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Donnerstag, 10. Dezember 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Platz 07

07. Bloc Party “Silent Alarm” (2005)

31r17pjdkmL-_SL500_AA240_Ein nervöses Gitarrenzirpen zum Beginn... Legendär… dann setzt der Beat ein, zackig und treibend: „It’s So Cold In This House“. Der Beginn von „Silent Alarm“ hat sich ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation gebrannt. Besonders in meines… Ja, man merkt. Ich greife gerne zu Superlativen beim Thema Bloc Party. Eine Band die es mit 3 Alben in 5 Jahren geschafft hat aus dem Nichts zu meiner Lieblingsband zu werden, wenngleich diese Position im Allgemeinen nicht so festgelegt ist, wie bei anderen. Bloc Party sind jedenfalls eine Band, welcher ich bedingungslos an den Lippen hänge. Schon damals, ich weiß es noch so genau… es war der Januar 2005 und ich schaute die damals noch existierende „Sarah Kuttner Show“ auf VIVA. Und da war diese seltsame Band zu Gast. Indie-Rock mit schwarzem Frontmann. Und sie performten „So Here We Are“, diesen wundervoll sphärischen Popsong und ich war vom ersten Moment an verliebt. Danach kam „Silent Alarm“ und nichts war mehr wie vorher. Für viele andere da draußen waren vielleicht die Libertines, Strokes oder Mando Diaos dieser Welt die entscheidenden Vorreiter. Für mich war es dieses Quartett aus London, welches meine musikalische Welt entschieden auf den Kopf stellte. Ob ich wollte oder nicht. Von da an hörte, bewertete und konsumierte ich Musik anders. Ich kann es auch nicht besser in Worte fassen, als so. Es ist mehr ein Gefühl. Ein Gefühl, welches „Silent Alarm“ perfekt wiederspiegelt. Spannung liegt in der Luft, eine positive. Sagt ja schon der gleichnamige Song. Und es sind natürlich die großen Hits wie „Helicopter“, „Price Of Gas“ oder das immer noch unkaputtbare „Banquet“, welche diese Spannung vermitteln. Irgendwo zwischen Nervösität, Wut und Zerbrechlichkeit. „Silent Alarm“ handelt von Angst, Gefühlen, Sex, Politik und gescheiterten Träumen. Eine ganze Menge, wenngleich sich Sänger Kele Okereke oft relativ kryptisch hält, was die Texte betrifft. So sind es natürlich die bekannten Fragmente, die man auch heute noch gern mitsingt, als seien sie Parolen… „Are you hoping for a miracle?“, „So fucking useless“, „We promised the world we tame it“, „We’re gonna win this“ … der new wavige Indie-Post-Punk zieht und elektrisiert. Gleichzeitig lässt die Band aber auch bereits ihre Vielseitigkeit immer wieder durchschimmern. So beim gefühlvollen Liebesgeständnis „This Modern Love“, beim experimentell-treibenden „She’s Hearing Voices“, sowie den abschließenden Balladen „Plans“ und „Compliments“, welche leider immer noch häufig unerschätzt werden. Und obwohl „Silent Alarm“ von Produzent Paul Epworth noch primär auf akustische Instrumente getrimmt wurde, lässt sich häufig bereits der Anspruch der Band erkennen, einen perfekten Hybriden zwischen Elektronik und Rock zu schaffen. Die Beats sind gradlinig und tanzbar, die Gitarren wirken häufig zerhackt und zwischendrin fiept und piept es gern mal. Vielleicht ist auch dies der Grund, warum Bloc Party mein Herz so erwärmen konnten. Hier war endlich eine Band, die es schaffte, meine beiden favorisierten Genres Elektronik und Rock auf ideale und neuartige Weise miteinander zu verknüpfen, ohne dabei aber das Gespür für Melodien und den von mir leider auch sehr geschätzten Pop zu vernachlässigen. Außerdem durchweht „Silent Alarm“ der aufregende Geist des Neuen und Ungehaltenen. Eine wütende, fast schon punkige Explosion, die zu einer Zeit geschah, als die Musikwelt wieder bereit für etwas Neues war. Tanzbarer Indierock, der gleichzeitig in Beine, Herz und Hirn ging und dabei auf ganz unterschiedliche Art und Weise funktionierte. Für viele ist „Silent Alarm“ bis heute nur ein kurzweiliges Indie-Tanzalbum mit den Smashern der „guten, alten Zeit“, aber dahinter entfaltet sich auch heute noch eine spannende, neue Welt, die es immer wieder schafft mich in ihren Bann zu ziehen. „I figured it out, I can see again!“
Anhören: „Like Eating Glass“, „Positive Tension“, “This Modern Love”, „The Pioneers“, „So Here We Are“

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Platz 08

08. The Arcade Fire “Funeral” (2004)

61JZVEK14JL-_SL500_AA240_Und plötzlich kam dieses Album... quasi aus dem Nichts. Arcade Fire schufen mit „Funeral“ eines der spannensten und wunderbarsten Debüt-Alben der letzten Jahre. Und Mund- und Musikpressepropaganda waren sich genauso schnell einig, wie David Bowie, welcher die Band bereits früh förderte oder Bono, welcher „Wake Up“ damals als U2-Tourintro benutzte. Vermutlich weil er die Zeichen der Zeit erkannt hatte… „Funeral“ ist eine emotionale Großtat. Stadion-Indierock, der sich gern mit Virtuosität und klassischen Instrumenten schmückt und dabei einfach gehört werden will. Bandleader Win Buttler treibt die Songs mit seiner brüchigen Stimme und dem wuchtigen Instrumentarium seiner Mitspieler immer voran, so dass „Funeral“ am Ende genauso energiegeladen, wie kunstvoll erscheint. Und dennoch ist es auch hochgradig eingängig. Es ist manchmal schon fast gespenstisch, wie gut diese Platte klingt, zumal es sich ja um ein Debüt handelt. Buttler und Ehefrau Régine Chassagne bilden den Kopf des kanadischen Künstlerkollektivs. Die Songs handeln von Trauer und Verlust, denn während der Arbeit zum Debüt sind viele nahstehende Familienmitglieder verstorben, so dass der Tod immer ein wenig präsent ist. Doch „Funeral“ ist trotz wundervoller Balladen wie „Tunnels“ oder „Haiti“ kein Album, welches sich selbst betrauert. Im Schmerz entwickelt die Band gleichzeitig eine Aufbruchsstimmung. Selbst eine herzerweichende Walzer-Ballade, wie „Crown Of Love“ entwickelt in der letzten Minute noch mal ordentlich Leben und zieht das Tempo an. Arcade Fire sind keine Band, die einfach klein bei gibt. So sind Songs wie „Power Out“ oder „Wake Up“ schmetternde Bretter mit stampfenden Rhythmen und Buttlers unnachahmlichen Flehen in der Stimme. Damit diese durchhält holt er sich natürlich Chöre, Pauken, Trompete, sowie jede Menge Gitarrenwände hinzu. Das ganze findet seinen vorläufigen Höhepunkt in „Rebellion (Lies)“, einem der stärksten Rocksongs aller Zeiten. Eine euphorisierte Hymne, die von Aufbruch und revolutionären Umbrüchen in einer immer komplizierteren modernen Welt träumt. Children, Wake Up! Es folgt ein ganz großer Ausstand mit dem traumhaften „In The Backseat“ bei dem Regine noch einmal alles in die Wagschale wirft. Auf „Funeral“ treffen viele Faktoren aufeinander, welche dieses Album so groß und wichtig machen. Es ist der ganze Klang und auch die Tatsache, dass es sich eine Band damals unter all den Garagenrock-orientierten Bands getraut hat, einen Schritt weiterzugehen. Der Schritt zur großen Geste, zum Übertriebenen, zu Streichern, Cello und Blechbläsern… all dies tut der Musik gut und macht sie musikalisch so abwechslungsreich und begeisternd. Und dazu kommen diese Songs, die stets etwas Erhabenes haben. Selbst in dem Moment, als es einfach mal zu viel Pomp zu sein scheint. Mit nur zwei Alben hat es diese Band geschafft an die musikalische Weltspitze zu stoßen. Dass sich darauf jeder ausnahmslos einigen kann, liegt auch daran, dass diese Musik einfach so universell funktioniert. Was auch immer diese Band in den nächsten zehn Jahren noch anstellt… sie hat bereits jetzt gewonnen.
Anhören:: “Neighbourhood #1 (Tunnels)”, “Neighbourhood #3 (Power Out)”, “Wake Up”, “Rebellion (Lies)”

Dienstag, 8. Dezember 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Platz 09

09. Sigur Rós “Ágætis Byrjun” (2000)

41N31BC5AFL-_SL500_AA240_Ja, die Sigur-Rós-Frage. Vier Alben gab’s in diesem Jahrzehnt, eines schöner als das andere und insgesamt drei konnten sich in meinen Top 100 platzieren. Doch welches ist nun das Beste? Vielleicht gibt es so etwas gar nicht, aber am Ende muss halt ein Ergebnis her. Und da bietet sich natürlich „Ágætis Byrjun” an. Sicher, es gibt auch noch das 1997er Debüt „Von“, aber das war selbst mir etwas zu abgedreht. „Ágætis Byrjun” ist vielleicht das eigentliche Debüt der Band, denn hier findet das isländische Quartett zu seinem markanten Sound, einem breitflächigen Post-Rock, irgendwo zwischen fragiler Zerbrechlichkeit und wüstem Chaos. Beides existiert auf wundersame Weise nebeneinander in der Welt von Sigur Rós. So definiert „Ágætis Byrjun” all die Elemente, welche die Musik von Sigur Rós so unbeschreiblich machen. Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle, voller Größe und Musikalität. Musik, die Bilder in deinem Kopf erschafft. Im Idealfall natürlich Bilder der schroffen isländischen Landschaft, denn die passt, wie keine zweite zur Musik der Band. Der Rest kann als Soundtrack zum ganz persönlichen Film des Lebens dienen. So bewegt sich das Zweitwerk der Band trotz des schwerelosen Anfangs mit dem traumhaften „Svefn-G-Englar“ und dem eingängigen „Starálflur“ (dass spätere Pop-Exkurse bereits erahnen lässt) insgesamt eher im Nebel, aus dem es dann aber in gewissen Momenten immer wieder ausbricht. „Ný Batterí“ sei da mal stellvertretend zu nennen. Oder das epische “Viðrar vel til loftárása”. Kaum in Worte zu fassen ist der Moment, als hier das Orchester aufspielt. Sigur Rós sind für die Musikwelt eine ungeheure Bereicherung, soviel steht am Ende des Jahrzehnts fest. Keine Band klingt so, wie sie und sie klingen auch wie keine andere Band. Hier kann der Begriff „einzigartig“ endlich auch wieder gebraucht werden, ohne aufgesetzt zu erscheinen. Kaum eine Band schafft es mich immer wieder aufs Neue musikalisch so mitzureißen. Die Musik von Sigur Rós zwingt einen förmlich zum Innehalten und Hinhören. Selten klang Melancholie so gut, wie hier. Auch nach gut zehn Jahren hat diese Musik nichts von ihrer Kraft und Genialität verloren, so dass anzunehmen ist, dass sie auch weiterhin noch viele Jahrzehnte überdauern wird. Wenn die Welt der Populärmusik schon etwas für die Nachwelt zu hinterlassen hat, dann doch bitte diese Klänge.
Anhören: “Svefn-G-Englar”, “Viðrar vel til loftárása”, “Olsen Olsen”, “Ágætis Byrjun”

Samstag, 28. November 2009

Die besten Alben 2000 - 2009 / Plätze 20 - 16

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20. Elbow “Cast Of Thousands” (2003)

21QVFFYG35L-_SL160_AA115_Wie kann der gute Mann denn weiter oben schreiben, das “Seldom Seen Kid” das wohl beste und ausgereifteste Elbow Album ist und dann befindet sich noch eins weiter oben? Ja, auf dem Papier mag das vielleicht so sein, aber dieses Ranking ist ja weitab davon entfernt, nur objektiv zu sein. Also ist es vor allem die Tatsache, dass mich „Cast By Thousands“ aus dem Jahr 2003 schon wesentlich länger begleitet, als das 5 Jahre später erschienene Album welches der Band aus Manchester endlich den großen Erfolg brachte. Und somit verbindet mich mit dem Zweitwerk der Band auch wesentlich mehr, weshalb es vermutlich auf nicht absehbare Zeit mein Favorit bleiben wird. Nach dem etwas introspektiven Debüt „Asleep In The Back“ wagt sich die Band hier auf ihre schrullige Art und Weise ein wenig in die Welt hinaus und lässt bereits ihr Stärken erahnen. Wunderbar gefühlvolle Britpopsongs voller Sehnsucht und Melancholie, aber auch voll Schrulligkeit und auch gern mal Sex. „I’ve got your Number“ dürfte dafür der beste Beweis sein. Aber auch der noch etwas verschlafene Opener „Ribcage“, der uns sozusagen inklusive Gospelchor am Aufstehen teilhaben lässt, bevor uns dann das schmissige „Fallen Angel“ durch den Tag begleitet. Doch immer wieder ist es die Melancholie, die uns dabei einholt. Wie bei der streichergetränkten Hommage an das „Fugitive Motel“, in der wundervollen Ballade „Switching Off“ oder der entspannt-sommerlichen Ballade „Not A Job“. Hier läuft die Band zu absoluter Höchstform auf. Und schon wieder und permanent ist es Guy Garveys Stimme. Dieser warme, biergestählte Klang seiner Worte, voller Hoffnung und Trauer. Als ob er trotz seines nicht so hohen Alters schon alles gesehen hätte. Dann wird das Album wieder ein wenig düsterer und verspielter und besucht bei „Crawling With Idiot“ auch schon mal, so scheint es, die örtliche Irrenanstalt. Doch aus diesem Dunkel dringen die ersten Gitarrenakkorde des wunderbaren „Grace Under Pressure“, welches in den nächsten fünf Minuten zu einem der schönsten Songs aller Zeiten heranwachsen wird. Als am Ende halb Glastonbury mit anstimmt: „We still believe in love so fuck you!“ ist das ein Moment nahe der Perfektion, bei dem man gern selber unter dem Cast von Tausenden dabei gewesen wäre. Große Songkunst, welche diese Band hier erneut zelebriert. Songs, welche sich bedingungslos allen Klischees verweigern, aber dann irgendwie doch „klassisch“ klingen. Aber vor allem klingen sie, wie kaum eine andere Band. „Cast By Thousands“ bleibt, gerade durch die 3,4 wirklich herausragenden Songs drauf, die Elbow’s Sperrspitze gegen den schlechten Geschmack bilden, auch 6 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung immer noch ein Kapitel für sich, dass ich mir immer wieder gern gönne.
Anhören: „Fallen Angel“, „Switching Off“, „Not A Job”, “Grace Under Pressure”

19. Manic Street Preachers “Lifeblood” (2004)

3155E9Z8WSL-_SL160_AA115_Es ist vielleicht das überraschenste Album in meinen Top 20. Denn wenn ich meine Liebe zum 2004er Werk der Manic Street Preachers äußere treff ich häufig über erstaunte Gesichter. Kein Mensch scheint dieses album zu mögen. Kritiker haben es damals verrissen, Käufer gemieden, Fans sowieso und selbst die Band war schon kurz nach dem Release nicht mehr davon überzeugt und hat es mittlerweile als missglücktes Experiment zu den Akten gelegt. So wird „Lifeblood“ immer der Aussetzer in der Manics Biographie bleiben. Ein vollkommen zu dick produziertes Kitsch-Pop-Album voller 80er-Stadion-Rock-Momente. Kaum etwas, wofür man die drei Waliser mag findet sich auf diesem Album in Fülle wieder. Warum also? Weil ich es liebe und nicht anders kann. Allein der Opener, der melancholische, aber kraftvolle Rückblick ins Jahr 1985 reißt einen in einen Sog aus Hymnen, Gitarrensoli und jede Menge Synthesizern. Zu viel von allem, aber ich nehm es gern in Kauf. „Morrissey and Marr gave me a choice.“ Da kann man Nicky Wire nur zustimmen. Auch der Rest steigt locker mit ein. Egal, ob Coldplay-Pianos auf „Empty Souls“, furchtbare Schwulst-Soli auf „Glastnost“, dicke 80er Bassläufe auf „Always Never“ oder ne Mundharmonika auf „Fragments“… was die Killers erst Jahre später für sich beanspruchen sollten… die Manic Street Preachers waren eindeutig schneller. Das ganze funktioniert vielleicht nicht unbedingt als Manics Album, aber als hervorragendes Gitarren-Retropop Album mit extrem eingänigen Melodien und guten Songs. Und das muss man der Platte einfach zu gute halten: die Songs sind sehr, sehr stark. Eigentlich keine Schwachstellen auf dem Album. Und die Kitsch-Produktion ist natürlich gerade bei den Garagenrock-verwöhnten Manics Fans sicher umstritten, aber man muss halt einen Draht dazu finden. Vielleicht hätte die Band das Album mal lieber 5 Jahre später veröffentlichen sollen, denn heute ist das Ganze vermutlich wieder wesentlich salonfähiger, als damals. Im Jahr 2004 hatte die Welt zu Zeiten von Libertines und Franz Ferdinand vermutlich ein anderes Zeichen von den Herren erwartet. Ironischerweise habe ich abseits dieses Albums und einiger ihrer tollen großen Hits der 90er nie wirklich einen Zugang zu der Band gefunden. Kommt vielleicht noch. Aber vielleicht geht es auch anderen, verlorenen Seelen ähnlich und ihnen gibt „Lifeblood“ etwas, das ihnen andere Manics Alben nicht geben. Und all die können diese Platzierung hier nachvollziehen. Der doughnut ist schon mal auf meiner Seite. Wer schließt sich noch an?
Anhören: “1985”, “Empty Souls”, “Emily”, “Solitude Sometimes Is”

18. Athlete “Tourist” (2005)

51eogvAsjeL-_SL160_AA115_Ja, das ganz große Gefühl. Athlete können da sicher das ein oder andere Liedchen von singen. Am besten auf diesem Album hier, ihrem Zweitwerk „Tourist“. Nachdem verspielt-leichten Debüt „Vehicles & Animals“ (Platz 45 der Liste) schlägt man danach richtig traurige Töne ein. Als ob die Band über Nacht erwachsen geworden ist. Und so begrüßt einen der Opener „Chances“ sofort mit Piano und großen Streicherflächen, sowie der eindringlichen Botschaft „I need some more love“. Donnerwetter! Nix mehr mit Kurzurlaub in El Salvador. Dennoch funktioniert der ernstere Grundton auf „Tourist“ außerordentlich gut, weil die Songs zum Einen sehr gut gemacht sind und die Produktion zwar voller Pathos und Kitsch ist, einen dabei aber selten erschlägt. So wie beim Opener bleibt das ganze auch bei anderen Schmonzballaden, wie „Wires“ oder „Yesterday Threw Everything At Me“ im Rahmen. Und die richtig ruhigen Momente, wie „Trading Air“ oder das traumhafte „Street Map“ berühren sogar mit angezogener Handbremse. Zwischendurch gibt es das schleichende Tittellied und uplifiting Momente mit „Half Light“, sowie dem wunderbar melancholischen „If I Found Out“, bei dem am Ende sogar der Chor noch mitsingen darf. Doch nie wirkt es übertrieben, stets schafft die Band eine gute Balance. Gut, außer vielleicht am Ende bei „Twenty Four Hours“. Da trägt man dann vielleicht sogar etwas zu dick auf, entschädigt aber gleich im Anschluss mit dem akustischen „I Love“. Und neben der neuen Melancholie mit Streichern und Piano schimmern auch nachwievor ein wenig die schrulligen Elektroexperimente des Debüt durch, wenngleich natürlich in wesentlich reduzierterer Form. Irgendwie würde es auch nicht ganz so klingen. Das etwas heitere „Modern Mafia“ fällt somit auch irgendwie aus dem Kontext. Schon beeindruckend, das eine Band hintereinander zwei Alben wie Tag und Nacht produzieren kann, sie aber beide mit einem individuellen Farbton bemalen kann. So funktioniert „Tourist“ als geschlossenes Album mit traumhaft melancholischen Britpopsongs und vielen sehr guten Erinnerungen in meinem Herzen. Der Brillianz dieser ersten beiden Alben läuft die Band seit dem ein wenig verzweifelt hinterher. Gerade das diesjährige „Black Swan“ ist trotz seiner Rückkehr zu vielen Stärken von „Tourist“ eine gleiche Enttäuschung. Vielleicht ist die Luft ja doch schneller raus, als ich damals dachte. Aber wer so gute Songs wie hier schreiben kann, der macht das doch nicht aus Zufall. Ich behalte die Hoffnung vorerst.
Anhören: “Chances”, “Tourist”, “Wires”, “If I Found Out”, “Street Map”

17. Thirteen Senses “The Invitation” (2004)

411Q8F5XT5L-_SL160_AA115_Hoffnung ist auch ein gutes Stichwort bei den Landsmännern von Athlete, den Thirteen Senses. Die waren ja mit ihrem Debüt große Hoffnungsträger auf den Raum, den Coldplay mit ihrem Melancholiepop hinterlassen hatten, nachdem sie sich Richtung Stadionrock entschieden haben. Heute wie damals ist „The Invivation“ eines der besten Debüts der vergangenen zehn Jahre. Ich erinner mich noch an den Moment, als Blogkollege doughnut auf mich zukam und mir 2005 den Song „Into The Fire“ ans Herz legte. Was für ein traumhaftes Stück melancholischer Britpop. Die butterweiche Stimme von Sänger Will South legte sich auf ein feines Instrumentarium, welches man von eben jenen einschlägigen Bands aus England zu Beginn dieses Jahrzehnts so kannte. Pianopop, der niemandem weh tut und dabei aber zum melancholischen Nachdenken anregt. Während da sicher auch bei mir der Durst danach mittlerweile etwas erlischt ist, war dies vor fünf Jahren noch nicht der Fall, also nahm ich die musikalische Einladung von „The Invitation“ dankend an und habe mich sehr schnell in die wunderbar traurigen Liebeslieder mit ihren kryptischen Lyrics verliebt. Eine Liebe, die bis heute angehalten hat. „The Salt Wound Routine“ bleibt einer der schönsten Songs dieser Dekade, genauso wie das wunderbar leichte „History“. Doch wirklich leicht ist natürlich nichts auf „The Invitation“. Über den Songs liegt Trauer, Zerbrechlichkeit und das große Gefühl. Vom erlischenden Feuer der Liebe in „Gone“ bis hin zur vermeindlichen Rettung in der sechsminütigen Pianoträumerei „Saving“. „I need this undivided, I want this thing to stop“ fleht South mit seinem zerbrechlichen Falsetto. Dies alles ist natürlich ziemlich weit entfernt davon, irgendwie kreativ oder innovativ zu sein. Genaugenommen waren die Thirteen Senses ja relativ spät dran mit dieser Musik, denn in England regten sich schon ganz neue Strömungen. Mein Argument für „The Invitation“ heißt Liebe! Ich habe mich damals in dieses Album verliebt und die Songs verinnerlicht und zu einem wichtigen Teil meines Lebens gemacht. So hat mir dieses Album über viele Probleme hinweg geholfen und dafür muss ich ihm einfach danken. Für mich hat die Musik immer noch die Magie von damals. Vielleicht würde ich’s ansonsten heut anders sehen. Den Erfolg konnte die Band leider nicht mehr wiederholen. Trotz okayer Qualität floppte der Nachfolger „Contact“ in gigantischer Art und Weise und an einem vermeindlichen dritten Album arbeitet man irgendwie schon verdächtig lange. Na ja, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Anhören: „Into The Fire“, „The Salt Wound Routine“, „Saving“, „History“

16. Interpol “Our Love To Admire” (2007)

51m3zVRlFBL-_SL160_AA115_Beweisen muss mir diese Band nichts mehr. Bei Interpol steht der Name für Qualität. Drei Herausragende Alben in fünf Jahren sprechen eine eindeutige Sprache. Auf ihrem letzten nähert sich die Band mit Lichtgeschwindigkeit der Perfektion des eigenen Sounds, so dass man sich ernsthaft fragt, was denn da noch auf dem für Anfang 2010 angekündigten neuen Longplayer kommen soll, außer Stagnation auf hohem Niveau oder der komplette Umbruch. Auf „Our Love To Admire“ spielt das Quartett aus New York die bisherigen Stärken aus und serviert ihr bestes und zielgerichtetes Album bisher. Die Band selber überlässt keinen Akkord dem Zufall. Das merkt man diesen Songs auch an. Alles ist an seinem Platz, alles wirkt stimmig, atmosphärisch sowieso. Allein der Opener „Pioneer To The Falls“ ist von einer so erschreckend guten Qualität, dass es einem die edlen Schuhe auszieht. Daniel Kessler’s markante Gitarren, Paul Banks Stimme ... und von Carlos Dengler’s Bass fang ich mal gar nicht an. Bereits „Pioneer“ umweht dieser düstere Wind der Präzision, der Interpol so magisch macht. Auch die neuen Elemente des Albums, Keyboard, Bläser und Piano fügen sich nahtlos in das Gesamtkonzept Interpol ein. Und obwohl Songs wie „No I in Threesome“ oder das kongeniale „Pace Is The Trick“ irgendwie eingängiger als bisher wirken, haben sie dennoch nix von ihrer Tiefe verloren. Interpol besitzen diese eigenen, prägnanten Sound, welcher sie unverkennbar macht. Sehr verhalten und introvertiert auf der einen Seite, aber auch sehr druckvoll und spannungsgeladen auf der anderen. Wie eine innere Zerrissenheit. Auch wenn Songs wie „Mammoth“ und „Who Do You Think?” so direkt nach vorn gehen, wie vorher selten Songs der Band, so bleiben auch sie in diesem seltsam, verhaltenen Rahmen. Spannung durchsetzt die Musik von Interpol. Ein radikaler Soundwechsel blieb auch diesmal aus, die düstere Magie der epischen Songs ist geblieben, wenngleich man halt etwas fokussierter zu Werk geht. Doch die Überraschungen bleiben. Wundervoll und gespenstisch zugleich, wenn die Band am Ende bei „The Lighthouse“ mit ihrem Gitarrenspiel die Wellen des Meeres immitiert. Die etwas sehr reine Produktion des Albums könnte unter Umständen Fans des Debüts abschrecken, aber zu meckern gibt es bekanntlich immer etwas und wir jammern hier ja auch auf einem sehr hohen Niveau.
Anhören: „Pioneer To The Falls“, „No I In Threesome“, “Pace Is The Trick”, “The Lighthouse”

Sonntag, 15. November 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Plätze 30 - 21

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30. PeterLicht “Lieder vom Ende des Kapitalismus” (2006)
Als fast schon prophetisch könnte man das 2006er Werk des deutschen Songwriters PeterLicht beschreiben. Bereits ein paar Jahre vor der Finanzkrise besang er das Ende des guten alten Kapitalismus auf seinem gleichnamigen Konzeptalbum. Dass dabei keine linke „Ton-Steine-Scherben“-Prolemik herausgekommen ist, liegt vor allem daran, dass Herr Licht ein hervorragender Songschreiber ist, vielleicht der Beste, den wir in diesem Land haben. Seine Wortwahl ist feinstens und schafft eine durchaus gute Balance zwischen Kryptik und Klarheit. Dazu kommt die entspannte Grundstimmung dieses Albums, die etwas von einem lauen Sommertag hat. So verkommt der Zusammenbruch des westlichen Finanzsystems zu einem entspannten Befreiungsschlag, dem PeterLicht jegliche Dramatik und Panik nimmt. So ist dieses Album auch ein Gegenentwurf zur Leistungsgesellschaft, zu Konsum und zum alltäglichen Funktionieren und der Hektik. Licht besingt das „absolute Glück“ der Ruhe, ruft zum „Wettentspannen“ auf schaut ein wenig melancholisch aber durchaus zuversichtlich im Titelstück auf das System zurück. Doch stets blinkt der Schalk im Nacken durch, ein gewisser Wortwitz, welcher dem ganzen Thema die Schwere nimmt. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich „Mr. Sonnendeck“ nach seinen ersten beiden Alben hier deutlich vom Prinzip des Elektropops löst und Platz für Gitarre, Bass und Schlagzeug macht, was das ganze erdiger und greifbarer macht. Ein Aufbruch in eine neue Zeit, der aber die Melancholie nie außen vor lässt. Auch weil Licht sich nicht nur auf Politik beschränkt, sondern auch Zwischenmenschlichem einen Platz gibt, wie in dem phänomenal guten „Kopf Zwischen Sterne“, meinen nach wie vor liebsten deutschsprachigen Song. Und sicher, ich hab vielleicht nicht alle deutschen Klassiker der vergangenen zehn Jahre gehört, aber „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ ist offiziell mein liebstes deutsches Album dieser Dekade. Intelligent, aber dennoch verständlich und außerdem voller Gefühl und Emotionen. Und trotzdem lädt es zum Mitsingen ein. Und dann auch noch mit jede Menge Politik drin. Eine Gradwanderung, welche sicher nicht alle Künstler so gut hinbekommen. Man braucht eine Weile, um es zu verstehen, aber dann erschließt sich dieses Album gern demjenigen, der bereit ist zuzuhören. Deutschland kann am Ende, wenn es will, doch noch Land der Dichter und Denker sein.
Hörpflicht: „Das Absolute Glück“, „Lied vom Ende des Kapitalismus“, „Kopf zwischen Sterne“

29. Morrissey “You Are The Quarry” (2004)
Retro sei Dank! Er war wirklich weg vom Fenster, der gute Stephan Patrick Morrissey. In den 80ern war er als Smiths-Frontmanm ein Idol, in den 90ern versank er langsam im musikalischen Niemandsland. Nach Jahren ohne Plattenvertrag und guter Songs, kam 2004 das überfällige Comeback. In einer Welt, in der britischer Indie-Rock gerade seinen x-ten Frühling hatte und sich alle Bands auf die Smiths als Einfluss einigen konnten, war die Welt wieder bereit für diesen Mann und seine Songs. Und so war „You Are The Quarry“ ein Erfolg auf ganzer Linie. Nicht nur wegen der Hits „Irish Blood, English Heart“ oder „First Of The Gang To Die“, welche Morrissey eine neue Generation von Fans erschloss. Auch der Rest kann sich sehen lassen. Morrissey ist wieder erstärkt und macht das, was er schon immer gemacht hat. Ein Rundumschlag gegen falsche Prominente (“The World Is Full Of Crashing Bores”), intolerante Amerikaner (“America Is Not The World”) oder seine Kritiker („How Can Anybody Possibly Know How I Feel?“). Und dazu das ewige Hadern mit sich selbst. Er resümiert über sein Leben (“I’m Not Sorry”), nur um an Ende voller Stolz, Würde und Pomp festzustellen: “You Know I Couldn’t Last“. Von allem bitte eine Spur mehr. Mehr Gitarren, mehr Pomp. Die Haare werden zwar grauer und der Vegetarierbauch etwas dicker, aber die großen Gesten sitzen wieder perfekt. „You Are The Quarry“ ist das stärkste Morrissey Soloalbum seit Beginn der 90er. Alles, was es an diesem Mann zu lieben gibt, findet sich hier. Und auch seine Kritiker werden wieder genug Material finden. Ihm ist alles egal. Er ist eine lebende Legende, hat Generationen von Musiker und Menschen nachträglich beeinflusst. Ein einsamer Fels, welcher sich in einem immer schneller werdenden Pop-Business eine gewisse Robustheit und Stilsicherheit bewahrt hat. Wenn es so einen Jacko-like-Titel, wie „King Of Indie“ geben würde, dieser Mann würde ihn zurecht tragen. Doch vermutlich würde er ihn gar nicht annehmen wollen. Morrisseys astreines Comeback war der Startschuss zu einer fulminanten zweiten Hälfte der Dekade, in denen dieser Mann noch mal alles gab. Vielleicht am Ende etwas zu viel, denn langsam geht ihm wieder die Puste aus, sowohl musikalisch, als auch wörtlich. Wenn sich dieser Mann demnächst noch mal eine Pause gönnt und bereit ist in 1,2 Jahren noch mal anzugreifen, dann kann dies durchaus etwas bringen, obwohl er eigentlich in Rente gehen wollte. Brauchen tut ihn die Musikwelt trotzdem nach wie vor.
Hörpflicht: “Irish Blood, English Heart”, “I’m Not Sorry”, “First Of The Gang To Die”, “You Know I Couldn’t Last”

28. Kent “Du Och Jag Döden” (2005)
Bereits zum zweiten Mal begegnen uns nun die Schweden von Kent in der Top 100. Nach einem okayer 73. Platz für das 2002er „Vapen Och Ammunition“, schafft es der Nachfolger „Du Och Jag Döden“ (Du und ich tot) sogar in die Top 30. Ein Wunder ist das nicht, denn „Döden“ ist das persönliche Meisterstück dieser Band, ein Album welches man als Band, wenn man Glück hat, nur einmal im Leben aufnimmt. So besticht das 2005er Werk mit viel atmosphärischer Dichte und wundervollen Songs, für die jegliche Sprachbarriere kein Hindernis darstellt. Nach dem poppigen Vorgänger schlägt „Du Och jag Döden“ einen deutlich düsteren, nachdenklicheren und melancholischeren Ton ein, trotz einer Powernummern, wie „Palace & Main“ oder „Max 500“. Der schnittige Basslauf von „400 Slag“ zählt immer noch zu meinen Lieblings-Albumanfängen, zumal dem Basslauf auch ein wundervoll hymnischer Song folgt. Die weiteren Songs bleiben hochmelodiös, lassen aber immer wieder diese spezielle nordische Melancholie durchsickern. Bsp. Beim akustischen „Järspoken“ oder dem anschließenden „Klåparen“. Die Stimme von Joakim Berg bleibt dabei das heimische Element, das die Songs auch weiterhin trägt. Und gerade wenn die Instrumentierung sich reduziert, wie beim simplen, traurigen „Rosor & Palmblad“ zeigt sie ihre ganze Kraft. Einer der Hauptgründe, dieses Album zu lieben bleibt für mich aber immer noch der epische Schlusstrack über den Mann mit dem weißen Hut. „Mannen I Den Vita Hatten“ ist über sechseinhalb Minuten ein wunderbares Wechselbad der Gefühle, in welches ich mich auch nach Jahren immer noch gern reinfallen lassen, auch weil der Song nach all der Dunkelheit des Albums am Ende eine gewisse Aufbruchsstimmung versprüht, voller Kraft und Energie. Mit diesem Geniestreich verpasst die Band dem Album das i-Tüpfelchen. Diese wunderbare Symbiose aus kraftvollen Gitarrenwänden und ruhigen, zerbrechlichen Momenten hat diese Band seitdem nie wieder in dieser Form hinbekommen, vielleicht auch weil sie es vielleicht so nicht mehr schaffen würde. Die Nachfolgealben „Tillbaka Till Samtiden“ und das jüngst erschienene „Röd“ gehen eher in eine elektronische Richtung, was an sich nicht verkehrt ist, aber dem Ganzen fehlt einfach die häufig Seele, die auf diesem Album noch so wunderbar zu hören ist. Bitte in Zukunft wieder mehr davon.
Hörpflicht: „400 Slag“, „Palace & Main“, „Mannen I Den Vita Hatten (16 År Senare)“

27. Interpol “Turn On The Bright Lights” (2002)
Aaaaahhh... Interpol. Nothing to explain! Mit drei unglaublich guten Alben (die anderen beiden kommen noch weiter oben, logischerweise) hat sich das Quartett aus New York in mein Herz gespielt und mich mit ihrer Musik öfters berührt als viele andere Bands. Hier ist mal wieder der Begriff „Lieblingsband“ fällig, wenngleich ich den auch gern mal bei zehn anderen benutze. Ist halt alles ne Herzensangelegenheit. Witzigerweise habe ich den Nachfolger „Antics“ eher kennen gelernt, deshalb ist das Debüt „Turn On The Bright Lights“ sozusagen mein zweites Interpol-Album. Das Gefühl ist aber das gleiche. Bereits beim Eröffnungstrack „Untitled“ entfaltet die Band ihre fulminante, düstere Energie, auch wenn sie hier noch hinter einer Nebelwand verborgen scheint. Erst beim darauf folgenden Song „Obstacle 1“ wird man konkreter. Die Geschwindigkeit wird angezogen, der Bass von Carlos Dengler vibriert vor sich hin und die treibende Stimme von Paul Banks dringt durch alle Körperzellen. In diesem Wechsel gibt sich auch das Album. Zum einen träumerisch-melancholisch, wie bei „NYC“ oder „Hands Away“ oder ruppig treibend, wie bei „Say Hello To The Angels“ oder „Ronald“. Doch stets bleibt man dabei düster und voller geheimnisvoller Magie. Ich kann das, wie immer, ganz schwer in Worte fassen. Ja, von mir aus, nehmt die Joy Division Vergleiche der Musikpresse, aber diese Band klingt in erster Linie nach sich selbst. Die einzelnen Elemente sind dabei bestens aufeinander abgestimmt, so dass man das Gefühl hat, jeder Akkordwechsel, jede Bridge ist genau da, wo sie hinmuss. Für ein Debütalbum ist „Turn On The Bright Lights“ recht professionell, das muss man zugeben. Textlich gibt sich Banks melancholisch-kryptisch, so dass die Songs gern zur Eigeninterpretation freigegeben sind. „She doesn’t know that I left my urge in the icebox“ stellt Banks dabei am Ende fest. Die Stimme unterlegt mit viel Hall über einem traurig, tragendem Melodiegefüge. Selten klang Musik gleichzeitig so kühl und distanziert, wie gleichzeitig herzlich. Im Vergleich zu den beiden Nachfolgern fehlt der Musik auf dem Debüt noch ein wenig das Konkrete. Man merkt, dass die Band noch nicht alle Trümpfe ausspielt. Ich kann gar nicht mehr dazu schreiben, ohne in belanglosen Mist abzudriften. Ich lade deshalb alle Leute ganz herzlich ein, sich näher mit dieser Band zu beschäftigen und in ihre Musik einzutauchen. Vielleicht wird es ja auch eine von euren Lieblingsbands.
Hörpflicht: “Untitled”, “Obstacle 1”, “Stella Was A Diver And She Was Always Down”, “Leif Erikson”

26. I Love You But I’ve Chosen Darkness „Fear Is On Our Side“ (2006)
Ha, und wo wir gerade bei der düsteren Magie sind... diese Band passt auch voll und ganz in diese Thematik. Hab ich ja schon bei „The Organ“ geschrieben. Mich kannst du einfach mit diesem düsteren New-Wave-Post-Punk-Scheiß rumbekommen. Interpol sind sicher die Band, die es diesbezüglich am meisten drauf hat, dich sollte man darüber hinaus auch nicht einige andere aus dem Fahrwasser vergessen. Den passenderen Namen haben I Love You But I’ve Chosen Darkness ohnehin. Wie EMO ist das denn bitte schön? Musikalisch sind Chosen Darkness eigentlich ein Interpol-Klon, wenngleich die es natürlich nicht ganz so perfekt hinbekommen und Frontmann Christian Goyer natürlich kein zweiter Paul Banks ist. Dennoch versprüht das Debüt „Fear Is On Our Side“ ebenfalls diese düstere Kälte, die ich an dieser Musik so liebe. Da ist man auch näher an den 80ern dran, als die Kollegen aus New York. Man beachte nur einmal den Hall des Schlagzeugs auf dem wunderbaren „Long Walk“, welches besagten Gang natürlich musikalisch bestens wiedergibt. Dazu kommen unglaublich viel Gitarren- und Synthiewände, die gern mal in Sphärische abdriften und es auf Tracks wie „We Choose Faces“ oder dem fulminanten Abschluss „If It Was Me“ gern mal maaslos übertreiben. Tracks wie die Single „According To Plan“ oder „Last Ride Together“ kann man eine gewisse Tanzbarkeit aber ebenfalls nicht aberkennen. Auch wenn Chosen Darkness stellenweise für viele Geschmäcker etwas zu dick aufdrücken (Mehr Delay, bitte!), ändert das nichts an der wunderbaren Atmosphäre, welches dieses Album von der ersten bis zur letzten Minute erzeugt. Es ist dieses Gefühl, welches nur diese Form von Musik bei mir auslösen kann. Wer also der Meinung ist, in dem musikalischen Feld noch etwas Neues zu entdecken, der möge gern mal reinhören und sich bezaubern lassen. Die etwas poppigere und etwas kitschigere Interpol-Ausgabe. Trotz eines gewissen Kritikererfolges fehlt von der Band seit einiger Zeit jede Spur. Entweder arbeitet man fernab der Zivilisation doch noch am Nachfolger, oder der Ofen ist bereits jetzt schon aus. Wäre irgendwie schade, wie so oft.
Hörpflicht: “According To Plan”, “Lights”, “Long Walk”, “If It Was Me”

25. Elbow “The Seldom Seen Kid” (2008)
Das war aber überfällig! 2008 war das Jahr, in welchem die famosen Elbow endlich in der britischen Heimat vom Geheimtipp zu etwas Größerem wurden. Top 10 Platzierungen gab’s, Radiohead hat man den renommierten Mercury Prize vor der Nase weggeschnappt und den Brit-Award gab’s genauso, wie ne ausverkaufte Wembley Arena. Von Album zu Album hat sich diese Band auf einem ohnehin schon sehr hohen Niveau immer wieder gesteigert, um mit „The Seldom Seen Kid“ den vorläufigen kreativen Höhepunkt zu erreichen und ihr stärkstes Werk vorzulegen. Die Jahre als Geheimtipp hinter Coldplay und Co. haben die Band aus Manchester geformt und ließ sie ihre melancholischen, immer etwas schrulligen und auch irgendwie sehr britischen kleinen Popsongs perfektionieren. Und wie bei den Vorgängern ist es am Ende wieder die Stimme von Sänger Guy Garvey, welche einen wie ein heller Leuchtturm, durch alles Chaos und alle Experimentierfreude nach hause geleitet. Die Texte sind gefühlvoll, die lyrischen Bilder Garvey’s schwanken zwischen Genialität und witzigem Unterton. „The Seldom Seen Kid“ wirkt dabei wie aus einem Guss und wurde einem vorher verstorbenem Freund der Band gewidmet. Dies verleiht der Platte eine gewisse Intimität und Authentizität. Ein Album, welches sich hervorragend für die Nacht eignet. Sperrigen Songs, wie dem groovigen „Grounds For Divorce“ oder dem bartrunkenen „The Riot“ stellen sich melancholische Songs wie „Mirrorball“ gegenüber. Und immer lockt der Hang zu großen Momenten. „The Loneliness Of A Tower Crane Driver“ entwickelt sich am Ende zu einem gewaltigen Monster und spielt orchestral in einer anderen Liga. „Weather To Fly“ strotz vor vorsichtigem Optimismus, den „One Day Like This“ später inklusive Chor auf die Spitze treibt. Das Album endet mit dem unglaublichen „Friends Of Ours“, einem der traurigsten Songs, den ich je gehört habe. Die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, der vorsichtige Optimismus und die leise Erkenntnis „Love you, mate“. So ist dieses Album Trauerbewältigung, Nachtsoundtrack und Liebeserklärung in einem. Untermalt von Musik, der ich wirklich den Begriff „Anbetungswürdig“ verleihen möchte. Schön, dass es immer noch so aufrichtige, bewegende Musik, wie diese gibt. Ein episches Meisterwerk, das eben keins sein will und bei dem man sich ausnahmsweise mal mit Kritikern und Käufern einig sein kann. Wann gibt es so etwas schon noch mal. Ich hoffe auch für die nächsten zehn Jahre, dass sich die Band treu bleibt. Dann besteht noch Hoffnung! Ich trinke drauf!
Hörpflicht: „Mirrorball“, „Grounds For Divorce“, „One Day Like This“, „Friend Of Ours”

24. Sigur Rós “( )” (2002)
Ach, mal wieder meine Lieblingsisländer von Sigur Rós. Was soll ich da eigentlich noch schreiben, was ich nicht schon bei „Takk…“ weiter oben bereits getan hab und was die Welt ohnehin schon weiß. Natürlich macht diese Band die wundervollste Musik auf Erden über deren Kraft und Emotionalität ich ja eigentlich niemandem mehr großartig was erzählen muss, oder? Fokussieren wir uns mal kurz auf das 2002er Album, welches eigentlich keinen Namen hat, aber gern als das weiße Album der Band bezeichnet hat, bzw. als „( )“. Dabei treibt die Band die Namenlosigkeit auf die Spitze und stellt die Musik mehr denn je vor alles andere. Das Album hat keinen Namen, auch die 8 Stücke darauf haben keine. Und selbst das Booklet ist durchsichtig und bietet keine Informationen. Und wenn das nicht schon genug wäre, singt Sänger Jonsí auch nicht, wie üblich auf Isländisch, sondern in einer Art Fantasiesprache, die man sich selber ausgedacht hat. Ich glaube, er singt in dieser Sprache auch nur einen einzigen Satz in unterschiedlichen Variationen, bin mir da aber nicht sicher. Musikalisch geht „( )“ den Weg des Vorgängers “Ágætis Byrjun” natürlich weiter, wenngleich der Grundton vielleicht noch ne Spur düstere ist und gerade in der zweiten Hälfte verstärkter ins Experimentelle und Verstörende abgleitet. Die verhältnismäßig ruhigen, traurigen Songs 1 bis 4 sprechen da noch eine ganz andere Sprache. Doch gerade der fast 12minütige Abschlusssong ist noch mal eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Vielleicht ist „( )“ nicht das ideale Einstiegsalbum in die Klangwelt von Sigur Rós. Bei mir war es das aber ironischerweise. Vermutlich ist der Rest dagegen ein wenig Kindergarten. Aber gerade deshalb hat das weiße Album der Band für immer einen besonderen Platz in meinem Herzen. Und jetzt hör ich hier aber auch mit Schwafeln. Über diese Musik redet man nicht, sondern man hört sie! Versteht das hiermit als verbindliche Aufforderung dazu! Danke!
Hörpflicht: “Untitled #1”, “Untitled #3”, “Untitled #8”

23. Arctic Monkeys “Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not” (2006)
Es war die Band, die damals aus dem Nichts kam und alles überrannte… die Arctic Monkeys haben es trotz Verbreitung durchs Internet geschafft, am schnellsten verkaufte Debüt der britischen Chartsgeschichte abzuliefern. Der Wirbelsturm der arktischen Affen um Alex Turner aus dem beschaulichen Sheffield umfasste in Windeseile Kritiker, Musikerkollegen und natürlich die Fans. Die füllten in England bereits vor dem Release des Albums die größeren Hallen und sangen im Festivalsommer 2006 zu Tausenden die Songs des Debüts auf den großen englischen Festivals… ein Hype, den es in dieser Form seit Oasis nicht mehr gab. Und die Parallelen sind durchaus vorhanden, was die Arctic Monkeys vielleicht zu der einzig wahren Band der Generation „Indie“ (hat die eigentlich ’nen Namen?) macht, wenngleich da natürlich mit Maximo Park, Bloc Party oder anderen Kandidaten noch reichlich Konkurrenz mit am Start war. Doch die Monkeys sprachen einfach die Mehrheit ihrer Generation. Selbst gerade mal die 20 geknackt, versprühen die Lads aus Sheffield vor allem viel Authentizität auf „Whatever People Say I Am… .“ Das sind dann natürlich die Themen aus dem Arbeitermilieu, Songs über verzweifelte Liebe, Diskotheken, Alkohol und die alltägliche Tristesse von Orten, wie eben Sheffield. Turner verpackt all dies in eine erstaunlich direkte, aber trotzdem noch sehr lyrische Sprache, mit welcher er häufiger zu rappen, als zu singen scheint. Und obwohl die Songs teilweise hingerotzt wirken und diesen Garagenrock-Charme haben, wird deutlich, dass diese Band bereits damals vor allem musikalisch sehr, sehr talentiert war. Selbst wüste Songs wie „You Probably Couldn’t See For The Lights…“ oder “Perhaps Vampires Is A Bit Strong...” lassen unter all der jugendlichen Energie interessante Strukturen entdecken. Und auch ruhigere, melodiösere Songs, wie „Mardy Bum“ oder das abschließende „A Certain Romance“ beweisen, was für gute Musiker und kreative Songschreiber hier am Werk sind. Die Songs kennt eh jeder. „The View From Afternoon“ erschlägt einen gleich zu Beginn, „Dancefloor“ kann man vermutlich nicht mehr hören und „When The Sun Goes Down“ ist immer noch pure Energie. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Die Monkeys sind als 19jährige Lads einfach authentischer als viele andere Bands. Hinzukommen tolle, lebensechte und gut geschriebene Songs voller Energie, die genau in die Lücke trafen, welche die Libertines damals hinterlassen hatten. Echter, gut gemachter Gitarrenrock ist halt immer ein Erfolgsgarant, auch außerhalb des Vereinigten Königreiches. Man muss einfach die Zeit hinzusehen, um dieses Album, diese Band und diesen Wirbel zu verstehen. Vielleicht wär das heute in der Form auch nicht mehr so möglich, aber damals waren die Arctic Monkeys für kurze Zeit die Lebensretter schlechthin. Auch heute erinnere ich mich beim Hören immer noch gern an diese Zeit zurück. Die Band hat sich glücklicherweise nie auf diesem Erfolg ausgeruht, sondern sich stetig musikalisch weiterentwickelt und macht gerade deshalb heut immer noch viel Spass, auch oder gerade weil sie halt nicht mehr so grün hinter den Ohren ist.
Hörpflicht: “The View From The Afternoon”, “Fake Tales Of San Francisco”, “When The Sun Goes Down”, “A Certain Romance”

22. Tiger Lou “The Loyal” (2005)
Rasmus Kellermann aka Tiger Lou hat wohl nur darauf gewartet, bis er endlich eine Band um ein Indiefolk-Projekt scharren konnte, um dann in die Vollen zu gehen. War das Debüt „Is My Head Still On?“ noch von melancholischen Akustikgitarren geprägt, wird der Musik auf dem Nachfolger „The Loyal“ etwas Strom hinzugefügt. So überrascht uns Kellermann mitsamt Band nun mit einem neuen, noch düsteren, noch melancholischeren Sound. „The Loyal“ ist dabei wie ein packender Nachtflug. Damit meine ich sowohl den gleichnamigen Titeltrack, wie auch das ganze Album. Der gesamte Spund bekommt eine Art New-Wave-Anstrich und damit dürfte ja schon klar sein, was mich an diesem Werk so fasziniert. Es sind diese unglaublich atmosphärischen Songs, die zwischen Energie und Melancholie wechseln. Doch selbst druckvolleren Songs wie „Patterns“, „Functions“ oder „Like My Very Own Blood“ haftet etwas nachdenkliches, trauriges an, welches sich bei den ruhigen Nummern vollends entfalten kann. In den richtigen Momenten können Lieder, wie „Ten Minutes To Take Off“ oder „Nixon“ lebensrettend sein. Gerade Ersteres klingt wie ein wunderbar düsterer Traum. Wenn ihr nachts in der U- oder S-Bahn sitzt und nach draußen ins schwarze Nichts schaut, dann werdet ihr es verstehen. Die Musik von Tiger Lou ist intensive Gitarrenpopmusik voller kleiner Hits, die voller großer Atmosphäre stecken. So geht das Konzept mit „The Loyal“ voll und ganz auf, von „Woland’s First“ bis „Woland’s Last“. Eine ganz eigene, kleine Welt. Auf dem Nachfolger „A Partial Print“ wird die Thematik Konzeptalbum sogar noch etwas direkter umgesetzt. Mittlerweile hat Kellermann das Projekt Tiger Lou erst einmal für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt um sich neuen Dingen zu widmen. Das ist natürlich ein ziemlich herber Verlust, weil die Musik von Tiger Lou sich in den letzten Jahren zu etwas sehr Eigenem geformt hat, was nicht häufig passiert. „The Loyal“ ist ein traumhaftes Album, welches mir viele gute und lebensrettende Stunden beschert hat und das ich nicht missen möchte. Vielleicht kann es ja einen ähnlichen Effekt auch auf andere Menschen haben. Und wenn die dann auch alle das Album kaufen, dann überlegt es sich die Band vielleicht noch mal mit der Pause.
Hörpflicht: “The Loyal”, “Nixon”, “Ten Minutes To Take Off”, “Like My Very Own Blood”

21. Maximo Park “A Certain Trigger” (2005)
“Hallo, wir sind Maximo Park aus Newcastle“ – „Und was habt ihr zu bieten?“ – „Na, wir haben hier ein Debüt mit so Wave-Indie-Pop-Rock“ – „Es ist 2005, das hat doch grad jeder“ – „Gut, dann hören sie sich’s doch mal an“ – es folgt bedächtiges Schweigen. Schon beeindruckend, was die Herren um Paul Smith da auf ihrem Debüt verzapft haben. „A Certain Trigger“ haut einem mal eben so 13 Superhits um die Ecke, bei denen jeder Song aus sich herausschreit: „Wir sind hier, wir sind jung, wir zeigen’s euch!“ Ich hab’s damals in voller Fülle nicht sofort verstanden, sondern etwas länger gebraucht, wenngleich die richtig großen Hits natürlich sofort zünden. Ich rede von „Apply Some Preasure“, „Going Missing“ oder „Limassol“… die Songs die jeder kennt und jeder mitsingen können sollte. Oder auch das unverzichtbar wundervolle „The Coast Is Always Changing“, mein heimlicher Liebling des Albums, der Leben retten kann, wenn er denn muss. Musikalisch fischt man in den bekannten Gewässern. So bissle „Gang Of Four“ und auch ruhig die Smiths nicht außen vor lassen. Das funktioniert aber deshalb so gut, weil es damals natürlich zum einen, wie schon weiter oben, bei den Herren Monkeys erwähnt, einfach frisch und unverbraucht wirkte und zum anderen, weil die Songs wirklich ausnahmslos eingängig und zackig sind. Kurz, kompromisslos und hoffnungslos melodieverliebt. Dazu die wunderbar sophisticated lyrics von Everybody’s Darling Paul Smith, welche dem ganzen, gepaart mit seinem naturgegebenen Charisma so ein gewisses Extra geben. Stärker als die Konkurrenz versuchte sich die Band neben der schroffen Tanzbarkeit ihrer Post-Punk-Hits auch am Pop, was ebenfalls ein gewisses Ausrufezeichen mit sich brachte. Es wird die Kombination aus all diesen Elementen sein. Das Auftreten der Band, das Timing innerhalb dieser neuen musikalischen Strömung und natürlich die fulminanten Songs auf „A Certain Trigger“. Manchmal könnte man dabei schon nostalgisch werden und an den Sommer 2005 zurückdenken, als dies alles irgendwie neu war und man davon noch nicht so genervt war, wie heute. Doch das Leben geht ja bekanntlich weiter und die Küste ändert sich ja ebenfalls ständig, wie wir wissen. Es folgten 2 weitere, sehr gute Alben, die aber nie wieder diesen Effekt hatten, den „A Certain Trigger“ hatte. Aber so ein Debüt machst du halt bekanntlich auch nur einmal. Ob ein heute 20jähriger dieses beim Hören des Maximo Park Debüts auch so sehen würde, kann man im Raum stehen lassen. Ein heute 25jähriger, wie ich sieht es zumindest so und ist mit seinem Top-100-Countdown nun tatsächlich bei den heiligen Top 20 angekommen, welche wir dann demnächst gemeinsam entern werden.
Hörpficht: “Apply Some Preasure”, “Graffiti”, “Going Missing”, “The Coast Is Always Changing”

Mittwoch, 11. November 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Plätze 40 - 31

AlbumsOfTheDecade-100-91

40. Franz Ferdinand “Franz Ferdinand” (2004)
Und schon befinden wir uns mitten in den Top 40. Jetzt folgt die Crême de la Crême dieses Jahrzehnts und zum Einstieg gleich mal einer der ganz großen Klassiker dieser Dekade. Unverzichtbar in jeder solchen Auflistung, wenngleich es beim Feuilleton meist unter den vorderen drei Plätzen rangiert. Die Rede ist natürlich vom selbstbetitelten Debüt der vier Schotten von Franz Ferdinand. Dessen primäre Essenz besteht natürlich eher in der Welle, welches dieses Machwerk seinerzeit losgetreten hat, weshalb ihm allein für das Lostreten einer Subkultur, der ich mich sehr heimisch fühle, gedankt sei. Damals, als „Indie“ noch kein Schimpfwort für alles war, was sich anmaßte, mit Musik auszukennen, weil es ne Killers Platte besitzt, war dieses Album schon etwas Besonderes. Eine saubere 11-Songs-Ansammlung voller zackiger, kleiner Hits. Alex Kapranos und seine Mitstreiter machten die verrauchten Indie-Clubs der Welt zu Dancefloors im wahrsten Sinne des Wortes. Zackige Disco-Beats, schnittige Gitarren und idiotensichere Mitgröhlhits. Über „Take Me Out“ oder „This Fire“ muss man keine Worte mehr verlieren. Längst moderne Pop-Geschichte. Das ganze wirkt heute zwar schon leicht antiquiert, eben weil es in den vergangenen 5 Jahren so präsent war, aber man muss sich zurückerinnern um die Wirkung und Wichtigkeit dieses Albums nachzuvollziehen. Und da wirk ich gern mal übermäßig nostalgisch und erzähle von der Zeit, als das noch aufregend, neu und spannend war und wir alle Schampus mit Lachsfisch getrunken haben. Bildlich, nicht wörtlich. Dass „Franz Ferdinand“ dennoch nicht in meinen Top 3 ist, liegt schlicht und einfach daran, dass ich nie der größte Fan dieser Band war und selber wohl derjenige bin, der dies am wenigsten nachvollziehen kann. Ich mochte viele Songs, mochte sogar die Alben und gerade dieses Debüt ist unbestritten hittauglich. Aber wegweisende Bands waren für mich in dieser Dekade andere. Siehe Top 10. Aber auch diese wären ohne Franz Ferdinand nicht das, was sie heute sind. Bloc Party’s Kele Okereke drückte einst ein Demo-Tape Backstage in die Hände von Alex Kapranos. Der Rest ist auch Geschichte. Dennoch immer wieder ein Freudenfest in dieses Album hineinzuhören, auch nachdem sich das alles mit dem „Indie“-Ding wieder unnötig kommerzialisiert hat. Na ja, so ist das halt immer. Fragen sie mal den Grunge, zehn Jahre davor.
Hörpflicht: „Jacqueline“, „Take Me Out“, „This Fire“, „Darts Of Pleasure“

39. Coldplay “Viva La Vida Or Death And All His Friends” (2008)
Nur vier Alben benötigten Coldplay, um vom kleinen Newcomer zur erfolgreichsten Band des ausgehenden Jahrzehnts zu werden. Beeindruckend und leider auch irgendwie hochverdient. Das „leider“ benutze ich in dem Kontext immer gern, weil es durchaus ne Hassliebe ist. Freunde von mir wissen ja, dass ich gern mal damit prahle, die Karriere der Band von Anfang an aktiv zu verfolgen. Und irgendwie fühlt sich das halt immer blöd an, wenn die persönliche Lieblingsband auf einmal Fußballstadien bespielt. Kannste nix machen. Und es fällt mir wirklich schwer, dies zu verurteilen, denn die Band hat es leider drauf. Sicher, es gibt jene, welche der Band schon nach „Rush Of Blood“ den Rücken gekehrt hat und die man in ihrer Verbitterung eh nicht mehr retten kann. Und das 2005er „X&Y“ war natürlich in seiner Unausgereiftheit Wasser auf deren Mühlen und hat selbst mich ins Zweifeln gebracht. Doch dann kam dieser Befreiungsschlag namens „Viva La Vida“. Die lang ersehnte Runderneuerung und das Album, welches der Größenordnung dieser Band uneingeschränkt gerecht wird. Album Nr. Vier ist ein geschlossenes Gesamtkunstwerk, welches die Band in Höchstform zeigt. „Viva La Vida Or Death And All His Friends“ ist eine Ode an die Freiheit, eine Zelebrierung des Lebens, trotz aller Rückschläge und Trauer, die es mit sich bringt. Manche mögen das Kitschig nennen, naiv ist es auf keinen Fall, denn zu jedem Zeitpunkt wirkt die Band dabei unauthentisch oder peinlich. Also, ich kauf das Chris Martin und Konsorten bedingungslos ab. Jeder Song ein Treffer. Das groovende „Lost“, das hymnische „Lovers In Japan“, der poppige, mittlerweile etwas tot geleierte Titelsong oder das sommerlich entspannte „Strawberry Swing“. Coldplay ergänzen ihren klassischen Sound um viele neue Elemente und schütten alle Farben ihrer Songs in einem großen Topf zusammen, aus dem am Ende dieses Projekt entstanden ist. Vielfältig, hochwertig musikalisch und vor allem immer noch weit von dem Einheitsbrei entfernt, welcher seit Jahren versucht, diese Band zu kopieren. Coldplay haben einfach dieses gewisse Etwas, bei dem alle Elemente zu funktionieren scheinen. Die Tatsache, dass diese Band fast den ganzen Planeten anspricht sollte nicht als Makel empfunden werden, sondern als die Erkenntnis, dass dieser Sound so gut, so universell ist, dass es gar nicht anders als so funktionieren kann. Aller paar Jahre gibt es mal solche Bands. Und wenn die Entwicklung im nächsten Jahrzehnt ähnlich spannend ist, wie bspw. bei U2, dann bleib ich auch noch etwas länger am Ball.
Hörpflicht: “Lost!”, “Lovers In Japan”, “Viva La Vida”, “Death And All His Friends”

38. New Order “Get Ready” (2001)
Hach, als ob sie nie weg gewesen wären. Rob Gretton sei Dank! New Orders ehemaliger Manager brachte die Band wieder auf einen gemeinsamen Nenner, nachdem man Anfang der 90er wohl keinen gemeinsamen musikalischen Nenner mehr gefunden hat. Doch dann war die Zeit reif und New Order machen da weiter, wo das 93er „Republic“ aufgehört hatte… und wenn man sich mit einem Paukenschlag, wie dem genialen „Crystal“ zurückmeldet, verstummen schnell alle Zweifler. Einer der besten Songs der vergangenen 10 Jahre! New Orders Ausnahmestellung in der Geschichte des Pop untermauerte dann auch das anschließende Comeback-Album „Get Ready“, welches die Band wieder in alter Stärke zeigt. Bernie Sumner singt wie immer gefühlvoll mit einer Stimme, die dies nicht kann, Hooky zupft am Bass, wie eh und je und die Synthies klingen klar, wie lange nicht mehr. Dazu eben so passende Songs, wie die Singles „Crystal“ oder „60 Miles An Hour“, die relaxte Aussteiger-Hymne „Turn My Way“ oder das chillige „Vicious Streak“. Auch Songs, wie „Someone Like You“ oder „Run Wild“ sind tadellos. Da verzeiht man auch schon mal nen Komplettausfall, wie „Rock The Shack“ mit Primal Scream Frontmann Bobby Gillespie. Na ja, der alten Madchester-Rave-Zeiten wegen. Von mir aus. Insgesamt gibt sich die Band nach den Dance-Experimenten Ende der 80er und Anfang der 90er wieder deutlich song-orientierter und rückt die Gitarren wieder in den Vordergrund, ohne die heiß geliebte Elektronik zu vernachlässigen. Insgesamt eine richtige Balance aus alten und neuen Elementen, welche die Band richtig jugendlich und frisch erscheinen lässt. Leider hielt der neue Geist nicht allzu lange durch. Der Nachfolger „Waiting For The Sirens’ Call“ ging den gitarrenlastigen Weg noch konsequenter weiter, danach ging man wieder einmal getrennte Wege. Peter Hook verlässt die Band, ohne dem Rest Bescheid zu sagen und löst sie eigenmächtig auf. Der Rest weiß davon nichts, macht aber auch keine Anstalten Hooky zum Bleiben zu überreden. Ein unwürdiges Ende für eine der vielseitigsten und wichtigsten Popbands des vergangenen Vierteljahrhunderts. Bleibt die Hoffnung, dass die Nachfolgebands dann auf Dauer doch nicht befriedigend sind und man sich im Rentenalter noch mal zusammenrauft. Rob Gretton ist mittlerweile verstorben und kann dementsprechend nicht nachhelfen.
Hörpflicht: “Crystal“, „Turn My Way“, „Vicious Streak“, „Someone Like You“

37. Mew “Frengers” (2003)
Also, musikalisch ist mir unser nördlicher Nachbar Dänemark nach wie vor relativ unbekannt, muss ich sagen. Klar, da gab’s in den 90ern mal die lustigen Aqua mit dieser schnuckligen Frontfrau und dem furchtbaren „Barbie Girl“ und Techno-Halbgott Trentemøller ist da auch zuhause. Und Alphabeat? Die nerven irgendwie. Gar nicht nerven hingegen die begnadeten Mew, die nicht nur aufgrund meines mangelnden Wissens bezüglich der dänischen Musiklandschaft meine liebste Band des Landes sind. Nach großem regionalen Erfolg mit den ersten Alben, veröffentlichte man 2003 das internationale Debüt „Frengers“, welches zu großen Teilen aus neueingespielten Versionen der besten Songs der ersten Alben besteht. Qualitativ bedeutet dies aber keine Einbußen. Im Gegenteil. Seitdem ich das erste Mal das wundervolle „Comforting Sounds“ bei Viva Zwei (daran sieht man mal, wie alt das Album ist) gesehen habe, bin ich hoffnungslos in diese Band verknallt. Und das war damals nur die kurze Videofassung. Von der genialen Brillanz der gut 9minütigen Originalversion mal ganz zu schweigen, welche einen immer noch eine Gänsehaut verpasst. Im Gegensatz zu ihren sperrigen späteren Kunstpopalben, umweht „Frengers“ eine geradezu simple Leichtigkeit, was natürlich nicht bedeutet, dass wir es hier mit belanglosem Formatradio-Singsang zu tun haben. Ganz im Gegenteil. Ihr breitschichtiger Sound wirkt immer noch verspielt und manchmal mit viel zu viel Zuckerguss serviert. Wie bei der traumhaft zerbrechlichen Powerpop-Ballade „She Came Home For Christmas“ mit all den Synthie- und Gitarrenwänden und Jonas Bjerre’s Knabengesang. Oder der wunderbare Opener „Am I Wry? No“, mitsamt den wuchtigen „Snow Brigade“ gleich hintendran, welchem wiederum das melancholische Duett „Symmetry“ folgt. Mit wem eigentlich? Ach, vergessen. Ist auch nicht so wichtig, denn was zählt ist dieses famose Gitarrenpopalbum, welches für jeden Geschmack etwas bietet und eigentlich sogar alles im Überfluss bietet, wenn man’s mal genau nimmt. Oder weiß einer, wie man eben jenes „Comforting Sounds“ noch größer machen könnte, als es am Ende dann ist? Ein Versuch wäre zwecklos. Die Songs sind wunderbare Ohrwürmer, die meine Liebe zu kitschigen Arrangements voll und ganz bedienen, eben weil die Band zwischen immer wieder klar macht, dass man es hier nicht mit herkömmlichen Popliedchen zu tun hat. Es ist halt nach wie vor Liebe…
Hörpflicht: „Am I Wry? No“, „Her Voice Is Beyond Her Years“, „She Came Home For Christmas“, “Comforting Sounds”

36. The Organ “Grab That Gun” (2005)
Falls sich irgendwer, der das ließt, da draußen so fragt, mit welchem Musikgenre man mich auch im x-ten Aufguss immer wieder locken kann, dem sag ich’s an dieser Stelle nochmal (denn ich glaub, ich hab’s weiter hinten bei The Departure schon gemacht)… Melancholisch angehauchter New-Wave-Post-Punk. Seien es die großen Originale wie The Cure, Joy Division oder die Smiths, die großen Nachfolger, wie Interpol oder die Editors und von mir aus auch die neuste Generation mit The xx… damit bekommt man mich. Melancholisch hallende Gitarren, düstere Atmosphäre, Tristesse, Introvertiertheit und der ganze Kram. Dabei wird allerdings nie der durchaus monton-tanzbare Beat und die Mitsingbarkeit vergessen. Es ist eine Kombination aus all diesen Elementen, die ich so faszinierend finde. Vielleicht ist es auch das Gefühl von Dunkelheit, welches Post Punk immer unschwirrt. Wer weiß. Worauf ich eigentlich hinaus wollte. 2005 veröffentlichte die Gitarrengirlband The Organ aus Kanada ihr Debüt „Grab That Gun“. Zugleich war es auch ihr einziges Album, weil man danach wieder getrennte Wege ging. Aber genau dieses eine Album fährt voll die Spur, welche ich an diesem Genre so liebe und hat einen starken Eindruck bei mir hinterlassen. Und natürlich kopieren The Organ hier vielleicht sogar noch ne Spur schamloser, als die Konkurrenz, aber daran liegt auch der gewisse Reiz. Selten hat es eine Band so gut geschafft, diesen speziellen Klang von 80er-Jahre Post-Punk so gut zu konservieren und wiederzugeben. Ich meine, das klingt ausnahmsweise mal wirklich altbacken, wie man es lange nicht gehört hat. Und außerdem umweht das Album auch dieser spezielle Geist, den Debüts so haben. Nicht ganz perfekt, aber einzigartig. Hinzukommt natürlich Frontfrau Katie Sketch, welche es, wie kaum jemand anderes schafft, den großen Stephan Patrick Morrissey stimmlich zu kopieren. Fast schon dreist, wie sie da nachleidet. Immerhin wird ihm, ganz offensichtlich, der Song „Steven Smith“ gewidmet. Und natürlich freut man sich als alter Smiths-Fan wie ich, nach deren verfrühtem Ende, wenn da irgendwie noch mal etwas um die Ecke kommt, was so ähnlich klingt und sich irgendwie auch so anfühlt. Großes Gefühlschaos. Angst, Trauer, verzweifelte Liebe! Alles drin und in perfekte kleine Songs verpackt. „Love, Love, Love… I really like a small part of it“ Gott, was’n Pathos! Ja, hier wird ehrlich gelitten, zwar unglaublich unoriginell und unglaublich kurz (nur ne knappe halbe Stunde lang), aber für mich genau richtig. Nein, das war und ist genau mein Ding, Baby. Auch heute noch. Teile der Band inkl. Sketch haben mittlerweile ein Restaurant eröffnet, sagt Wikipedia. Was’n Abstieg! Das schreit doch schon nach neuem Songmaterial.
Hörpflicht: “Brother”, “Love, Love, Love”, “A Sudden Death”, “I Am Not Surprised”

35. Depeche Mode “Exciter” (2001)
Das schlimmste an Depeche Mode sind zweifelsohne ihre Fans. Wohl kaum eine Band kann sich, gerade in Deutschland, einer so hartnäckigen und treuen Fangemeinde sicher sein, die während der langen Touren gern mal auf mehrere Konzerte geht, alle Singles in allen Ausführen kauft oder sich auf DM Parties die immer gleichen Gassenhauer aus der guten, alten Zeit um die Ohren haut. Dave-Gahan-Haarschnit-Anno-1990 inklusive. So aufopfernd, wie sie manchmal sind, so kritisch sind sie gleichzeitig. Denn während da einige DM eher als nostalgisches Gefühl ihrer Jugend behalten wollen, entwickelt sich diese Band im neuen Jahrtausend nach wie vor musikalisch weiter und versucht, na ja, so gut es halt geht, nicht wie DeeeeMoooo zu klingen. Das krasseste Beispiel folgte gleich zu Beginn des Jahrzehnts. Nach den drogen- und krisengetränkten 90ern warfen Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher ihren dunklen Balast ab und kreierten zusammen mit Björk-Produzent Mark Bell einen neuen, leichteren Sound für eine neue Dekade. Herausgekommen ist „Exciter“, das frischeste und sicher experimentierfreudigste Album, welches diese Band in den letzten Jahren gemacht hat. Der schwermütige dunkle Touch ist immer noch in Teilen vorhanden, denn er ist Teil dieser Band, aber gleichzeitig gesellt sich eine losgelöste Heiterkeit und Klarheit hinzu. Reduzierte, minimalistische Arrangements tuen ihr Übriges und lassen Depeche Mode in einem ganz neuen Licht erscheinen. Vor allem werfen sie nach Jahren der Dunkelheit mal überhaupt wieder Licht auf die Band. „Dream On“ mit leicht zupfender Blues-Gitarre, oder das wunderbare Liebeslied „Freelove“. Und das wunderbar-traurige „When The Body Speaks“ ist ohne jeden Zweifel eines der schönsten und ehrlichsten Liebeslieder, welches die Band bisher geschrieben hat. Zwar wagt man sich mit dem sperrigen „The Dead Of Night“ oder dem Disco-Track „I Feel Loved“ auch mal in andere Gefilde, aber der Grundton bleibt der gleiche. Eine Band, die nach Jahren des Umherirrens ihre innere Ruhe gefunden hat und Lust hat, auch mal über andere, positive Sachen zu singen. Ich meine, im Abschlussschlaflied „Goodnight Lovers“ heißt es dennoch „When you born a lover, you’re born to suffer“. Nur singt es Dave Gahan auf eine Art und Weise, wie er dies noch nie vorher getan hat. Viele der alten Fans wollen oder können „Exciter“ nicht verstehen. Für alle, bei denen der musikalische Horizont auch jenseits der Dunkelheit weitergeht, bietet dieses Album viel zu entdecken. Das vielleicht letzte Mal, dass Depeche Mode wirklich überraschend und wirklich, ganz im Sinne des Titels, aufregend klangen. Die beiden Alben danach waren zweifelsohne auch sehr ordentlich, aber irgendwie ist es nicht ganz so toll, wie es damals 2001 war. Oh Gott, und jetzt kling ich auch schon, wie einer von ihnen.
Hörpflicht: „Shine“, „When The Body Speaks“, „Goodnight Lovers“

34. Pet Shop Boys “Release” (2002)
Ironischerweise verhält es sich mit “Release” von den Pet Shop Boys ähnlich, wie mit „Exciter“. Genauso wie Depeche Mode gehören sie zu den wenigen immer noch präsenten und vor allem relevanten Bands der 80er Jahre und genauso beschreitet „Release“ neue Wege, welche vielen Fans des britischen Popduos heut immer noch nicht ganz geheuer sind. Dabei ist „Release“ natürlich genau der richtige Schritt zur richtigen Zeit gewesen. Neil Tennant und Chris Lowe liefern das Gegengewicht zum ungebremsten Elektro-Art-Hedonismus, welchen man in den 90ern zelebriert hatte und welcher zuletzt mit dem schillernden 99er Album „Nightlife“ seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Inklusive Musicalshow, bunter Kostüme und gelber Wuschelperrücken. Nein, die Pet Shop Boys wollten weg davon und die Musik sprechen lassen. So ist „Release“ Tennant und Lowe pur, nur statt Disco gibt’s diesmal Britpop mit handgemachten Instrumenten. Das ändert natürlich nichts an ihren Qualitäten, sondern verdeutlicht einfach den letzten Kritikern, dass hinter den oft kitschigen und übertriebenen Arrangements in der Regel intelligente, super komponierte Popsongs stehen. Irgendwo hab ich damals gelesen, dass Noel Gallagher für so etwas wie „I Get Along“ töten würde. Und recht hatte der Journalist, denn dieser Song hat einfach Schmiss und ist sicher das letzte, was man in dieser Form von den beiden erwartet hätte. Ansonsten überwiegen wirklich Gitarren, Piano und Beats, welche zwar meist immer noch aus’m Synthie kommen, aber dabei so organisch klingen, das man es fast nicht glauben kann. Hinzu entfalten Tennant und Lowe als Songwriter ihre sensible, introspektive Seite, singen über Verlust, Schmerz, wie in „Birthday Boy“ oder dem bitteren „Love Is A Catastrophe“. Aber es ist auch Zeit für die wunderbaren kleinen Geschichten, wie die der Einwanderer in „London“, Neils Technikfrustration mit „E-Mail“ oder der homoerotischen Abenteuer mit Eminem in „The Night I Fell In Love“. Man gibt sich ungewohnt ehrlich und direkt, weshalb der Gesamtsound der Platte durchaus logisch erscheint. Am Ende resümiert Tennant noch einmal über die Liebe und bleibt Pragmatiker, als er im melancholischen „You Choose“ einsieht, dass man letztendlich vielleicht doch Schmied seines eigenen Glückes oder Unglückes ist. Was’n Schlusswort! Selten waren die Pet Shop Boys ehrlicher, direkter und verblüffender, als auf diesem Album. Zu vielen Nummern hatte und habe ich immer noch eine starke Bindung, stärker als beim vielleicht etwas besseren „Yes“ aus diesem Jahr. Wenn man den Glitter und Glamour bei den Boys weglässt, dann wirkt das durchaus überraschend, wenngleich man sie aber am Ende doch lieber mit sieht.
Hörpflicht: “I Get Along”, “London”, “Love Is A Catastrophe”, “You Choose”

33. Tomte “Hinter All Diesen Fenstern” (2003)
Viel Deutsches ist ja angesichts der internationalen Übermacht hier nicht dabei, das gebe ich zu. Deutschsprachige Musik hat es bei mir seit jeher, wohl aufgrund meiner vorwiegenden Sozialisation durch englischsprachige Musik, schwer. Dabei ist die deutsche Sprache eine schöne. Die, der Dichter und Denker. Aber oft denken zu wenige, vom Defizit an Dichtung mal ganz zu schweigen. Es ist aber auch schwer, denn ruckzuck steckt man in der Schlager- oder Klischeeecke. Mir kann man’s vermutlich nicht recht machen. Es sei denn, man heißt Thees Uhlmann und hat ’ne Band namens Tomte in der Hinterhand. Anfangs von mir noch schlicht belächelt, schaffte es diese Band Stück für Stück mein Herz immer mehr zu erobern und nimmt nun Ende 2009 einen festen und durchaus großen Platz da ein. Und falls es irgendein Argument gibt, warum gerade diese Band bei mir den Vorzug gegenüber all den Kettcars, Tocotronics oder Kantes dieser Welt hat, dann ist es dieses kleine, große Meisterwerk. Ein deutscher Klassiker der Moderne sozusagen. „Hinter All Diesen Fenstern“ zeigt die Band auf ihrem musikalischen Zenit, nachdem man sich jahrelang qualitativ nach oben gespielt hatte. An diesem Album stimmt alles. Fangen wir mal mit dem Sound an. Tomtes melodischer Indierock ist hier eindeutig auf internationalem Niveau produziert worden und hat auch diesen speziellen Klang, den ich an vielen deutschen Bands vermisse. Ich kann’s auch recht schwer in Worte fassen, aber hier sitzen die Elemente hervorragend zusammen. Vor der großen Konkurrenz muss man sich jedenfalls nicht verstecken. Dazu kommen unglaublich gute Songs, die auch deshalb so gut sind, weil Thees Uhlmann in all seiner Kryptik die richtigen Worte findet. Klar, manches versteht man nicht und vieles lässt sich frei interpretieren, aber gerade darin besteht auch der Reiz. Und immer mal wieder diverse Anspielungen auf andere Songs. Doch ungeachtet dieser Tatsache findet Uhlmann eine wunderbare Ehrlichkeit in den Sachen, die er singt. Erkenntnisse über das Leben, das Hadern mit der eigenen Existenz und dadurch auch immer die gleichzeitige Rechtfertigung von eben dieser. Die ganz normalen Ängste eines Mannes um die 30? Vielleicht! Vielleicht auch für ein paar Jahre davor. Lebensweisheiten, die ans Herz gehen. „Die Schönheit der Chance, dass wir unser Leben lieben, so spät es auch ist.“ Songs, wie diese, aber auch „Für immer die Menschen“ oder „Bastarde“ sind ganz, ganz großes deutsches Liederkino. Und vermutlich werden die, welche die streitbare Figur des Thees Uhlmann nicht verstehen wollen oder können, es einfach nicht raffen. Der Rest fühlt sich, wie ich, in den Songs einfach unglaublich verstanden. Und trotz all der schönen englischen Wortschöpfungen eines Stephan Patrick Morrissey, ist es einfach schön und angenehm, dass auch mal alles passend in der Sprache zu hören, die man täglich spricht.
Hörpflicht: „Für Immer die Menschen“, „Die Bastarde, die dich jetzt nach Hause bringen“, „Du bist den ganzen Weg gerannt“, „Die Schönheit der Chance“

32. The Killers “Hot Fuss” (2004)
Ach, hier noch so ein paar Kandidaten aus den Band-“Gründerjahren“ 2004/ 2005… die Killers aus Las Vegas. Mittlerweile sind sie ja selbst dem letzten Deppen bekannt. Egal, ob Human oder Dancer. „Hot Fuss“ machte damals den Anfang und zeigt bereits überdeutlich, worauf die Band um Brandon Flowers abzielte. Sie besingen es ja selber: Glamorous Indie Rock & Roll! Nichts anderes machen die Killers. Die Songs bleiben eingängig, bedienen sich aber großzügig bei den 80ern. Synthie-Flächen und Disco-Beats inklusive. Und auf den Basslauf in „Jenny Was A Friend Of Mine“ wäre sogar Peter Hook stolz. Die Killers sind halt von allem etwas mehr. Ein bisschen mehr Kitsch und ein bisschen mehr Pathos. Aber der Rhododendron steht drauf, zumal man auch sagen muss, dass die Band damals nach den Garagenrock-Ausflügen der Strokes oder Libertines ein willkommener Farbtupfer in der aufkeimenden neuen Indie-Rock-Bewegung waren. Die Songs blieben schmissige Hits und „Mr. Brightside“ oder „Somebody Told Me“ sind ja eh schon moderne Klassiker… doch die Band machte alles etwas kitschiger. Hier ein paar 80er-Trompeten, da ein Gitarrensolo. Sachen, die jahrelang irgendwie keiner mehr gewagt hatte zu bringen (eben weil es manchmal höchst grenzwertig ist), brachten die Killers wieder auf den Tagesordnungspunkt. Ich meine, wie kann man so einem Soul-Ghospel-Monster, wie „All These Things That I’ve Done“ schon widerstehen? Ich persönlich konnte es nicht und finde die Band, trotz des Kritiker-Gegenwindes zuletzt immer noch recht spannend. Hauptsächlich, weil sie ihr Ding durchziehen und dabei auf Kritiker pfeifen und sich in ihrer kitschigen Glitzerwelt pudelwohl fühlen. Für so was verdient jede Band Respekt und die richtigen Songs haben sie ja auch noch. Die besten haben sie allerdings nach wie vor auf „Hot Fuss“. Vielleicht hängen einem manche Nummern heute ein wenig zum Hals raus, aber als ich das Album Ende 2004 entdeckte hat es einen glitzernden Eindruck bei mir hinterlassen, der immer noch anhält. Für mich selber waren sie damals mit die ersten in einer neuen musikalischen Welt, welche gerade erst anfing sich mir zu öffnen. Soviel Pioniergeist wird natürlich ausreichend mit einer guten Platzierung gewürdigt.
Hörpflicht: “Jenny Was A Friend Of Mine”, “Mr. Brightside”, “All These Things That I’ve Done”, “Believe Me Nathalie”

31. Keane „Hopes And Fears“ (2004)
Im Sommer davor, im selben Jahr, waren Keane auch ein sehr erfrischender Wind in meinen Gehörgängen. Ich erinner mich noch gern zurück. „Somewhere Only We Know“ fand ich nett, aber nicht berauschend. Schon damals war ich der permanent aufkeimenden Coldplay-Klone gelegentlich etwas überdrüssig. „Everybody’s Changing“ mochte ich aber irgendwie schon eher, also hab ich in einem CD-Fachgeschäft (hört, hört!) mal reingehört und ich erinnere mich noch gut, in welcher Rekordzeit ich meine Kaufentscheidung zugunsten von „Hopes And Fears“ damals getroffen habe. Ich glaube, da reichten die ersten paar Takte jeder Songs aus, um mich zu überzeugen. Den ganzen Sommer hab ich dann fast nix anderes gehört und auch ganz detailliert jeden mp3-Schnipsel dieses Trios gesammelt, welches ich finden konnte. Doch warum gerade Keane mit ihrem kitschigen Formatradio-Gesinge, dass wirklich an Harmlosigkeit manchmal nicht zu überbieten ist? Primär zwei Gründe. Nummer Eins war einfach, ähnlich, wie bei den Killers, dass das damals ne recht frische Sache war. Lange hatte ich keine so gute neue Popmusik gehört und ich liebe ja bekanntermaßen Popmusik. Und das geht fließend einher mit dem zweiten Grund: „Hopes And Fears“ bietet einfach ausnahmslos 12 sehr gute, bis herausragende Songs, die allesamt vor allem schlimmste Ohrwürmer sind, die man gar nicht mehr aus dem Ohr bekommt. Seien es die Power-Nummern, wie „Bend & Break“ oder „This Is The Last Time“ oder die etwas gemäßigten, wie „Can’t Stop Now“. Dazu klimpert Tim Rice-Oxley im Hintergrund unentwegt schönen Klavierpop zusammen, während Tom Chaplin darüber säuselt. Auch das Weglassen der Gitarre fand und find ich heut noch recht spannend an dem Album. Gibt’s ja auch eher selten. Und gerade die ruhigen Momente wie „We Might As Well Be Strangers“ oder das hymnische „Bedshaped“ am Ende können immer noch in richtigen Momenten die Gefühle hoch kochen lassen. Sicher, mittlerweile hab ich meine Keane-Hysterie ein wenig überwunden und an dem Album hat sicher auch die Zeit etwa genagt. Aber dieses Ranking umfasst halt verschiedene Kriterien und „Hopes And Fears“ war 2004 mein Album des Jahres, selbst wenn es im Nachhinein heute vielleicht ein anderes hätte werden können. Aber die Erinnerungen und Empfindungen sind ja nach wie vor vorhanden. Und es ist irgendwie immer noch ein echt gut gemachtes Popalbum. So etwas sollen die Kritiker erstmal hinbekommen.
Hörpflicht: “Bend And Break”, “Everybody’s Changing”, “Can’t Stop Now”, “Bedshaped”

Sonntag, 1. November 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Plätze 50 - 41

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50. Bright Eyes “I’m Wide Awake, It’s Morning” (2005)
So, die Hälfte hätten wir bereits geschafft, widmen wir uns also den oberen 50. Und es gibt kaum ein besseres Album, um einzusteigen, als der große Klassiker „I’m Wide Awake, It’s Morning“ von Conor Oberst aka Bright Eyes. Allein der Albumtitel gehört zu meinen All-Time-Favourites. Was wurde dieses kleine Folk-Album damals zu Beginn des Jahres 2005 in der Musikpresse gelobt. Oberst war der Wunderknabe schlechthin. Ein Typ, der bereits mit Anfang 20 unglaubliche Singer/Songwriter-Eigenschaften vorweisen kann. Selbst in diversen Lifestyle-Magazinen konnte man dem jungen Mann mit den tiefgründigen Augen und der Emo-Tolle damals nicht entkommen. Die Vorschusslorbeeren sind aber durchaus verdient, denn obwohl ich prinzipiell wenig mit Folk anfangen kann, muss selbst ich die Qualität dieses Albums neidlos anerkennen. Zu gut ist die Songauswahl auf Obersts 2005er Werk. Denn neben den sehr guten Texten und dem Gefühl, dass die Songs vermitteln, ist auch eine recht hohe Hitdichte im Pop-Sinne zu finden. So lädt bereits der Opener „At The Bottom Of Everything“ (inkl. Spoken-Words-Intro) zum munteren Mitsummen ein, obwohl wir uns thematisch mitten in einem Flugzeugabsturz befinden. Auch die weiteren Songs sind eingängig und kreieren Bilder im Kopf des Hörers. „We Are Nowhere And It’s Now“ als Bestandsaufnahme eines Wartenden oder „Old Soul Song“, als romantisch-melancholische Ballade, indem eine Kamera zum wichtigsten Utensil in einer Demonstration wird. Oder in „First Day Of My Life“, dem einfachsten, ehrlichsten und vielleicht gerade dadurch, in meinen Augen schönsten Liebeslied, das in den letzten Jahren entstanden ist. Trauer, Depression, aber auch Freude und Zuversicht… dieses Album deckt thematisch jede Menge ab, ist dabei erstaunlich gut gemacht und mit wundervollen Songs bestückt. Connor Oberst ist ein guter Geschichtenerzähler. Auf Dauer vielleicht etwas zu viel Geschichten für meinen Geschmack, aber zwischendurch gerne auch unverzichtbar.
Hörpflicht: “Old Soul Song (For A New World Order), “First Day Of My Life”, “Road To Joy”

49. Doves “Lost Souls” (2000)
Ach, da sind sie ja wieder: Die Doves aus Manchester. Nach Platz 65 mit „Some Cities“ hier der erste Wiederholungstäter. Diesmal ist es das wesentlich sphärischere und breitschichtigere Debüt-Album des Trios, namens „Lost Souls“. Dieses Album umweht dabei eine ganz eigene und besondere Atmosphäre, auf die ich mich auch nach Jahren immer wieder gern einlasse. Bereits das erste verspielte Blubbern beim Opener „Firesuite“ lässt einen automatisch die Augen schließen und mit der Musik mit fließen. Irgendjemand hat mir mal gesagt, die Musik eigne sich besonders gut zum Einschmeißen von bewusstseinserweiternden Substanzen. Ich lass das jetzt mal im Raum stehen, aber ein Fünkchen Wahrheit ist da schon dran. Im Gegensatz zu den späteren Alben schimmern die formidablen Britpop-Songs der Doves hier meist durch eine Wand aus schrägen Sounds, Effekten und butterweichen Soundteppichen durch. Gut, gelegentlich bricht man auch aus, wie beim rockig-poppigen „Catch The Sun“ oder dem epischen „The Cedar Room“, welches mehr die späteren Doves erkennen lässt. Doch ansonsten wirkt der Grundton verhalten, abwartend und entspannt melancholisch, ohne dabei in der Traurigkeit zu versinken. Für mich ist dieses Album immer ein toller Soundtrack für laue Sommerabende oder entspanntes Liegen am Strand gewesen. Und immer wieder ist es die warme Stimme von Jimi Goodwin, welche die Songs trägt. Ja, das hab ich schon bei „Some Cities“ geschrieben und das werd ich, soviel sei schon mal verraten, auch noch mal innerhalb dieser Auflistung schreiben, aber es ist halt einfach die Wahrheit. „Lost Souls“ ist ein Kapitel für sich, vom ersten bis zum letzten Ton. Wundervolle Britpop-Songs voller Gefühl, die zumindest ich mir immer und immer wieder anhören kann. Auch heute noch. Und auch zu anderen Jahreszeiten.
Hörpflicht: “Firesuite”, “The Man Who Has Everything”, “The Cedar Room”

48. Friendly Fires “Friendly Fires” (2008)
Oh wunderbare, wunderbare Friendly Fires! Ich merke ja selber, dass es mit zunehmendem Alter immer schwerer wird, die gleiche Euphorie für neue Musik zu entwickeln, wie dies noch vor ein paar Jahren der Fall war. Vielleicht lasse ich mich auch immer schwerer mitreißen. Doch oft wird mir ja das Gegenteil bewiesen, wie vor knapp einem Jahr, als mir das unglaublich tolle Debüt-Album dieses Trios aus dem britischen St. Albans über den Weg gelaufen ist. So Feuer und Flamme war ich schon lange nicht mehr für ein Album. Das selbst betitelte Debüt der Friendly Fires ist eines der kurzweiligsten, hitlastigsten Pop-Alben der letzten Jahre und definitiv eines der besten Debüts der letzten 10 Jahre.
Wie kann man diese Musik am besten beschreiben? Energetischer, tanzbarer Indie-Rock mit starkem Ausschlag Richtung Pop, Elektronik und … ähm… Samba? Na ja, Percussionalarm ist schon gegeben, besonders beim Opener „Jump In The Pool“. Heftiger Cowbell-Dauereinsatz! Was für ein Ausrufezeichen! Die typischen jingle-jangle-Indie-Gitarren vermischen sich spielend leicht mit lockeren Bassläufen und breiten Synthieflächen. „Paris“, das flehende Liebeslied, genauso wie das unglaublich groovige „Lovesick“. Selbst eine ruhige Nummer, wie „Strobe“ besitzt dieses Treibende, Tanzbare, welches das Album von Anfang bis Ende durchzieht. Hier ist wirklich mal der Uralt-Spruch „All Killer, No Filler“ angebracht! Wie auch immer es diese Band gemacht hat… sie hat aus all diesen Fragmenten am Ende einen Sound gebastelt, welcher 1:1 allen meinen Vorlieben entspricht. Ich kann einfach nicht anders, als dieses Album uneingeschränkt zu lieben. Der 2009er Nachfolgehit „Kiss Of Life“ hat ja im Sommer bereits bewiesen, dass diese Band auch für Album Nr. 2 noch genug Ideen hat. Es gibt wenig Momente in diesem Jahrzehnt, wo der gute alte Pop spannender war, als auf diesem Album. Entweder verglüht diese Band jetzt in der exakt gleichen Geschwindigkeit, wie ihr Stern aufgestiegen ist, oder sie beschert uns auch in der nächsten Dekade noch einige Überraschungen. Bitte, bitte letzteres!
Hörpflicht: „Jump In The Pool“, „Paris“, „Strobe“, „Lovesick”

47. The Libertines “Up The Bracket” (2002)
Ausnahmsweise waren die Amis mal etwas eher dran zu Beginn dieses Jahrzehnts. Die New Yorker Strokes hatten da nämlich die Retro-Rock-Welle losgetreten und wie hieß die Antwort aus dem Vereinigten Königreich? Richtig, Pete Doherty! Und Blutsbruder Carl Bârat war auch dabei. Zusammen mit den anderen beiden, deren Namen irgendwie immer unwichtig sein werden, gründeten sie die Libertines und somit war der Hype geboren. Das größte britische Ding seit Oasis! Wie immer. Für den NME war’s sicher das größte Ding seit den Pilzköpfen, immerhin lagen die Libertines damals bei diversen Ewigkeitslisten immer knapp hinter den Beatles. Doch dem ganzen Presseecho zum Trotz kommt so was ja nicht von ungefähr. So ist „Up The Bracket“ eine gute Frischzellen-Kur für die britische Rockmusik gewesen. Nach all dem Coldplay/Travis/Starsailor-Schwulst der letzten Jahre, war es mal wieder Zeit, ein wenig aus der Lethargie zu erwachen und einfach drauflos zu spielen. Das machen die Libertines natürlich in bester Garagen-Atmosphäre ohne dabei aber die Melodien zu vernachlässigen. Das ist auch eine ihre größten Stärken. Neben dem rauen Sound haben Bârat und Doherty nämlich auch stets ein Gespür für tolle Melodien gehabt. „Time For Heroes“, „Tell The King“ oder „I Get Along“ seien hier mal exemplarisch erwähnt. Hoher Mitsingfaktor, der auch gern mal ins alkoholisierte Gröhlen wechseln kann. So schräg die Hauptsongschreiber des Quartetts auch waren, eine gewisse Genialität kann man Pete und Carl einfach nicht abschreiten. Letztendlich definierte „Up The Bracket“ in großen Teilen schon die Richtung, welche Franz Ferdinand und Konsorten zwei, drei Jahre später richtig ausgekostet haben. Lauter, schroffer und dennoch melodieverliebter Britrock zweier begnadeter Songwriter, die sich aber nach dem selbstbetitelten Nachfolger erstmal für ein paar Jahre zerstritten haben. Die Nachfolgebands Babyshambles und Dirty Pretty Things zeigten aber, dass in diesem Fall das alte Motto „Nur gemeinsam seid ihr stark!“ gilt. Mittlerweile ist Doherty aus den Gossipmeldungen raus und hat sich auch mit Carl wieder vertragen. Eine Reunion für 2010 ist realistischer als je zuvor. Vielleicht braucht die Welt dann wieder den explosiven, punkigen Rocksound des Duos, vorrausgesetzt, sie wissen noch, wie das geht.
Hörpflicht: „Vertigo“, “Time For Heroes” „Up The Bracket“, „I Get Along”

46. Maximo Park “Our Earthly Pleasures” (2007)
Paul Smith sieht nicht nur unglaublich gut aus und ist eine olle Rampensau… Nein, der Maximo Park-Frontmann ist auch einer der intelligentesten Texter in der britischen Musiklandschaft. So zeichnen sich Smiths Songs stets durch eine gewisse Feinfühligkeit und diverse lyrische Spielereien aus. Außerdem versteht er es, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte zu wählen und die richtigen Akzente zu setzen. Mit so was kann man mich leicht beeindrucken. Auch auf dem Zweitwerk „Our Earthly Pleasures“ aus dem Jahr 2007 hat Smith wieder einiges zu erzählen bzw. zu besingen. 12 wunderbare kleine Popsongs über das Leben. Über Liebe und Verlust, Tod, menschliches Verlangen und, logischerweise, Bücher. Diesmal auch in Kartons. Der dringliche, nervöse Sound des 2005er Debüts „A Certain Trigger“ ist dabei einem etwas gesetzteren Pop-Outfitt mit mehr Piano gewichen. Für viele Fans des Debüts immer noch eine Streitfrage, aber ich hatte damit nie ein Problem. Denn die wunderbaren Melodien mit Smiths melodischem Gesang und seinen sophisticated lyrics sind geblieben. Daneben wurde „Our Velocity“ für mich du einer persönlichen Hymne des Jahres 2007, weitere Songs wie das Smiths-artige „Books From Boxes“, das melancholische „Your Urge“, sowie die immer noch unkaputtbare und unterschätze Hymne „Sandblasted And Set Free“ haben sich ihren Platz in meinem jungen Herzen erkämpft. Sicher auch ein Album voller Erinnerungen an eine Zeit des Aufbruchs und Neudefinition in meinem Leben, wenngleich das mittlerweile auch mit einem bittersüßen Nachgeschmack genossen werden kann. Was bleibt sind die wunderbaren Songs und das wunderbare Gefühl, dass sie vermitteln. Sicher, es ist kein „A Certain Trigger“, aber es hat einen ganz eigenen Klang. Man sollte Maxïmo Park nicht als kleine, feine Tanzrock-Kapelle abstempeln, sondern als eine wichtige, durchaus auch mal tiefsinnige, aber dennoch nicht schwermütige, musikalische Fußnote der aktuellen Popmusik. Und drei sehr gute Alben in 5 Jahren sprechen da eine eindeutige Sprache!
Hörpflicht: “Our Velocity”, “Books From Boxes”, “By The Monument”, “Sandblasted And Set Free”

45. Athlete “Vehicles & Animals” (2003)
Ach, Athlete! Sicher eine der kurzweiligsten spannendsten und mir persönlich liebsten Bands des vergangenen Jahrzehnts. Dennoch war das damals schon ein ziemlicher Kulturschock mit „Vehicles & Animals“. Also, zumindest für mich. Nachdem ich mir zuerst das zweite Album "Tourist" geholt hatte, war ich mehr als überrascht als ich meinen Ohren das Debüt servierte. Von der Melancholie und Schwere des Nachfolgers ist hier nichts zu spüren... stattdessen erwartet uns fröhlicher, frecher und frischer Pop, jenseits jeglicher Britpop-Klischees. Zum Glück, kann man da nur sagen! Das für den Mercury Prize nominierte Album besticht mit einer netten Ansammlung fröhlicher, kleiner Popsong, denen auch gern mal das Prädikat „Casio Pop“ anhaftet. Kein Wunder, denn neben den Gitarren blitzt die Elektronik an vielen Ecken immer wieder durch, jedoch immer recht kess und verspielt, ohne einen dabei zu erschlagen. "El Salvador" kommt als Opener schon extrem sommerlich rüber. Eine flotte Melodie zum Mitsingen und Mitwippen, ein Beat dem man sich nicht entziehen kann. Dazu dieser stetige Wunsch des Ausbrechens untermalt mit einer jugendlichen Unbekümmertheit der Band, die immer wieder mitreißt. Sei es in der Anti-Rockstar-Hymne „Westside“ oder in der sympathischen Liebeserklärung „You Got The Style“. „Uh, it’s getting hot in here, must be something in the atmosphere“ … nicht schlecht. Richtig schön wird es dann bei dem immer noch unkaputtbaren “Shake Those Windows”, der vielleicht besten Nummer, welche diese Band bisher geschrieben hat. Eine wehmütiger, aber doch stets aufmunternder Rückblick auf die Jugend und die Musik. Unverzichtbar! Eine Platte voll guter Erinnerungen an einige persönliche Sommer. Leider hat die Band später nie wieder die Leichtigkeit dieses Debüts erreichen können. Zwar ist dies nicht so schlimm, weil so immerhin Abwechslung in der Musik garantiert wird, aber angesichts einer schwachen Formatradio-Platte, wie dem diesjährigen „Black Swan“ aus diesem Jahr, wünsch ich mir schon manchmal die alten Tage zurück, als die Band noch unverkrampfter zu Werke ging und die Fenster zum Wackeln brachte. Ein wundervolles Album, dessen ganz eigene Magie auch heute noch vorhanden ist.
Hörpflicht: “El Salvador”, “One Million”, “Shake Those Windows”

44. Sigur Rós “Takk...” (2005)
Die Isländer von Sigur Rós waren bei der Aufstellung dieser Liste sicher das größte Problem, muss ich ganz ehrlich eingestehen. Einfach, weil ich der Meinung bin, dass dieses Quartett die schönste Musik unserer Zeit macht. Von meinem Standpunkt aus. Immer wenn Sigur Rós bei mir laufen, ist es die schönste Musik auf Erden. Märchenhaft, Elfengleich, nicht von dieser Welt sozusagen… gut, geht mir auch bei anderen Bands so, aber bei Sigur Rós ist dies etwas Besonderes, etwas Magisches, das geschieht, wenn diese Musik, ja, spricht. Deshalb natürlich die Frage, wie man so etwas in den Top 100 Kontext presst, wo doch eigentlich fast alle Alben in den Top 10 sein müssten. Da muss man natürlich stark differenzieren, was aber auch nicht so leicht ist, da alle Sigur Rós Alben auf ihre Art und Weise genial sind und keine Schwachstellen haben. Also sind es andere Kriterien. Der a-ha-Effekt ist sicher bei den ersten Alben größer, genauso wie die jahrelange emotionale Bindung. Deshalb kommt das 2005er „Takk…“ „nur“ auf Platz 44, was aber angesichts der vielen Konkurrenz keine Schande ist. Auch das vierte Album der Band ist ein Wunderwerk seinesgleichen. Mann legt diese CD ein und entschwindet für etwas mehr als eine Stunde in einer Welt voller fantastischer Klänge und Musiken, voller Gefühl und Emotion. Lichtjahre von dem entfernt, was es da draußen noch gibt, weit weg von all der Hektik, dem Stress und der Angst, die der zivilisationsbedingte Alltag so mit sich bringt. Und man findet sich wieder irgendwo in Island... an den felsigen Küsten, den grünen Hügeln, am Meer, Keine Menschen, kein Nichts... nur diese Musik. Selten passten Herkunftsland und Band so gut zusammen, wie hier. Aber es muss auch nicht Island sein. Das ist ja das schöne an dieser Musik. Sie macht einen in gleichen Maasen traurig und melancholisch wie auch optimistisch und hoffnungsvoll. "Takk...", zu deutsch „Danke, ist nach dem etwas experimentelleren "( )" wieder näher am 200er Debüt "Agaetis Byrjun". Insgesamt arbeitet die Band aber weiterhin daran ihren Sound und ihre Strukturen klarer zu machen, ohne dabei etwas von ihrer Vielschichtigkeit einzubüßen. Das Piano steht mehr im Vordergrund und man öffnet sich langsam den Pop, wie „Hoppípolla“ zeigt. Ansonsten würde es einfach nicht gerecht sein, weitere Songs gesondert herauszugreifen. Sigur Rós sind eine absolute Ausnahmeerscheinung in der Musikwelt. Keine Band klingt wie sie. Sie sind ein Unikat und schaffen es sowohl unglaublich einfühlsam und eingängig, wie gleichzeitig sehr laut und sperrig zu sein und mit ihren Klängen eine eigene Welt zu kreieren. Nachwievor und immer wieder aufs Neue. Hoffentlich bleiben sie uns noch sehr lang erhalten.
Hörpflicht: “Hoppípola”, “Sæglópur“, „Gong“, „Andvari“

43. South “With The Tides” (2003)
Da will man mal eben live recherchieren und muss feststellen, dass sich die Band, über die man schreiben möchte, dieses Jahr aufgelöst hat. Das gibt dem ganzen natürlich eine traurige Note. Sehr traurig sogar, denn es ist eigentlich nicht fair. South, ein britisches Indierock-Trio aus London hatten alles Potential der Welt. Die richtigen Songs vor allem. Wunderbare kleine Songs, die sich der Konkurrenz (ich sach jetzt ma Death Cab oder Nada Surf) ruhig stellen konnten. Ja, sie hatten ja sogar ’nen Song auf dem „O. C. California“ Soundtrack, als der Hype um diese olle Lifestyle-Serie überschwappte. Doch leider sind sie nie über den Status eines kleinen Geheimtipps hinausgekommen. Woran liegt so was dann eigentlich? Ist das nur Pech? Mit den falschen Leuten zusammengearbeitet? Immerhin war Ian Brown einer der frühen Förderer. Ich weiß es einfach nicht. Vermutlich werd ich mir jetzt posthum noch ein paar South Sachen dazu kaufen. Zum Gedenken. So, wie ich’s beim 2003er Zweitwerk „With The Tides“ gemacht habe. Ab und an finde ja auch ich mal in meinem doch oft mainstream-orientierten Geschmack versteckte Schätze, die sonst relativ unbekannt sind. Meine Motivation hieß in diesem Fall „Colours In Waves“ und ist offiziell einer der schönsten Songs des Jahrzehnts. Eine wunderbare Gitarrenhymne, welche die Atmosphäre der Wellen wunderbar musikalisch rüberbringt. Dazu auch die wunderbare Stimme von Sänger Joel Cadbury, in welche ich mich gleich verguckt habe. Also gleich das Album per Second Hand erstanden und glücklicherweise wurde ich auch nicht enttäuscht. „With The Tides“ hat mir mit seinem wunderbar melancholisch-melodischen Indierock einen ganzen Sommer versüßt und funktioniert darüber hinaus immer noch. Viele elektronische Spielelemente geben dem Klang eine gewisse Vielschichtigkeit. Die Melodien sind einprägsam, wie bei „Motiveless Crime“ oder „Loosen Your Head“ und stets umweht die Band dabei etwas atmosphärisches, fast so wie bei den Doves, die ich ja auch sehr schätze. Auch die ruhigen Balladen, wie „Straight Lines To Badlands“ oder das wundervolle „9 Lives“ überzeugen auf ganzer Linie. Nein, es macht wirklich keinen Sinn, warum diese Band nicht Größeres erreicht hat. Das hier ist besser als vieles, was die Konkurrenz in den letzten Jahren abgeliefert hat. Auch das 2008er Album „You Are Here“ war von ähnlicher Qualität. Kann man nur hoffen, dass die Nachfolgebands noch weniger Erfolg haben und man sich auf die alte Band besinnt. Zumindest bei mir haben sie einen sehr guten Eindruck hinterlassen.
Hörpflicht: “Motiveless Crime”, “Colours In Waves”, “Nine Lives”

42. Morning Runner “Wilderness Is Paradise Now” (2006)
Und wo wir gerade bei der großen Ungerechtigkeit sind... hier kommt eine Band, die davon ebenfalls ein Liedchen singen kann: Morning Runner. Sie kamen, hinterließen einen tollen Eindruck und verschwanden danach auch schon wieder, doch für ca. ein Jahr haben sie es geschafft, mich total zu begeistern. Selten habe ich so gespannt auf das Debüt einer Band gewartet, wie auf das dieses britischen Quartetts. Jeden mp3-Bootleg-Schnipsel habe ich im Vorfeld gesammelt und dieses Album sofort importiert, als es erschienen ist. Monate vor dem deutschen Release. Man ließ sich dafür aber auch Zeit. Ganze drei sehr gute Singles ließen die Vorfreude bei mir vor Albumrelease ansteigen. Der Auslöser ist „Be All You Want Me To Be“. Nachwievor ein kleines Meisterwerk. Und auch das komplette Album ist eines geworden. Das Besondere an dem Sound der Jungs aus dem englischen Reading ist vielleicht ihre Vielseitigkeit. Der Opener „It’s not like Everyone’s my Friend“ erschlägt einen förmlich mit markanten Gitarrenriffs und Matthew Greener, der leidenschaftlich ins Mikrofon schreit. Daran sollte man sich auf dem Album schon mal gewöhnen. Wo Coldplay und Co. beim Leiden oft in mitleidiges Säuseln abdriften, gibt diese Band noch einmal Gas. Matthew Greeners Stimme schwankt zwischen Zerbrechlichkeit und energetischen Schreien, seine Texte zwischen Trauer und Zuversicht. Energie trotz Melancholie. Allein das famose „Burning Benches“ geht in gut 3 Minuten von Null auf Hundert. Es beginnt als ruhige Klavierballade und endet voller Kraft. Das unterstreicht das Gefühl, das Flehen in Greeners Songs noch zusätzlich. Aber Songs wie „Have A Good Time“ oder „Gone Up In Flames“ zeigen auch, dass man das Tempo durchgängig hoch halten kann, während die ruhigen Balladen „Hold Your Breath“ und „Oceans“ zur Albummitte ein wenig das Tempo drosseln. Danach zieht man mit Songs wie „Work“ noch einmal an. Daraus auch einer meiner persönlichen Lieblingszitate… „What’s a movement If you don’t move?“ Enough said. Das traurige „Best For You“ entlässt uns im Wiener Walzer Schritt aus diesem wirklich, wirklich wundervollen Debüt. Und da hätte noch so viel mehr kommen können, doch die Band ist am Ende an ihrer Plattenfirma zerbrochen und so vielleicht auch an sich selbst. Das Major Label wollte mehr Hits, doch die Band wollte nicht soweit gehen und hat die Arbeiten am Nachfolger abgebrochen. Warum ist man denn nicht zu einem Indie Label gegangen? Vielleicht war da noch mehr im Busch. Momentan kein Lebenszeichen. Vielleicht kommt da noch irgendwann etwas. Vielleicht bleibt es aber auch nur ein frommer Wunsch eines vereinzelten Fans. So bleiben Morning Runner ein großes Ausrufezeichen in der britischen Musiklandschaft dieses Jahrzehnts! Ich wünsche ihnen nur das Beste!
Hörpflicht: “Burning Benches”, “Oceans”, “Be All You Want Me To Be”, “Best For You”

41. The xx “The xx” (2009)
Ganz frisch und schon für die Ewigkeit. Wenn nicht mehr großartige Sachen dazwischenkommen, dann ist „The xx“ von gleichnamigen Band mein Album dieses Jahres (entsprechende Liste folgt später) und somit bereits bestens für die Top 100 des Jahrzehnts qualifiziert. Das kann ich schon nach zwei Monaten Dauerhörens mit Sicherheit so sagen. Kaum ein Album hat mich in letzter Zeit so bewegt. Da ist etwas ganz Besonderes am Werk, auch wenn einige das anders sehen. Puristischer geht’s dabei gar nicht. Das Quartett aus London entfaltet mit einfachsten Mitteln eine düstere Schönheit voller Melancholie und Zerbrechlichkeit, die aber auch gut in die Ohren geht. Zwei Gitarren, ein Bass und getriggerte Beats aus’m Drum-Computer sowie ein paar leichte Elektroversatzstücke reichen aus, kombiniert natürlich mit unglaublichen Hits, die eigentlich alles sein wollen, nur nicht eben solche. Und es ist dieser düstere New Wave Touch, der mich auch diesmal, wie schon bei Bands wie Joy Division oder Interpol, in den Bann zieht. Traurig, melancholisch, trist, aber immer wieder voller Momente der Hoffnung. Bspw. Wenn Sängerin Romy Madley Croft mit ihrer wunderbaren Stimme das Mikro ergreift und in „Islands“ den Angebeteten ansingt. Oder Wenn bei „Heart Skipped Beat“ leichte Hoffnung in der Dunkelheit aufkeimt. Besonders im Wechselgesang mit Bandkollegen Oliver Sim macht Crofts fragiler Soul unglaublich Sinn. Beide ergänzen sich bestens und führen so ihre eigenen, kleinen Dialoge. Introvertierte Liebeslieder in düsteren Zeiten. Ideal für die Nacht, für den Herbst und für alle einsamen Momente. Dieses Album ist so unglaublich groß und wunderbar anzuhören, dass es mir fast sogar die Tränen in die Augen treibt. Lange wurden Verzweiflung, Isolation und Dunkelheit nicht mehr so gut in Musik verpackt, wie hier. Alle Songs sind ausnahmslos zu empfehlen. Und natürlich sieht diese Band aus wie eine Schülerband und baut all ihre Songs auf einer simplen Grundidee auf. Das macht sie aber mit abwechslungsreichen Melodien und einer Idee, die wesentlich spannender ist, als die von Glasvegas. Ich werde mir Freude verfolgen, wohin der Weg dieser Band in den nächsten Jahren führen wird.
Hörpflicht: „VCR“, „Islands“, „Shelter“, „Night Time“

Dienstag, 27. Oktober 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Plätze 60 - 51

AlbumsOfTheDecade-100-91

60. The Postal Service “Give Up” (2003)
Endlich eine Band, die ihrem Namen auch wirklich gerecht wird. Der amerikanischen Post ist es letztendlich zu verdanken, dass Soundtüftler Jimmy Tamborello und Ben Gibbard von Death Cab For Cutie dieses wunderbare kleine Album neben ihren Hauptaktivitäten produzieren konnten. Wohl auch, weil das Internet vor 6,7 Jahren noch nicht das war, was es heute ist, waren beide gezwungen ihre Ideen per Post hin und her zuschicken, da sie wohl auch geographisch nicht unbedingt in der selben Nachbarschaft wohnten. So zeichnet sich Tamborello für die Musik und Gibbard für Texte und Melodien verantwortlich. „Give Up“, das bisher einzige Produkt ihre postalen Zusammenarbeit ist ein wunderbares kleines Indie-Pop-Album, dass sich besonders durch das häufig bewusste Weglassen von Gitarren und herkömmlichen konventionellen Instrumenten auszeichnet. Stattdessen gibt es feines Synthiegeklimper und zackige Elektrobeats und allerhand Spielereien. Ganz nebenbei produziert das dynamische Duo dabei noch ein paar astreine Hits, wie das tolle „Such Great Heights“, welches bereits jetzt ein moderner Indie-Disco-Klassiker ist, oder das traumhafte „Sleeping In“ oder „We Will Become Silhouettes.“ Dazu singt Gibbard einige seiner besten Texte, mal witzig, mal wie immer hoffnungslos romantisch. Insgesamt ist dies ein recht kurzweiliges Popalbum geworden, welches gekonnt die musikalischen Welten von Bands wie Röyksopp oder den Pet Shop Boys mit denen von Death Cab und Co. vereinigt. Ich weiß gar nicht, ob dieses Album letztendlich den Genre-Begriff „Indietronic“ erfunden hat, oder nur einfach bekannter gemacht hat. Jedenfalls trifft er die Songs ganz gut. Ein weiteres Album wird es wohl vorerst nicht geben. Aber vielleicht packt die beiden ja in den nächsten Jahren noch mal die kreative Lust, neue Songideen zu entwickeln, dann ist der Nachfolger auch ein Kandidat für das Abschlussranking der 10er Jahre.
Bester Song: „Such Great Heights“

59. Coldplay “X&Y” (2005)
Ist schon ne verdammte Axt mit dieser Erwartungshaltung… Coldplay können ein Liedchen davon singen. Immerhin wurden ihre beiden ersten Alben zu Millionensellern, welche gleichzeitig von herausragender musikalischer Qualität sind. Wie toppt man das Ganze letztendlich? Ursprünglich sollte das Drittwerk „X&Y“ eine Neudefinition von dem werden, was Coldplay ausmacht. Irgendwie stellte sich aber relativ etwas Ernüchterung ein. Chris Martin und seine Jungs wählen den leichten Weg und überschätzen sich dabei ein wenig. Anstelle der Weiterentwicklung glättet man die letzten Ecken und Kanten ihrer Songs, füllen den Rest mit Streichern und Retro-Synthesizern auf und übertreiben es etwas. „Square One“ funktioniert als üppiger Opener trotzdem hervorragend, aber einige Songs, wie „What If“ und „X&Y“ ersticken relativ aussagelos im Kitsch und bekommen erst gar nicht die Möglichkeit, zu berühren. Das tolle „Fix You“ schafft es trotzdem, besonders weil es im sensationellen Finish noch mal alles gibt. Und ansonsten gibt es nicht nur Schwachstellen auf diesem Werk. „Talk“ mitsamt seinem Kraftwerk-Sample ist einfach ein geborener Hit und bei „Swallowed In The Sea“ kann man irgendwie schön mitschunkeln. Und mit "Til Kingdom Come" beweisen die Jungs am Ende auch noch, dass sie einfache Songs machen können. Insgesamt ist das Album ist ganz gut, aber Weniger wäre halt hier Mehr gewesen. Durch die Bombastproduktion einiger Nummern verlieren diese nämlich dass, was früher mal Coldplay ausgemacht hat. So hat es das Gefühl einfach schwer gegen all die Gitarrenspurren und Synthie-Effekte. Ich mag die Platte immer noch recht gern, aber sie hat die letzten Jahre kontinuierlich an Begeisterung verloren, besonders im Angesicht des sehr guten Nachfolgers „Viva La Vida“. Die Band sieht es mittlerweile ähnlich. So ist „X&Y“ am Ende ein recht gutes Übergangsalbum einer Band geworden, die sich auf den Sprung zur Welteroberung macht. Coldplay sind, so viel sei schon mal verraten, die einzige Band mit vier Alben in den Jahrzehnt-Top-100. Es darf also ab jetzt munter spekuliert werden, wo denn die anderen drei gelandet sind.
Bester Song: “Fix You”

58. The Last Shadow Puppets “The Age Of The Understatement” (2008)
Scheint ja so, als ob Alex Turner mit den Arctic Monkeys oder seinem Privatleben mit UK-Starlett Alexa Chung nicht ausgelastet genug ist. Der Mann ist ein Arbeitstier, durch und durch. So blieb im Vergangenjahr mal eben Zeit, um ein Herzensprojekt wie die Last Shadow Puppets verwirklichen. Sein Partner dabei Miles Kane, der damals noch bei den Rascals spielte, die aber mittlerweile verlassen hat. Auf diesem Album frönen die beiden Jungspunde ihrer offensichtlichen Liebe zum Gitarrenpop der guten alten 60er mit allem was dazu gehört. Tonnen von Streichern (meisterhaft von Owen Pallett arrangiert), Harmoniegesang und vor allem kurze und knappe Popsongs, die in zweieinhalb Minuten einfach alles sagen, was sie sagen müssen. So ist „The Age Of The Understatement“ grad mal etwas mehr als eine halbe Stunde lang. Länger müssen Alben auch gar nicht sein, wenn sie gut sind. Das war vor 40 Jahren so und ist heut keinesfalls anders. Turner und Kane wissen das und konzentrieren sich deshalb auf die Songs als solche. Diese sind, mit einem Wort, einfach traumhaft! Es fällt mir gar nichts Schlechtes ein und ich werde auch noch weit über ein Jahr später immer noch von der hohen Qualität dieser Musik umgehauen. Zu gut sind die Melodien, zu perfekt ist die Instrumentierung, zu treffsicher das Arrangement. All das gibt diesem kleinen Album einfach eine epische Größe, so dass es, wäre es vor 40 Jahren erschienen, durchaus heute ein Klassiker wäre. Nur, dass der Sound heut einfach besser ist. Egal, ob der epische Titelsong, das sonnige „Standing Next To Me“, das düstere „In My Room“, das traumhafte „The Meeting Place“... alles passt zusammen, wie eine Symphonie in Popform. Ein Album, wie eine Zeitreise, ein Urlaub von all dem, was sich heute Popmusik schimpft. Warum diese Jungs keiner nach einem Bond-Song gefragt hat und warum dieses Album nicht mit drei Dutzend Grammys überhäuft wird, verstehe wer will. Gut, es ist hoffnungslos altmodisch. Aber manchmal hat die Musik so etwas nötig. Um sich auf das zu besinnen, was wichtig ist. Und ein Nachfolgealbum haben die beiden nicht ausgeschlossen. Ein Schritt den ich sehr, sehr begrüßen würde.
Bester Song: “The Meeting Place”

57. Damien Rice “O” (2002)
Einer der schlimmsten Trends der vergangenen Jahre ist sicher dieses nervige Unterlegen von TV-Serien mit eigentlich wunderbarer Musik, die man an diesen Stellen gar nicht erwartet. Auf der anderen Seite ist das für den Künstler mittlerweile die beste Promotion. Fragen sie mal Snow Patrol. Oder Emiliana Torrini. Die hätte ohne Heidi Klum’s Topmodel-Mist sicher keinen Blumentopf in den deutschen Charts gewonnen. Wenn man sich den Wikipedia-Eintrag des irischen Singer/Songwriters Damien Rice anschaut, gibt’s da nen ganzen Abschnitt über sein musikalisches Auftauchen in allen möglichen Medien. Dem 2004er Film „Hautnah“ und dem dort verwendeten „The Blower’s Daughter“ hat Rice sicher einiges zu verdanken. Und so gesehen ist das halt immer eine Hassliebe mit den TV-Serien und Filmen. Denn, um mich damit selbst zu entlarven… mein erster Kontakt war der tolle Song „Delicate“, welcher damals natürlich in einer Schlusszene bei der besten TV-Serie dieser Dekade, „Lost“, lief. Tja, also bin ich selber ein Opfer der Maschinerie. Wer weiß, ob ich von dem jungen Mann sonst irgendwie Notiz genommen hätte. Das Album hab ich oft und sehr gerne gehört und immer noch fasziniert dieser Klang, voller Ehrlichkeit und Wärme. Egal, über was Rice singt, sei es Liebe, sei es Schmerz, Trauer oder Wut… stehts kommt es dabei, so scheint es nicht nur, von Herzen. Authentisch, ehrlich und berührend. „Canonball“… was für ein wunderbarer Song… „Cold Water“… wie bewegend. Ein Song schöner, als der andere. Auch nach all diesen Jahren hat dieses wunderbare Stück nichts von der Wärme und Emotionalität verloren, die es damals hatte. Ein Album sowohl für die einsamen Stunden im Winter, als auch für traute Zweisamkeit. Und das ganze klingt dann so schön, dass ich auch ganz schnell milde gegenüber den TV-Produzenten gestimmt bin. Leben und Leben lassen.
Bester Song: „Delicate“

56. Wir Sind Helden „Von Hier An Blind“ (2005)
Die Berliner Band Wir Sind Helden ist sicher DIE Ausnahmeerscheinung in der deutschen Popmusik des zurückliegenden Jahrzehnts. Dafür dass sie eine Welle an deutschsprachiger Pop/Rockmusik losgetreten haben, die uns seitdem mit teils furchtbaren Auswüchsen, wie bspw. Silbermond überrollt, haben sie stets über den Dingen gestanden und musikalisch stets überzeugt, selbst als sich der kommerzielle Großerfolg eingestellt hat. Während andere deutsche Bands, wie die Sportfreunde oder Rosenstolz im Zuge steigender Popularität schnell in der Belanglosigkeit aus Schlager und Ideenlosigkeit verschwinden, spielen die Helden auf konstant hohem, musikalischen und textlichem Niveau. Dazu ist die Band auch zu sympathisch, zu bodenständig und Front-Hippiemädchen Judith Holofernes zu klug und zu geschmackssicher. Bereits das Debüt „Die Reklamation“ war ein munterer Weckruf für die deutsche Musiklandschaft, auf dem 2005er Nachfolger „Von Hier An Blind“ perfektioniert die Band ihren Sound fügt der durchgeknallten NDW-Note noch eine gehörige Prise Melancholie und Tiefsinn in den Texten bei. Neben den Partyhits, wie „Gekommen um zu bleiben“ oder dem Titeltrack, können so gerade Songs, wie „Echolot“, „Ich werde ein Leben lang üben…“ oder „Bist Du Nicht Müde?“ punkten. Und so ein wunderbar kraftvoller, wie gleichzeitig nachdenklicher Opener wie „Wenn Es Passiert“ muss einer Band erstmal gelingen. Das ganze wirkt erstaunlich unpeinlich, erstaunlich ehrlich und musikalisch auf internationalem Niveau. Zu den perfekten Popsongs gesellt sich nun also auch noch produktionstechnische Perfektion dazu. Eine Band, die man trotz ihrer Popularität einfach immer noch lieben darf. Nach dem sehr guten Nachfolger „Soundso“ und der verdienten Baby- und Bandpause wird hoffentlich nächstes Jahr wieder angegriffen. Die deutsche Musiklandschaft hätte es mal wieder nötig und vielleicht überrascht uns die Band musikalisch ja sogar noch mal und beweist, dass nicht alle deutschen Bands langläufig an Qualität verlieren. Wer jetzt zweifelt, sieht nicht klar.
Bester Song: „Wenn Es Passiert“

55. Bloc Party “Intimacy” (2008)
Puh! Bloc Party, Bloc Party... hmmm, wo fang ich da nur an, ohne nicht schon auf das vorzugreifen, was ich später im Verlauf der Top 100 noch über sie sagen möchte? Am besten beschränken wir uns mal nur auf „Intimacy“, das dritte Album, das im Sommer 2008 quasi aus dem Nichts kam. Während jeder dachte, dass die Band nach der aufwendigen Tour zum Vorgänger „A Weekend In The City“ erstmal etwas Pause machen würde, kündigten die ihr drittes Album an… nur ein paar Tage vor dem digitalen Release. Damit hatte man die Leute promotiontechnisch natürlich schon mal auf seiner Seite. Natürlich muss „Intimacy“ dabei zwangsläufig ein wenig im Schatten der beiden übermächtigen Vorgänger stehen, gut ist es aber dennoch, trotz einiger Schwachstellen. Dem eher verhaltenen, glatten Vorgänger setzt die Band einen treibenden Anfang entgegen. „Ares“ ist verstörendes Chaos voller Kraft und Rave-Sirenen, „Mercury“ alles, nur kein Rocksong. Hier verwirft die Band mal wieder aufs Neue alles, was man von ihr erwartet hat. Auch die ruhigen, sehr minimalistischen und elektronischen Balladen, wie „Biko“ oder „Signs“ lassen die Band wieder im neuen Licht erscheinen. „Intimacy“ ist Sänger Kele Okereke’s Seelenstrip. Ein Album voller Wut, Trauer und emotionalen Balast, den es zu verarbeiten gilt. In den lauten, wütenderen Momenten, wie bei „One Month Off“ oder „Better Than Heaven“ spürt man die Authentizität dieses Mannes am Deutlichsten. Die Texte berühren nach wie vor, leisten sich dabei aber kleinere Aussetzer, auch songtechnisch. „Halo“ und „Trojan Horse“ wirken eher wie schwache Kompromisse um die konventionellen Fans der Band nicht zu vergraulen. So mangelt es „Intimacy“ ein wenig an der Geschlossenheit, welche die Vorgänger noch boten. Dennoch zeigt es den inneren Drang der Band zur musikalischen Extension und Neudefinition. Eine moderne Band, die zwischen den Stühlen steht. Es bleibt abzuwarten, wie die Zukunft dieser Band aussieht. Mit dem Italo-Disco-Verschnitt „One More Chance“ haben sie ihre musikalische Bandbreite vielleicht etwas überdehnt und die Stimmen, die nach einer Rückbesinnung zu mehr Kanten und mehr Inhalt schreien, werden, auch von meiner Seite aus, lauter. Nach gut 5 Jahren Dauerarbeit ist die Band momentan leicht ausgebrannt und hat sich erstmal eine Zwangspause verordnet. Wie lange sie dabei wirklich still sitzen werden, wird sich zeigen.
Bester Song: “Signs”

54. Embrace “Drawn From Memory” (2000)
Ich möchte ja nicht irgendwie nostalgisch werden, aber irgendwie war die Welt vor 10 Jahren doch noch viel angenehmer. Kein 9/11, keine Wirtschaftskrise, kein Westerwelle als Außenminister, kein Klimawandel (gut, den gab’s schon, aber die Menschheit hat’s halt nich gerafft), keine Generation von ADS- und medienverseuchten Emo-Teenagern, keine Social Networks, kein Atzenmusik, kein Hype aller zwei Minuten, keine Downloads… irgendwie war alles noch ein wenig unkomplizierter und sicher auch ne Spur ehrlicher, wenngleich das sicher auch daran liegt, dass man noch jünger war und sich als Jugendlicher mit ganz anderen Themen rumschlagen musste. Und musikalisch war das Jahrzehnt ja bestens ausgerüstet, wie man anhand dieser Auflistung sieht. Doch ab und an legt man ein altes Album rein und wünscht sich in die Zeit zurück, als melancholischer Britpop noch Spaß machte und nicht durch Coldplay, Snow Patrol (und viele andere Bands, die ich mag) zur Allerweltsmusik gemacht wurde. Dann hör ich mir doch gern die frühen Travis an oder dieses wunderschöne Embrace-Album aus dem Jahr 2000. Heute würden diese seichten Gitarrenpopsongs mit ihrem leichten Hang zur Übertreibung sicher niemanden mehr hinterm Offen hervorlocken, dazu ist „Drawn From Memory“ sicher an die damalige Zeit gebunden, denn eigentlich isses ja fast noch ein Überbleibsel der 90er, die mit dieser Musik und Bands wie Oasis oder The Verve ja die Hochphase des Britpop waren. So verbinde ich mit den großen Hymnen dieses Albums, wie „The Love It Takes“, dem optimistischen „You’re Not Alone“ oder dem träumerischen Titelsong vor allem gute Erinnerungen an eine Zeit der Unschuld und musikalischen Sozialisation in diese Richtung. Denn den Coldplays und Embraces dieser Welt hab ich’s letztendlich zu verdanken, dass ich mich dann irgendwann mal mit 14/15 angefangen habe, mich musikalisch abseits der Charts oder Mitschüler zu orientieren. Deshalb kann der Band nicht hoch angerechnet werden. Christian, wenn du das liest, wirst du mir beipflichten, oder? Am Ende singt Danny McNamara, dass er die Zeit seines Lebens hatte. Muss man mehr sagen? Bitte mal gut 6 Minuten in diesen Song fallen lassen. Es funktioniert immer noch, nach all der Zeit und all dem eher durchschnittlichen Kram, den Embrace später gemacht haben.
Bester Song: “I Had A Time”

53. Trentemøller “The Last Resort” (2006)
Wenn man den Leuten sagt, dass man auch gern mal elektronische Musik hört, dann wird das ja oft missverstanden und man wird sofort in die Techno-Party-Ecke geschmissen. Ja, sicher, die mag ich auch gern mal hören bzw. dazu die Puppen tanzen lassen, aber es geht auch gern anders… Anders Trentemøller um genauer zu sein. Puh, was’n Wortspiel. Reißer! Trentemøller macht Minimal Techno, wenn man das vielleicht Genre-technisch so einordnen kann oder will. Na ja, aber so „minimal“ ist der am Ende gar nicht. Was den Dänen von der Konkurrenz abhebt, ist die Fähigkeit mit seinen Tracks Atmosphäre zu erzeugen und Bilder zu zeichnen. Während er bei Remixen stets den Tanzhammer auspackt, umgibt sein Debütalbum „The Last Ressort“ eine ganz andere, vielschichtigere Atmosphäre. Das Cover ziert ein gespenstisch-nebliger Wald und so klingt auch seine Musik. Düster, experimentell, nicht unbedingt gradlinig, sondern vielschichtig. Allein der fulminante Opener „Take Me Into Your Skin“ wechselt mehrmals seine Form und Farbe und weiß zu begeistern. Im weiteren Verlauf schöpft Trentemøller die CD-Länge bestens aus (das komplette Album ist fast genau 80min lang) und nimmt den Hörer mit auf eine düster-groovende Reise in die Nacht. Dabei wird es gelegentlich etwas tanzbarer und härter, aber nie im Übermaß. Stets schimmert die Melancholie und Introspektive seiner Tracks durch. Und die ganzen kleinen Elemente, die sich abspielen… hier ein kleiner Effekt, da ein Echo. Auch produktionstechnisch macht es einfach Spaß diese Platte zu hören und zu analysieren. Der Sound ist klar, wie die kalte Nachtluft, die ihn umweht. „The Last Resort“ ist eines der elektronischen Ausnahmealben dieses Jahrzehnts, das sicher vom prolligen Techno-Dude bis zum Indie-Nerd ein breites Publikum ansprechen kann. Wie dieses Album interpretiert und gehört wird, muss jeder letztendlich für sich selbst entscheiden. Ich folge Trentemøller jedenfalls gern auf seinem dunklen Weg.
Bester Song: „Take Me Into Your Skin“

52. Feeder “Comfort In Sound” (2002)
Die Umstände unter denen das vierte Feeder-Album entstanden sind waren sicher nicht die besten, aber musikalisch hat es der Band auf jeden Fall die richtige Richtung gegeben. Kurz vorher hatte Schlagzeuger John Lee Selbstmord begangen und die Band so vor eine neue Situation gestellt. Vorher war man eher eine spaßige Fun-Britrockband, welche bspw. „Seven Days In The Sun“ sang. Doch der plötzliche Tod von Lee zwang die Band zum nach- und umdenken. Sänger Grant Nicholas schrieb daraufhin einige herzerwärmende Songs voller Trauer, Ratlosigkeit, aber auch Hoffnung, welche sich allesamt auf diesem Album wieder finden. „Come Back Around“ hieß die erste Single, deren Adressat natürlich recht eindeutig auszumachen war. So strotzen die Balladen „Just The Way I’m Feeling“, „Forget About Tomorrow“ oder “Summer’s Gone” voller Kraft und sicher auch etwas übertriebenen Pomp, aber vielleicht sind es gerade die Umstände, in denen sie entstanden sind, die das ganze für mich so authentisch machen, zumal Nicholas nach wie vor eine der angenehmsten, wärmsten und kraftvollsten Stimmen der britischen Musikszene besitzt. Nebenbei versprühen Songs wie „Comfort In Sound“ oder „Find The Colour“ auch einen leisen Optimismus. Die abschließende, fast siebenminütige Ballade „Moonshine“ sei übrigens jedem Menschen da draußen zu empfehlen, besonders eben nachts, zum Mondschein, dann entfaltet das Stück ungeahnte Kräfte. Es ist witzig, dass es Feeder nie großartig geschafft haben, außerhalb von Großbritannien Erfolg zu haben, denn dieses Album wäre ja bestens dazu geeignet gewesen. Sicher keine sonderlich innovative Musik und stellenweise aus heutiger Sicht etwas zu kitschig, aber dieses Ranking soll ja nicht nur die heutige Sicht auf die Dinge behandeln, sondern auch den Blick auf die Vergangenheit und gerade deshalb ist dieses Album für mich gefüllt mit Erinnerungen an einige gute Momente in meinem Leben, an die ich mich immer wieder gern zurückerinnere, wenn ich es höre. John Lee wäre stolz auf seine Bandkollegen.
Bester Song: “Forget About Tomorrow”

51. Pet Shop Boys „Yes“ (2009)
Meine fast bedingslose Verehrung der Pet Shop Boys dürfte mittlerweile weit über die Grenzen dieses Blogs hinaus bekannt sein. Neil Tennant und Chris Lowe sind das Beste was britische Popmusik in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Sie sind intelligent, stil- und hitsicher und schreiben nebenbei wunderbare Songs, traumhafte Melodien. Und das seit 25 Jahren! Und ich hätte am wenigsten gedacht, dass ihn mit „Yes“ in diesem Jahr noch mal ein so großer Wurf gelingt, denn vor der Veröffentlichung war durchaus Skepsis angebracht. Erfolg um jeden Preis sollte garantiert werden, das „kommerziellste Album seit Jahren“ wurde versprochen und notfalls sollten auch die Girls-Aloud/Sugababes-Produzenten Xenomania nachhelfen. Das wirkte mehr, wie zwei Herren um die 50 in der Midlife-Crisis. Doch all der Zweifel wurde mit dem phänomenalen „Love etc.“ weggewischt, der besten PSB-Single seit Ewigkeiten, die es, wie das Album, darüber hinausschaffte nach Jahren mal wieder ein Zielpublikum weit unter 30 anzusprechen. Der Musikpresse und dem allgemeinen 80er-Revival sei Dank. „Yes“ ist am Ende genau das, was der Titel ankündigt. Euphorie-Plaste-Pop, hoffnungslos melodieverliebt und naiv und gerade dadurch in seiner Konsequenz, Glätte und Eingängigkeit fast schon rebellisch. Intelligenz und Tiefsinnigkeit, verpackt in scheinbar oberflächlichen Elektro-Pop. Schon lange nicht mehr klangen Tennant und Lowe dabei so zielsicher, wie auf „Yes“. Kein schwacher Song, dazu jede Menge Hits. Neben der Single natürlich noch das famose „All Over The World“, welches vielleicht jetzt doch noch Weihnachtssingle wird und der größte Hit des Albums ist. „Beautiful People“ spielt sich mit schönem Streicher-Arrangement durch die 60er, „King Of Rome“ erinnert an alte „Behaviour“-Zeiten, während „Pandemonium“ noch mal Gas gibt, während „The Way It Used To Be“ sicher einer der spannendsten PSB-Songs der letzten Jahre ist. Man kann eigentlich jeden Song dieses Albums nehmen. Am Ende bleibt es offensichtlich. Die Pet Shop Boys leben die Unwiderstehlichkeit des Pops. „Yes“ ist ihr bestes Album der letzten zehn Jahre. Hier fügen sich die Puzzelteile besser zusammen, als auf den Platten zuvor. Und wie gesagt, wenn Lady Gaga, die Killers oder MGMT schon dem elektronischen Glamour-Pop der 80er zelebrieren und sich als Fans des Duos geäußert haben, dann ist es für die Originale noch lange nicht Zeit, in Rente zu gehen
Bester Song: „All Over The World“

Samstag, 24. Oktober 2009

Wie ein dunkler Traum

Nicht, dass wir es hier unter den Tisch fallen lassen. Ein kurzes Statement über das wunderbare dritte Album der Editors muss an dieser Stelle angebracht sein.

Ein wenig seltsam fühlt sich das dritte Editors-Album beim ersten Hören schon an. Denn bereits das Titelstück zu Beginn gibt den Weg vor. Eine treibende Sequenzer-Basslinie trifft auf Tom Smiths düstere Liebeserklärung gegenüber seiner Heimatstadt London, sowie auf breite Synthieflächen, die uns direkt in die 80er mitnehmen. Bereits der erste Song kreiert eine bedrohliche, aber durchaus vertraute Atmosphäre, die bestimmend ist für den Rest des Albums. Auch das kontrollierte Chaos am Ende von Track Nummer Eins beweist dies. Die Neuerfindung der Editors überrascht und zieht dabei aber gleichzeitig sofort in den Bann. Die Dunkelheit besiegt im Gegensatz zum Vorgänger „An End Has A Start“ diesmal das Licht und serviert uns auf 9 Songs ein Album voller großer Momente und traumhafter Songs… vorausgesetzt man hat Lust darauf, über die Dunkelheit zu träumen. Die Einflüsse von Depeche Mode, über New Order bis hin zum Blade-Runner-Soundtrack, wie die Band immer wieder im Vorfeld betonte, hört man an allen Ecken und Enden. Die Bassläufe sind düster, die Beats mechanisch präzise und kalt. Dazu singt Sänger Tom Smith mit düster-flehender Stimme von allerhand pessimistischen Thematiken. Im Prinzip klingen die Editors ganz neu, aber irgendwie auch doch nicht, denn die Songs sind so gut, wie eh und je und die Melodien sind da, entweder eindeutig, wie bei „Papillon“ oder „Like Treasure“ oder versteckt wie beim introvertierten „The Big Exit.“ Statt der üppigen Gitarrenwände bilden nun Synthesizer und Sampler den zentralen Kern des Sounds. Eine Veränderung, die durchaus Sinn macht. Zu sehr war das Quartett zuletzt von sich selbst genervt und so setzt man dem Trend Richtung Stadionrock, Coldplay und Formatradio eine erstaunliche Kompromisslosigkeit entgegen. Sicher, so sperrig ist es am Ende auch nicht, denn Songs wie „Papillon“ oder „Eat Raw Meat = Blood Drool“ bleiben einfach gute Popsongs mit tollen Melodien und spannenden Arrangements. Doch die Editors gehen nun einen neuen Weg, probieren sich in neuen Bereichen aus und fordern nun etwas Bereitschaft vom Hörer, sich auf die Reise einzulassen. Wenn man dies tut, dann nimmt einen „In This Light And On This Evening“ auf eine spannende Reise, hinein in die Dunkelheit und Melancholie. Somit untermauert diese Band ihren Status als eine der spannendsten und bewegensten Bands, die es in den letzten Jahren gab und bewegt sich weiterhin kontinuierlich nach oben auf der Erfolgskurve. Zum Glück schlagen sie dabei einen spannenden vielseitigeren Weg ein, als die Konkurrenz.

Editors @ MySpace

Freitag, 23. Oktober 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Plätze 70 - 61

AlbumsOfTheDecade-100-91

70. The Boxer Rebellion “Union” (2009)
Die Band Boxer Rebellion ist eine Band der Rekorde, wenngleich man das natürlich erst auf den zweiten Blick sieht. So war ihr zweites Album „Union“ durchaus erfolgreich in diesem Jahr, schaffte es als erstes Album in der Geschichte in die US-Charts ohne einen Plattenvertrag zu haben. Die Kritiken sind toll und das Quartett hat sich eine treue Fangemeinde weltweit erspielt, doch steht sie immer noch zu diesem Zeitpunkt ohne Label da. Deshalb kann man die Arbeit, die diese Band in die Eigenverbreitung ihrer Musik steckt auch nicht hoch genug würdigen. Hier spielt sich eine Band vermutlich am Existenzminimum den Arsch ab, um der Welt zu zeigen, dass sie existiert. Dieser traurige Zustand steht symbolisch für dutzende Bands weltweit im Anbetracht der aktuellen Situation der Musikbranche. Und es ist einfach so unfair, weil diese Musik so gewaltig, so wunderbar ist. „Soviets“ ist eine wunderbare Hymne für die Ewigkeit, für so etwas wie „Spitting Fire“ würden Coldplay töten und die ruhigen Momente, wie „Misplaced“ oder „The Gospel Of Goro Adachi“ zeigen die Band vielseitig, feinfühlig und mit einem wahnsinnig guten Gespür für Melodien und Gefühl. Emotionale Britpop-Hymnen, die in dieser Form momentan nur die wenigsten hinbekommen. Und genau deshalb sollte diese Band einfach von der ganzen Welt gehört werden. Vielleicht platzt der Knoten ja in den nächsten Jahren noch. Es wäre einfach so überfällig. Bis dahin bleibt „Union“ das einzige Album ohne Label, welches es in meine Top 100 des Jahrzehnts schafft. Vielleicht hebt das ja die Stimmung der Band ein wenig.
Bester Song: “Soviets”

69. Snow Patrol “Final Straw” (2003)
Sicher, mittlerweile rollt man ja ein wenig mit den Augen, wenn der Name “Snow Patrol” erwähnt wird. „Grey’s Anatomy“ und „Chasing Cars“ sei Dank, muss man diese eigentlich ziemlich gute Band mittlerweile mit der halben Welt teilen und permanent im Formatradio wegschalten. Auch musikalisch hat die Truppe um Sänger Gary Lightbody ein wenig darunter gelitten. Dumme Sache eigentlich. Da erinnert man sich doch gern wieder an das Jahr 2003 zurück als die Welt noch in Ordnung war und Snow Patrol ersr die Fühler ausstreckten, um in dieser gehört zu werden. „Final Straw“ ist ihr persönliches Meisterwerk, das den Balanceakt zwischen Hittauglichkeit und verschrobener Eigenheit erstaunlich gut hinbekommt. Die Balladen wirken erstaunlich erdig, selbst das epische „Run“ wirkt trotz Stadionbombast keinesfalls übertrieben. Und „Grazed Knees“ ist wohl eine der schönsten Versuchungen, seit es kurze Songs gibt. Und wenn die Band bei Songs wie „Wow“ oder „Gleaming Auction“ sogar aufs Gaspedal tritt, macht das unheimlich Freude. Und das tolle „Chocolate“ sowieso… I can make my first step as a child of 25”. Trifft heute mehr denn je auf mich zu. Es ist egal, wie man heut zu Snow Patrol steht und wie genervt man manchmal von ihnen ist, dass sie etwas drauf haben steht natürlich nicht zur Debatte und dieses Album ist der Beweis dafür. Wäre schön, wenn man sich in Zukunft mal wieder auf die ein oder andere Stärke besinnen würde.
Bester Song: “Chocolate”

68. U2 „How To Dismantle An Atomic Bomb“ (2004)
So, und was ist natürlich noch schlimmer als Snow Patrol? Richtig, die Großväter des Stadionrock, nämlich U2. Das U2 ein Kapitel für sich sind, dürfte außer Frage stehen. Eine Band, die gleichzeitig so stark begeistert wie polarisiert und das seit gut 30 Jahren… das ist schon gewissermaßen eine Klasse für sich muss man sagen. Natürlich haben U2 ihre besten Zeiten schon hinter sich. Die 80er als quasi stetige Weiterentwicklung von der Garagenband zu Stadionrockern und die experimentellen 90er, in denen die Band mit Alben wie „Achtung Baby“ oder dem unterschätzten, weil nicht verstandenen „Pop“ mein Herz für sich gewinnen konnten. Jetzt im neuen Jahrtausend gab’s die Rückbesinnung auf alte Rockwerte und insgesamt drei annehmbare Platten, auf denen sich eine Band präsentiert, die alles erreicht hat und deshalb niemandem mehr etwas beweisen muss und auch nicht unbedingt will, welche aber immer noch in der Lage ist, gute bis phänomenale Songs zu schreiben. Die besten der vergangenen 10 Jahre finden sich auf dem 2004er „Atomic Bomb“, welches dank Jacknife Lee und Steve Lillywhite wieder etwas rockiger ausgefallen ist, wobei man da jetzt keinen Garagenrock erwarten sollte… „Vertigo“ ist da schon das Maximalste. Und sicher gibt es auch verzichtbares wie „City of Blinding Lights“ oder „All Because Of You“, doch in vielen Momenten laufen Bono und Co. noch mal zur Höchstform auf. Etwa auf dem traurig epischen „Sometimes You Can’t Make It…“, auf welchem Bono die Beziehung zu seinem kurz vorher verstorbenen Vater thematisiert und dabei trotz all des Bombasts und all der Klischees gegenüber seiner Person unglaublich intim und ehrlich wirkt. So gut, wie seit Jahren nicht mehr. Sicher, der Text von „Love And Peace Or Else“ ist unterirdisch, aber dafür hat der Song Feuer im Hintern. Das atmosphärische „One Step Closer“ weiß ebenfalls zu überzeugen und das optimistisch hymnische „Yahweh“ entlässt einen am Ende mit viel Liebe in die Nacht oder den Tag. Ja, in Bonos Welt zerstört nur die Liebe eine Atombombe. Ist zwar plump, aber, wenn man mal drüber nachdenkt, durchaus richtig. Nein, U2 sind ne Macht. All die Nörgler sollen mal selber versuchen, 30 Jahre lang so abwechslungsreiche und qualitativ hochwertige Musik zu machen. Yes, Bono!
Bester Song: „Sometimes You Can’t Make It On Your Own“

67. Arctic Monkeys “Favourite Worst Nightmare” (2007)
Verdammte Erwartungshaltung. Was lässt man dem am schnellsten verkauften Debütalbum aller Zeiten, einem Album, welches diese Generation zu vielen Teilen prägte… was lässt man dem folgen? Sicher nicht leicht für die Arctic Monkeys, doch ihr Zweitwerk vermochte zu überraschen und ist dem Erfolgsdebüt ebenbürtig und zu großen Teilen sogar besser. Sicher, es fehlen die offensichtlichen Mitgröhl-Hymnen des Vorgängers, doch die brauchte es diesmal gar nicht. Die Stärken liegen woanders und sind häufig versteckt. Der Sound ist vielschichtiger, komplexer, ohne aber einem glatt produzierten Bombast zu verfallen. Die 4 Lads aus Sheffield bewahren sich ihre Leichtigkeit und Verspieltheit nicht nur, sondern bauen diese sogar noch aus. Kompromisse werden nicht gemacht. „Favourite Worst Nightmare“ fungiert als Zwischenstück zwischen dem poppigen Debüt und dem ganz gegenteiligen „Humbug“ aus diesem Jahr. Die Entwicklung der Band wird gerade durch Songs wie „Do Me A Favour“ oder dem wunderbaren „If You Were There, Beware“ deutlich. Weg von klassischen Songkonstrukten, kompromissloser Arrangements und Refrains, die man eigentlich gar nicht als solche Bezeichnen dürfte. Getanzt werden darf trotzdem, zu Brettern wie „Brianstorm“ oder „Teddy Picker“. Die Arctic Monkeys erspielen sich mit diesem Album ihren ganz eigenen Sound, abseits all der anderen Indie-Masse. Die leisen Töne wirken noch gefühlvoller, während die lauten Parts auf den Hörer noch intensiver einknüppeln. Und so hat man auch nicht so schnell die Nase voll von „Favourite Worst Nightmare“, wie von „Whatever People Say...“. Eingängig und gleichzeitig vielschichtig. Mit dieser Band werden wir noch viel Freude in den nächsten Jahren haben, wenn die Leute nur endlich verstehen würden, dass sie kein „Whatever People Say I Am…“ mehr bekommen werden. Muss ja auch nicht.
Bester Song: “Do Me A Favour”

66. Myslovitz “Korova Milky Bar” (2003)
Ich glaub, es war im Frühjahr 2004, als ich mir relativ impulsiv das einzige englischsprachige Album der polnischen Rockband Myslovitz gekauft habe. Ich kannte vorher nur dieses „Sound Of Solitude“, was ich aber sehr, sehr gut fand und mittlerweile für einen der besten Songs der letzten Jahre halte. Na ja, und da der Media Markt (ja, damals hab ich noch da CDs gekauft) nur ein Exemplar da hatte und mir danach war, habe ich mir „Korova Milky Bar“ gekauft und damit viele schöne Stunden in den nächsten Jahren verbracht. Natürlich war dieses Album der Versuch für die Band, auch westlich der polnischen Heimat zu punkten und den Durchbruch zu schaffen. Immerhin haben sie mich überzeugt, denn „Sound Of Solitude“ habe ich ein paar Monate vorher auf MTV gesehen, aber ansonsten lief es bei den Jungs ähnlich wie bei den schwedischen Kollegen von Kent. Der Unterschied ist aber, dass ich die polnischen Songs der Band kaum kenne, wobei das natürlich ganz hervorragende Musik ist und die Sprache ja angesichts der an sich tollen Songs kein Problem darstellt. So bleibt dieses Album dann doch relativ allein für sich stehen, überzeugt aber mit ein paar echt schönen melodischen Popsongs, die sich vor der britischen Konkurrenz nicht verstecken müssen. Das recht verhaltene „Man of Glass“ beginnt sich langsam zu steigern, wie ein langsamer Sonnenaufgang, bevor man sich bei Songs wie „Dreamsellers“ und „Acidland“ auch mal an Hymnen heranwagt und bei „The Melancholy Tower“ oder „I’d Like To Die Of Love“ in der nebeligen Tristesse eines kalten Herbsttages versinkt. Dass der Sänger dabei den polnischen Akzent nicht wirklich versucht zu verstecken macht das ganze irgendwie auch sympathisch. Ein richtig schönes Album ist das, was hier in der Liste auftauchen muss, da es mir sehr ans Herz gewachsen ist. Potential hat diese Band allemal gehabt und hat es sicher immer noch, aber außerhalb ihres Heimatlandes wird man wohl auch zukünftig wenig Chancen haben, dass zu entdecken.
Bester Song: “Sound Of Solitude”

65. Doves “Some Cities” (2005)
Ach, die Doves. Die wunderbaren Doves. Wo fang ich denn da am besten an? Oder wo hör ich da auf? Wer mich kennt weiß, dass mir diese Band viel bedeutet und es geschafft hat, mich mit ihren vier Alben vollständig auf ihre Seite zu ziehen. Woran das liegt ist manchmal schwer zu sagen. Gut, offensichtlich muss es die Musik sein. Dieser hymnische Britpop, der gern mal ausladend ausfällt. Und die wunderbare Stimme von Jimi Goodwin, die einen ähnlich warmen Klang versprüht, wie die von Elbow-Kollege Guy Garvey. Doch im Gegensatz zu den befreundeten Kollegen von Elbow sucht diese Manchester Band den großen Pop. Auf dem 2005er Album geht sie es dennoch ein wenig reduziert an und verzichtet auf ein paar Soundflächen. So stampfen die Singles „Black & White Town“, sowie „Sky Starts Falling“ recht direkt vor sich hin, ohne großartig abzuschweifen. „Some Cities“ ist wesentlich direkter und schroffer produziert, ohne dabei auf das Hymnische in einigen Songs zu verzichten. Bspw. in den Tracks „Walk In Fire“ oder dem famosen „Snowden“. Es ist sicher nicht das beste Doves-Werk, aber für mich hat es nach wie vor einen großen Stellenwert, weil es das Album ist, über welches ich diese Band kennen und lieben gelernt habe. Deshalb sind all diese Melodien und all diese Klänge natürlich in erster Linie Erinnerungen für mich, wenngleich dies ihnen natürlich nicht die Qualität absprechen soll. „Some Cities“ ist das erdigste, direkteste und sicher düsterste Doves-Album bis dato und übt gerade dadurch einen großen Reiz aus.
Bester Song: „Snowden“

64. Kasabian “Kasabian” (2004)
Madchester, Ma-Ma-Madchester! Noch einige Zeit bevor das Rave-Revival in Großbritannien eingeläutet wurde, hat sich eine Band aus Leicester diesem Territorium genähert. Ihr Name: Kasabian… das Album? Heißt genauso. Dabei ist das selbstbetitelte Debüt der Band natürlich keine bunte-Pillen-Party-Platte für die Disco, sondern zieht seine Energie eher aus einem etwas düsteren, verrauchten Hinterzimmer einer solchen Disco. Irgendwo zwischen Pop, Britpop, Electronic und viel 60er-Jahre-Psychodelic entfaltet „Kasabian“ so eine ganz eigene Stimmung, die damals wie heute nichts von ihrer Faszination verloren hat. Von den Dance-Hits „Club Foot“, „Reason Is Treason“ zu den Mitsinghits “L.S.F.” oder “Cutt Off”, bis hin zum sphärischen Albumcloser “U Boat” nimmt einen dieses düstere, kleine Meisterwerk mit auf eine reise voll schleppender Beats, Synthiespielereien und kryptischen Texten über Verschwörrungen und LSD. Warum auch nicht. Während Kasabian in den nächsten Jahren lieber daran arbeiteten die größte Rockband des Vereinigten Königreichs zu werden (nur um außerhalb von eben diesem mal gar nichts zu reißen), blieb der düster-atmosphärische Grundton des Debüts leider etwas auf der Strecke, was ich persönlich schade finde. Herrlich eigen sind sie sowieso geblieben und dass der Psychodelic-Faktor die Oberhand gewonnen hat ist auch nicht unbedingt so ein großes Problem. Dennoch hat das nie wieder so gezündet, wie auf diesem Debüt. Vielleicht ist das auch der Tatsache geschuldet, dass dieser Sound damals für mich etwas wirklich halbwegs Neues darstellte, was damals erstaunlich frisch und eigenständig um die Ecke kam. Mit so was verschafft man sich einfach etwas mehr Eindruck. Auch über 5 Jahre später bleibt „Kasabian“ ein tolles Album, dessen nachtrunkene Atmosphäre heute, wie damals, begeistern kann.
Bester Song: „U Boat“

63. Amy Winehouse “Back To Black” (2006)
Man könnte ja mittlerweile glatt vergessen, dass Amy Winehouse auch mal Musik gemacht hat. Wobei es gerade erfreulicherweise mal etwas ruhiger ist, um die verwirrte Dame. Ab und an ließt man mal was über eine Brustvergrößerung, ’nen neuen Typen oder irgendeine Beleidigung gegenüber irgendwen. Was auch immer. In den Jahren 2007 und 2008 war die öffentliche Schnitzeljagd um Mrs. Winehouse ja schon nicht mehr auszuhalten. Amy hier, Drogen da. Blablabla… Das alles hätte aber nicht geklappt, würde am Anfang dieser beispiellosen Negativentwicklung nicht ein echt großartiges Album stehen, das man ausnahmsweise auch mal lieben darf, obwohl es mittlerweile fast jeder Mensch auf dieser Welt mittlerweile Original oder raubkopiert besitzen dürfte. „Back To Black“ ist auch ohne Skandale ein tolles, tolles Album. Produzent Mark Ronson kreierte mit dem Retro-Sound der 60er den Trend der stunde und gibt den wahnsinnigen Songs ein entsprechend geschmackvolles Gewand. Amy hat dabei bei jedem Ton den Soul in der Stimme, den man als so kaputtes Genie zum Singen braucht. Natürlich geht’s dabei um ihr verkorkstes Liebesleben und dem Hang zu Hochprozentigen. Aber warum nicht. Diese Songs sind Pop as Pop can be. Egal, ob himmelhoch jauchzend („Tears Dry On Their Own“) oder zu Tode betrübt („Love Is A Losing Game“)... dieses Album hört man gern an. So wenig Stil, wie diese Frau manchmal privat hat, so viel Geschmack und Glamour bietet diese Platte. Und trotzdem bewahrt sie sich, vielleicht auch durch ihr Privatleben, einige Kanten dabei, welche das Ganze jederzeit authentisch machen. Bitte auch in Zukunft wieder. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Bester Song: “You Know I’m No Good”

62. Muse “Absolution” (2003)
Klein haben Muse noch nie gedacht. Von Anfang an hat diese Band in größeren Maßstäben gedacht und eine musikalische Klasse an den Tag gelegt, die beeindruckend war. Kaum zu glauben, dass das britische Trio beim Release ihres 99er-Debüts „Showbiz“ gerade mal die Volljährigkeit erreicht hatte. In diesem Jahrzehnt ging die Erfolgskurve ihres hymnisch-lauten Alternative-Rocks stetig nach oben. Man konnte richtig mitverfolgen, wie es diese Band schaffte, von Album zu Album mehr Menschen anzusprechen und ihren Sound immer wieder nach vorn zu puschen. 2009 sind sie somit weltweit als begnadete Live-Band bekannt, bespielen die größten Locations und ihr jüngstes Album „The Resistance“ schaffte es fast überall direkt auf Platz 1 der Charts. Vielleicht stellt das 2003er-Album „Absolution“ diesbezüglich eine Wende da, denn es geht die Dinge wesentlich klarer und direkter an, als das sperrige Vorgängerwerk „Origin Of Symmetry“. Wenngleich hier natürlich nicht die durchgängig die Lautstärke gedrosselt wird. „Apocalypse Please“ gibt gleich die Richtung vor, während „Stockholm Syndrome“ auch nach Jahren nichts von seiner Kraft verloren hat. Mit „Time Is Running Out“ und „Hysteria“ hat man glücklicherweise auch gleich ein paar Mitsing-Taugliche Power-Singles in der Hand und nebenbei wagt man sich auch in neue Bereiche. „Blackout“ ist wohl die schönste Versuchung, seit es Suizid gibt und „Endlessly“ kann ja fast als astreiner Elektro-Popsong durchgehen. Richtig toll wird diese Band natürlich erst, wenn Matthew Bellamy seine klassische Ader ausleben kann, so wie beim wunderbaren Piano-Zwischenteil des phänomenalen „Butterflies And Hurricanes“, welches in seiner absoluten Wucht gleich mal in fünf Minuten definiert, warum gerade diese Band mittlerweile eine der Größten dieses Planeten ist. „Best, you’ve got to be the best“ felht Bellamy da mit einer Armee aus E-Gitarren und Streichern im Hintergrund, als ob er sich selber motivieren müsste. Vollkommen unnötig.
Bester Song: „Butterflies And Hurricanes”

61. Maritime “We, The Vehicles” (2005)
Ich weiß gar nicht so genau, wass ich über dieses Album so schreiben soll. Letztendlich, wenn man es mal pragmatisch sieht, ist „We, The Vehicles“ nichts so Besonderes und prädestiniert dazu, um in den Jahrzehntrankings übersehen zu werden. Und dennoch hat sich das zweite Album von Maritime seinen Platz hier ganz tapfer erspielt, da es insgesamt elf sehr gute Indierocksongs bietet, die einfach ein paar schöne Mitsing-Melodien beinhalten. Vor allem ist es aber die Qualität der Songs. „People, The Vehicles“ und „Calm“ sind genauso verträumt, wie „Tearing Up The Oxygen“, während man zu „Parade Of The Punk Rock T-Shirts“ oder „Don’t Say You Don’t“ sogar mal das ein oder Tanzbein leicht in Bewegung setzen könnte. Und dazu die schöne Stimme von Sänger Davey van Bohlen, welcher ich einfach sehr gern zuhöre. Das ist eigentlich die Sorte sympathischer-nicht-störrender Indie-Rock, die mir sehr gern mal auf den Geist geht, aber irgendwie ist das bei diesem Album nicht wirklich der Fall, also ein ziemlicher Glückszustand, der halt aus guten Songs und einer angenehm heiteren Grundstimmung resultiert. Ein Album für den beschwingten Start in den Frühling oder Sommer. Je nachdem. Tut nicht weh und vermag zu gefallen.
Bester Song: “Tearing Up The Oxygen”

nobono

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