Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Plätze 60 - 51

60. The Postal Service “Give Up” (2003)
Endlich eine Band, die ihrem Namen auch wirklich gerecht wird. Der amerikanischen Post ist es letztendlich zu verdanken, dass Soundtüftler Jimmy Tamborello und Ben Gibbard von Death Cab For Cutie dieses wunderbare kleine Album neben ihren Hauptaktivitäten produzieren konnten. Wohl auch, weil das Internet vor 6,7 Jahren noch nicht das war, was es heute ist, waren beide gezwungen ihre Ideen per Post hin und her zuschicken, da sie wohl auch geographisch nicht unbedingt in der selben Nachbarschaft wohnten. So zeichnet sich Tamborello für die Musik und Gibbard für Texte und Melodien verantwortlich. „Give Up“, das bisher einzige Produkt ihre postalen Zusammenarbeit ist ein wunderbares kleines Indie-Pop-Album, dass sich besonders durch das häufig bewusste Weglassen von Gitarren und herkömmlichen konventionellen Instrumenten auszeichnet. Stattdessen gibt es feines Synthiegeklimper und zackige Elektrobeats und allerhand Spielereien. Ganz nebenbei produziert das dynamische Duo dabei noch ein paar astreine Hits, wie das tolle „Such Great Heights“, welches bereits jetzt ein moderner Indie-Disco-Klassiker ist, oder das traumhafte „Sleeping In“ oder „We Will Become Silhouettes.“ Dazu singt Gibbard einige seiner besten Texte, mal witzig, mal wie immer hoffnungslos romantisch. Insgesamt ist dies ein recht kurzweiliges Popalbum geworden, welches gekonnt die musikalischen Welten von Bands wie Röyksopp oder den Pet Shop Boys mit denen von Death Cab und Co. vereinigt. Ich weiß gar nicht, ob dieses Album letztendlich den Genre-Begriff „Indietronic“ erfunden hat, oder nur einfach bekannter gemacht hat. Jedenfalls trifft er die Songs ganz gut. Ein weiteres Album wird es wohl vorerst nicht geben. Aber vielleicht packt die beiden ja in den nächsten Jahren noch mal die kreative Lust, neue Songideen zu entwickeln, dann ist der Nachfolger auch ein Kandidat für das Abschlussranking der 10er Jahre.
Bester Song: „Such Great Heights“
59. Coldplay “X&Y” (2005)
Ist schon ne verdammte Axt mit dieser Erwartungshaltung… Coldplay können ein Liedchen davon singen. Immerhin wurden ihre beiden ersten Alben zu Millionensellern, welche gleichzeitig von herausragender musikalischer Qualität sind. Wie toppt man das Ganze letztendlich? Ursprünglich sollte das Drittwerk „X&Y“ eine Neudefinition von dem werden, was Coldplay ausmacht. Irgendwie stellte sich aber relativ etwas Ernüchterung ein. Chris Martin und seine Jungs wählen den leichten Weg und überschätzen sich dabei ein wenig. Anstelle der Weiterentwicklung glättet man die letzten Ecken und Kanten ihrer Songs, füllen den Rest mit Streichern und Retro-Synthesizern auf und übertreiben es etwas. „Square One“ funktioniert als üppiger Opener trotzdem hervorragend, aber einige Songs, wie „What If“ und „X&Y“ ersticken relativ aussagelos im Kitsch und bekommen erst gar nicht die Möglichkeit, zu berühren. Das tolle „Fix You“ schafft es trotzdem, besonders weil es im sensationellen Finish noch mal alles gibt. Und ansonsten gibt es nicht nur Schwachstellen auf diesem Werk. „Talk“ mitsamt seinem Kraftwerk-Sample ist einfach ein geborener Hit und bei „Swallowed In The Sea“ kann man irgendwie schön mitschunkeln. Und mit "Til Kingdom Come" beweisen die Jungs am Ende auch noch, dass sie einfache Songs machen können. Insgesamt ist das Album ist ganz gut, aber Weniger wäre halt hier Mehr gewesen. Durch die Bombastproduktion einiger Nummern verlieren diese nämlich dass, was früher mal Coldplay ausgemacht hat. So hat es das Gefühl einfach schwer gegen all die Gitarrenspurren und Synthie-Effekte. Ich mag die Platte immer noch recht gern, aber sie hat die letzten Jahre kontinuierlich an Begeisterung verloren, besonders im Angesicht des sehr guten Nachfolgers „Viva La Vida“. Die Band sieht es mittlerweile ähnlich. So ist „X&Y“ am Ende ein recht gutes Übergangsalbum einer Band geworden, die sich auf den Sprung zur Welteroberung macht. Coldplay sind, so viel sei schon mal verraten, die einzige Band mit vier Alben in den Jahrzehnt-Top-100. Es darf also ab jetzt munter spekuliert werden, wo denn die anderen drei gelandet sind.
Bester Song: “Fix You”
58. The Last Shadow Puppets “The Age Of The Understatement” (2008)
Scheint ja so, als ob Alex Turner mit den Arctic Monkeys oder seinem Privatleben mit UK-Starlett Alexa Chung nicht ausgelastet genug ist. Der Mann ist ein Arbeitstier, durch und durch. So blieb im Vergangenjahr mal eben Zeit, um ein Herzensprojekt wie die Last Shadow Puppets verwirklichen. Sein Partner dabei Miles Kane, der damals noch bei den Rascals spielte, die aber mittlerweile verlassen hat. Auf diesem Album frönen die beiden Jungspunde ihrer offensichtlichen Liebe zum Gitarrenpop der guten alten 60er mit allem was dazu gehört. Tonnen von Streichern (meisterhaft von Owen Pallett arrangiert), Harmoniegesang und vor allem kurze und knappe Popsongs, die in zweieinhalb Minuten einfach alles sagen, was sie sagen müssen. So ist „The Age Of The Understatement“ grad mal etwas mehr als eine halbe Stunde lang. Länger müssen Alben auch gar nicht sein, wenn sie gut sind. Das war vor 40 Jahren so und ist heut keinesfalls anders. Turner und Kane wissen das und konzentrieren sich deshalb auf die Songs als solche. Diese sind, mit einem Wort, einfach traumhaft! Es fällt mir gar nichts Schlechtes ein und ich werde auch noch weit über ein Jahr später immer noch von der hohen Qualität dieser Musik umgehauen. Zu gut sind die Melodien, zu perfekt ist die Instrumentierung, zu treffsicher das Arrangement. All das gibt diesem kleinen Album einfach eine epische Größe, so dass es, wäre es vor 40 Jahren erschienen, durchaus heute ein Klassiker wäre. Nur, dass der Sound heut einfach besser ist. Egal, ob der epische Titelsong, das sonnige „Standing Next To Me“, das düstere „In My Room“, das traumhafte „The Meeting Place“... alles passt zusammen, wie eine Symphonie in Popform. Ein Album, wie eine Zeitreise, ein Urlaub von all dem, was sich heute Popmusik schimpft. Warum diese Jungs keiner nach einem Bond-Song gefragt hat und warum dieses Album nicht mit drei Dutzend Grammys überhäuft wird, verstehe wer will. Gut, es ist hoffnungslos altmodisch. Aber manchmal hat die Musik so etwas nötig. Um sich auf das zu besinnen, was wichtig ist. Und ein Nachfolgealbum haben die beiden nicht ausgeschlossen. Ein Schritt den ich sehr, sehr begrüßen würde.
Bester Song: “The Meeting Place”
57. Damien Rice “O” (2002)
Einer der schlimmsten Trends der vergangenen Jahre ist sicher dieses nervige Unterlegen von TV-Serien mit eigentlich wunderbarer Musik, die man an diesen Stellen gar nicht erwartet. Auf der anderen Seite ist das für den Künstler mittlerweile die beste Promotion. Fragen sie mal Snow Patrol. Oder Emiliana Torrini. Die hätte ohne Heidi Klum’s Topmodel-Mist sicher keinen Blumentopf in den deutschen Charts gewonnen. Wenn man sich den Wikipedia-Eintrag des irischen Singer/Songwriters Damien Rice anschaut, gibt’s da nen ganzen Abschnitt über sein musikalisches Auftauchen in allen möglichen Medien. Dem 2004er Film „Hautnah“ und dem dort verwendeten „The Blower’s Daughter“ hat Rice sicher einiges zu verdanken. Und so gesehen ist das halt immer eine Hassliebe mit den TV-Serien und Filmen. Denn, um mich damit selbst zu entlarven… mein erster Kontakt war der tolle Song „Delicate“, welcher damals natürlich in einer Schlusszene bei der besten TV-Serie dieser Dekade, „Lost“, lief. Tja, also bin ich selber ein Opfer der Maschinerie. Wer weiß, ob ich von dem jungen Mann sonst irgendwie Notiz genommen hätte. Das Album hab ich oft und sehr gerne gehört und immer noch fasziniert dieser Klang, voller Ehrlichkeit und Wärme. Egal, über was Rice singt, sei es Liebe, sei es Schmerz, Trauer oder Wut… stehts kommt es dabei, so scheint es nicht nur, von Herzen. Authentisch, ehrlich und berührend. „Canonball“… was für ein wunderbarer Song… „Cold Water“… wie bewegend. Ein Song schöner, als der andere. Auch nach all diesen Jahren hat dieses wunderbare Stück nichts von der Wärme und Emotionalität verloren, die es damals hatte. Ein Album sowohl für die einsamen Stunden im Winter, als auch für traute Zweisamkeit. Und das ganze klingt dann so schön, dass ich auch ganz schnell milde gegenüber den TV-Produzenten gestimmt bin. Leben und Leben lassen.
Bester Song: „Delicate“
56. Wir Sind Helden „Von Hier An Blind“ (2005)
Die Berliner Band Wir Sind Helden ist sicher DIE Ausnahmeerscheinung in der deutschen Popmusik des zurückliegenden Jahrzehnts. Dafür dass sie eine Welle an deutschsprachiger Pop/Rockmusik losgetreten haben, die uns seitdem mit teils furchtbaren Auswüchsen, wie bspw. Silbermond überrollt, haben sie stets über den Dingen gestanden und musikalisch stets überzeugt, selbst als sich der kommerzielle Großerfolg eingestellt hat. Während andere deutsche Bands, wie die Sportfreunde oder Rosenstolz im Zuge steigender Popularität schnell in der Belanglosigkeit aus Schlager und Ideenlosigkeit verschwinden, spielen die Helden auf konstant hohem, musikalischen und textlichem Niveau. Dazu ist die Band auch zu sympathisch, zu bodenständig und Front-Hippiemädchen Judith Holofernes zu klug und zu geschmackssicher. Bereits das Debüt „Die Reklamation“ war ein munterer Weckruf für die deutsche Musiklandschaft, auf dem 2005er Nachfolger „Von Hier An Blind“ perfektioniert die Band ihren Sound fügt der durchgeknallten NDW-Note noch eine gehörige Prise Melancholie und Tiefsinn in den Texten bei. Neben den Partyhits, wie „Gekommen um zu bleiben“ oder dem Titeltrack, können so gerade Songs, wie „Echolot“, „Ich werde ein Leben lang üben…“ oder „Bist Du Nicht Müde?“ punkten. Und so ein wunderbar kraftvoller, wie gleichzeitig nachdenklicher Opener wie „Wenn Es Passiert“ muss einer Band erstmal gelingen. Das ganze wirkt erstaunlich unpeinlich, erstaunlich ehrlich und musikalisch auf internationalem Niveau. Zu den perfekten Popsongs gesellt sich nun also auch noch produktionstechnische Perfektion dazu. Eine Band, die man trotz ihrer Popularität einfach immer noch lieben darf. Nach dem sehr guten Nachfolger „Soundso“ und der verdienten Baby- und Bandpause wird hoffentlich nächstes Jahr wieder angegriffen. Die deutsche Musiklandschaft hätte es mal wieder nötig und vielleicht überrascht uns die Band musikalisch ja sogar noch mal und beweist, dass nicht alle deutschen Bands langläufig an Qualität verlieren. Wer jetzt zweifelt, sieht nicht klar.
Bester Song: „Wenn Es Passiert“
55. Bloc Party “Intimacy” (2008)
Puh! Bloc Party, Bloc Party... hmmm, wo fang ich da nur an, ohne nicht schon auf das vorzugreifen, was ich später im Verlauf der Top 100 noch über sie sagen möchte? Am besten beschränken wir uns mal nur auf „Intimacy“, das dritte Album, das im Sommer 2008 quasi aus dem Nichts kam. Während jeder dachte, dass die Band nach der aufwendigen Tour zum Vorgänger „A Weekend In The City“ erstmal etwas Pause machen würde, kündigten die ihr drittes Album an… nur ein paar Tage vor dem digitalen Release. Damit hatte man die Leute promotiontechnisch natürlich schon mal auf seiner Seite. Natürlich muss „Intimacy“ dabei zwangsläufig ein wenig im Schatten der beiden übermächtigen Vorgänger stehen, gut ist es aber dennoch, trotz einiger Schwachstellen. Dem eher verhaltenen, glatten Vorgänger setzt die Band einen treibenden Anfang entgegen. „Ares“ ist verstörendes Chaos voller Kraft und Rave-Sirenen, „Mercury“ alles, nur kein Rocksong. Hier verwirft die Band mal wieder aufs Neue alles, was man von ihr erwartet hat. Auch die ruhigen, sehr minimalistischen und elektronischen Balladen, wie „Biko“ oder „Signs“ lassen die Band wieder im neuen Licht erscheinen. „Intimacy“ ist Sänger Kele Okereke’s Seelenstrip. Ein Album voller Wut, Trauer und emotionalen Balast, den es zu verarbeiten gilt. In den lauten, wütenderen Momenten, wie bei „One Month Off“ oder „Better Than Heaven“ spürt man die Authentizität dieses Mannes am Deutlichsten. Die Texte berühren nach wie vor, leisten sich dabei aber kleinere Aussetzer, auch songtechnisch. „Halo“ und „Trojan Horse“ wirken eher wie schwache Kompromisse um die konventionellen Fans der Band nicht zu vergraulen. So mangelt es „Intimacy“ ein wenig an der Geschlossenheit, welche die Vorgänger noch boten. Dennoch zeigt es den inneren Drang der Band zur musikalischen Extension und Neudefinition. Eine moderne Band, die zwischen den Stühlen steht. Es bleibt abzuwarten, wie die Zukunft dieser Band aussieht. Mit dem Italo-Disco-Verschnitt „One More Chance“ haben sie ihre musikalische Bandbreite vielleicht etwas überdehnt und die Stimmen, die nach einer Rückbesinnung zu mehr Kanten und mehr Inhalt schreien, werden, auch von meiner Seite aus, lauter. Nach gut 5 Jahren Dauerarbeit ist die Band momentan leicht ausgebrannt und hat sich erstmal eine Zwangspause verordnet. Wie lange sie dabei wirklich still sitzen werden, wird sich zeigen.
Bester Song: “Signs”
54. Embrace “Drawn From Memory” (2000)
Ich möchte ja nicht irgendwie nostalgisch werden, aber irgendwie war die Welt vor 10 Jahren doch noch viel angenehmer. Kein 9/11, keine Wirtschaftskrise, kein Westerwelle als Außenminister, kein Klimawandel (gut, den gab’s schon, aber die Menschheit hat’s halt nich gerafft), keine Generation von ADS- und medienverseuchten Emo-Teenagern, keine Social Networks, kein Atzenmusik, kein Hype aller zwei Minuten, keine Downloads… irgendwie war alles noch ein wenig unkomplizierter und sicher auch ne Spur ehrlicher, wenngleich das sicher auch daran liegt, dass man noch jünger war und sich als Jugendlicher mit ganz anderen Themen rumschlagen musste. Und musikalisch war das Jahrzehnt ja bestens ausgerüstet, wie man anhand dieser Auflistung sieht. Doch ab und an legt man ein altes Album rein und wünscht sich in die Zeit zurück, als melancholischer Britpop noch Spaß machte und nicht durch Coldplay, Snow Patrol (und viele andere Bands, die ich mag) zur Allerweltsmusik gemacht wurde. Dann hör ich mir doch gern die frühen Travis an oder dieses wunderschöne Embrace-Album aus dem Jahr 2000. Heute würden diese seichten Gitarrenpopsongs mit ihrem leichten Hang zur Übertreibung sicher niemanden mehr hinterm Offen hervorlocken, dazu ist „Drawn From Memory“ sicher an die damalige Zeit gebunden, denn eigentlich isses ja fast noch ein Überbleibsel der 90er, die mit dieser Musik und Bands wie Oasis oder The Verve ja die Hochphase des Britpop waren. So verbinde ich mit den großen Hymnen dieses Albums, wie „The Love It Takes“, dem optimistischen „You’re Not Alone“ oder dem träumerischen Titelsong vor allem gute Erinnerungen an eine Zeit der Unschuld und musikalischen Sozialisation in diese Richtung. Denn den Coldplays und Embraces dieser Welt hab ich’s letztendlich zu verdanken, dass ich mich dann irgendwann mal mit 14/15 angefangen habe, mich musikalisch abseits der Charts oder Mitschüler zu orientieren. Deshalb kann der Band nicht hoch angerechnet werden. Christian, wenn du das liest, wirst du mir beipflichten, oder? Am Ende singt Danny McNamara, dass er die Zeit seines Lebens hatte. Muss man mehr sagen? Bitte mal gut 6 Minuten in diesen Song fallen lassen. Es funktioniert immer noch, nach all der Zeit und all dem eher durchschnittlichen Kram, den Embrace später gemacht haben.
Bester Song: “I Had A Time”
53. Trentemøller “The Last Resort” (2006)
Wenn man den Leuten sagt, dass man auch gern mal elektronische Musik hört, dann wird das ja oft missverstanden und man wird sofort in die Techno-Party-Ecke geschmissen. Ja, sicher, die mag ich auch gern mal hören bzw. dazu die Puppen tanzen lassen, aber es geht auch gern anders… Anders Trentemøller um genauer zu sein. Puh, was’n Wortspiel. Reißer! Trentemøller macht Minimal Techno, wenn man das vielleicht Genre-technisch so einordnen kann oder will. Na ja, aber so „minimal“ ist der am Ende gar nicht. Was den Dänen von der Konkurrenz abhebt, ist die Fähigkeit mit seinen Tracks Atmosphäre zu erzeugen und Bilder zu zeichnen. Während er bei Remixen stets den Tanzhammer auspackt, umgibt sein Debütalbum „The Last Ressort“ eine ganz andere, vielschichtigere Atmosphäre. Das Cover ziert ein gespenstisch-nebliger Wald und so klingt auch seine Musik. Düster, experimentell, nicht unbedingt gradlinig, sondern vielschichtig. Allein der fulminante Opener „Take Me Into Your Skin“ wechselt mehrmals seine Form und Farbe und weiß zu begeistern. Im weiteren Verlauf schöpft Trentemøller die CD-Länge bestens aus (das komplette Album ist fast genau 80min lang) und nimmt den Hörer mit auf eine düster-groovende Reise in die Nacht. Dabei wird es gelegentlich etwas tanzbarer und härter, aber nie im Übermaß. Stets schimmert die Melancholie und Introspektive seiner Tracks durch. Und die ganzen kleinen Elemente, die sich abspielen… hier ein kleiner Effekt, da ein Echo. Auch produktionstechnisch macht es einfach Spaß diese Platte zu hören und zu analysieren. Der Sound ist klar, wie die kalte Nachtluft, die ihn umweht. „The Last Resort“ ist eines der elektronischen Ausnahmealben dieses Jahrzehnts, das sicher vom prolligen Techno-Dude bis zum Indie-Nerd ein breites Publikum ansprechen kann. Wie dieses Album interpretiert und gehört wird, muss jeder letztendlich für sich selbst entscheiden. Ich folge Trentemøller jedenfalls gern auf seinem dunklen Weg.
Bester Song: „Take Me Into Your Skin“
52. Feeder “Comfort In Sound” (2002)
Die Umstände unter denen das vierte Feeder-Album entstanden sind waren sicher nicht die besten, aber musikalisch hat es der Band auf jeden Fall die richtige Richtung gegeben. Kurz vorher hatte Schlagzeuger John Lee Selbstmord begangen und die Band so vor eine neue Situation gestellt. Vorher war man eher eine spaßige Fun-Britrockband, welche bspw. „Seven Days In The Sun“ sang. Doch der plötzliche Tod von Lee zwang die Band zum nach- und umdenken. Sänger Grant Nicholas schrieb daraufhin einige herzerwärmende Songs voller Trauer, Ratlosigkeit, aber auch Hoffnung, welche sich allesamt auf diesem Album wieder finden. „Come Back Around“ hieß die erste Single, deren Adressat natürlich recht eindeutig auszumachen war. So strotzen die Balladen „Just The Way I’m Feeling“, „Forget About Tomorrow“ oder “Summer’s Gone” voller Kraft und sicher auch etwas übertriebenen Pomp, aber vielleicht sind es gerade die Umstände, in denen sie entstanden sind, die das ganze für mich so authentisch machen, zumal Nicholas nach wie vor eine der angenehmsten, wärmsten und kraftvollsten Stimmen der britischen Musikszene besitzt. Nebenbei versprühen Songs wie „Comfort In Sound“ oder „Find The Colour“ auch einen leisen Optimismus. Die abschließende, fast siebenminütige Ballade „Moonshine“ sei übrigens jedem Menschen da draußen zu empfehlen, besonders eben nachts, zum Mondschein, dann entfaltet das Stück ungeahnte Kräfte. Es ist witzig, dass es Feeder nie großartig geschafft haben, außerhalb von Großbritannien Erfolg zu haben, denn dieses Album wäre ja bestens dazu geeignet gewesen. Sicher keine sonderlich innovative Musik und stellenweise aus heutiger Sicht etwas zu kitschig, aber dieses Ranking soll ja nicht nur die heutige Sicht auf die Dinge behandeln, sondern auch den Blick auf die Vergangenheit und gerade deshalb ist dieses Album für mich gefüllt mit Erinnerungen an einige gute Momente in meinem Leben, an die ich mich immer wieder gern zurückerinnere, wenn ich es höre. John Lee wäre stolz auf seine Bandkollegen.
Bester Song: “Forget About Tomorrow”
51. Pet Shop Boys „Yes“ (2009)
Meine fast bedingslose Verehrung der Pet Shop Boys dürfte mittlerweile weit über die Grenzen dieses Blogs hinaus bekannt sein. Neil Tennant und Chris Lowe sind das Beste was britische Popmusik in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Sie sind intelligent, stil- und hitsicher und schreiben nebenbei wunderbare Songs, traumhafte Melodien. Und das seit 25 Jahren! Und ich hätte am wenigsten gedacht, dass ihn mit „Yes“ in diesem Jahr noch mal ein so großer Wurf gelingt, denn vor der Veröffentlichung war durchaus Skepsis angebracht. Erfolg um jeden Preis sollte garantiert werden, das „kommerziellste Album seit Jahren“ wurde versprochen und notfalls sollten auch die Girls-Aloud/Sugababes-Produzenten Xenomania nachhelfen. Das wirkte mehr, wie zwei Herren um die 50 in der Midlife-Crisis. Doch all der Zweifel wurde mit dem phänomenalen „Love etc.“ weggewischt, der besten PSB-Single seit Ewigkeiten, die es, wie das Album, darüber hinausschaffte nach Jahren mal wieder ein Zielpublikum weit unter 30 anzusprechen. Der Musikpresse und dem allgemeinen 80er-Revival sei Dank. „Yes“ ist am Ende genau das, was der Titel ankündigt. Euphorie-Plaste-Pop, hoffnungslos melodieverliebt und naiv und gerade dadurch in seiner Konsequenz, Glätte und Eingängigkeit fast schon rebellisch. Intelligenz und Tiefsinnigkeit, verpackt in scheinbar oberflächlichen Elektro-Pop. Schon lange nicht mehr klangen Tennant und Lowe dabei so zielsicher, wie auf „Yes“. Kein schwacher Song, dazu jede Menge Hits. Neben der Single natürlich noch das famose „All Over The World“, welches vielleicht jetzt doch noch Weihnachtssingle wird und der größte Hit des Albums ist. „Beautiful People“ spielt sich mit schönem Streicher-Arrangement durch die 60er, „King Of Rome“ erinnert an alte „Behaviour“-Zeiten, während „Pandemonium“ noch mal Gas gibt, während „The Way It Used To Be“ sicher einer der spannendsten PSB-Songs der letzten Jahre ist. Man kann eigentlich jeden Song dieses Albums nehmen. Am Ende bleibt es offensichtlich. Die Pet Shop Boys leben die Unwiderstehlichkeit des Pops. „Yes“ ist ihr bestes Album der letzten zehn Jahre. Hier fügen sich die Puzzelteile besser zusammen, als auf den Platten zuvor. Und wie gesagt, wenn Lady Gaga, die Killers oder MGMT schon dem elektronischen Glamour-Pop der 80er zelebrieren und sich als Fans des Duos geäußert haben, dann ist es für die Originale noch lange nicht Zeit, in Rente zu gehen
Bester Song: „All Over The World“
rhododendron - 27. Okt, 20:41