The Sisterhood Of Traveling Trance

CocoRosie haben ein neues Album namens Grey Oceans in die Pipeline geschickt. Wen der Musikstrom erreicht kann sich schon einmal auf eine ungewöhnliche Erfahrung einstellen. Denn die beiden Frauen, lassen ordentlich die Puppen schwelgen. Von Stücken in Zeitlupe bis zum hämmernden Beat haben die beiden Freefolkerinnen ein breites Arsenal an Musik aus dem Zeughaus geholt. Alles nur um uns bei Gelegenheit in den Orbit zu schießen.
Bianca und Sierra Casady heißen die beiden Autorinnen dieses Handtäschchen voller Musikmagie. Dass aus diesem schwer kontrollierbarem Gedöns aus allen möglichen Instrumente überhaupt eine Art Magie erwachsen kann, liegt an den vokalen Einsätzen von Sierra. Diese hat am Conservatoire de Paris einst versucht Grundsteine für eine Karriere als Opernsängerin zu legen.
Was für ein imperalen Effekt eine Stimme derartiger Coleur auf Musik haben kann, dem sei ans Herz gelegt, mal die Augen zu schließen und sich das Großwerk des Damien Rice namens Eskimo zu geben. Wenn da der Mezzosopran von Doreen Curran aus den Lautsprechern schreitet, bleibt auf einmal die Zeit stehen und der Raum weitet sich.
Genau so funktioniert das auch auf Grey Oceans. Da aber gleich mehrere Male. Am Besten eigentlich bei Titel zwei namens Smokey Taboo. Zumal der Effekt zusätzlich verstärkt wird, indem die holde Sierra sich außerdem noch dazu aufschwingt die Harfe zu zupfen, die seit jeher eines der Markenzeichen des CocoRosieschen Sounds ist. Dies bringt dem Klang zusätzlich noch die Verwunschenheit, die man gemeinhin mit Elfen und ähnlichen majestischen Fabelwesen assoziiert.
Im Allgemeinen kann man das Klangerlebnis überhaupt am Effektivsten mit “verwunschen” beschreiben. Als ob man das Nachts unterm Sternhimmel am Weiher ausharrt und urplötzlich ein Schwarm Leuchtkäfer dem Schilf entsteigt und beginnt über dem Wasser zu tänzeln.
So ist das Titelstück zum Beispiel eigentlich ein sehr spartanische Akustikballade, die von Bianca mit ihrer Björk- beziehungsweise Karin Dreijer Andersson-artigen Stimme (inklusive starkem Akzent) gesungen wird. Und dabei vor Verhuschtheit nicht so richtig Tritt fassen kann. Bis aus dem Hintergrund wieder das Opernorgan ihrer Schwester ertönt und das Lied schweben lässt.
Und so könnte man fortfahren und ähnlich metaphorisch versuchen, Stücke wie die butterweiche Variante eines Drum ‘n’ Bass- und Kinderlied-Mashups namens Hopscotch oder das mit herrlichem Vogelgezwitscher, sowie Toy Piano angechillte Gallows oder den TripHop-Ansatz von R.I.P. Burn Face zu beschreiben. Letztendlich reiht sich hübsche Miniatur an edlen Leisetreter-Pop. Auch wenn das auf Dauer leicht ermüdend sein kann, kullert einem die Schönheit permanent vor die Ohren. Allerdings können die Schwestern den Schöngeist anscheinend selbst nicht durchhalten und müssen zum Abschluss mit dem spoken word-artigen Technostampfer Fairy Paradise und dem arg seltsamen Gelaber und heftig Akzentuierten von Here I Come aus der Träumerei, aus dem Trancezustand wieder raus reißen. Auch wenn beide Stücke für sich wieder nicht einer gewissen traumhaften Stimmung entbehren, machen sie leider doch die Gesamtheit des Albums zunichte. Schade drum.
Trotzdem eine Empfehlung für alle, die mal wieder Lust auf eine arg verträumte Version von Popmusik haben, ohne gleich irgendwelchen Kifferfantasien lauschen zu müssen. Dies hier ist zum Schwelgen, aber dennoch neugierig und klar.
Grey Oceans erschien heute.
Hörbeispiel:
Smokey Taboo (YouTube)