Freitag, 26. Februar 2010

|:Mottenkiste:| + Der heiße Scheiß - Ken't get enough ...

Verzeiht bitte, dass die Überschrift so discountermäßig kalauert, aber die Band Ken macht es ja selbst nicht besser. Yes We Ken heißt das neuste Machwerk. Zu diesem Behufe muss einfach mal ihr grandioses erstes Album Have A Nice Day entmottet und ausgekistet werden.

CoverKen ist ja eigentlich mal das Nebenprojekt des Blackmail-Sängers Aydo Abay (ich kaufe ein "Y") gewesen. Seitdem selbiger aber entnervt ob des Band-Nepotismus unter den Ebelhäuser-Tyrannen bei der Erpressung das Handtuch warf, ist Ken nun mehr oder weniger Hauptprojekt.
Natürlich fühlt sich die Musik zunächst sehr stark nach der früheren Hauptband an. Das liegt im Wesentlichen natürlich an der - trotz der heftigen Erinnerbarkeit an Brian Molko (Placebo) und Luke Steele (The Sleepy Jackson, Empire Of The Sun) - markanten Stimme des Sängers. Und gerade die ersten beiden Titel auf Yes We erinnern mit ihren kraftvoll-rauhen Gitarren-Getöne massiv an Blackmail. Hardcore-Shouts hin, Piano her. Die Melodieführung, die Arrangements, das Drumming ist doch schon sehr altbacken. Macht die Sache nicht weniger gut, nur entzieht es sich jeglicher Begründung. Doch spätestens mit dem eingängig betitelten Y.K.I.W.G.T.T.End.O.T.W.W.Y. hat es sich dann mit dieser Referenz und dem klassischen Rock im Allgemeinen gegessen. Der Orbit grüßt (I'll Sleep When You're Dead), Radiohead schicken Postkarten vom Proggen (Women Who Love Men Who Take Drugs To Make Music To Take Drugs To), Aphex Twin grinst fies und freundlich (Pirates Vs. Ninjas Vs. Zombies Vs. Robots), Paul Van Dyk wird von Pink Floyd und Muse belästigt (Dead As A Dodo). Wie auch immer, die Band hat mal ordentlich Electro-Lyte und ausufernde, schwebende Songsstrukturen gefrühstückt.
Das alles artet aber nie aus, bleibt kompakt und nachvollziehbar. Und ist von beängstigender Qualität.
Unfassbar, welche Mengen kreatives Nitro seit dem Weggang von Blackmail bei Herrn Abay in den Tank kommen. Und auf dem Tonband freigesetzt werden. Hier wird nicht krampfhaft der Abstand gesucht, hier wird im Wortsinne progressiv nach vorn gearbeitet und das liedschreiberliche Talent in einem wesentlich offeneren Klangrahmen auf die CD geklatscht.
So muss es sein.

Hörbeispiel: Get A Life



CoverDas erste Album Have A Nice Day der Recken von Ken wurde stets sträflich unterschätzt. Das mag an dem sehr simplen Titel liegen oder einfach daran, dass hier keine coole Band aus NYC ihr Unwesen treibt, sondern die Typen aus Koblenz, die außer dem Sänger auch nicht gerade ein Augenbonbon darstellen.
Dabei wird hier so viel geboten. Von dem sehr spaßig verkackten Einstieg mit The Big Fib bis zum sphärisch beruhigenden Schlusspunkt mit on(n) wird einem hier ordentlich der Indiemarsch geblasen.
Der Nachfolge-Doppelschlag I Am Thief und Stop! Look! Sing Songs of The Revolution hingegen wurden schon hin und wieder fachblättrig abgehandelt. Dabei ist schon der Erstschlag das opus magnum.
Sicher, Husk und Voltage Point sind keine überragenden Titel, was aber dafür mehrfach im Folgenden wettgemacht wird. Das schmissige Tilt, dass mit Orgel und zeitlosem Songwriting Oasis hat neidgrün werden lassen, das beschwingte Whirlpool Of Terror, dass jeden Songschreiber auf der Welt die gleiche Farbe ins Gesicht malt und natürlich die anderen hervorragend komponierten, melancholisch-düsteren Nummern, die jeden Liebhaber der Molltonarten freudentränend vor der Anlage knien lassen.
Hier sitzt alles an der richtigen Stelle, franst nicht aus, sondern wird auf 44 sehr unterhaltsame Minuten komprimiert, die einen von den anfänglichen treibenden und rau rockenden Titeln immer weiter nach unten ziehen, bis schließlich schwerste Traurigkeit und absolute Niedergeschlagenheit das Gesamtbild bestimmen.
Dabei wird es jedoch nie unkonzentriert, sondern die bleiben dem reinsten und schönsten Pop verpflichtet.

Hörbeispiel Whirlpool Of Terror

Er möchte nur die Welt retten …

Ein Bericht vom gestrigen Get Well Soon-Konzert im Dresdner Beatpol, der es schafft ohne den Begriff „Wunderkind“ auszukommen, aber auch ansonsten voll des Lobes für diese Kombo ist.

Nach der Pflicht des Überraschungs-Debüts ist „Vexations“ also sozusagen die Kür und der Beweis, dass Konstantin Gropper kein Schnellschießer ist, sondern durchaus noch einiges auf dem Kasten hat. In Sachen Qualität ist das auf Platte bereits bestens gelungen und nun tritt er zusammen mit Get Well Soon auch noch den ultimativen Live-Beweis an, dass da noch eine Steigerung möglich ist. Die ausgeklügelte Show zum Album machte gestern in Dresden Halt und bewies eindrucksvoll, dass sämtliches Feuilleton-Gejubel durchaus seine Berechtigung hat. Die Vorgruppe „Stars For The Banned“ stempeln wir dabei mal in der Kategorie „nett, aber verzichtbar“ ab. Der Vorfilm ist vorbei, der Hauptfilm beginnt pünktlich kurz nach Zehn.

GetWellSoonLiveUnd „Film“ ist da ein gutes Stichwort, denn die Show ordnet sich einer kleinen filmischen Rahmenhandlung unter, die mit dem Albumintro „Nausea“ beginnt und die dort erzählte Geschichte des kleinen Mädchens, welches bei einem Waldspaziergang über eine seltsam geformte Wurzel stolpert weiterspinnt und das Albumkonzept so mit surrealen Bildern von Landschaften, Menschen und sehr gern auch mal Tieren untermalt. Und jenem Mädchen, das munter weiter erzählt von ihren Träumen, Ängsten und anderen seltsamen Anwandlungen. Zusammen mit dem Sound von „Vexations“ ergibt sich ein wunderbares Gesamtbild, das audiovisuell zu begeistern scheint, auch weil Get Well Soon das Albumkonzept fast lückenlos durchziehen. Gut, es finden sich noch „People Magazine Front Cover“ vom Debüt, sowie die Weihnachtssingle „Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day“ im Set, aber ansonsten werden die Unannehmlichkeiten des Albums recht konsequent durchgezogen. Alle Songs, mal mit Ausnahme des kurzen Instrumentalstücks „We Are Still“ werden auch in der exakt gleichen Reihenfolge (also, falls ich mich nicht verhört habe) wiedergegeben und entfalten live, obwohl sie meist 1:1 wie auf Platte gespielt werden, ungeahnte Kräfte. Ein Freudenfest in Sachen Melancholie. Songs wie „We Are Free“ oder „A Voice In The Louvre“ entfalten in ihrer nachdenklichen Verzweiflung auch oft das Gefühl von Befreiung. Eine sehr seltsame Kombination, aber kurz zusammengefasst muss man einfach erkennen, dass diese Musik wahnsinnig gut gemacht ist. Hochgradig musikalisch, ehrlich, authentisch und gelegentlich sogar ein wenig eingängig. Wie bspw. das relativ lockere „Werner Herzog Gets Shot“, das hier etwas reduzierter vorgetragen wird. Ansonsten verweigern sich Gropper und seine Mitmusiker selten der Opulenz und es ist beeindruckend, wie voll der Klang trotz der Anwesenheit von „nur“ 6 Musikern wirklich ist, wenngleich da natürlich ein paar Elemente, wie die Waldhörner auch vom Band kommen, denn für den Gebirgsjägerverein war dann doch kein Platz mehr auf der Bühne. Und bei „We Are Ghosts“ übernimmt die Band am Ende sogar selber die Rolle der Geister und singt den Refrain von der Leinwand aus, während sie sich in real die Seele aus dem Leib spielen. Doch ist nicht nur die Schwere, die begeistert, es sind auch die ruhigen Momente, die bewegen. Etwa der langsame Schleicher „That Love“ vom neuen Album oder die sich zwischendurch ins Set mogelnde Version von „Tick Tack! Goes My Automatic Heart“, die den Höhepunkt des Abends darstellt und die Show für einige Minuten in Sphären bringt, die man nicht anders als mit dem Wort „Perfektion“ bezeichnen kann. Als Konstantin das Stück akustisch nur mit stimmlicher Unterstützung von Schwester Verena beginnt, hören auch langsam die letzten Menschen im Raum mit Small Talk und Bierflaschen-Geklapper auf. Als dann die Band einsteigt wird’s episch, während man sich für das Ende noch einmal zurücknimmt und die Geschwister Gropper noch einmal abseits des Mikrofons ganz intim weitersingen. Und auch das Publikum macht zögerlich mit. Ein magischer Musikmoment an dessen Ende ein frenetischer Jubel steht, der außergewöhnlich lang und herzlich ausfällt. Gropper sagt brav und ehrlich „Danke“, lächelt fein, hält sich aber ansonsten zurück mit Ansagen. Unser Glück, wie er später angesichts seines selber als eher schlecht eingeschätzten Wortwitzes, feststellt. Aber immerhin wurde das Büfett gelobt. Ist ja auch etwas. Nach drei weiteren Stücken endet der Film mit dem düsteren Nachhallen von „We Are The Roman Empire“ und einem anständigen Abspann am auf der Leinwand an dessen Ende auch dem Publikum gedankt wird. Der Film ist vorbei. Und die Moral von der Geschicht? „Change Your Life“ ruft uns die Protagonistin des Märchens noch in die Dunkelheit. Es sind manchmal die einfachsten Phrasen, die hängen bleiben.

Get Well Soon werden natürlich nicht ohne Zugabenblock in die Nacht entlassen und da man nun nicht mehr an die dramaturgischen Zwänge gefesselt ist, gibt es erst mal drei Hits vom immer noch wundervollen 2008er Debüt. Das kommt gut an, besonders, weil die Band mit ihrem nach wie vor besten Song „I Sold My Hands For Food So Please Feed Me“ das Set beendet. Ein Monster von Lied... ungebremst. Danach kann eigentlich nicht mehr kommen. Außer noch mehr Applaus noch mehr „Danke“’s von Gropper und ein paar Verbeugungen. Eigentlich ist der Abend schon vorbei, doch der Jubel ist groß, so dass sich der Bandchef noch einmal auf die Bühne wagt, diesmal sichtlich gelöst angesichts des gut verlaufenen Abends. Er nimmt Liedwünsche und Publikumsfragen entgegen, aber keiner erhört das Wünschen der Jukebox. „Witches! Witches!” könnte er nicht allein und die Band sei ja eh schon längst wieder beim üppigen Dresdner Büffet. Also gibt’s kurzerhand noch eine Soloversion des Songs „Teenage FBI“, welchen Gropper für den letzten Detlev Buck-Film „Same same but different“ beigesteuert hat. Ein hinreißend naives Stück Schwermut, bei dem der Komponist am Ende feststeht, dass seine Songs am Ende vielleicht nur geschrieben werden um die Welt zu retten. Es geht ja nichts über einen gesunden Größenwahn. Unrecht hat er damit aber nicht ganz, denn zumindest an diesem Abend hat er dem Dresdner Publikum für etwas mehr als 90 Minuten den Abend verschönert und die Welt vielleicht etwas erträglicher zu machen. Ein wunderbarer Abend mit wunderbaren Gastgebern geht leider zu Ende. Get Well Soon bleibt eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Musiklandschaft... und für solche Sätze bezahlt mich City Slang nicht einmal! Man kann das was dieser Mann mitsamt seiner Band für die deutsche Musiklandschaft leistet eben gar nicht hoch genug einschätzen. Die Zukunft sieht ausgesprochen gut aus, selbst wenn dies nicht unbedingt Gropper’s musikalischer Grundstimmung entsprechen mag.

Setlist:

01 Nausea
02 Seneca’s Silence
03 We Are Free
04 People Magazine Front Cover
05 Red Nose Day
06 5 Steps / 7 Swords
07 Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day
08 A Voice In The Louvre
09 Werner Herzog Gets Shot
10 That Love
11 Aureate!
12 We Are Ghosts
13 Tick Tack! Goes My Automatic Heart
14 A Burial At Sea
15 Angry Young Man
16 We Are The Roman Empire
17 Christmas In Adventure Parks
18 (If This Head Is Missing) I Have Gone Hunting
19 I Sold My Hands For Food So Please Feed Me
20 Teenage FBI

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