Dienstag, 12. Januar 2010

Der Soundtrack zu Tief "Daisy"

Seit vergangener Woche gibt es zwei neue, langerwartete Debüt-Nachfolger auf dem Markt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. So untermalen Get Well Soon und Vampire Weekend den kalten Winter auf ganz eigene Art und Weise.

Get Well Soon – Vexations

41jlq-2BQ8hUL-_SL500_AA240_Wenn sich diese beiden Alben wie Tag und Nacht verhalten, dann ist dieses hier eindeutig letzteres. Deutschlands Indieexportschlager ist zurück. Zwar hat uns China mittlerweile als Exportweltmeister endgültig überholt, aber ein paar Dinge gibt es dann dennoch, auf die Germany zurückgreifen kann. Die guten deutschen Autos zum Beispiel… auch das gute Bier natürlich. Musikalisch… na ja, da hätten wir Tokio Hotel für die Teenies dieser Welt und Rammstein für… ja, für wen eigentlich? Mir fallen dann noch Scooter ein und die guten alten Kraftwerk, aber dann war’s das auch. Der Indie-Rock-Sektor lässt zu wünschen übrig… nachdem The Notwist zusehens langweiliger werden, hält seit gut zwei Jahren ihr bayrischer Landmann Konstantin Gropper die nicht-unbedingt-schwarz/rot/goldene Fahne oben. Das Debüt „Rest Now, Weary Head, You Will Get Well Soon“ war ein anständiger Erfolg und eine der besten Platten, die dieses Land in den letzten Jahren hervorgebracht haben. Das hat dann auch das europäische Ausland mitbekommen. Und nachdem er mit Get Well Soon ausgiebig durch alle möglichen Lande tourte und mit dem Schreiben von Filmmusik beschäftigt war, hatte man gar nicht vermutet, das Gropper so fix den Nachfolger einspielt. Doch der Mann ist ein Arbeitstier, denn „Vexations“ wurde in Rekordzeit eingespielt und das Beste daran: man hört es dem Album nicht an!

Natürlich geht Gropper auf Nummer Sicher und lässt hier nichts anbrennen. „Vexations“ geht den Weg des Debüts weiter und folgt, getreu dem Intro „Nausea“ einem verwunschenen Pfad mitten hinein in eine kleine Fantasiewelt. In dieser entfaltet Gropper wieder einen hymnischen Indie-Pop, der voll Größe und Erhabenheit in der internationalen Liga spielt. Dabei schlägt er mit Get Well Soon deutlich düstere und melancholischere Klänge an, als noch auf Album Nummer Eins. Die Grundstimmung ist verzweifelter, in sich gekehrter und nachdenklicher. Sozusagen passt dieses Album noch besser als der Vorgänger in den verschneiten, düsteren Winter. Das Bild eines dunklen Waldes kommt einem in den Sinn, nicht nur wenn man das Video zur Single „Angry Young Man“ vor Augen hat. Dazu gibt es wie immer jede Menge Streicher, Bläser und bei „A Burial At Sea“ auch schon mal einen schicken Chor. Beerdigungspop mit hohem Unterhaltungswert. Dazu so unverschämt versteckte, aber doch offensichtliche Hits wie „We Are Free“ oder das bittersüße „Werner Herzog Get Shot“ (die Thematik „Tod eines Volksschauspielers“ wurde ja bisher auch eher ungenügend in der Popmusik verbraten)… und natürlich auch die tiefe Melancholie eines simplen Glanzlichtes wie „That Love“. Und selbst wenn da am Ende des Waldes ein Licht ist… Gropper dreht sich einfach um und rennt noch mal in die andere Richtung. Das schöne an der ganzen Geschichte ist aber, das „Vexations“ jetzt keine Suizidstimmung verbreitet, sondern in seiner Zelebrierung der Melancholie gerade zu etwas Erhebendes hat. Wie der Vorgänger schafft es auch dieses Album, Trost und Wärme zu schenken, die einem durch all die Dunkelheit und Verzweiflung dieser Welt helfen kann. So hinterlässt der Abschluss „We Are The Roman Empire“ auch ein Gefühl der Hoffnung und Zuversicht beim Hörer. Produktionstechnisch legt „Vexations“ noch mal einen Grad zu gegenüber dem Debüt. Man merkt, dass Gropper das Werk diesmal nicht in mühsamer Einzelarbeit zusammen gefrickelt hat, sondern dass da eine ganze Riege fähiger Musiker am Werk war. Und so hält „Vexations“ das hohe Niveau des Vorgängers problemlos und bezaubert erneut mit wundervoll schwermütigen Klängen. Vielleicht hat dies nicht mehr den A-ha-Effekt des Debüts, aber daran sollte man sich eh nicht messen. Zwei Produkte, zweimal hervorragende Leistung… da soll die Autoindustrie mal schauen, ob sie hier nachziehen kann.

Vampire Weekend – Contra

Nichts mit Winterdepression á la "Vexations" hingegen bei Vampire Weekend! Ein wenig blöd ist die Veröffentlichung des Zweitwerks „Contra“ zeitlich schon gelegen, zählte das frische Debüt doch zu meinen persönlichen Sommerhighlights des Jahres 2008. Ein wunderbar leichtes Indie-Pop-Album, das leider ohne den Hype-Stempel „Afro-Beat“ nicht wirklich auskam. Änderte aber bekanntlich nichts an der Qualität. Und die hat das Quartett aus New York City auch auf dem Nachfolger beibehalten, wenn nicht sogar verbessert. Sämtlichen Vorurteilen der kalten Jahreszeit wird gleich von Beginn an entgegen gewirkt… bereits in den ersten Textzeilen von „Horchata“ wird beim Genuss von Erfrischungsgetränken im Dezember nichts Widersprüchliches gesehen. Und gleich im dritten Song „Holiday“ wird auf wundersame Leichtigkeit die Flucht in den Sonnenschein angepriesen. Nein, es besteht kein Zweifel darin… Vampire Weekend haben das leichte Leben und den Ideenreichtum auch auf „Contra“ gepachtet. Auch diesmal ist nach gut 36min wieder Schluss und alles erzählt, was man wissen sollte. Wieder zaubert die Bands wunderbare kleine, schrullige Popsongs aus dem Hut, die vom verrückten, sich stets wechselnden Rhythmus vorangetrieben werden und mit allerhand klangtechnischer Spielereien versehen sind. Da gibt es natürlich die lustigen Keyboard-Elemente, viele Streicher, Bongos, Percussions und wild aufspielendes Gitarrengezirpe. Und die Mehrstimmigkeit nicht vergessen. Ansonsten haspelt sich Frontmann Ezra Koenig wieder gewohnt durch zehn kurzweilige Popsongs mit dem allerhand witzigen Alltagsgeschehnissen. Seine Stimme wirkt dabei vielseitiger, als auf dem Debüt. Von „ganz leise und sanft“ auf „Taxi Cab“, über „hoch und schrill“ auf „California English“ (Auto-Tune-Verfremdung inklusive) bis hin zum eunuchenartigen Abschluss bei „I Think U Are A Contra“… da hat jemand sein Handwerk perfektioniert. Gleiches gilt auch für Koenigs Bandkollegen.

Die selbst getroffene Aussage, dass „Contra“ wesentlich näher an dem sei, was Vampire Weekend eigentlich sind, wirkt nachvollziehbar. Denn anstatt hier nur eine Afro-Beat-Welle vorbeischwappen zu sehen, sollte man lieber eine Indie-Rock-Band erkennen, die sich nicht zu schade ist, die eigenen Grenzen des Genres zu sprengen. Und so können gradlinige Hits wie „Run“ oder „Giving Up The Gun“ hervorragend neben schrägen Ausbrüchen wie „Cousins“ bestehen, da die Band ihre verschiedenen Stilmittel stets wohl zu dosieren weiß. So wird „Contra“ zu keinem Zeitpunkt langweilig und schafft es am Ende mit „Diplomat’s Song“ sogar eine 6-Minuten-Nummer unterzubringen, wenngleich es sich die Band auch hier nicht verkneifen kann, die Grundstimmung innerhalb des Songs mal kurz über den Haufen zu werfen. Nein, Langeweile sieht anders aus. Mit ihrem abwechslungsreichen Rhythmuskonzept, dem sture Gradlinigkeit nicht zur Befriedigung ausreicht, schafft es die Band auch 2010 immer noch so frisch und unbeholfen, wie auf dem Debüt zu klingen. Und den Fehler, dass man sich beim zweiten Album als Band immer gleich maßlos übernimmt hat man schon mal nicht gemacht, was ihnen sehr hoch anzurechnen ist. Also gibt es natürlich von mir ein absolutes „Pro“ in Sachen „Contra“! Und jetzt Vorhänge zu, Heizung auf, Badeshorts an und dazu ein Schirmchengetränk im Wohnzimmer genießen! Man gönnt sich ja sonst nichts…

Download: Get Well Soon - "5 Steps/ 7 Swords"

Download: Vampire Weekend "Horchata"

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