Freitag, 24. April 2009

Hello Spaceboys!

Ein neues Depeche Mode Album und alle schreien laut "Ideenlosigkeit". Weil sich auch keiner die Mühe macht, Band und Musik zu verstehen. Selbstzufriedenheit sieht jedenfalls anders aus...

Pünktlich wie die Uhr. Alle paar Jahre melden sich Depeche Mode in mehr oder weniger langen Abständen mit neuem Album zurück. Diesmal waren es „nur“ 3einhalb Jahre, die seit dem erfolgreichen „Playing The Angel“ ins Land gezogen sind. Und wie jedes Mal ist das Geschrei aller Orten groß. Aus allen Löchern kommen die Hobby-Kritiker und „wahren“ Fans der Band gekrochen, um sich gegenseitig zu zerfledern, warum denn nun gerade dieses Album ein Meisterwerk oder der größte Scheiß ist. Und egal, wie schlecht es ist: gekauft wird es trotzdem, am besten noch in der Deluxe Version und mit Front-Of-Stage-Konzertticket dazu. In Sachen Finanzierung haben die Herren Gahan, Gore und Fletcher die zuverlässigste Quelle, nämlich ihre eigenen Fans. Damit kann einem die Finanzkrise schon mal nichts anhaben. Und zu anderem versetzt dies das Trio in die privilegierte Lage, machen zu können was man will. Bei Depeche Mode herrscht kreative Narrenfreiheit, welche sie auch bei „Sounds Of The Universe“ wieder ausleben, ungeachtet aller Erwartungen und Vorschriften. So schaffen sie es auch bei Album Nr. 12 wieder, auf der einen Seite wie Depeche Mode zu klingen, während auf der anderen Seite auch wie immer genug Platz ist, um Neues auszuprobieren. Ein Trend, welchem die Band im neuen Jahrtausend wesentlich stärker nachgeht, als früher. So gesehen ist „Universe“ eine konsequente Weiterentwicklung der letzten Alben und führt die begonnene Richtung seit „Exciter“ konsequenter fort, vielleicht sogar konsequenter als das teils etwas erzwungene „Playing The Angel“.

Erzwungen wirkt bei „Universe“ nichts. Der Retro-Klang beruht auf dem verstärkten Einsatz von alten Analog-Synthesizern, die sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen und ein Klangbild erzeugen, welches immer wieder Akzente aus vergangenen DM Phasen aufweist. „In Sympathy“ klingt nach „Exciter“, während „Hole To Feed“ Ansätze von „Violator“ beinhaltet oder das Instrumental „Spacewalker“ direkt als Outtake aus dem jahr 1982 durchgehen kann. Dennoch bekommt es die Band und ihr Produzententeam noch wesentlich besser hin, als noch auf dem Vorgängeralbum, die Songs frisch klingen zu lassen. Nichts wird dem Zufall überlassen. Jedes Soundexperiment wirkt genau platziert, jeder Song sitzt genau da, wo er sitzen soll. Das macht „Sounds Of The Universe“ zum kompaktesten und geschlossensten DM-Album seit vielleicht „Ultra“. Die Musik wirkt wesentlich warmer, wesentlich klarer und verdichteter. Es wirkt fasst schon so, als hätten Band und Produzent Ben Hillier nach dem 2005-Anfang endlich zusammengefunden und ihre Arbeitsweise perfektioniert. Der Klang ist super, besonders auf Kopfhörern. Diesmal auch ohne unnötig lautes Mastering. Depeche Mode Song’s ordnen sich stärker dem Klang unter, als bisher, was aber vollkommen okay ist. Die Songs sind nämlich gut, keine Meisterwerke, aber durchgängig hochwertig, mit vielen Gospel und Blueseinflüssen. Der flehende Opener „In Chains“ regt einen zum Mitklatschen an, „Little Soul“ fleht noch im Dunkeln, während „In Sympathy“ anschließend das Licht rein lässt und dies schließlich in „Peace“, einem der bisher wohl optimistischsten Songs der Band und einem wunderbaren Zusammenspiel von Gahan und Gore mündet. Man scheint angekommen zu sein.

Über was soll eine Band auch noch schreiben, die eigentlich alle Laster, Drogenskandale und Streitigkeiten der letzten Jahre abgelegt hat? Alle sind zufriedene Familienväter, die Millionen auf dem Konto und massive Hits im Backkatalog haben… Depeche Mode müssen der Welt nichts mehr beweisen, sie müssen keine Hits mehr abliefern, zeigen aber dennoch ab und an, dass sie es noch können („Wrong“, „Perfect“)… doch, was soll diese Band machen? Abtreten und die Legende ruhen lassen? Oder Weitermachen, wenn sie noch Spass daran haben? Und momentan machen sie wohl eher Zweites. Sie machen weiter. Nicht weil sie es nötig hätten, wegen des Geldes oder weil sie, wie andere alte Bands nicht loslassen können, sondern weil sie Spass daran haben, neue Ideen und Sounds zu entwickeln. Ein Blick in die Studio-Making-Of’s bestätigt diesen Eindruck. Also arbeiten Depeche Mode weiterhin daran, ihre Musik weiterzuentwickeln, neue Elemente einzubauen und vor allem die Akzente anders zu setzen. Natürlich wirkt die reduzierte Version von „Come Back“, welche man schon auf der Homepage anschauen konnte, eingängiger, aber die verzerrten Gitarrenwände auf dem Album untermauern die Verzweiflung in Gahan’s Flehen und bringen eine spannende Dissonanz ins Popgerüst, an dessen Vorgaben man sich wohl nur noch bedingt hält. So ist „Sounds Of The Universe“ wohl doch noch nicht das große Alterswerk der Band, aber sie kommen diesem Album wieder näher und es macht Hoffnung, dass diese Band auch jenseits der 50 noch große, zeitlose Musik schaffen kann, die natürlich anders klingen will und muss. All die, die laut rumschreien, kritisieren und die alten simplen Pophymnen der Vergangenheit wiederhaben wollen, bleiben dabei vermutlich auf der Strecke, aber das wird die Band sicher verkraften und müde lächeln. Wer nach 30 Jahren noch so polarisieren kann, der hat definitiv was richtig gemacht.

Komplettes Album Online Anhören!

nobono

currently resting in peace. 2007 - 2011

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelles ...

Protest!!
Oh, menno!wie schade.ich befürchte, eine n21-protestwelle...
stephox (Gast) - 29. Aug, 13:17
A Start Has An End
Unser Blog verzieht sich aus der Blogosphäre. Ein paar...
rhododendron - 22. Jul, 16:45
stimmt!
ich stimme dir zu 100% zu. langweilig war das gestern,...
Astrid (Gast) - 19. Jul, 17:19
Götterdämmerung
Für ein einzelnes Gastspiel beehrt der Altmeister der...
rhododendron - 19. Jul, 13:48
Chillaxing
PBMR präsentiert sein 'finales' Mixtape ... relaxte...
rhododendron - 16. Jul, 14:26
Danke
Hört man immer wieder gern. Besonders schön, wenn's...
rhododendron - 8. Jul, 13:49
blog
ich verfolge hin und wieder deinen Blog und wollte...
ZoneZero (Gast) - 6. Jul, 18:04
Kurz und Bündig - 07/2011
Once more with feeling... ein verliebter Traumtänzer,...
rhododendron - 1. Jul, 15:55

Durchforsten ...

 

Besucherzahl seit März 2010 ...

Status

Existent seit 6611 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Aug, 13:17

Credits


Ausgehen
Diskurs
Listen
Mixtape
Mottenkiste
Plattenteller
Ranking
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren