Sonntag, 2. November 2008

Der Prophet im eigenen Land…

… ist bekanntlich wenig wert. Doch PeterLicht arbeitet mittlerweile dran. Jetzt muss man ihm nur noch zuhören. Gern auch auf dem eigenen Konzert. Wie gestern in Dresden.

Immer mal wieder bringt mich Deutschland dazu, sich über Selbiges mehr als zu wundern. Egal, ob’s das Nachmittagsprogramm von RTL ist, die Beliebtheit von Silbermond, das unnötige Comeback von Udo Lindenberg oder jetzt auch die Nr. 1 von Polarkreis 18. Dieses Land ist gleichermaßen unberechenbar, wie unverständlich. Fremdschämfaktor inklusive.
Ein weiteres herausragendes Beispiel ist die Tatsache, dass im ehemaligen Land der Dichter und Denker ein so feiner Mensch, wie PeterLicht einfach nur einer Minderheit von Menschen ein Begriff ist. Die, die von ihm schon mal flüchtig was gehört hatten, kennen sein „Sonnendeck“, den kleinen feinen Elektropopsommerhit mit sich bewegendem Bürostuhl aus dem Jahr 2001. In der Zwischenzeit hat sich aber einiges getan. Vier gute Alben hat der schlaksige Mann aus Köln mittlerweile veröffentlicht. Darunter das, aus meiner Sicht, geniale „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ vor 3 Jahren. Jetzt ist er mit neuer Platte „Melancholie und Gesellschaft“ zurück. Die ist etwas ernster, etwas eindeutiger und reifer, als die letzte, was aber eine konsequente Entwicklung darstellt.
Diese vorzustellen galt es gestern Abend im Dresdner Beatpol, den ich immer noch lieber als StarClub bezeichnen möchte. Kurz vor 10 kam dann der gute Mann mitsamt 3-köpfoger Begleitband auf die Bühne. Fotografieren war, wie immer, unerwünscht. Man möchte die Maske noch etwas wahren. So wird der erste Song des neuen Albums und des Abends, „Räume räumen“, dann auch ohne Bühnenbeleuchtung gespielt. Ein erhabener Song, dessen Erhabenheit leider wenig zu Geltung kommt. Das liegt aber nicht an Peter, sondern an den Menschen, die ihm zuhören sollen, oder auch nicht. Da bin ich gern mal penibel. Stille wäre angebracht. Doch im ganzen Saal herrscht eine leichte Hibbeligkeit. Musik-Nerds unterhalten sich über die Entwicklung seiner Platten und die damit verbundene Live-Umsetzung, andere quatschen über das Studium, die Party gestern, die Parallelen zu Funny van Dannen oder was auch immer. Bierflaschen werden aneinander geschlagen, aber keine Räume geräumt. „Wer stört fliegt raus“ singt PeterLicht auf der Bühne. Deutlicher wird die Ironie nur bei den kuschelnden Pärchen während des „Trennungsliedes“. Der Prophet gilt im eigenen Land ja bekanntlich wenig. Aber auch auf seinen Konzerten? Der Anfang ist bewusst ruhig gewählt. Ein Schlagzeug verirrt sich erst dezent im dritten Song ins Instrumentarium. Sicher, so was ist gewagt, aber bei etwas intellektuellem Anspruch, wie ihn Herr Licht gern pflegt, hätte man da etwas mehr Verständnis erwartet. Na ja, bei den „Hits“ sieht das dann anders aus. Die flotten Elektrosongs des Debüts, wie „Siva“ oder „Die transsylvanische Verwandte ist da“ werden genauso gefeiert, wie der Gaga-Song „Fuzzipelz“. Und Songs wie „Wettentspannen“ oder „Gerader Weg“ entfalten gerade live deutlich mehr Druck, als auf Platte. Dazu darf dann auch gern mal gemosht werden. Wer’s braucht…
Die Unkonzentriertheit von Teilen des Publikums ist dann aber auch nur der einzige kleine Wehrmutstropfen Ansonsten hat der Mann eh nur Hits. „Hits“ im Sinne von tollen Songs. Denn PeterLicht ist ein toller Texter und Komponist. Vielleicht der beste, den wir in Deutschland haben. Wer braucht da noch Grönemeyer oder Thees Uhlmann? Oder Dirk von Lotzow? Lichts Lieder sind ehrlich, kunstvoll, politisch, gesellschaftskritisch und haben Witz und Wortakrobatik Dazu noch tolle Melodien und eine hohe Musikalität, was spätestens seit den letzten beiden Platten nicht mehr zu leugnen ist. PeterLicht bringt all das, was gute Popmusik braucht. Er erzählt Geschichten. Gern auch mal abseits des Songformates, wie er an diesem Abend mit zwei kurzen Lesungen auch bewies. Damit hatte er am Ende des Abends sicher auch den letzten Zweifler überzeugt. Seine Texte laden zum Schmunzeln ein, aber auch zum Nachdenken. Und auch mehrmals hören. Gerade die neue Langspielplatte lädt zum wiederholten Mehrfachhören ein. Das Konzert auch. Licht macht an diesem Abend alles richtig. Er lässt seine Songs sprechen. Keine große Show. „Bühnenpräsenz“ wäre sowieso das falsche Wort bei diesem dürren Männlein mit schütterem Haar und Brille. Die „Waffe“ von PeterLicht sind seine Worte. Die fügt er, wie kein Zweiter, zu tollen kleinen Hymnen zusammen. Die berühren und rütteln auf. Aber das wusste ich auch schon vor diesem Abend. Aber vielleicht hat er ja noch den ein oder anderen Unentschlossenen überzeugt und wachgerüttelt. Dann hat er seinen Auftrag erfüllt und wenn da so weiter geht, besteht vielleicht sogar noch Hoffnung für Deutschland.

Setlist: 01 Räume räumen 02 Heimkehrerlied 03 An meine Freunde vom leidenden Leben 04 Das absolute Glück 05 Marketing 06 "Viel hilft" (Text) 07 Benimmunterricht (Der Arbeigeberpräsident) 08 Shiva 09 Stratosphärenlieder 10 Stilberatung / Restsexualität 11 Dein Tag (Reise zurück an den Anfang) 12 Alles was du siehst gehört dir 13 Trennungslied 14 Beipflichtn 15 Die transsylvanische Verwandte 16 Fuzzipelz 17 Wir werden siegen 18 Safarinachmittag 19 Wettentspannen 20 Lied gegen die Schwerkraft 21 Sonnendeck 22 Gerader Weg 23 "Wettentspannen" (Text) 24 Lied vom Ende des Kapitalismus 25 Unsere Zeit 26 Zonen

PeterLicht @ MySpace

rhododendron's ranking - 45/ 2008

Bloc Party haben vor kurzem verkündet, keine klassischen Singles mehr zu veröffentlichen und Coldplay haben schon wieder ein neues Musikvideo draußen, so dass man nicht wirklich nachkommt. Tja, der klassische Singlesmarkt ist tot! Das wissen wir alle. Rhododendron’s ranking besteht trotzdem ausschließlich aus Singles, auch wenn sie nur Promo sind und nicht in CD-Form erscheinen. So passiert es aber auch, das bestimmte Sachen erst später von mir erkannt werden. Mit unseren beiden Neueinsteigern diese Woche, Glasvegas und Empire Of The Sun verhält es sich z.B. so. Deren „Singles“ sind nicht mehr ganz druckfrisch, sind aber jetzt erst in meinen Fokus gesprungen. Was für tolle Songs aber auch. Glasvegas bewerben sich damit offiziell um den Preis „Best New Editors Clone“. Ansonsten geht’s eigentlich für alle Acts ein paar Plätze nach unten. Mit Ausnahme von Get Well Soon, der noch ein paar Plätze gut machen kann. Und die vorderen Plätze halten die Stellung. Genau wie Deichkind oder Travis weiter hinten. Mal sehen, welche Überraschungen sich im Laufe der Woche ergeben. Wer noch den ein oder anderen Tipp für mich hat, ist herzlich eingeladen, ihn hier zu posten.

01.( 01 / #4 ) The Rifles “The Great Escape”
02.( 02 / #3 ) Tiger Lou “Crushed By A Crowd”
03.(NEW/ #1) Glasvegas “Geraldine”
04.( 07 / #2 ) Get Well Soon “Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day”
05.( 03 / #5 ) White Lies “Death”
06.( 04 / #6 ) The Killers “Human”
07.(NEW/ #1) Empire Of The Sun “Walking On A Dream”
08.( 06 / #4 ) Coldplay “Lost!”
09.( 09 / #8 ) Deichkind “Arbeit Nervt”
10.( 05 / #8 ) Bloc Party “Talons”
11.( 10 / #3 ) Stereophonics “You’re My Star”
12.( 12 / #8 ) Travis “Something Anything”
13.( 08 / #6 ) The Last Shadow Puppets “My Mistakes Were Made For You”
14.( 11 / #9 ) Foals “Olympic Airwaves”
15.( 14 / #8 ) Elbow “The Bones Of You”
16.( 13 / #2 ) Tomte “Heureka”
17.( 15 / #11) Kings Of Leon “Sex On Fire”
18.( 18 / #7 ) The Streets “Everything Is Borrowed”
19.( 16 / #13) Polarkreis 18 “Allein Allein”
20.( 17 / #3 ) Oasis “I’m Outta Time”

Samstag, 1. November 2008

Nobonos Gespür für Schnee

Polarkreis 18 veröffentlichen mit "The Colour of Snow" eines der besten Alben im Spätherbst 2008.

Felix Räubers Leben verläuft in diesen Tagen sehr schnelllebig. Das ist kein Wunder, hat sich doch seit der Veröffentlichung von „Allein allein“ sehr viel um die junge Dresdner Band ereignet. Berücksichtigt man, dass Polarkreis 18 bereits seit über zehn Jahren als Band fungieren (nicht seit Beginn in der heutigen Besetzung), so kann man die Worte des charismatischen Sängers kaum anzweifeln. Was ist also passiert? 2007 veröffentlichen die sechs Jungs ihr erstes selbstbetiteltes Album unter Motor Music. Ein Album, welches kaum einer anderen deutschen Veröffentlichung seiner Zeit gleicht. Der Hang zur Elektronik und zum Experimentellen, gepaart mit der beachtlichen Stimme Räubers lassen schnell Vergleiche zu Sigur Rós oder aber AIR aufkommen. Polarkreis 18 zeigen sich davon unbeeindruckt, es geht ihnen ausschließlich um die Musik. Jahrelang haben sie an den Songs gefeilt und gearbeitet, eine erste Vorabversion gab es unter dem Titel „Look“ bereits exklusiv auf Konzerten zu kaufen. Dennoch: Polarkreis 18 bleibt trotz überwiegend positiver Kritiken eher ein Geheimtipp im hiesigen Musikgeschäft. Zurück in die Gegenwart, also Herbst 2008. Nur knapp ein Jahr nach dem Debüt folgt schon der zweite Wurf „The Colour of Snow“, begleitet von der Vorabsingle „Allein Allein“ unter dem neuen Label Universal Music. „Allein Allein“ wird zugleich der offizielle Soundtrack der Krabat-Verfilmung von Marco Kreuzpaintner (Sommersturm) nach der Vorlage Otfried Preußlers. Der Film und der Clip zur Single, welcher die einzelnen Bandmitglieder in der paradiesischen Natur Norwegens von einem Helikopter gefilmt zeigt, verschaffen der Band einen enormen Popularitätsschub. „Allein Allein“ steigt in die Top 10 der deutschen Singlecharts ein und schafft es dort innerhalb weniger Wochen auf #1. Parallel debütiert das Album auf Platz 14 – das erste Album der Band schaffte es derweil nicht in die deutschen Top 100.
Doch was kann dieses Album eigentlich? Wird der schnell gefolgte Output der Qualität gerecht, die das Debüt als Maßstab im vergangenen Jahr hinterlassen hat?
Der Fehler wäre, „The Colour of Snow“ mit dem selbstbetitelten Debüt vergleichen zu wollen. Unlängst ließ Felix Räuber verlauten, dass man nun „nicht mehr nach einem Sound, sondern nach Songs gesucht habe“. In der Tat klang „Polarkreis 18“ nach Arbeit, nach vielerlei Experimenten und nicht zuletzt daher im Abschluss unverschämt perfekt – gerade für den ersten Wurf. Die Skepsis gegenüber Album zwei ist also gerechtfertigt, wird „The Colour of Snow“ jedoch kaum gerecht. Was Polarkreis 18 dieser Tage veröffentlicht haben, klingt geradliniger, größer und voller, noch selbstbewusster und vielleicht gerade deswegen nach opulentem Pop. Eine Tatsache, die viele Fans der ersten Stunde übel nehmen und auch wegen der Prädikation „Pop“ der großen Firma Universal Music zuschreiben wird. Beobachtet man den Schritt von Album 1 zu Album 2 also nicht als konsequente und logische Entwicklung, kann man ihn eben auch als eine Art Widerspruch auffassen. Wo „Polarkreis 18“ eine Spielwiese für das deutsche Indievolk war, ist „The Colour of Snow“ eine für das hiesige Krabat-Publikum, doch genau das sind und macht Polarkreis 18 als Band aus. Wie sonst könnte man eine klassische Hymne an die Einsamkeit schreiben, in der Tausende Menschen (der Refrain wurde während eines Konzerts mithilfe des Publikums aufgenommen) zusammen einen Refrain wie „Allein allein“ singen? Laut Felix Räuber zeigt die Hymne genau das, was wir sind: Jeder für sich allein, was uns alle vereint, zusammenbringt und letztlich zu Polarkreis 18 führt. Das man für die Aufnahmen zum Album schließlich noch ein ganzes Orchester ins Studio eingeladen hat, scheint also kaum noch ein Zeugnis von Größenwahn – auch wenn Räuber diesen gerne der Band zuschreibt. Die Arrangements von Sven Helbig (u.a. Pet Shop Boys, Rammstein) begleiten den Hörer durch das ganze Album und lassen ihn durch eine emotional berührende Soundlandschaft wandeln. Auf diesem Weg fallen besonders Songs wie „Allein allein“, der Titeltrack des Albums oder 130/70 auf, die nicht nur mit ihrer perfekt konzipierten Geradlinigkeit glänzen, sondern auch nach „Single“ schreien und vor allem eines tun: berühren. „Prisoner“ hingegen weiß durch seinen vielseitigen Sound und einem weiteren Deutsch/Englischen Gesang zu überraschen. Unübertroffen bleibt das wunderbare „River loves the Ocean“ , das den Hörer in die traumhaftesten Klanglandschaften a la Herr der Ringe versetzen dürfte, bevor man im finalen Track „Happy go lucky“ wieder auf den Boden der Tatsachen geholt wird. Auch hier gibt es große verwobene Orchestersounds zu hören, einen traumatischen Refrain und eine plötzlich einsetzende Stille, in der nur noch Räubers Stimme zu hören ist: „It’s not easy / simplicity“. Spätestens hier muss dem Hörer bewusst werden, welches großartige Album einer jungen deutschen Band er gerade gehört, nein erlebt hat.
Die Voraussetzungen mögen in der über zehnjährigen Bandgeschichte nicht immer einfach gewesen sein, doch Polarkreis 18 zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie das bestmögliche für ihre Musik getan haben. Und sie stehen gerade erst am Anfang. Dort, wo wir sie gerade als „Tourist“ durch eines der besten Alben im Spätherbst 2008 begleitet haben. Polarkreis 18 sind angekommen.

"Tipp: Allein alene (Nephew Remix)"

"Allein allein" (Video)

"Polarkreis 18 - Im Schauspielhaus Dresden"

"Klangfilm"

Sonntag, 26. Oktober 2008

rhododendron's ranking - 44/ 2008

Geringe Veränderungen diese Woche in rhododendron’s ranking. Die Rifles behalten ihren ersten Platz, wobei sich Tiger Lou bereits knapp dahinter schiebt. Ansonsten springen Deichkind mit ihrer Hedonismus-Hymne „Arbeit Nervt!“ noch mal zurück in die Top 10. Auch Coldplay und Bloc Party können etwas Boden gut machen. Der beiden Neueinsteiger diese Woche kommen geschlossen aus Deutschland, was doch schon mal schön ist. Konstantin Gropper meldet sich mit neuer Get Well Soon- Single mit tollem Namen zurück. Da ist die Top 10 Platzierung natürlich sicher. Der zweite Einstieg kommt dann von Tomte, deren „Heureka“ Platz 13 entert, während sich die Vorgängersingle passenderweise gerade verabschiedet. Bleibt abzuwarten, ob der Erfolg des Vorgängers wiederholt wird. Ja, ansonsten sind das meine persönlichen Top 10 dieser Woche. Wer den ein oder anderen nicht kennt, sollte dies also schleunigste nachholen.

01.( 01 / #3 ) The Rifles “The Great Escape”
02.( 04 / #2 ) Tiger Lou “Crushed By A Crowd”
03.( 02 / #4 ) White Lies “Death”
04.( 03 / #5 ) The Killers “Human”
05.( 06 / #7 ) Bloc Party “Talons”
06.( 08 / #3 ) Coldplay “Lost!”
07.(NEW/ #1) Get Well Soon “Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day”
08.( 05 / #5 ) The Last Shadow Puppets “My Mistakes Were Made For You”
09.( 12 / #7 ) Deichkind “Arbeit Nervt”
10.( 10 / #2 ) Stereophonics “You’re My Star”
11.( 07 / #8 ) Foals “Olympic Airwaves”
12.( 09 / #7 ) Travis “Something Anything”
13.(NEW/ #1) Tomte “Heureka”
14.( 13 / #7 ) Elbow “The Bones Of You”
15.( 11 / #10) Kings Of Leon “Sex On Fire”
16.( 16 / #12) Polarkreis 18 “Allein Allein”
17.( 14 / #2 ) Oasis “I’m Outta Time”
18.( 17 / #6 ) The Streets “Everything Is Borrowed”
19.( 15 / #11) Tomte “Der letzte große Wal”
20.( 18 / #6 ) Keane “The Lovers Are Losing”

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Oden an das Leben

Zwei deutsche Bands feiern das Leben, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und auch die Art und Weise, wie Tomte und Deichkind feiern könnte kaum unterschiedlicher sein. An dieser Stelle Eindrücke zu beiden Werken

So, also eine Tome-Kritik mit dem Satz „Thees Uhlmann ist ein recht streitbarer Charakter“ zu beginnen, ist so ungefähr das abgestandenste Klischee überhaupt. Wie umgehe ich dies alles nun? Hmm, erstmal weg von Uhlmann, hin zum Album. Und zu meinen Tomte-Vorkenntnissen, die sich auf eine handvoll sehr geiler Songs beschränkt, wobei ich aber gestehen muss, nie ein Album wirklich intensiv und komplett mehrmals gehört zu haben. Das quasi als Vorwissen. Somit ist „Heureka“ dann nach einiger Zeit doch das erste Album der Hamburger Band, mit welchem ich mich etwas mehr beschäftigt habe. Why? Zum Einen haben mich die tollen Songs, die ich vorher kannte geködert und zum anderen auch die tolle Single „Der letzte große Wal“. Die ist, un-überraschenderweise, die eingängigste und offensichtlichste Hitsingle der Platte. Ob das so geplant war oder nicht, weiß nur die Band selber. Ansonsten ist „Heureka“, insofern ich das beurteilen kann, eine recht typische Tomte-Platte, was Sound und Songs angeht. Thees Uhlmann schmettert seine kryptischen und vielseitig interpretierbaren Texte wieder einmal mit so schön lang gezogenen Vokalen auf nette Indierock-Songs, die musikalisch irgendwo zwischen Oasis, Death Cab For Cutie oder den Smiths liegen. An sich ja schon mal nicht so verkehrt. Was „Heureka“ bei vielen Tomte-Fans wohl zum Streitthema macht ist die Tatsache, dass die Platte offensichtlich ruhiger, glatter und gesetzter ist, als die bisherigen Tomte Alben. Da stellt sich die Frage, ob Thees Uhlmann mit Mitte 30 langsam altersmüde wird. Man könnte schimpfen, dass „Heureka“ zu zahm ist, zu mild… es fehlen die Reizpunkte von einst. Wobei ich das jetzt mal nicht so extrem sehen würde. Fakt ist nur, dass es Uhlmann grad besser geht, als früher. Vielleicht ist die Wut raus, vielleicht ist es auch die Liebe. Gepaart mit etwas Melancholie. So ist „Heureka“ irgendwie eine kleine Ode an das Leben. Man feiert das Leben und blickt nebenher etwas melancholisch um sich. Dies ist kein Album eines wütenden Typen mit Mitte 20, sondern von jemand der sich mit Mitte 30 langsam damit abfindet, dass zu sein, was er ist. Den Anschein hab ich zumindest. Das muss man nicht mögen und das muss einen nicht ansprechen, aber man muss es akzeptieren.
All die Erklärungsversuche täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die erste Hälfte des Albums eher schwächer ausfällt. Der Titelsong ist ein ganz netter Opener, versucht aber fast schon zu krampfhaft einer zu sein. Songs wie „Wie ein Planet“ oder „Wie sieht’s in Hamburg aus?“ sowie „Es ist nur so das du fehlst“ sind einfach schwach. Keine sonderlich guten Songs. Bis dahin dümpelt das Album eher so vor sich hin. Zwar bietet es mit „Du nennst es Pathos, ich nenn es Leben“ den coolsten Satz des Albums, aber na ja… irgendwie zündet’s nicht. Persönlicher Wendepunkt ist der vielleicht beste Song des Albums, das recht unscheinbar wirkende „Und ich wander“. Uhlmann’s Spaziergang durch eine warme Sommernacht strotzt voller Melancholie, Gefühl und Atmosphäre und ist der lebende Beweis, dass ruhige Songs es eben doch bringen können. Ein Glanzstück. Danach wird es ein wenig besser im Gegensatz zur ersten Hälfte. „Du bringst die Stories“ ist ein schöner kleiner Popsong, „Das Orchester spielt einen Walzer“ eine wunderschöne Ballade, die sich haarscharf am Kitsch bewegt, ihn manchmal mitnimmt, aber der man das doch irgendwie verzeiht. Und dann dieses ganz und gar untypische 6min-Werk „Nichts ist so schön auf der Welt wie betrunken traurige Musik zu hören“. Anfangs wandelt die Band noch im Nebel, bevor der Song am Ende ausbricht und so zu einer kraftvollen Hymne wird, welche die musikalischen Qualitäten der Band einmal mehr zeigt. Und am Ende hin werden die alten Hamburger Schule Fans mit „Dein Herz sei wild“ und der lauten, besseren Variante von „Voran Voran“ bedient. Wenn man so will, sind das die Tomte, die man erwartet hat.
Aber was erwartet man von so einem Album eigentlich. Und muss die Band solche Erwartungen erfüllen? Eigentlich machen sie das auch nicht. „Heureka“ ist kein schlechtes Album. Es könnte natürlich besser sein, besonders die erste, schwache Hälfte. Und man kann den hohen Pathos-Gehalt bemängeln. Aber wenn Oasis so etwas machen, wird es als großes Kino abgetan. Aber warum dürfen Tomte das nicht? Bands und Künstler verändern sich. Ihre Ansichten und Verhaltensweisen. Thees Uhlmann wirkt gesetzter, vielleicht auch gesättigter, aber es muss sich zeigen, ob dies eine Momentaufnahme ist oder nicht. Eine fröhliche, etwas trunkene Melancholie ist es, die „Heureka“ umweht. Jeder, der dieses Gefühl kennt, wird diese Platte auch in großen Teilen verstehen. Die Zukunft für Tomte ist nach wie vor offen. Es ist okay. Heute lassen wir das sein. Thees bringt die Stories und wir trinken dazu statt Bier halt mal Wein.

"Und Ich Wander" (YouTube Clip)

"Der letzte große Wal" (Video)

Bei Deichkind ist das umgedreht. Da ist Bier die oberste Maxime. Darauf kann man sich einigen. Die Musikwelt allerdings nicht wirklich. Für die eine Hälfte ist Deichkind struntzdumme Assimusik, für die andere eine Art intelligentes Kunst-Konzept, welches eben dieser dummen Gesellschaft den Spiegel vorhält und sie so entlarvt. Ironie oder Idiotie? Das ist hier die Frage. Die Lösung für eben jene Frage liegt dabei sicher in der persönlichen Einstellung, Intelligenz und Distanz des Betrachters. Deichkind, als die neuen, seit „E.S.D.B.“ vor 3 Jahren, sind für mich in erster Linie blendendes Entertainment. Ihre Reime sind witzig, ihre Beats sind fette Elektrobretter und ihre Live Shows sind eh legendär. Die Konzerte von Deichkind sind auch die Hauptinspiration für das Album „Arbeit Nervt!“. Das Album zur Show, die Platte zum Konzept Deichkind, deren Mitglieder längst nicht mehr eindeutig ausmachbar sind. Hier geht’s um mehr. Botschaft? Hmm, gibt es so was? Na ja, der Albumtitel inklusive Titeltrack geben das Motto vor. Der Rest der Platte bewegt sich auch in diesem Themenbereich. Deichkind zelebrieren den ungehemmten Hedonismus. Das Doof-Sein! Einmal Assi ohne Wiederkehr. Titten, Tanzen und Trichtersaufen ist das was zählt im Deichkind-Universum. Auf diese Thematik muss man sich einlassen, oder es seinlassen. Wenn man das macht hat man jede Menge Spaß. Wenn beim Opening-Track „Kein Gott! Kein Staat! Lieber was zu saufen“ proklamiert wird, dann hat das sowohl was politisches, aber auch was stumpfsinniges. Auf jeden Fall bekomme ich Durst dabei. „Dicker Bauch“ mit einer Hommage an all die Schwergewichtler des Showgeschäftes ist dann natürlich ein weiterer Grund zum Schmunzeln. „Travelpussy“ ist ein lustiges Sammelsurium von Zweideutigkeiten, während das wirklich struntzdämliche „Komm rüber“ da schon eindeutiger ist. Und obwohl man Lachen muss, ist es halt ganz oft so, dass Deichkind gar nichts anderes machen, als die Realität abzubilden. So breite Spasten, wie in eben diesem Song gibt’s auf jeder Party. Die Computerhymne „Ich und mein Computer“ führt mal ganz nebenbei alle Probleme des modernen Kommunikationszeitalters auf und mit dem poppigen „Luftbahn“ hat man sogar fast schon ein melancholisches Stück über die Schönheit eines Trips, ob nun drogenbedingt oder nicht, an Bord. Im Gegensatz zum noch etwas unbeholfenen Vorgängeralbum „Aufstand im Schlaraffenland“ sind Deichkind musikalisch mittlerweile wesentlich gefestigter, was ihr Metier angeht und vor allem abwechslungsreicher und gewagter. Während „Gut dabei“ klassisch, fast im Hip Hop Korsett, abgeht ist „Metro“ ein knallhartes Brett. Und der letzte Song „Urlaub vom Urlaub“ geht schon fast als Ballade durch. Vielleicht die Richtung der Zukunft.
„Arbeit Nervt!“ macht Laune und Bock auf Feiern und schaltet dabei öfters bewusst das Hirn aus. Wer dies allerdings nicht komplett macht, wird am Ende zwischen den Zeilen öfters mal die Ironie über die moderne Party-Gesellschaft oder den klischeehaften „Hartz IV“-Empfänger erkennen. Deichkind geben sich dümmer, als sie sind, und gerade das macht sie so intelligent. Vielleicht interpretier ich zu viel in diese Musik hinein, aber vielleicht ist das auch einfach etwas, dass damit automatisch einher geht. Damit hat die Band das Ziel, zu unterhalten und auch zu polarisieren, mehr als erreicht. Das Problem an dieser Musik ist dann halt lediglich jenes, dass die Menschen die Ironie und die Übertreibung nicht mehr sehen. Das ist dann das Traurige an dieser Remmidemmi-Gesellschaft. Exzess bis um Extrem und nix dahinter. Aber na gut. Darüber könnte man jetzt mehrere soziologische Aufsätze schreiben. Wer das will, kann das machen. Ich hab jetzt Bock auf Tanzen und Trinken. Und das darf durchaus mal sein. Dazu eignet sich dieses Album bestens! Deichkind machen Lärm! Und den machen sie kreativ. Das Tomte und Deichkind mal zusammen auf das Leben anstoßen halte ich für eher unwahrscheinlich und vergleichen will ich die Platten schon mal gar nicht. Sagen wir mal so. Man kann das Leben manchmal feiern. Egal ob mit Melancholie mit Wein oder mit Party und Bier. Beide Varianten sind auf jeden Fall erwünscht.

"Arbeit Nervt" (Video)

"Luftbahn" (YouTube Clip)

Montag, 20. Oktober 2008

Gegen das Vergessen

Wer hätte das gedacht? Das neue Album von Travis zeigt die Band endlich wieder in alter Stärke.

Okay, Hand aufs Herz. So richtig hatten wir alle Travis nicht mehr auf der Rechnung. Jene britische Schmusepopband, welche um die Jahrtausendwende quasi diese Bewegung lostrat und unnachahmliche Klassiker wie „Driftwood“, „Turn“, „Sing“ oder diese todgespielte Nummer mit dem Regen, der halt immer auf einen fällt. Eine kurze Hype-Phase im Britpop, die quasi die Nachfolge von Oasis und Co. antrat, bevor es dann mit den Libertines wieder lauter wurde. Doch das ist auch schon ein paar Jahre her. Die Bands von damals haben sich unterschiedlich entwickelt. Während Coldplay die größte Band der Welt geworden sind, interessieren Starsailor kaum mehr einen außerhalb des UKs. Und die Thirteen Senses waren wohl eh zu spät. Und Travis? Die konnten immer noch mit ihrem Namen aufwerten und einigen guten Singles in der Zwischenzeit. Ihr ambitionierter Befreiungsschlag „12 Memories“ kam allgemein, unverständlicherweise, nicht so gut an. Dann letztes Jahr die Rückbesinnung mit „The Boy With No Name“. Doch auch da zündeten zu wenig Songs. Mit Ausnahme von vielleicht „Selfish Jean“ ging die Band auf Nummer sicher und wurde langweilig. Ich geb’s zu, ich war nie ein großer Fan, dachte aber das war’s dann... Doch nix da. Etwas mehr als ein Jahr später veröffentlicht die Band nun „Ode To J. Smith“, welches nicht nur ein sehr gutes Album ist, sondern stellenweise sogar richtig klasse. Die Entscheidung, kompromissloser und bewusst schroffer zu klingen war goldrichtig für die vier Schotten. Sicher, ne harte Rockband werden Travis nie. Aber Songs wie das eingängige „Something Anything“, „Long Way Down“ oder die kleine Rock-Oper „J. Smith“ tun dieser Band sichtlich gut und wirken bei weiten nicht so glatt poliert, wie die oft faden Balladen der Vorjahre. Fran Healy und seine Jungs wollten die Live-Energie auf Platte pressen und haben das album dementsprechend schnell in einigen Wochen aufgenommen. Das merkt man ihr auch an! Die Band klingt vielleicht so frisch, wie seit ihren Anfangstagen nicht mehr. Die Songs sind klar, direkt und die Platte mit 36 Minuten Spielzeit auf den Punkt gebracht. Dabei klingen Travis selbstverständlich noch nach Travis, aber es tut mal gut, das so glatte Songs, wie „Closer“ oder ein zweites „Why Does It Always Rain On Me?“ fehlen. Dafür gibt’s viele andere. „Get Up“ groovt ordentlich, „Quite Free“ hat viel von den Smiths und gegen Ende präsentiert die Band mit dem wundervollen „Song To Self“ und dem emotionalen „Before You Were Young“ zwei der stärksten Songs ihrer Bandkarriere. Diese Nummern sind wirklich top! Nicht alle Songs sind sicher gleich stark, aber Ausfälle gibt’s Andererseits auch nicht und das ist immer ne gute Sache.
Kurz gesagt… die neue Travis-Platte ist wirklich toll! Für alle Fans von intelligentem und melodiösem Britpop ist das Album extrem zu empfehlen. Und für alle, die, wie ich mit Travis nicht mehr gerechnet haben, sowieso. Diese Band ist noch lang nicht abzuschreiben. Dafür müssen sie auch nicht die Größe von Coldplay und Keane haben. Travis haben etwas ganz Eigenes geschaffen und endlich kann man dem wieder durchweg zuhören. Bleibt zu wünschen, das uns die Band noch für einige Jahre erhalten bleibt.

"Song To Self" (Video)

"Something Anything" (Video)

Travis @ MySpace

Sonntag, 19. Oktober 2008

rhododendron's ranking - 43/ 2008

Pünktlich, wie jede Woche gibt’s wieder rhododendron’s 20 liebste Singles der Woche. Nach ihrem sensationellen Durchmarsch aus der vergangenen Woche, können die Rifles Platz Eins verteidigen, wenn gleich ihnen die White Lies auf die Pelle rücken. Und auch Rasmus Kellermann, aka Tiger Lou, meldet sich nach einiger Pause mit einem spannendem neuen Album, sowie der dazugehörigen ersten Single „Crushed By A Crowd“ zurück, welche sich auf Platz 4 schiebt. Und auch die Shadow Puppets profitieren von ihrem tollen Live-Konzert. Die Stereophonics sind eigentlich gar nicht mal sooo gut, aber ab und an veröffentlichen sie tolle Singles. Mit „You’re My Star“, dieser wunderschönen kleinen Ballade, von ihrem Best-Of Album, ist ihnen das mal wieder gelungen. Passt zum Herbst. Genauso, wie die neue Oasis Ballade, „I’m Outta Time“, welche den dritten Neueinsteiger diese Woche markiert. Selten hört man Liam Gallagher so gefühlvoll. Coldplay kratzen mit „Viva La Vida“ sicher auch bald die Kurve. Irgendwann ist ja auch mal gut. Der Song wird aber sicher ne Rolle bei der Jahresendauswertung spielen, welche ich plane. Dann wird sich zeigen, welche Single 2008 die erfolgreichste war. Ratet doch schon mal mit, welche es werden könnte. Oder zählt nach, wenn ihr Zeit habt. Wertvolle Sachpreise als Gewinn sind nicht garantier!

01.( 01 / #2 ) The Rifles “The Great Escape”
02.( 03 / #3 ) White Lies “Death”
03.( 02 / #4 ) The Killers “Human”
04.(NEW/ #1) Tiger Lou “Crushed By A Crowd”
05.( 07 / #4 ) The Last Shadow Puppets “My Mistakes Were Made For You”
06.( 04 / #6 ) Bloc Party “Talons”
07.( 06 / #7 ) Foals “Olympic Airwaves”
08.( 05 / #2 ) Coldplay “Lost!”
09.( 09 / #6 ) Travis “Something Anything”
10.(NEW/ #1) Stereophonics “You’re My Star”
11.( 08 / #9 ) Kings Of Leon “Sex On Fire”
12.( 11 / #6 ) Deichkind “Arbeit Nervt”
13.( 12 / #6 ) Elbow “The Bones Of You”
14.(NEW/ #1) Oasis “I’m Outta Time”
15.( 10 / #10) Tomte “Der letzte große Wal”
16.( 16 / #11) Polarkreis 18 “Allein Allein”
17.( 13 / #5 ) The Streets “Everything Is Borrowed”
18.( 17 / #5 ) Keane “The Lovers Are Losing”
19.( 15 / #4 ) Those Dancing Days “Home Sweet Home”
20.( 18 / #17) Coldplay “Viva La Vida”

Samstag, 18. Oktober 2008

Klassisches Understatement

Ein Abend mit Stil. The Last Shadow Puppets zeigen sich im Berliner Tempodrom von ihrer besten Seite. Und laden ein zur Zeitreise in die 60s.

Das Indie-Volk lässt sich ja ungern seinen leicht uniformierten Modestil verbieten, aber manchmal wäre es doch angebracht. Nicht nur um unnötiges Konkurrenzdenken zu vermeiden, sondern auch um Angemessenheit zu symbolisieren. Am gestrigen Abend im Berliner Tempodrom wäre es die stilistische Vollendung gewesen, wenn das Publikum auf Lederjacken, Röhrenjeans und viel zu enge Strumpfhosen verzichtet hätte, sondern stattdessen auf Anzug und Kleidchen gesetzt hätte. Wenn schon Zeitreise, dann nämlich richtig. „Zeitreise“ ist genau das richtige Wort. Denn wenn die Last Shadow Puppets zum einzigen Deutschland-Gig bitten, dann wirkt das schon so, als ob einen der Delorean direkt isn Jahr 1964 geschickt hätte. Die Songs ihres genialen Debüts „The Age Of The Understatement“ scheinen sowieso aus einem anderen Zeitalter zu kommen. Direkt aus der Hochzeit des Gitarrenpop. Knappe, stilsichere Melodien eingebettet in ein Meer aus Streichern und Harmonien, sowie mit natürlichem Hang zu Größe und äußerer Schönheit. Die wird auch auf der Bühne gepflegt. Alex Turner und Miles Kane erscheinen stilsicher im Anzug, selbst Produzent James „Mobile Disco“ Ford, der an dem Abend an den Drums sitzt, hat das Sacko ausgepackt. Und kein Abend mit den Schattenpuppen wäre perfekt, wären da nicht die Streicher. In diesem Fall sind es die Dresdner Sinfoniker, die sich alle ebenfalls in edles Schwarz gehüllt haben. Das hat schon was. Immerhin hatte ich ne Krawatte dabei. Die imposante Zeltkonstruktion des Tempodrom passt dann auch gut zum Anlass. Zusätzlich wurde diesmal auch, vermutlich auf Wunsch der Band, alles bestuhlt. Ja, kein Wunder. Wenn schon „Party like it’s 1964“, dann aber richtig. Immerhin erhoffte ich mir dadurch wildes Aufspringen des Publikums. Dazu animierten Ipso Facto, die weibliche Vorband nicht wirklich. Deren new-waviger Düsterrock erinnerte mich an die leider viel zu früh von uns gegangenen The Organ und war dem Abend sicher angemessen. Zumindest Frisurentechnisch machten sie der Zeit alle Ehre. Betonfester Halt!

Da orientieren sich die Last Shadow Puppets frisurentechnisch anschließend doch eher an McCartney und Co. Kurz vor 22.00 Uhr betritt die Band die Bühne des Tempodroms und entführt dessen Insassen in den nächsten gut 60 Minuten in eine wunderbare Welt aus Melodie und Musikalität. Jeder einzelne Song ihres Debüts ist dabei fast wie ein Lehrstück über einen guten Popsong. Songs, wie „The Age Of The Understatement“, „Separate And Ever Deadly“ oder “My Mistakes Were Made For You” sind wunderschöne Songs, die live, dank des echten Orchesters noch schöner klingen, als auf Platte. So wird denn auch an diesem Abend das ganze Album gespielt, was ja an sich gerade mal etwas mehr als die Hälfte der Spielzeit ausmacht. Also wird der Rest mit einer ebenfalls netten Anzahl an B-Seiten gefüllt. Darunter das energische „Hang The Cyst“, das romantische „Paris Summer“, welches live als Duett zwischen Miles und der Ipso Facto-Frontfrau aufgeführt wird (man verzeihe mir die Unwissenheit ihres Namens), sowie das flotte David Bowie-Cover „In The Heat Of The Morning“. Die schönsten Momente des Konzertes sind die, wenn das Orchester allein spielt. Denn mal im Ernst… es gibt zu wenig echte Streicher bei Rock- und Popkonzerten. Sowas sollte man ändern! Das Outro von „The Meeting Place“, dem vielleicht besten Song des Albums, ist, wie auf eben diesem, einfach wunderschön und herzerweichend, genau wie der anschließende Album-Closer „Time Has Come Again“ als akustisches Zuckerstückchen. Die Band ist gut drauf. Wohl auch bedingt durch das ein oder andere Bier, das sich vor und während des Konzertes genehmigt wird. Am Ende sind’s halt doch nur die Lads aus dem UK.

Für die Streicher gibt’s Applaus. Für den Gig sowieso. Der Zugabenteil besteht aus dem „Doo-Wap“-Song (O-Ton Miles) „Memories“, einem Leonard Cohen-Cover, der einen dann irgendwie, passend zum Zeitreise-Thema auch irgendwie an die Prom-NightAbschlussszene aus „Zurück In Die Zukunft“ erinnert. Euphorie ist da, Ansätze von Tumult gibt’s dann aber erst am Ende bei „Standing Next To Me“. Ein Teil der Masse stürmt Richtung Bühne, einige sogar drauf. Die Ordner (die tragen wenigstens Anzüge) bekommen auch noch was zu tun und die Band freut sich sichtlich über die kleinen Auswüchse der Puppets-Mania. So ähnlich könnte es in den 60ern gewesen sein. Nichts Genaues weiß man. Aber so ähnlich war’s gestern Abend im Berliner Tempodrom. Es hätte noch locker ne Stunde so weitergehen können, aber zufrieden war trotzdem fast jeder. Immerhin bekommt man hier noch was für sein Geld geboten. Eine Stunde, in der die Zeit stillstand. Das einstige Nebenprojekt „The Last Shadow Puppets“ hat endgültig die Reife bestanden und macht den Hauptacts Konkurrenz. Wer weiß, ob sich die zwei noch mal in dieser Form zusammentun. Alex Turner ist seines Zeichens ja eh ein Arbeitstier (die neue Arctic Monkeys Platte ist schon in der Mache)… Vielleicht bleiben die Last Shadow Puppets am Ende auch nur eine kleine, aber irgendwie gewaltig große Besonderheit des Musikjahres 2008. Sie kamen aus dem Nichts und gehen vielleicht auch wieder dahin zurück. Sie hinterlassen ein tolles Album und dieses vielleicht einmalige Konzerterlebnis. Das kann man dann, wenn man will, seinen Enkeln erzählen. Wer will, kann auch noch dazudichten, dass die Leute feinsten Zwirn trugen oder das Tempodrom anschließend von einer ekstatischen Menge zerlegt wurde… Zeitreisen haben ja auch immer was mit Phantasie zu tun ;-)

Setlist:
01 In My Room 02 The Age Of The Understatement 03 Black Plant 04 Separate and Ever Deadly 05 Gas Dance 06 Calm Like You 07 Paris Summer 08 Hang The Cyst 09 The Chamber 10 My Mistakes Were Made For You 11 I Don't Like You Anymore 12 In The Heat Of The Morning 13 The Meeting Place 14 Time Has Come Again 15 Only The Truth 16 Memories 17 Standing Next To Me


"In My Room" (Live @ Tempodrom)

"The Age Of The Understament" (Live @ Tempodrom)

Sonntag, 12. Oktober 2008

rhododendron's ranking - 42/ 2008

Was für ein Comeback! Man musste sich ja irgendwie schon sorgen um die Rifles machen. Der Nachfolger ihres tollen Debüts „No Love Lost“ lies immer wieder auf sich warten. Aufnahmen wurden überworfen, Releases verschoben und geändert und was weiß ich. Doch nun soll, „Pavement Diaries“, das zweite Album im Januar erscheinen. Endgültig! Und wenn es auch nur halbwegs so gut wird, wie „The Great Escape“, die erste Single, dann muss man sich keine Sorgen machen. Was für ein massiver Ohrwurm, was für ein fulminanter kleiner Gitarrenpopsong voller Inhalt und Melodie. The Rifles gewohnt souverän. Da hat man dann doch das Gefühl, dass es gut ausgehen wird. Zurrecht von Null auf Eins! Gut ausgegangen ist das Jahr eh schon für Coldplay. Während der Dauerbrenner „Viva La Vida“ ihres gleichnamigen Albums langsam den Schwanengesang antritt, entert die neue Single, „Lost!“ diese Woche souverän die Top 10. Alles andere wäre auch sehr verwunderlich gewesen. Ansonsten geringfügige Veränderungen. U.a. können sich Keane noch vorm Ausschuss retten und steigen noch mal ein paar Plätze. Also eine gute Woche auch für diese Band ;-)

01.(NEW/ #1) The Rifles “The Great Escape”
02.( 01 / #3 ) The Killers “Human”
03.( 04 / #2 ) White Lies “Death”
04.( 02 / #5 ) Bloc Party “Talons”
05.(NEW/ #1) Coldplay “Lost!”
06.( 03 / #6 ) Foals “Olympic Airwaves”
07.( 06 / #3 ) The Last Shadow Puppets “My Mistakes Were Made For You”
08.( 05 / #8 ) Kings Of Leon “Sex On Fire”
09.( 07 / #5 ) Travis “Something Anything”
10.( 09 / #9 ) Tomte “Der letzte große Wal”
11.( 08 / #5 ) Deichkind “Arbeit Nervt”
12.( 12 / #5 ) Elbow “The Bones Of You”
13.( 11 / #4 ) The Streets “Everything Is Borrowed”
14.( 10 / #8 ) Noah And The Whale “Five Years Time”
15.( 13 / #3 ) Those Dancing Days “Home Sweet Home”
16.( 15 / #10) Polarkreis 18 “Allein Allein”
17.( 20 / #4 ) Keane “The Lovers Are Losing”
18.( 14 / #16) Coldplay “Viva La Vida”
19.( 17 / #8 ) CSS “Move”
20.( 16 / #5 ) Rex The Dog “I Can See You, Can You See Me?”

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