Kurz und Bündig - 03/2011
Britische Krawallbürsten, schwedische Pop-Elfen, Berliner Altmeister, schwule New Yorker Disco-Könige und kanadischer Entspannungspop. Es geht international zu bei meinem aktuellen Rundumschlag in Sachen aktueller Plattenveröffentlichungen.

Does It Offend You, Yeah? – Don’t Say We Didn’t Warn You
Das nenn ich mal konsequent. Wenn eine Band schon einen so bescheuerten Bandnamen mitsamt warnendem Debütalbumtitel („You Have No Idea What You’re Getting Yourself Into“) hat, dann führt man die Story auf dem Nachfolger einfach konsequent fort. Glücklicherweise wurde diese Warnung von einer Mehrheit der Menschen ignoriert und so überraschte das Debüt der britischen Elektro-Punker auch mit allerhand verschiedener Stile. In den letzten 3 Jahren hat man sich nun weltweit den Arsch abgespielt, viele Fans hinzugewonnen, gelernt, die eigenen Instrumente zu spielen und das ganze nun auch auf Platte zu zeigen. Und das hört man der neuen Platte auch an. Die mittlerweile fünfköpfige Band klingt jetzt wesentlich professioneller, also nach Bühne statt nach Wohnzimmer. So ist Album Nr. Zwei zwar nicht mehr ganz so spröde, dafür aber immer noch druckvoll, sehr laut und prädestiniert dafür, die Festivalbühnen dieses Globusses in Schutt und Asche zu legen. Das ist das Ziel dieser Band, dafür existiert sie, das kann sie auch so gut, wie aktuell kaum eine zweite. Schön, wenn neben den ganzen Uffe-Zwölf-Tracks auch immer noch Zeit für kleine Popsongs („Pull Out My Insides“) und sogar die erste Ballade („Broken Arms“) bleibt. Das angebliche Zeitgeistphänomen von 2008 wird auch 2011 noch funktionieren. Und wen das auf Platte nicht überzeugt, der sollte sich die Truppe dringend mal live anschauen.
Video "The Monkeys Are Coming"
Lykke Li – Wounded Rhymes
Es ist zwar nicht eine so wichtige Frage, wie die nach dem neuen Bayern Coach oder der Abdankung von Gadaffi, aber dennoch sei mal in die Runde geworfen, welche weibliche Künstlerin sich denn 2011 die Pop-Krone aufsetzen möchte. Vorjahressiegerin Robyn hat ordentliche Elektropop-Fußspuren hinterlassen. Doch hinter dem Disconebel, direkt aus den schwedischen Wäldern kommt schon eine potentielle Nachfolgerin angeschlichen: Lykke Li präsentiert ihr zweites Album, dass dort weitermacht, wo das Debüt aufgehört hab. Das heißt: dezent melancholische, aber doch irgendwie niedliche und eingängige Power-Folk-Pop-Songs, die zwar manchmal etwas experimentell wirken, aber dabei auch stets im Formatradio funktionieren könnten. „Wounded Rhymes“ backt dann auch ähnliche musikalische Brötchen, wie „Youth Novels“, ist insgesamt natürlich aber wesentlich fetter und weniger puristisch instrumentiert. Hymnen, schwermütige Balladen und leichte Popsongs in einem Guss, ohne dass es störend wirkt. Bei den Kolleginnen Bat For Lashes, Florence oder Glasser hat das ja auch schon funktioniert. Nix wirklich Neues, nur teilweise etwas Besonderes. Souveräne Thronbesteigung sieht anders aus. Und im Hintergrund setzt schon Gaga zum Sprung an.
Stream auf Soundcloud
Beatsteaks – Boombox
Die deutsche Wirtschaft schätzt ihre Exporte. Wir haben Qualität, seien es Autos, Bier oder diverse technische Geräte. Deutschland steht für Qualität. Da weißte, was de hast. Mit unseren Musikern ist das ja auch ähnlich. Da schreit ja schon jemand „Langeweile“, wenn bspw. Wir Sind Helden sich auf einmal entscheiden, nicht mehr wie eine hippe NDW-Coverband in den frühen 20ern zu klingen. Unverschämt! Nein, bitte alles so, wie gehabt. Ähnlich ist das auch bei den Beatsteaks. Die machen zwar musikalisch immer den gleichen Rock/Pop-Mix mit Variationen, sind aber dabei seit Jahren so unverschämt sympathisch und locker, dass man das den Berlinern nie zum Vorwurf machen kann. Live sind sie sowieso ne Macht, selbst wenn einem „Hand In Hand“ und Co. mittlerweile zum Hals raushängen. Aber diese Band hat sich ihren Erfolg ja durchaus erspielt. Da lässt sich auch nicht mehr dran rütteln. Auch „Boombox“ hat wieder eine handvoll schnittiger Hits, „Milk & Honey“ oder „Automatic“ sind Hits, die man erträgt und welche die Massen zum Herumspringen und Grölen motivieren wird. Alles beim Alten. Warum also über die Platte an dieser Stelle überhaupt sprechen? Nun ja, weil ich halt auch ein Herz für die Beatbuletten habe und man deren Arbeit an dieser Stelle auch mal würdigen kann.
"Automatic" zum Anhören
Hercules And Love Affair – Blue Songs
So, jetzt können mich alle Indie-Nerds und Spex-Redakteure gern lynchen oder ihre Clubmate auf mir verschütten, aber ich halte Hercules And Love Affair für ziemlich überbewertete, zu großen Teilen langweilig, klischeebeladene Gay-Disco-Einheitssuppe. Sicher, ja… „Blind“ war/ ist ein Riesen-Hit, zwei, drei weitere Tracks des Debüts damals auch, aber erinnert sich noch jemand an den Rest vom Discofest? Ähnlich wird es mit „Blue Songs“ laufen. Ja, „Painted Eyes“ ist ein schwungvoller Start und „My House“ zelebriert den Früh-90er-Disco-House so gut, wie es vielleicht zurzeit nur die wesentlich besseren Azari & III hinbekommen. Und gegen die balladesque Neuinterpretation des alten Sterling Void/ Pet Shop Boys-Überhits „It’s alright“ am Ende hab ich auch nichts, aber der Rest? Weniger Musik für die Tanzfläche als vielmehr langweilig dahinplätschernde Fahrstuhlmusik. Und selbst, wenn dieser Fahrstuhl ne Discokugel besitzt und mit Hipstern gefüllt ist, so bleibt er halt nur ein Fahrstuhl. Mastermind Andrew Butler macht das ja ganz gut und die neuen Sänger passen ja, wie die Faust aufs Auge, aber dass dies jetzt das größte Ding seit… na ja, dem Tod der Disco-Musik Anfang der 80er sein soll, will und kann ich nicht akzeptieren. Demnächst kommt das Debüt von Holy Ghost! Oder halt die bereits erwähnten Azari & III. Oder diese Beth Ditto EP. So viel Alternativen. Um welche Platte ging’s jetzt gleich noch mal?
Album-Stream auf Soundcloud
Destroyer – Kaputt
In 9,5 von 10 Fällen sollte man auf die Frage, was man hinter Titel und Interpret dieses Albums erwartet, „Irgendwas mit Metal“ erhalten. Alles andere würde erstaunen, passt doch, wie die Faust aufs Auge. Am besten spielt man den befragten Personen auch gleich anschließend noch das erste Stück aus dem guten Album vor. Münder werden offen stehen, Pupillen werden sich weiten… sanfte Beats, weiche Flächen, butterweicher Gesang und jede Menge Saxophon. „Kaputt“ ist das genaue Gegenteil von dem was man erwartet. Destroyer, das ist die Band des kanadischen Singer/Songwriters Dan Bejar, die es schon seit den 90ern gibt, welche aber bisher irgendwie nie bis zu meinen Gehörgängen vorgedrungen ist. Nun aber also. Ich weiß daher auch nicht, was die Band früher so fabriziert hat, aber dass was sie aktuell machen ist ein musikalischer Traum, voll ergiebiger Schönheit. Man kann das auch gern als retroesquen Easy-Listening-Folk bezeichnen, muss man aber nicht. Es könnte auch einfach wundervolle, durchweg entspannte Popmusik sein. Lange haben Gesang, Synthies, Gitarre und vor allem das oft verhasste Saxophon nicht mehr so schön zusammen gespielt. Haben sie das überhaupt schon mal? Fast wirkt es so, als wäre „Kaputt“ irgendwann einmal aus der Zeit gefallen, als käme es aus den 80ern, wenngleich es für dieses Jahrzehnt allerdings viel zu hochwertig erscheint. Neun, teils sehr lange und durch die Bank weg gelungene Songs, die sich klangtechnisch alle sehr gefühlvoll, entspannt und unglaublich relaxt geben. Ja, in den Fahrstühlen, wo diese Musik fährt, würde ich gern ewig hin und her fahren. Wahlweise auch verschneite Winterlandschaften oder sonnige Strände… irgendwie scheint „Kaputt“ überall zu funktionieren. Ein ganz und gar nicht heimlicher Favorit auf das Album des Jahres. Bereits jetzt.
Stream via Hypem

Does It Offend You, Yeah? – Don’t Say We Didn’t Warn You
Das nenn ich mal konsequent. Wenn eine Band schon einen so bescheuerten Bandnamen mitsamt warnendem Debütalbumtitel („You Have No Idea What You’re Getting Yourself Into“) hat, dann führt man die Story auf dem Nachfolger einfach konsequent fort. Glücklicherweise wurde diese Warnung von einer Mehrheit der Menschen ignoriert und so überraschte das Debüt der britischen Elektro-Punker auch mit allerhand verschiedener Stile. In den letzten 3 Jahren hat man sich nun weltweit den Arsch abgespielt, viele Fans hinzugewonnen, gelernt, die eigenen Instrumente zu spielen und das ganze nun auch auf Platte zu zeigen. Und das hört man der neuen Platte auch an. Die mittlerweile fünfköpfige Band klingt jetzt wesentlich professioneller, also nach Bühne statt nach Wohnzimmer. So ist Album Nr. Zwei zwar nicht mehr ganz so spröde, dafür aber immer noch druckvoll, sehr laut und prädestiniert dafür, die Festivalbühnen dieses Globusses in Schutt und Asche zu legen. Das ist das Ziel dieser Band, dafür existiert sie, das kann sie auch so gut, wie aktuell kaum eine zweite. Schön, wenn neben den ganzen Uffe-Zwölf-Tracks auch immer noch Zeit für kleine Popsongs („Pull Out My Insides“) und sogar die erste Ballade („Broken Arms“) bleibt. Das angebliche Zeitgeistphänomen von 2008 wird auch 2011 noch funktionieren. Und wen das auf Platte nicht überzeugt, der sollte sich die Truppe dringend mal live anschauen.
Video "The Monkeys Are Coming"
Lykke Li – Wounded Rhymes
Es ist zwar nicht eine so wichtige Frage, wie die nach dem neuen Bayern Coach oder der Abdankung von Gadaffi, aber dennoch sei mal in die Runde geworfen, welche weibliche Künstlerin sich denn 2011 die Pop-Krone aufsetzen möchte. Vorjahressiegerin Robyn hat ordentliche Elektropop-Fußspuren hinterlassen. Doch hinter dem Disconebel, direkt aus den schwedischen Wäldern kommt schon eine potentielle Nachfolgerin angeschlichen: Lykke Li präsentiert ihr zweites Album, dass dort weitermacht, wo das Debüt aufgehört hab. Das heißt: dezent melancholische, aber doch irgendwie niedliche und eingängige Power-Folk-Pop-Songs, die zwar manchmal etwas experimentell wirken, aber dabei auch stets im Formatradio funktionieren könnten. „Wounded Rhymes“ backt dann auch ähnliche musikalische Brötchen, wie „Youth Novels“, ist insgesamt natürlich aber wesentlich fetter und weniger puristisch instrumentiert. Hymnen, schwermütige Balladen und leichte Popsongs in einem Guss, ohne dass es störend wirkt. Bei den Kolleginnen Bat For Lashes, Florence oder Glasser hat das ja auch schon funktioniert. Nix wirklich Neues, nur teilweise etwas Besonderes. Souveräne Thronbesteigung sieht anders aus. Und im Hintergrund setzt schon Gaga zum Sprung an.
Stream auf Soundcloud
Beatsteaks – Boombox
Die deutsche Wirtschaft schätzt ihre Exporte. Wir haben Qualität, seien es Autos, Bier oder diverse technische Geräte. Deutschland steht für Qualität. Da weißte, was de hast. Mit unseren Musikern ist das ja auch ähnlich. Da schreit ja schon jemand „Langeweile“, wenn bspw. Wir Sind Helden sich auf einmal entscheiden, nicht mehr wie eine hippe NDW-Coverband in den frühen 20ern zu klingen. Unverschämt! Nein, bitte alles so, wie gehabt. Ähnlich ist das auch bei den Beatsteaks. Die machen zwar musikalisch immer den gleichen Rock/Pop-Mix mit Variationen, sind aber dabei seit Jahren so unverschämt sympathisch und locker, dass man das den Berlinern nie zum Vorwurf machen kann. Live sind sie sowieso ne Macht, selbst wenn einem „Hand In Hand“ und Co. mittlerweile zum Hals raushängen. Aber diese Band hat sich ihren Erfolg ja durchaus erspielt. Da lässt sich auch nicht mehr dran rütteln. Auch „Boombox“ hat wieder eine handvoll schnittiger Hits, „Milk & Honey“ oder „Automatic“ sind Hits, die man erträgt und welche die Massen zum Herumspringen und Grölen motivieren wird. Alles beim Alten. Warum also über die Platte an dieser Stelle überhaupt sprechen? Nun ja, weil ich halt auch ein Herz für die Beatbuletten habe und man deren Arbeit an dieser Stelle auch mal würdigen kann.
"Automatic" zum Anhören
Hercules And Love Affair – Blue Songs
So, jetzt können mich alle Indie-Nerds und Spex-Redakteure gern lynchen oder ihre Clubmate auf mir verschütten, aber ich halte Hercules And Love Affair für ziemlich überbewertete, zu großen Teilen langweilig, klischeebeladene Gay-Disco-Einheitssuppe. Sicher, ja… „Blind“ war/ ist ein Riesen-Hit, zwei, drei weitere Tracks des Debüts damals auch, aber erinnert sich noch jemand an den Rest vom Discofest? Ähnlich wird es mit „Blue Songs“ laufen. Ja, „Painted Eyes“ ist ein schwungvoller Start und „My House“ zelebriert den Früh-90er-Disco-House so gut, wie es vielleicht zurzeit nur die wesentlich besseren Azari & III hinbekommen. Und gegen die balladesque Neuinterpretation des alten Sterling Void/ Pet Shop Boys-Überhits „It’s alright“ am Ende hab ich auch nichts, aber der Rest? Weniger Musik für die Tanzfläche als vielmehr langweilig dahinplätschernde Fahrstuhlmusik. Und selbst, wenn dieser Fahrstuhl ne Discokugel besitzt und mit Hipstern gefüllt ist, so bleibt er halt nur ein Fahrstuhl. Mastermind Andrew Butler macht das ja ganz gut und die neuen Sänger passen ja, wie die Faust aufs Auge, aber dass dies jetzt das größte Ding seit… na ja, dem Tod der Disco-Musik Anfang der 80er sein soll, will und kann ich nicht akzeptieren. Demnächst kommt das Debüt von Holy Ghost! Oder halt die bereits erwähnten Azari & III. Oder diese Beth Ditto EP. So viel Alternativen. Um welche Platte ging’s jetzt gleich noch mal?
Album-Stream auf Soundcloud
Destroyer – Kaputt
In 9,5 von 10 Fällen sollte man auf die Frage, was man hinter Titel und Interpret dieses Albums erwartet, „Irgendwas mit Metal“ erhalten. Alles andere würde erstaunen, passt doch, wie die Faust aufs Auge. Am besten spielt man den befragten Personen auch gleich anschließend noch das erste Stück aus dem guten Album vor. Münder werden offen stehen, Pupillen werden sich weiten… sanfte Beats, weiche Flächen, butterweicher Gesang und jede Menge Saxophon. „Kaputt“ ist das genaue Gegenteil von dem was man erwartet. Destroyer, das ist die Band des kanadischen Singer/Songwriters Dan Bejar, die es schon seit den 90ern gibt, welche aber bisher irgendwie nie bis zu meinen Gehörgängen vorgedrungen ist. Nun aber also. Ich weiß daher auch nicht, was die Band früher so fabriziert hat, aber dass was sie aktuell machen ist ein musikalischer Traum, voll ergiebiger Schönheit. Man kann das auch gern als retroesquen Easy-Listening-Folk bezeichnen, muss man aber nicht. Es könnte auch einfach wundervolle, durchweg entspannte Popmusik sein. Lange haben Gesang, Synthies, Gitarre und vor allem das oft verhasste Saxophon nicht mehr so schön zusammen gespielt. Haben sie das überhaupt schon mal? Fast wirkt es so, als wäre „Kaputt“ irgendwann einmal aus der Zeit gefallen, als käme es aus den 80ern, wenngleich es für dieses Jahrzehnt allerdings viel zu hochwertig erscheint. Neun, teils sehr lange und durch die Bank weg gelungene Songs, die sich klangtechnisch alle sehr gefühlvoll, entspannt und unglaublich relaxt geben. Ja, in den Fahrstühlen, wo diese Musik fährt, würde ich gern ewig hin und her fahren. Wahlweise auch verschneite Winterlandschaften oder sonnige Strände… irgendwie scheint „Kaputt“ überall zu funktionieren. Ein ganz und gar nicht heimlicher Favorit auf das Album des Jahres. Bereits jetzt.
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rhododendron - 8. Mär, 18:31