Hipster-Hippies

Nach dem überwältigenden Erfolg ihres ersten Albums haben MGMT von ihrer Plattenfirma Sony/Columbia einen Vertrag vorgesetzt bekommen, der ihnen in der Gestaltung der nächsten fünf Alben komplette künstlerische Freiheit lässt. Ohne Ausnahme und mit allen Mitteln, die sie brauchen. Merke: MGMT sind die Königskinder der Record Label.
Wenn natürlich solche verqueren Köpfe, wie sie es sind, mit solchen Voraussetzungen sich daran setzen, das zweite Album nach dem Instant Hit-Erstling zusammen zu klöppeln, sollte einem schonmal Angst und Bange werden. Jetzt folgt der kreative Befreiungsschlag! Der Beweis kein One Hit Wonder zu sein! Die Muskelschau der Musikstile! Die Abkehr vom Pop!
Und? Stimmt's? Ja. Irgendwie schon.
Man hört sehr viel sperriges Zeug. Es gibt keine Singlehits mehr wie Kids oder Time To Pretend. Die Songs bleiben nicht sofort hängen. Oft sind sie sogar psychedelisch sehr entrückt. In der Tracklist befindet sich sogar ein verdammtes Zwölfminuten-Brett! Angst! Schrecken! Stampede!
Doch - und das ist der Grund, warum es wirklich ein Befreiungsschlag ist - sie haben ihre Popseelen nicht an den Integritäts-Teufel verkauft. Auch auf dem aktuellen Album gibt wunderbare Melodien, Refrains, Mitsingparts, Hooklines, Ohrwürmer. Die Songs verschrecken einen nicht, sondern laden weiterhin ein. Nur biedern sie sich nicht an, wie Huren im Schaufenster. Sie wirken eher dezent. Schleichen sich hinterrücks an. Und strecken einen früher oder später mit voller Kraft nieder. Irgendwie findet man an vielen Stellen einen Chor, eine Gitarrenlinie, eine Textzeile oder eine Harmonie, die einen absolut gefangen nimmt. So dass letztendlich sogar das schier unfassbare Siberian Breaks (der Zwölfminüter) absolut goutierbar bleibt, eben einfach durch die Tatsache, dass es ein derart aufgeblähter Popsong und eben keine überpomöse Exaltation. Trotz der schieren Größe nachvollziehbar, mitsingbar, begeisternd.
Doch auch die "normal" kurzen Werke können gefallen - der locker-leichte Song For Dan Treacy mit seinen sekündlich wechselnden Harmonien, der vorsichtig-hymnische Titelsong, das sehr stark an frühe Die Ärzte erinnernde, recht flott ins Bein gehende Brian Eno. Und der grandiose Opener It's Working, der mit seinem unsteten Rhythmus, dem leicht bekifften Duett-Gesang und dem Instrumentenoverkill von Oboe bis Spinett auf der rosaroten Wolke Nummer 7 hereingeschwebt kommt.
Die Single-Hitparaden werden und wollen sie damit nicht dominieren, aber sie haben sich definitiv als wirklich ernstzunehmende Teilnehmer im Popzirkus der nächsten Jahre empfohlen. Von der Warte her, ist Congratulations auf jeden Fall mit dem hervorragenden Favorite Worst Nightmare vergleichbar, was die ähnlich Hype-gejagten Jungspunde der Arctic Monkeys auch erstmal in die musikalische Sicherheitszone gerettet hat. Musikalisch liegen aber natürlich Welten dazwischen. MGMT haben es immer noch nicht so mit dem klassischen Rock - hier hören wir Pop, der viele Künstler der späten Sechziger und frühen Siebziger mit Stolz erfüllen würde und auch genau in die Zeit passen könnte. Inklusive der Beatles.
Congratulations erscheint am kommenden Freitag, dem 9.4.
The Fall On Deaf Ears - 6. Apr, 20:06
rhododendron (unangemeldet) (Gast) - 10. Apr, 12:04
Also, ich kann mich da wirklich anschließen. Find das sogar besser als dieses Debüt, welches ich abseits der 2,3 Hitsingles immer für hoffnungslos überbewertet gehalten habe. Aber hier stimmt die psychodelische Hippie-Grundstimmung wirklich und fügt sich zu einem Gesamtbild, das bewusst abseits von Airplay und Werbehits funktionieren will. Hits, die erst auf dem zweiten Blick welche sind. Sehr gelungenes Teil!
antworten