eher apokalyptisch, den Weg ins Ungewisse weisend, so klingen die Pet Shop Boys anno 2009, in Zeiten der weltweiten Krise, wieder stimmungsvoll, treffend und perfekt. Eben auf den Punkt.


Das Faszinierende und keinesfalls Selbstverständliche an “Yes“ ist nicht nur die Tatsache, dass es nahezu keine schwachen Songs gibt, sondern wie hoch die Hitdichte der vorhandenen Tracks am Ende ist. Die Single “Love etc.“ ist ein Paradebeispiel und funktioniert als Opener und packende Hymne auf den Konsumverzicht bestens. Die Nachricht ist deutlich und klar: Wir brauchen mehr, wir brauchen Liebe! Und dann folgt im Anschluss mit „All Over The World“ das nahezu verfrühte Highlight und ein treffsicherer Ohrwurm. Sollte das, wie bereits angekündigt, Single werden, könnte den PSB dank Mitklatsch-Hip-Hop-Beat und Ohrwurm-Refrain noch mal ein richtig großer Wurf werden. “All over the world“ klingt nach Jugend, bereitet dem Hörer dieses “Gefühl im Bauch“ und lässt uns auf den kommenden Frühling hoffen, auf die Liebe – sei es die erste oder die neue. Unwiderstehlicher geht es kaum. Auch bei “Beautiful People“ nicht, welcher zusammen mit Owen Pallett entstand, der vergangenes Jahr schon die Streicher für die Last Shadow Puppets arrangiert hatte. Und so klingt dieser Song auch ein wenig nach dem Alex Turner Seitenprojekt und den 60er Jahren. „Did You See Me Coming?“ ist puristischer Dance- und Gute-Laune-Pop, der direkt aus den 90ern stammen könnte und sich einmal mehr im Ohr festsetzt. “Vulnerable“, “More Than A Dream“, “Building a Wall“… man könnte jeden Song einzeln charakterisieren, ohne etwas Schlechtes sagen zu müssen. Die Ballade „King Of Rome“ fungiert als Ruhepol, erinnert an „Behaviour“-Zeiten und ist traumhaft schön, danach wird es mit “Pandemonium“, einem für Kylie Minogue geschriebenen Song wieder schneller, bevor eine bittersüße Liebesgeschichte in “The Way It Used To Be“ erzählt wird und das Album mit dem epischen Closer “Legacy“ zur Ruhe kommt.

Was bleibt, ist ein fantastischer Eindruck. Nach dem ersten Hören und sicher auch nach dem zwanzigsten. Neil Tennant und Chris Lowe praktizieren auf ihrem Album einmal mehr die Unwiderstehlichkeit des Pops – sie entdecken ihn geradezu wieder. Spannende Melodiebögen, moderne Bridges und ein Neil Tennant, der mit seiner Stimme spielt (!) machen “Yes“ nahezu unwiderstehlich. Intelligente Songs auf billigen Beats, eine perfekte Oberfläche mit tragendem Fundament. Damit untermauern sie ihren Status als Ausnahmeerscheinung der Popgeschichte, welcher ihnen in den letzten Jahren sicher etwas abhanden gekommen ist, trotz konsequent hoher Qualität ihrer Alben. Doch „Yes“ ist anders, die Puzzelteile fügen sich hier besser zusammen als auf “Release“ oder dem hiesigen “Fundamental“. Es klingt zeitgemäßer, vielleicht auch, weil die Zeit wieder reif für den perfekten Pop ist. Wenn Lady Gaga, die Killers, MGMT oder Lily Allen hemmungslos den elektronischen Glamour-Pop der 80er zelebrieren und damit bei Alt und Jung ankommen, dann können das Neil Tennant und Chris Lowe sowieso problemlos. Alterslos – nicht nur stimmlich, sondern auch musikalisch. In der Zwischenzeit sind die leisen Töne von Release auch bei mir verklungen und es läuft schon wieder “Yes“. Es ist nicht nur dieses Wort, was wir in den Zeiten zu vieler Verneinungen gut gebrauchen können, es ist auch diese unverschämt perfekte Musik, diese Leichtigkeit des Seins.





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legomaennchen - 25. Mär, 19:41

..ihr

und eure pet shop boys.. ihr seid ja putzig ;-)

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