Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Platz 06
06. Interpol “Antics” (2004)
Standortbestimmung gleich zu Beginn. “We ain’t going to the town, we’re going to the city!” Nur, damit jeder Bescheid weißt. Die große Stadt gilt ja seit jeher als beliebtes Motiv im Post Punk. Entweder als herbeigesehnter Zufluchtsort voll pusierendem Leben oder als urbane Personifizierung der Einsamkeit. Kann man bekanntlich halten wie man will. Interpol selber kommen ja aus New York, weshalb schon mal klar sein sollte, zu welcher Gruppierung sie gehören. Nachdem das 2002er Debüt „Turn On The Bright Lights“ noch etwas im New Yorker Großstadtnebel versank, wird die Band auf dem Nachfolger „Antics“ konkreter, direkter und stellenweise sogar erfreulich eingängig ohne ihren bekannten und beliebten Sound zu vernachlässigen. Es ist das übliche Phänomen des zweiten Albums. Man macht irgendwie alles ein wenig konkreter, besser und zielgerichteter. Ein warmer Orgelteppich empfängt uns auf „Next Exit“, bevor wir uns mit „Evil“ direkt rein wagen. Da schüttelt das Quartett aus NYC mal eben einfach so einen lässigen Hit aus dem Ärmel. Und es kommen noch ein paar mehr. Die Singles „Slow Hands“ und „C’Mere“ seien da sicher erwähnt. Der Sound sitzt... ohne Wenn und Aber. Carlos D’s groovige Bassläufe treffen auf die markanten Gitarren eines Daniel Kessler, welche bewusst in den Vordergrund rücken und trotz düsteren, sterilen Klanges viel Seele vermitteln. Es ist einfach dieser ganze Sound. Bspw. dieser treibende Schlagzeugbeat auf “Not Even Jail”, den Sam Fogorino fast sechs Minuten so konsequent durchzieht. Und dazu diese forschen Gitarren und der harte Bass, sowie das flehen von Paul Banks. „Remember take hold of your time here, give some meanings to the means” Es ist die Form von New-Wave-Whatever-Rock, die ich so liebe. Und Interpol spielen sie nahe an der Perfektion. Die raue Wut einiger Songs des Vorgängers weicht ein wenig der besseren Produktion, was aber keinen Widerspruch darstellt. Das tolle „Take You On A Cruise“ wechselt im Verlaufe sein Wesen dezent und „A Time To Be Small“ beschließt das Album mit melancholischer Schwere. Trotz all der Energie und Spannung innerhalb der Musik von Interpol durchweht sie auch stets eine düstere Melancholie. Auch eine Art Zerissenheit und Verzweiflung, welche gerade in den Texten und Gesangslinien von Frontmann Paul Banks immer wieder deutlich wird. Interpol sind die Summe ihrer Teile. Diese Summe hat es auf drei Alben geschafft, mich immer wieder zu fesseln. Die Tatsache, dass sie die einzige Band ist, die es geschafft hat, gleich drei Alben hier in den Top 30 zu platzieren spricht auch eine deutliche Sprache. Vielleicht ist der Nachfolger „Our Love To Admire“ etwas perfekter, aber „Antics“ war mein erstes Interpol-Album, jenes Werk, dass den Anfang machte mit zehn ausnahmslos wundervollen, düsteren New-Wave-Songs voller Kraft und Gefühl. Die wunderbaren Momente, welche mir die Band in den letzten Jahren live oder auf Platte verschafft hat, kann ich gar nicht mehr an zwei Händen abzählen. Ich verdanke dieser Band sehr viel und ziehe deshalb meinen Hut vor der Genialität, die sich hoffentlich auch wieder auf Album Nummer Vier im nächsten Jahr zeigen wird.
Anhören: “Evil”, “Take You On A Cruise”, “Slow Hands”, “Not Even Jail”

Anhören: “Evil”, “Take You On A Cruise”, “Slow Hands”, “Not Even Jail”
rhododendron - 11. Dez, 17:23