Freitag, 26. Februar 2010

Er möchte nur die Welt retten …

Ein Bericht vom gestrigen Get Well Soon-Konzert im Dresdner Beatpol, der es schafft ohne den Begriff „Wunderkind“ auszukommen, aber auch ansonsten voll des Lobes für diese Kombo ist.

Nach der Pflicht des Überraschungs-Debüts ist „Vexations“ also sozusagen die Kür und der Beweis, dass Konstantin Gropper kein Schnellschießer ist, sondern durchaus noch einiges auf dem Kasten hat. In Sachen Qualität ist das auf Platte bereits bestens gelungen und nun tritt er zusammen mit Get Well Soon auch noch den ultimativen Live-Beweis an, dass da noch eine Steigerung möglich ist. Die ausgeklügelte Show zum Album machte gestern in Dresden Halt und bewies eindrucksvoll, dass sämtliches Feuilleton-Gejubel durchaus seine Berechtigung hat. Die Vorgruppe „Stars For The Banned“ stempeln wir dabei mal in der Kategorie „nett, aber verzichtbar“ ab. Der Vorfilm ist vorbei, der Hauptfilm beginnt pünktlich kurz nach Zehn.

GetWellSoonLiveUnd „Film“ ist da ein gutes Stichwort, denn die Show ordnet sich einer kleinen filmischen Rahmenhandlung unter, die mit dem Albumintro „Nausea“ beginnt und die dort erzählte Geschichte des kleinen Mädchens, welches bei einem Waldspaziergang über eine seltsam geformte Wurzel stolpert weiterspinnt und das Albumkonzept so mit surrealen Bildern von Landschaften, Menschen und sehr gern auch mal Tieren untermalt. Und jenem Mädchen, das munter weiter erzählt von ihren Träumen, Ängsten und anderen seltsamen Anwandlungen. Zusammen mit dem Sound von „Vexations“ ergibt sich ein wunderbares Gesamtbild, das audiovisuell zu begeistern scheint, auch weil Get Well Soon das Albumkonzept fast lückenlos durchziehen. Gut, es finden sich noch „People Magazine Front Cover“ vom Debüt, sowie die Weihnachtssingle „Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day“ im Set, aber ansonsten werden die Unannehmlichkeiten des Albums recht konsequent durchgezogen. Alle Songs, mal mit Ausnahme des kurzen Instrumentalstücks „We Are Still“ werden auch in der exakt gleichen Reihenfolge (also, falls ich mich nicht verhört habe) wiedergegeben und entfalten live, obwohl sie meist 1:1 wie auf Platte gespielt werden, ungeahnte Kräfte. Ein Freudenfest in Sachen Melancholie. Songs wie „We Are Free“ oder „A Voice In The Louvre“ entfalten in ihrer nachdenklichen Verzweiflung auch oft das Gefühl von Befreiung. Eine sehr seltsame Kombination, aber kurz zusammengefasst muss man einfach erkennen, dass diese Musik wahnsinnig gut gemacht ist. Hochgradig musikalisch, ehrlich, authentisch und gelegentlich sogar ein wenig eingängig. Wie bspw. das relativ lockere „Werner Herzog Gets Shot“, das hier etwas reduzierter vorgetragen wird. Ansonsten verweigern sich Gropper und seine Mitmusiker selten der Opulenz und es ist beeindruckend, wie voll der Klang trotz der Anwesenheit von „nur“ 6 Musikern wirklich ist, wenngleich da natürlich ein paar Elemente, wie die Waldhörner auch vom Band kommen, denn für den Gebirgsjägerverein war dann doch kein Platz mehr auf der Bühne. Und bei „We Are Ghosts“ übernimmt die Band am Ende sogar selber die Rolle der Geister und singt den Refrain von der Leinwand aus, während sie sich in real die Seele aus dem Leib spielen. Doch ist nicht nur die Schwere, die begeistert, es sind auch die ruhigen Momente, die bewegen. Etwa der langsame Schleicher „That Love“ vom neuen Album oder die sich zwischendurch ins Set mogelnde Version von „Tick Tack! Goes My Automatic Heart“, die den Höhepunkt des Abends darstellt und die Show für einige Minuten in Sphären bringt, die man nicht anders als mit dem Wort „Perfektion“ bezeichnen kann. Als Konstantin das Stück akustisch nur mit stimmlicher Unterstützung von Schwester Verena beginnt, hören auch langsam die letzten Menschen im Raum mit Small Talk und Bierflaschen-Geklapper auf. Als dann die Band einsteigt wird’s episch, während man sich für das Ende noch einmal zurücknimmt und die Geschwister Gropper noch einmal abseits des Mikrofons ganz intim weitersingen. Und auch das Publikum macht zögerlich mit. Ein magischer Musikmoment an dessen Ende ein frenetischer Jubel steht, der außergewöhnlich lang und herzlich ausfällt. Gropper sagt brav und ehrlich „Danke“, lächelt fein, hält sich aber ansonsten zurück mit Ansagen. Unser Glück, wie er später angesichts seines selber als eher schlecht eingeschätzten Wortwitzes, feststellt. Aber immerhin wurde das Büfett gelobt. Ist ja auch etwas. Nach drei weiteren Stücken endet der Film mit dem düsteren Nachhallen von „We Are The Roman Empire“ und einem anständigen Abspann am auf der Leinwand an dessen Ende auch dem Publikum gedankt wird. Der Film ist vorbei. Und die Moral von der Geschicht? „Change Your Life“ ruft uns die Protagonistin des Märchens noch in die Dunkelheit. Es sind manchmal die einfachsten Phrasen, die hängen bleiben.

Get Well Soon werden natürlich nicht ohne Zugabenblock in die Nacht entlassen und da man nun nicht mehr an die dramaturgischen Zwänge gefesselt ist, gibt es erst mal drei Hits vom immer noch wundervollen 2008er Debüt. Das kommt gut an, besonders, weil die Band mit ihrem nach wie vor besten Song „I Sold My Hands For Food So Please Feed Me“ das Set beendet. Ein Monster von Lied... ungebremst. Danach kann eigentlich nicht mehr kommen. Außer noch mehr Applaus noch mehr „Danke“’s von Gropper und ein paar Verbeugungen. Eigentlich ist der Abend schon vorbei, doch der Jubel ist groß, so dass sich der Bandchef noch einmal auf die Bühne wagt, diesmal sichtlich gelöst angesichts des gut verlaufenen Abends. Er nimmt Liedwünsche und Publikumsfragen entgegen, aber keiner erhört das Wünschen der Jukebox. „Witches! Witches!” könnte er nicht allein und die Band sei ja eh schon längst wieder beim üppigen Dresdner Büffet. Also gibt’s kurzerhand noch eine Soloversion des Songs „Teenage FBI“, welchen Gropper für den letzten Detlev Buck-Film „Same same but different“ beigesteuert hat. Ein hinreißend naives Stück Schwermut, bei dem der Komponist am Ende feststeht, dass seine Songs am Ende vielleicht nur geschrieben werden um die Welt zu retten. Es geht ja nichts über einen gesunden Größenwahn. Unrecht hat er damit aber nicht ganz, denn zumindest an diesem Abend hat er dem Dresdner Publikum für etwas mehr als 90 Minuten den Abend verschönert und die Welt vielleicht etwas erträglicher zu machen. Ein wunderbarer Abend mit wunderbaren Gastgebern geht leider zu Ende. Get Well Soon bleibt eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Musiklandschaft... und für solche Sätze bezahlt mich City Slang nicht einmal! Man kann das was dieser Mann mitsamt seiner Band für die deutsche Musiklandschaft leistet eben gar nicht hoch genug einschätzen. Die Zukunft sieht ausgesprochen gut aus, selbst wenn dies nicht unbedingt Gropper’s musikalischer Grundstimmung entsprechen mag.

Setlist:

01 Nausea
02 Seneca’s Silence
03 We Are Free
04 People Magazine Front Cover
05 Red Nose Day
06 5 Steps / 7 Swords
07 Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day
08 A Voice In The Louvre
09 Werner Herzog Gets Shot
10 That Love
11 Aureate!
12 We Are Ghosts
13 Tick Tack! Goes My Automatic Heart
14 A Burial At Sea
15 Angry Young Man
16 We Are The Roman Empire
17 Christmas In Adventure Parks
18 (If This Head Is Missing) I Have Gone Hunting
19 I Sold My Hands For Food So Please Feed Me
20 Teenage FBI

nobono

currently resting in peace. 2007 - 2011

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelles ...

Protest!!
Oh, menno!wie schade.ich befürchte, eine n21-protestwelle...
stephox (Gast) - 29. Aug, 13:17
A Start Has An End
Unser Blog verzieht sich aus der Blogosphäre. Ein paar...
rhododendron - 22. Jul, 16:45
stimmt!
ich stimme dir zu 100% zu. langweilig war das gestern,...
Astrid (Gast) - 19. Jul, 17:19
Götterdämmerung
Für ein einzelnes Gastspiel beehrt der Altmeister der...
rhododendron - 19. Jul, 13:48
Chillaxing
PBMR präsentiert sein 'finales' Mixtape ... relaxte...
rhododendron - 16. Jul, 14:26
Danke
Hört man immer wieder gern. Besonders schön, wenn's...
rhododendron - 8. Jul, 13:49
blog
ich verfolge hin und wieder deinen Blog und wollte...
ZoneZero (Gast) - 6. Jul, 18:04
Kurz und Bündig - 07/2011
Once more with feeling... ein verliebter Traumtänzer,...
rhododendron - 1. Jul, 15:55

Durchforsten ...

 

Besucherzahl seit März 2010 ...

Status

Existent seit 6534 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Aug, 13:17

Credits


Ausgehen
Diskurs
Listen
Mixtape
Mottenkiste
Plattenteller
Ranking
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren