Dienstag, 22. Februar 2011

Dritter Versuch, Zweite Version

Recycling in eigener Sache. Es folgt eine leicht optimierte Neu-Version meiner letztjährigen Kritik zum dritten Album der Thirteen Senses, welches nun endlich nach Monaten der Ungewissheit offiziell im Handel erscheint. Von einer Band und ihrem fortwährenden Kampf gegen Windmühlen…

61ePYsddozL-_SL500_AA300_Nun also doch. Lange hatte man nichts von den Thirteen Senses gehört, die einst zu einer der hoffnungsvollsten Bands des Vereinten Königreichs zählten. Doch das war zu einer Zeit, als die Musikwelt vor ca. 7 Jahren noch ein wenig anders aussah. Franz Ferdinand waren gerade dabei alles über den Haufen zu werfen und von Nur Rave, Twitter oder Lady Gaga war noch keine Spur. Alles irgendwie übersichtlicher. Die von Travis und Coldplay losgetretene Britpop-Welle der späten 90er flaute also gerade ab. So gesehen waren die Thirteen Senses aus Cornwall sogar relativ spät dran mit ihrem 2004er Debüt „The Invitation“. Dennoch konnte man damit einige Kritiker- und Fanherzen für sich gewinnen. Besonders meines, denn ich bin nach wie vor ein riesiger Verehrer dieses traumhaften Meisterwerkes, dass ich ganz klar zu den qualitativ besten Debüts der letzten zehn Jahre zähle. Für die Band war also alles drin. Snow Patrol und James Blunt hätten sie locker in der Pfeife rauchen können, aber im Anschluss lernte man dann leider die Schattenseiten der Industrie kennen. Von Hundert auf Null. Der Nachfolger „Contact“ war ein kolossaler Flop, der es gerade mal so in die UK Top 100 schaffte. Dabei hatte das Album durchaus helle Momente, aber die Band hatte am Ende irgendwie den roten Faden darauf verloren. Schlechte Promotion tat ihr übliches, so dass die Band sang- und klanglos ihren Plattenvertrag und viele Fans verlor. Ein Schock, von dem man sich immer noch erholt.

Das dritte Album „Crystal Sounds“ tauchte dann vergangenes Frühjahr ganz spontan zum monatelangen Stream auf der der Bandhomepage auf und sollte helfen, das Trauma in Wohlgefallen umzuwandeln. Selbstproduziert, selbst eingespielt und nun auf b-sirius, einem Unterlabel von Pias Records veröffentlicht. Die ursprünglich 9 Tracks des Streams wurden um vier erweitert und sollen nun der Welt helfen, diese Band lieben zu lernen oder sich, wie in meinem Fall, wieder in sie zu verlieben. Geht da noch was im Kampf gegen die Windmühlen? Eigentlich schon, denn handwerklich ist „Crystal Sounds“ ein recht gutes Album geworden, mit 13 Tracks sogar noch mal etwas besser, als mit 9. Es ist natürlich kein zweites „Invitation“, aber es merzt ein wenig die Fehler von „Contact“ aus, in dem sich die Band auf ihre Stärken beruft. Und das heißt natürlich gefühlvolle Britpop-Balladen voller Melancholie und gern mal etwas Kitsch. Die Schuster bleiben bei ihren Leisten. Der Reigen der neun Songs wird durch das nette, wenn auch etwas lange Titelstück eröffnet. „A little wiser now“ stellt Sänger Will South darin fest. Ist wohl was dran… im Anschluss zeigt die Band aber, dass sie durchaus noch in der Lage ist, ein paar anständige Hits aus dem Ärmel zu schleudern. Trotz furchtbarem Video ist die schnittige Single „The Loneliest Star“ ein ziemlicher Ohrwurm, während man sich beim eingängigen „Home“ sofort heimisch fühlt und da erstmals wieder den Geist spürt, welcher einst das Debüt durchwehte. Mit dem ziemlich flotten, aber gefühlvollen „Imagine Life“ kann die Band dann ebenfalls punkten und zeigt, dass sie auch abseits der reinen Balladen etwas zu bieten haben. Funktioniert hier besser, als beim Zweitwerk. „Suddenly“ und „Animals“ entpuppen sich im Anschluss als Kitsch-Nummern, welche in der Qualität etwas abfallen. Ambitioniert und durchaus reizvoll. Mit „After The Retreat“ gibt’s danach den obligatorischen Rohrkrepierer des Albums, was aber vorkommen kann. „I Saw Stars Disappear“ ist dann schon wieder hochgradig melodramatisch und zelebriert einmal mehr die orchestrale Seite der Band, die mehr als auf den anderen Alben, diesmal in den Vordergrund tritt. Wo haben die denn das Orchester her? „Answer“ gibt sich dann wieder als klassischer Thirteen-Senses-Song. Und dann „Out There“ als purer Orchesterkitsch auf 8-Minutenlänge, der fast schon eine kleine Symphonie darstellt. Vielleicht das ambitionierteste Stück, welches die Band bisher aufgenommen hat. Bei der 9-Track-Version des Albums ein würdiger Abschluss, hier geht’s anschließend noch etwas weiter. Das reduzierte „Send Myself To Sleep“ ist ganz wunderbar, „Concept“ und „In The Crowding“ allenfalls ganz okay.

thirteensenses
Es offenbart sich nach dem Genuss der aufgepimpten 2011er-Version von „Crystal Sounds“ allerdings nach wie vor das Grunddilemma dieser Band und ihres Sounds. Er ist zu harmlos, zu kitschig, zu vorhersehbar. Das war er aber schon immer und macht auch ein wenig den Charme der Band aus, in einer Zeit, in der jede Kapelle auf 80er-Retro-Hochglanz-Pop getrimmt zu sein scheint, sowieso mehr denn je. Doch dieser Sound besitzt auch stets das Risiko, zu übertrieben und zu beliebig zu sein. Eine Grenze, die auf „Crystal Sounds“ das ein oder andere Mal übertreten wird. Dieser Sound funktioniert, aus meiner Sicht, nur, wenn die Songs gut sind. Wenn sie überzeugend in Melodie und Struktur sind und somit die Mängel überstimmen können. Es gelingt wieder besser, als auf „Contact“, aber vermutlich sollte ich mich langsam damit abfinden, dass „The Invitation“ wohl ein glücklicher Einzelwurf bleiben wird. Ein gutes Album ist „Crystal Sounds“ am Ende aber doch geworden. Kein überragendes, aber auch kein wirklich furchtbares. Irgendwo in der Mitte. Doch ob die Mittelmäßigkeit einer Band, mit solchen Ambitionen und dieser Vergangenheit reicht, wird sich zeigen. Es braucht nur diesen einen Hit, der so platziert wird, dass ihn die Welt auch hören wird. Dann funktioniert vielleicht auch der Rest. Ob es „Crystal Sounds“ also 2011 schafft, aus dem Meer an Veröffentlichungen entscheidend herauszuragen, um die Band voranzubringen steht weiterhin in den Sternen. Ein mehr als passables Album hat man in jedem Fall vorzuweisen. Nun auch physisch.

Montag, 14. Februar 2011

The Social Network Blues

Gefühl durch Reduktion? Soul für die Generation Twitter? Heilsbringer für alle Hipster? Pop für die Postmoderne? Was ist dran an der Musik von James Blake? Und wo wir gerade dabei sind, wie steht’s mit Wunderkind Jamie XX aus? Zwei neue Alben, die polarisieren und die, trotz ihrer Unterschiede Einiges vereint. Ein Interpretationsversuch…

Sobald etwas über das Verfallsdatum ist, schmeißt man es gern mal weg. In der Kunst schreibt man gern mal „Post“ davor. Eine musikalische Strömung stirbt nicht einfach, sie wird einfach mal „Post“. Warum ich überhaupt darauf komme? Im Zuge der Erstvorstellung des neuen Outputs des Londoners James Blake, postete (wuahaha) hier auf dem Blog jemand was von Post-Dubstep und wurde davon vom Kollegen FallOnDeafEars belächelt. Ob das gerechtfertigt ist, sollte jeder für sich selbst entscheiden. Nur weil der Postmann zweimal klingelt, muss man ja nicht gleich öffnen. Ich persönlich hab schon Probleme mit der eigentlichen Definition von Dubstep, möchte mich damit auch nicht aufhalten. Ein Bekannter beschrieb das mal als langsamen „Drum’n Bass“. Trifft’s doch ganz gut. In den letzten Jahren hat sich das Genre musikalisch etabliert und differenziert. Kommerzielles Kirmesgeballer von Bassnectar oder Skream trifft auf den düsteren, minimalistischen Ast, wie Burial oder Deadboy. Alles sehr fein, doch nun zeigen neue Acts, wie eben Herr Blake oder Mount Kimbie, dass es auch noch reduzierterer gehen kann. Wie man das nennen mag, kann jeder halten wie er will. Doch die Reduzierung hat System. Kollege Jamie XX hat darin auch Erfahrung, immerhin gewann er mit seiner Band The XX in den letzten zwei Jahren fast alles an Preisen und Herzen, was es so geht. Sein systematisches Beat-Getrigger und Sampling, gepaart mit der sensiblen musikalischen Zerbrechlichkeit seiner Mitstreiter sorgte für einen relativ frischen und unverkennbaren Sound, der so wirkte, als treffe die Vergangenheit auf die Zukunft. Warum auch immer. Dies ist das Motto, nachdem Jamie Smith, so der bürgerliche Name, nun auch bei seinem neusten Projekt vorgeht. Wer braucht schon Urlaub? In diesem Fall hat sich Mr. XX das letztjährige „I’m New Here“-Album der amerikanischen Soul- und Blueslegende Gil-Scott Heron, immerhin auch schon über 60, durch den Mixwolf gejagt und daraus einen ganz eigenen Klang kreiert. Blake hingegen samplet primär sich selbst. Hat er früher auch schon gern. Aber über die üblichen Vocoder-Spielereien hinaus, hat er darüber seine Stimme entdeckt und spielt sich und seine Songs dadurch in den Vordergrund.

JamesBlakeDie Stimme wird zum Dreh- und Angelpunkt, bei beiden Alben, wenngleich Fokus und Umsetzung variieren. James Blake zeigt auf seinem selbstbetitelten Debüt vollen Einsatz, sinkt mit kraft- und vor allem gefühlvoller Stimme von Liebe und Schmerz und garniert dies immer wieder mit kleinen Spielereien. Minimalistische Beats treffen auf ein durchweg gern mal klassisch agierendes Piano und diverse Vocoder- und Auto-Tune-Spielereien, dass selbst Will.I.Am schwindelig werden könnte. So pitcht sich Blake gern mal zu seinem eigenen Backing-Vokalisten hoch, zerstückelt sie Stimmfragmente auf unterschiedliche Art und Weise und fügt so den im Herzen recht klassischen Balladen eine gewisse experimentelle und dezent verstörende Note hinzu. Seine Stimme agiert dabei als auditiver Anker, der das Gefühl in einer differenzierten Musikalität widerspiegelt. Jamie XX macht hingegen mit Gil-Scott Heron scheinbar was er will und kann. Das Album „We’re New Here“ ist deutlich weniger „Post“ und wesentlich mehr Dubstep, als Kollege Blake. Breakbeats, mal schnell, mal langsamer, jede Menge Samples, seien es verstümmelte Rave-Flächen oder gepitchte Vocals. Jamie-xxAn allen Ecken und Enden passiert irgendwas, wenngleich eigentlich gar nicht so viel passiert. Paradoxerweise lebt nämlich auch dieses Album ein wenig von der Reduktion. Und von der markanten Stimme seines Sängers. Wenngleich hier nicht der alte Soul-Man das Zentrum des Geschehens ist, sondern häufig zum Sample an sich verkommt und sich Smiths Spielereien unterordnen muss. Ist ja auch nicht verwunderlich, den streng genommen handelt es sich hier ja um eine Remixplatte. Doch sein rauchiges, erfahrenes Organ ist das Element, das diesem Album tatsächlich bei allem Sampling auch etwas Seele gibt. Herons Blues repräsentiert eine gewisse Reife und Authentizität, welche sich eigentlich ein wenig mit den urbanen Beats des Jung-Produzenten beißen müsste, sich aber am Ende doch ganz ordentlich fügt. Vergangenheit trifft, na ja, sagen wir mal die Gegenwart zumindest. Die Kombination eines klassischen Soulgesangs mit hippen Soundspielereien mag sicher nicht sonderlich innovativ sein, bleibt aber auch im x-ten Update gewissermaßen reizvoll.

Insofern man das so sehen will. Natürlich kann man beiden Alben attestieren, dass sie irgendwie langweilig klingen, gerade bei James Blake scheint trotz kollektiver Feuilleton-Masturbation sich ja der ein oder andere Geist an dem extremen Minimalismus der Platte zu stören. Und selbst ich muss eingestehen, dass dieser absolute Flash, den man durchaus haben kann, wenn man sich dieses Album das erste Mal bewusst anhört, bei jedem weiteren Hören nie wieder in dieser Form erreicht wurde. Entweder man liebt diesen Mann für seinen urbanen Soul oder man hasst ihn für sein monotones Gejaule. Ich persönlich finde Blakes Album hoch reizvoll. Jamie XX Neuinterpretation von Gil-Scott Heron auch, wenngleich die Ansätze halt unterschiedlich sind. Klar, ist das keine große Soul- und Bluesmusik mehr, wie es sie vor 50 Jahren gab, aber jede Generation hat ihren eigenen Soundtrack. Das Jahr 1980 hatte Joy Division, das Jahr 2010 hatte The XX. Der Aufschrei nach dieser Musik wäre auch mit Sicherheit bei weitem nicht so groß, wenn die Nachfrage nicht vorhanden wäre. Nachfrage nach ein wenig mehr Seele und Gefühl, auch innerhalb des urbanen Hype-Kosmos. Aber ich möchte jetzt nicht noch die Abteilung „Gesellschaftliche Entwicklung und ihre Repräsentation in zeitgenössischer Musik“ betreten. Diese Abhandlung können andere verfassen. Ich verbleibe bei der Musik. Und die bekommt eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen.

Stream ... James Blake "James Blake" (bereits erschienen)
Auf der Seite des Musikexpresses kostenlos anhören

Stream ... Gil-Scott Heron & Jamie XX "We're New Here" (VÖ: 18.02.)
Auf der Seite des Guardian kostenlos anhören

Montag, 7. Februar 2011

Hitansammlung

Das geht ja fix. Da schaut man mal ein paar Tage nicht ins Internet und schon entgehen einem neue Singles alter von alten Bekannten. Wer ebenfalls gerade etwas auf dem Informationsschlauch steht, bekommt hier einen ganzen Rundumschlag mit sechs hörenswerten Hits.

Patrick Wolf – The City

Man ist noch etwas trügerisch. Ist das vorübergehende Hoch da draußen tatsächlich schon der Frühling? Skepsis ist angebracht, es ist ja erst Anfang Februar. Im Mai werden Blüten und Lebensfreude dann aber mit Sicherheit wieder fließen und genau dann erscheint das neue Album von Queer-Pop-Heroe Patrick Wolf. Und wenn das so wie die ersten Songs „Time Of My Life“ und nun die neue Single „The City“ klingt, dann erwartet uns pure Lebensfreude. Patrick hat gute Laune, immerhin heiratet er demnächst. Eine Kampfansage gegen sämtliche Dämonen. Da kann man selbst das Saxophon-Solo und die tanzenden Hipster im Video tolerieren. Im Gegenteil: man möchte mittanzen. Riesen Superhit!



Elbow – Neat Little Rows

Elbow werden nach dem tollen Durchbruchs-Meisterwerk von “The Seldom Seen Kid” (+ die drei tollen Alben davor) mit der neuen Platte “Build A Rocket, Boy” in schwere Fußstapfen treten. Selber Schuld, wenn sich die Herren aus Manchester die eigene Qualitätsmesslatte immer wieder ein Stück höher liegen. Die neue Single „Neat Little Rows“ ist auch kein zweites „Grounds For Divorce“. Eher ein Leisetreter, ein Song, der etwas Zeit braucht und vor allem schon mal gar nicht nach Hymne und Hitsingle klingt. Höchstens heimlich. Am Ende überzeugt diese Band sowieso auf Albumlänge. Hoffentlich. Wir wollen ja nicht den Teufel an die Wand pinseln.



Maritime – Paraphernalia

Auch so alte Indie-Helden. Aus einer Zeit und musikalischen Schublade, als „Indie“ noch independent und eigensinnig war und nicht als Stempel auf jedem noch so furchtbaren röhrenhosentragenden Musikverbrechen klebte. Über die Hosen von Maritime aus Wisconsin kann ich jetzt nichts sagen, aber man freut sich nach gut vier Jahren endlich auf das Album „Human Hears“. Das kann ich schon mal mit Fug und Recht behaupten. Geschmeidiger, melodieverliebter Indie-Poprock erwartet uns, der gar nicht erst versucht spektakulär zu klingen. Kann man mögen, muss man nicht. Sollte man aber, wenn möglich, denn dann erschließen sich in der Regel tolle Songs. „Paraphernalia“ ist so einer. Und weitere werden hoffentlich folgen.

Hier reinhören...

Cold War Kids – Mine Is Yours (Passion Pit Remix)

Aus der Abteilung “Bands, die man mal vor Jahren gut fand, sich aber im Nachinein fragt, warum eigentlich”... den Draht zu den Cold War Kids hab ich schon vor ’ner Weile verloren und weil es anderen ähnlich geht, hat man das neue Album „Mine Is Yours“ auch etwas eingängiger gestaltet, damit das doch noch was mit dem Charterfolg wird. Interesse es zu hören hab ich dennoch augenblicklich nicht. Ich bleibe beim unglaublichen Remix des Titelsongs durch die Synthie-Popper von Passion Pit. Bis jetzt der Remix des Jahres. So eine Überdosis an 80er-Glückseeligkeit muss man erstmal schaffen. Flächen, Drums, Beats… wenn das musikalische Zuckerwatte wär, müsste man anschließend direkt zum Zahnarzt. Großes Pop-Können. Da freu ich mich lieber auf das neue Passion Pit Werk.



Firefox AK – Boom Boom Boom

Andrea Kellerman ist nicht nur Ehefrau von Mr. Tiger Lou, Rasmus, sondern auch seit einigen Jahren erfolgreich als Solokünstlerin unterwegs. Erfolgreich im Sinne von „Qualitativ hochwertiger Musik“. Die Kombination aus Singer/Songwriter-Qualitäten und feinster Elektronikmusik funktioniert blendend. So gibt es bald mit „Color The Trees“ ein neues Album ihres Alter Egos Firefox AK auf dem sie wieder atmosphärischen, eingängigen und gefühlvollen Elektropop liefern wird. Hoffentlich. Die erste Single „Boom Boom Boom“ will dann auch in erster Linie „Hit“ sein und darf das auch. Vielleicht etwas glatt im Vergleich zu früheren Singles, aber nicht weniger eingängig. Eine Art dezentere Variante der schwedischen Kollegin Robyn, wenn ich mich mal soweit aus dem Fenster lehnen darf. Das müsste als Empfehlung zum Reinhören sicher genügen.



Glasvegas – Euphoria, Take My Hand

Und zum Schluss noch ein Streitfall. Manche Menschen haben ja Glasvegas für die wichtigste neue britische Band seit Jahren gehalten. Am meisten wohl die Band selber. Aber außer einer handvoll Hits und einem vollkommen überproduzierten, überbewerteten und überaus monotonen Debütalbums war da auch nicht mehr. Nun kommt also der Zweitling „Euphoric /// Heartbreak \\\“ (Ja, das heißt wirklich so) und wir dürfen uns auf übergroßes Leiden einstellen. Songtitel-Vorgeschmack? „Pain, Pain, Never Again“, „Dream Dream Dreaming“… und die Single „Euphoria, Take My Hand”. James Allen jault und leidet wie immer. Das ganze Leben ein unglaublicher Fluch. Daddy immer noch weg, Liebe weg, Leben Mist. Groupies, Guiness und der Rest sind da nur ein schwacher Trost. Von allem etwas zu viel. Leider irgendwie auch ein wenig Ohrwurm, diese ganze Arie. Ab und an kann man ja mal im großen Stil leiden. Ob das auf Albumlänge so erträglich ist, darf an dieser Stelle schon mal angezweifelt werden.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Das Glück der Tüchtigen

Kontinuierliches Arbeiten trifft auf musikalische Qualität. Mit dem dritten Album wollen es The Boxer Rebellion nun endlich wissen, üben sich dabei aber im konsequenten Leisetreten. Und das funktioniert, wovon man sich bereits jetzt im Stream und nächste Woche im Laden überzeugen kann.

5138GhnAdbL-_SL500_AA300_Wer diesen Blog schon lange liest, der weiß, dass ich seit meinem ersten Kontakt mit der britischen Alternative Rock Band The Boxer Rebellion, Ende 2007 auf einem Konzert der Editors, quasi ehrenamtliche Promoarbeit leiste. Konzertkritiken gab’s hier genauso sehr, wie mehr als eine geschriebene Lobpreisung auf die musikalischen Ergüsse des Londoner Quartetts. Ich habe diese Band so vielen Menschen ans Herz gelegt, sogar eine überteuerte Ur-Import-Version ihres Debüts nebst T-Shirt gekauft. Die Band hatte es auch nötig. Denn leider wollte sich der Erfolg trotz fantastischer Musik nicht richtig einstellen. Nach dem Debüt „Exits“ wurde man beim Major rausgeworfen, der Nachfolger „Union“ wurde erst jahrelang aufgeschoben und ein Publisher gesucht, bevor man es am Ende vorerst nur digital auf eigene Faust veröffentlichte und somit als erste Band ohne Label, die US-Charts knackte. Und sich permanent live hochspielen tat und tut man sowieso. Lange Rede, kurzer Sinn, diese Band ackert für ihren Erfolg und nun sollen, im Jahr 2011, mit dem dritten Album, endlich die Früchte dieser Arbeit geerntet werden. Endlich!

Die Zeichen stehen gut. Nach all dem Hickhack hat sich für die Lösung „eigenes Label“ entschieden, zuletzt war man auf dem Soundtrack des US-Indie-Hits „Going The Distance“ (und sogar im Film selber)… hier muss was gehen. Mit „The Cold Still“ liefert der sympathische Vierer um Frontmann Nathan Nicholson nun ein überraschendes, aber durchweg gelungenes Drittwerk ab, welches die Band von ihrer starken Seite präsentiert. Dabei wundert man sich aber als Kenner der ersten Alben anfangs schon, über den insgesamt ruhigen Grundton der Platte. Nach dem sperrigen „Exits“ und dem opulent-eingängigen „Union“, reduziert sich „The Cold Still“ auf das Wesentliche und fällt etwas simpler aus, als die ersten Alben. Selbst etwas flottere Songs, wie „The Runner“ oder „Step Out Of The Car“ sind kein zweites “Watermelon”. Die große Stärke, welche die Band seit jeher ausmachte, nämlich ihr Gefühl, wird nun endgültig in den Vordergrund geschoben. Zarte Gitarren, viel Hall, verhaltene Epik, hier und da ein wohlgesetztes Piano und immer wieder Nathan Nicholson, dessen Stimme auf „The Cold Still“ zu neuen Hochleistungen anspornt und in der Regel die treibende Kraft hinter den Liedern ist. Gefühlvoll, klar und vielseitig… es ist eine wahre Freude, Nicholson beim Weltschmerz zuzuhören. Nie wirkt es übertrieben, nie driftet er in übertriebene Sentimentalität ab, stets bleibt es kraft- und würdevoll. Ich bin vollen Lobes für die stimmlichen Qualitäten des guten Mannes… und für die musikalischen seiner Band. Die liefert schönen, klassischen Britrock, fernab jeglicher Hypes und Trends ab, variiert zwischen intimen Balladen („Caught By The Light“), gitarrenpoppigen („Organ Song“) oder richtig großspurigem Soundwänden, wie im epischen „Both Sides Are Even“. Und selbst die ganz ruhigen Momente, wie die beiden Songs „No Harm“ und „Doubt“, welche das Album eröffnen und erschließen gelingen bestens. Ein wirklicher Ausfall lässt sich nicht wirklich ausmachen. Alle zehn Songs sind hervorragende Beispiele für emotionalen, aufrichtigen Gitarrenpop und zeigen eine Band in Höchstleistung. Vor alten Weggefährten, wie den Editors oder von mir aus, wenn wir gleich mal dabei sind, auch von Coldplay oder den Kings Of Leon, brauchen sich diese Jungs schon lange nicht mehr verstecken.

„The Cold Still“ zeigt The Boxer Rebellion im Jahr 2011 in Bestform. Vielleicht fehlt der Platte der eine, große Mainstream-Hit, den es am Ende braucht, um als Band nicht jeden Monat vor der Mietzahlung Angst zu haben, dafür punktet das Drittwerk mit einem geschlossenem Sound, der zu bewegen weiß. Und so kann es weiter gehen. Ich bekomme nach wie vor kein Geld und mein Konzertticket kauf ich mir immer noch schön selber, aber diese Band allen ans Herz legen kann ich immer noch, bis ich es evtl. nach dem Durchbruch in nicht allzu ferner Zukunft wieder bereuen werde. So ist das Leben.

Freitag, 28. Januar 2011

rhododendron's resterampe - 28/01/2011

Hörempfehlungen quer durch den Genre-Garten

Factory Floor – Lying

Die unbetitelte Debüt-EP des Londoner Trios Factory Floor, welche bereits letztes Jahr erschienen ist, stellt eine wahrhafte Hör-Herausforderung da. Die noch recht unbekannte Band macht einen Mix aus altem Post-Punk gemixt mit Elektronik, klingt dabei aber so rau, so düster und so kompromislos unpoppig, das man irgendwie nicht richtig weiß, wo man das einordnen soll. Der Opener „Lying“ kommt dabei dem Modell eines klassischen Songs noch am ehesten nahe, beim Rest sieht’s anders aus. Titel 2, ist ein einziger 10minütiger Mix aus Drum-Computer-Beat und der ewig gleichen Sequenzer-Basslinie, Teil 3 dann zwei Minuten kürzer und etwas schneller inkl. diverser Wortfragmente. Und Track 4 besteht dann nur noch aus einer zehnminütigen Ansammlung von Geräuschen, die wohl in einer Fabrikhalle aufgenommen wurden. In der bewussten Abkehr von diesen Strukturen liegt der Reiz dieser experimentellen 3.0.-Variante von Joy Division, wobei diese ja im Vergleich noch wie die reinsten Chartspopper wirkten. Ungewöhnlich, aber das muss man dieser Tage erstmal schaffen. Vielleicht werden aus den Skizzen bald auch Songs, dann steht uns Großes ins Haus. Muss aber auch nicht.

Lying by Factory Floor

Gossip Culture – Whispers In My Ear

Ich glaube, ich hatte hier irgendwann schon mal was zu diesem ominösen Chillwave-Genre gesagt. Chad Valley und der von uns sehr geliebte MillionYoung fallen ja so in die Richtung Träumerei-Pop. Weitere Merkmale? Flauschige Soundschichten, gemäßigtes Tempo, viel Piano und ein nicht enden wollendes Retro-Flair, bei dem man sich permanent denkt… „Hab ich doch schon mal irgendwie, irgendwo gehört.“ Hier kommt noch so ein Song, der uralt klingt, aber gleichzeitig brandneu ist. Gossip Culture ist das Projekt von Ryan Sheridan aus Cleveland. Richtig, wieder ein einzelner Typ. „Whispers In My Ear“ ist Zuckerwatte-Pop für dunkle Tage oder besonders helle. Wer an gutem, altmodischen Pop Interesse hat, sollte hier mal ein Ohr drauf werfen.

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Holy Ghost! – Do It Again

Disco is back! Gut, viele werden behaupten, es war nie weg, aber in letzter Zeit schießen spannende neue Acts, wie Azari & III, Gigamesh oder Shit Robot wie Pilze aus’m Boden. Das gute alte DFA Label aus New York City hat mal wieder Vorbildfunktion und erlebt dadurch gerade eine kleine Renaissance. Ich selber bin dem Nu-Disco-Wahn sowieso schon länger verfallen. Holy Ghost! sind ein Grund dafür. 2010 gab’s eine extrem hittige Debüt-EP und dieses Jahr soll das selbst betitelte Debüt-Album nachgeschoben werden. Wenn die Qualität so wie bei der EP bleibt oder bei de unzähligen tollen Remixen für andere Acts, dann steht uns großartiges Discotainment ins Haus. Ja, dieses Wort habe ich gerade erfunden. Lawyered! „Do It Again”, die erste Single weicht dabei ein wenig von den vorhergehenden Tracks ab, ist etwas kantiger, poppiger… gut, Letzteres ist ja jetzt auch nicht unerwartet. Ich muss ehrlich gestehen, die EP fand ich etwas besser. Macht euch selbst ein Bild. Die Vorfreude auf das Album kann man sich dennoch bewahren.



Does It Offend You, Yeah? – The Monkeys Are Coming

Würde man mich mit dem Booking eines Festivals beauftragen und meine Meinung bezüglich guter Live-Bands in Erfahrung bringen, dann darf ein Name einfach nicht auf dieser Liste fehlen: Does It Offend You, Yeah? Der Satz „Die haben sich in den letzten Jahren echt den Arsch abgespielt“ wirkt vielleicht wie ein Klischee, trifft aber auf die Herren aus England definitiv zu. Seit ihrem 2008er Debüt ist man im Prinzip permanent auf Tour, gerade bspw. als Support von Linkin Park in den USA. Mit jedem Auftritt wächst die Scharr williger Fans. Warum? Weil das System des polternden Elektro-Punk dieser Herren live so effektiv umgesetzt wird, dass sie es schaffen, während ihrer Auftritte aus Interessierten, Fans zu machen. Musik, die keine Kompromisse macht, dafür aber viel Krach und vor allem Lust, mal ordentlich aus sich herauszugehen. Das im März erscheinende Zweitwerk soll daher auch nur Lieder präsentieren, die zu diesem Zweck geschrieben und produziert wurden. Das Album zur niemals endenden Tour- es kommt. Die Affen auch. Die erste Single, „The Monkeys Are Coming“ gibt dem Hörer genau das, was er erwartet. Ein großes Geboller-Bollwerk für Jung und Alt.



The Beatles – Eleanor Rigby (4Centers Remix)

Abschließend noch was aus der Abteilung “Obskure Remixe”. Man nehme einen unverwüstlichen Beatles-Klassiker aus dem Jahre 1966 und füge etwas hämmernden Dubstep aus dem Jahre 2011 hinzu. Dass das Ergebnis so gut ausfällt, überrascht sogar mich. McCartney, Streicher und ordentliche Woop-Woop-Bässe in einem. Da muss selbst Yoko Ono tanzen. Und das Musik, die fast ein halbes Jahrhundert alt ist sich so problemlos in die Gegenwart transportieren lässt, zeugt einmal mehr vom Wirkungsradius der Fab-Four über ihr Ende hinaus. Und zu Dubstep kann man ja stehen, wie man will. Klar, das System ist immer das gleiche und nach dem kommerziellen Overkill (der in England gerade am Kochen ist) wird das auch bald schnell wieder zu den Akten gelegt. Aber bis dahin darf man sich an harten Beats und knarzenden Bässen gern noch etwas länger erfreuen.

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Sonntag, 23. Januar 2011

Anti-Disco

Höchste Zeit für ein neues Mixtape... diesmal leicht anders.

Seit Ende 2008 veröffentliche ich nun als PBMR immer mal wieder ein paar ca. einstündige Mixe innerhalb meiner Mixtape-Serie. Das ist bekannt. Genauso, wie die Tatsache, dass diese Mixe stets irgendwie anders klingen... im Laufe der Zeit hat sich das nämlich alles immer stärker differenziert, so das jeder Mix unter ein Motto gestellt wird. Die Nummer 6 war bspw. ein relaxtes Sommer-Tape, die Nr. 7 im Oktober zuletzt eine ansammlung bunter Indie-Rock- und Pop-Momente. Wenn ich mal Zeit und Muse finde, werden die alten auch nochmal hochladen. Nun aber erstmal zu Nummer Acht.


Der neue Mix, namens "It Felt So Crystal In The Air" geht wiederum in eine ganz andere Richtung und entfernt sich zu großten Teilen von den Tanzflächen, Hitlisten und Genrekonventionen. Na ja, zumindest leicht. Der Grundtenor ist diesmal wesentlich ruhiger und düstere gehalten, ein Soundmix, der fürs Hirn, weniger für die Hüften. Dunkler, melancholisch und immer mal wieder von ruhigen Momenten durchbrochen. Vielleicht weil mir gerade danach ist, weil es reizvoll ist und weil man ab und an einen passenden Soundtrack zum In-Sich-Kehren braucht. Um dies zu bewerkstelligen helfen mir hier verschiedenste Künstler und Genres. Chilligen Elektro, wie die Remxie von John Talabot für Glasser oder Four Tet gibt's genauso, wie Minimal von Trentemøller oder Minilogue, Dubstep von Burial und Deadboy und Auszüge aus Soundtracks, die ich zuletzt verstärkt gehört habe. Jon Hopkins, welcher bspw, den "Monsters"-Score zu verantworten hat. Oder natürlich Trent Reznor, der dafür ja den Golden Globe jüngst bekommen hat und im Regal schon mal Platz für den Oscar macht. Es ist vielleicht nicht der übliche, kontinuierliche Dance-Mix, aber vielleicht entdeckt der ein oder andere nach dem Download ja mal ein paar neue musikalische Facetten. Und dann darf bei Teil 9 vielleicht auch wieder getanzt werden.

01 Trent Reznor & Atticus Ross – Hand Covers Bruise Reprise
02 Foals – Spanish Sahara (Deadboy Remix)
03 Pretty Boy Makes Rave – Waiting For Rasmus (First Version)
04 Jon Hopkins – Campfire
05 Glasser – Learn (John Talabot Remix)
06 The Droyds – All I Ever Wanted (Prince Language Remix)
07 Four Tet – Circling
08 Burial – In McDonalds
09 The XX – Shelter (Tiga Remix)
10 Kings Of Leon – Closer (Presets Remix - Outro Edit)
11 Trentemøller – Miss You (Trentemøller Remix)
12 Massive Attack – Paradise Circus (Gui Boratto Remix)
13 Depeche Mode – In Chains (Minilogues Air Remix)
14 autumn LIVE – Step In
15 Faithless – North Star
16 Underworld – Capa’s Last Transmission Home

It Felt So Crystal In The Air (Mixtape #8) by PBMR

Mittwoch, 19. Januar 2011

Überlebensgroßes Leiden

Nächste Woche auch offiziell in Deutschland erhältlich, jetzt schon im UK und auch im Stream. Das zweite Album der White Lies präsentiert sich als opulentes Düster-Pop-Konstrukt, das in einer Liga mit den Großmeistern der 80er spielen möchte. Und sich dabei gar nicht mal so schlecht schlägt...

411OIRFUL7L-_SL500_AA300_Den Vorwurf, es beim zweiten Album immer etwas zu übertreiben müssen sich ja viele Newcomer gern mal gefallen lassen. Gab es im Laufe der letzten Jahre genug… Einfach mal bei Bloc Party, den Killers oder Editors nachfragen. Alles muss eine Spur größer, perfekter, ausgefeilter und ausladender von statten gehen. Warum? Weil man es kann… oder den dringlichen Wunsch verspürt, es zu müssen. Immerhin hat man jetzt Erfolg, etwas Geld und Erfahrung in Sachen Produktion. Warum also nicht in die Tat setzen. Diesen Vorwurf kann und muss man irgendwie auch den White Lies aus London machen. Wenn, ja… wenn das nicht so unüberraschend käme und sie den Schritt nicht irgendwie schon auf dem Debüt gewagt hätten. Schon da ging es gern mal ausladender zu und in Sachen Produktion hat man schon damals dick aufgetragen. Die Nummer Eins im UK gab dem Trio dann auch Recht. Die Mischung dunkler New-Wave-Magie á la Joy Division mit der Radiokompatibilität der Killers funktionierte und warf einige ordentliche Hits ab.

Zwei Jahre später soll der Nachfolger „Ritual“ nun diesen Weg konsequenter weitergehen und perfektionieren. Nach dem intensiven Auseinandersetzen mit den zehn neuen Tracks muss man sagen, dass das Konzept vollends aufgeht. Egal, wie man dazu steht. Jetzt wird richtig aufgefahren. Da stellt die Vorab-Schwulst-Hymne „Bigger Than Us“ nur die Spitze des Eisberges da. Album Nr. Zwei kann alles genauso gut, wie Nr. Eins, setzt aber neue Akzente. Zum einen deutlicher Richtung Stadionrock und Formatradio-Beschallung und zum anderen- und das bedingt sich dann ja auch durchaus gegenseitig- in punkto Retro-Faktor. Die White Lies schielen noch mehr auf die Hochphase des 80er-Poprocks, erinnern jetzt stärker an Tears For Fears oder die Talk Talk dieser Phase, als an Joy Division. Lediglich der düstere Bariton von Frontmann Harry McVeigh könnte da noch als Vergleich herhalten. Ansonsten merkt man aber, warum das Trio den erfahrenen Alan Moulder als Produzenten angeheuert hat. Kurzes Name-Dropping? Depeche Mode, Jesus And The Mary Chain oder die Nine Inch Nails zählten schon zu seinen Auftraggebern. Die Vergleiche sind aber auch in Ordnung, denn die hier angesprochenen Namen sind ja auch nicht die schlechtesten Referenzen. Wie schon „To Lose My Life“ durchweht auch „Ritual“ diese düstere Magie, eingebettet in ein technisch perfektes Pop-Korsett. Irgendwo zwischen Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Auch weil McVeigh seine Songs gern mal in großen Bildern malt, die uns die offensichtliche Verzweiflung der Inhalte vor Augen halten sollen. So muss das sein. Nicht besonders scharf- oder tiefsinnig, aber zu dem, was die White Lies da produzieren absolut passend.

Wie schon beim 2009er Debüt kann man das jetzt natürlich gern madig reden und den White Lies furchtbaren Mainstream-Indie-Rock vorwerfen, der jetzt auch noch auf den übervollen 80er-Zug aufspringt. Aber wer das tut, erwartet wohl immer noch, dass alle Bands aus der Abteilung „Düster“ und „Retro“ wie Interpol klingen müssen. Schwachsinn eigentlich, denn das ist ja gar nicht Absicht der White Lies. Wer tiefgründige, komplexe Kompositionen sucht, soll sich lieber ein Album von The National kaufen. Das hier ist Pop. Und wie schon bei „To Lose My Life“ spricht die Qualität von diesem für sich. Die Hitdichte wird gehalten, schmissige Hits wie „Strangers“ oder „Streetlights“ kann man sich als kurzweilige, dauerhaft unnervige Radiohits vorstellen. Auch Pathos-Konstrukte wie „Turn The Bell“, das disco-esque „Holy Ghost“ oder „Peace And Quiet“ haben ziemlichen Ohrwurm-Charakter. „Power And Glory“ ist dann vielleicht der etwas belanglose Schwachpunkt der Platte, aber den gibt’s ja bekanntermaßen immer. Außerdem wirken einige Nummern so, als seien sie zu sehr in die Länge gezogen, um eine epische Fünf-Minuten-Grenze zu erreichen. Schönheitsfehler, die bei allem gesunden Größenwahn ja durchaus verzeihlich erscheinen. Mehr Songs wären eh nicht ratsam gewesen, da die Haltwertszeit dieses Sounds mit 55 Minuten Spieldauer durchaus schon ihre Grenze erreicht hat. Wer das Debüt mochte und auf diese Art von glatt gebügeltem Pop-Rock mit 80er-Anstrich steht (wie ich halt), dem sei „Ritual“ ans Herz gelegt. Wer etwas mehr Seele und weniger Schwulst will, für den gibt es ja noch genug andere Produkte auf dem Markt. Es wird sich zeigen, ob diese Band in den nächsten Jahren dazu bereit ist, ihr eigenes Korsett zu durchbrechen und nicht komplett abdreht, für 2011 ist dieses Resultat allerdings durchaus zufrieden stellend.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Kurz und Bündig - EP-Special

Kurz-Und-Buendig-7

Leute, die Single ist tot! Das hatten wir ja schon öfters, gerade im guten alten Ranking hab ich mich ja öfters mal darüber echauffiert. Das Album… na ja, gut, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Zumindest ist es in den letzten Jahren einem stetigen Verwandlungsprozess ausgesetzt gewesen, dessen endgültiges Resultat noch nicht erkennbar ist. Hingegen wird die EP (Extended Play) in den letzten Jahren für viele Acts immer attraktiver. Eine gute Handvoll Songs zum fairen Preis, da braucht man kein komplettes Album. Gerade für kleine Bands recht attraktiv und günstig. Also geht’s heut mal nicht um Alben, sondern schlichtweg um eine Handvoll interessanter EPs, welche in den letzten Wochen und Monaten so auf den Markt gekommen sind. Ohren auf!

Beth Ditto – EP

Es war ja abzusehen, dass die gute Frau sich auch mal von ihrer Hausband Gossip über kurz oder lang lösen würde. Seien wir mal ehrlich, wenn man von denen redet, geht es meist eh nur um Frau Ditto und ihren ikonenhaften Status in Mode/ Musik und Mädchenwelten. Übersehen kann man sie eh nicht, schon gar nicht, nachdem Gossip im Mainstream angekommen sind. Jetzt hätte Mrs. Ditto ja auch ein riesen Tam-Tam darum machen können, die Major-Labels hätten sich darum geprügelt und die Dame als großen provokativen, aber konsensfähigen Soul-Megastar aufbauen können. Amy ist ja in Dauer-Rehab. Doch erfreulicherweise stellt sich die beleibte Sängerin nicht ins Rampenlicht, hat sich vielmehr von ihren alten Buddies von Simian Mobile Disco vier Tracks auf den Leib schneidern lassen, die sie jetzt als unscheinbare EP auf den Markt bringt. Musikvideo und Marketingkampagne nicht eingeschlossen. Sehr fein. Noch viel feiner ist die Musik. Wer die 2009er-Collabo „Cruel Intentions“ schon gut fand, wird Beth Dittos EP lieben. Nix mit Retro-Soul, hier gibt’s Retro-House. Das Elektroduo verpasst Ditto einen fetten Oldschool-House-Techno-Anstrich, der sich wunderbar an alten Underground-Hochzeiten (ca. 1988-91) orientiert und dabei so unverschämt cool klingt, das die Chanteuse da gar nichts mehr falsch machen kann, sondern ganz viel richtig. Und Dittos Stimme passt perfekt zum kühlen Retro-Sound, ordnet sich diesem nach Bedarf auch gern mal unter. Ganz spannende Pop-Momente. Bitte genießen, bevor dass dann bald auch alle irgendwie cool finden.

Preview @ Soundcloud

Chad Valley – Chad Valley EP

Während das Vereinigte Königreich in den letzten Jahren ja neue weibliche Popstars im Monatstakt auf den Markt geschmissen hat, vermisst meine Wenigkeit da ein paar Männer, die mal schöne Popmusik machen. Wen gab’s da? FrankMusik? Stark angefangen, stark nachgelassen. Calvin Harris? Ich meinte seriöse Musik. Der Kollege MillionYoung aus Amerika, der hier im Blog schon vorgestellt wurde ist da ein Anfang. Chad Valley aus England könnte der Nächste sein, wird gern auch mal von diversen hippen Blogs als nächste große Rettung des Pop 2011 beschrieben. Warum auch nicht? Bereits sein Remix für die befreundeten Foals war super, jetzt gibt es eine erste EP, die wirklich Lust auf diesen jungen Knaben macht. Butterweicher Cillwave-Pop, der den Hörer in andere Sphären entführt, gleichzeitig aber noch verdammt eingängig und radiokompatibel ist. Letzteres wohl noch mehr, wenn man an der Produktion noch ein wenig rumschrauben würde. Aber eigentlich will man das gar nicht, denn so hat die Musik von Mr. Valley am Ende einen ganz eigenen, kurzweiligen Charme. Ich rate inständig, diesen Mann im Auge zu behalten. Egal, ob er den Pop rettet oder was auch immer, solange er so schöne Popmusik macht, werd auch ich auf meine alten Tage noch mal Groupie.

Stream @ Soundcloud

Klaxons – Landmarks Of Lunacy

Gratis! Immer gut. Immer her damit. Das nimmt man gern mit. Die Klaxons veröffentlichen fünf kostenfreie Tracks für alle Fans und Freunde. Hatten sie ja eh vor. Nachdem das letztjährige Album „Surfing The Void“ ja mehrmals in die Tonne getreten wurde und immer wieder mit großen Experimenten angekündigt wurde, entpuppte es sich am Ende als das, was die Briten am Besten können. Melodischer Noise-Pop halt. Als Entschädigung dafür sollen die experimentellen Restbestände nun noch auf EPs veröffentlicht werden. Also, meinen die Klaxons zumindest. Jetzt stellt sich die Frage, ob „Landmarks Of Lunacy“ da der erste Teil dieses Vorhabens ist. Falls ja, dann frage ich mich, wo denn da das ausgefallene Experiment sein soll? Die 7 Minuten bei „Marble Fields“ (bedingt durch ein laaanges Outro)? Ansonsten machen die Songs da weiter wo „Surfing The Void“ aufgehört hat. Noise-Pop halt. Nur etwas schwächer als auf dem Album. So erscheint es mir jedenfalls. Wenn das die Weiterentwicklung sein soll, dann sind die guten Herren erstmal in einer musikalischen Sackgasse gelandet. Wem’s gefällt, dem gefällt’s auch immer noch. Irgendwie. Oder auch nicht. Am Ende ist diese EP irgendwie egal. So gesehen dann doch ganz gut, dass sie nix kostet.

Gratis-Download auf Klaxons Homepage

Girls – Broken Dreams Club EP

Angesichts des furchtbaren deutschen Winters träumt man sich ja gern mal in wärmere Gefilde. Für solche Momente gibt es dann glücklicherweise so wundervolle Bands, wie die Girls aus San Francisco. Bereits das 2009er Debüt-Album namens … ähm… „Album“ konnte ein paar Liedchen davon singen und wollte erst gar nichts am Ruf des Duos ändern, die ja auch als alte bzw. neue Hippies verschrieen werden. Und bei der kürzlich erschienenen EP namens „Broken Dreams Club“ kommt das gleiche Gefühl auf. Man will auf einmal alles stehen und liegen lassen und eine Kommune in Kalifornien aufmachen. Freie Liebe und Ausspannen scheinen auf einmal plausible Berufswege zu sein. Kein Wunder, denn an ihrem musikalischen Erscheinungsbild hat die Band um Christopher Owens nichts geändert. Etwas griffiger und ausgereifter wirkt die Produktion vielleicht, aber das ist kein Nachteil. Und auch die verstärkte Integration eines Bläser-Ensembles unterstreicht das Retro-Flair der Band nur noch mehr. „Hearbreaker“ ist ein astreiner Superhit, bei dem man sich immer fragt, warum er nicht schon früher ins eigene Leben getreten ist. Nein, die Qualität dieser sechs Songs stimmt auf jeden Fall. Und im nächsten Sommer dann bitte wieder ein Album, damit das auch alles jahreszeitlich passt.

Video zu "Heartbreaker"

CFCF – The River EP

Remixe sind ja eine meiner Spezialitäten. Und in vielen Fällen auch ein gelungenes Werbeflächlein um auf sich aufmerksam zu machen, besonders bei entsprechender Qualität. Der Kanadier Michael Silver hat unter dem Pseudonym CFCF in den letzten Jahren ein paar sehr anständige produziert. The Presets, Owen Pallett oder Azari & III waren dabei. Aber noch viele andere. Bitte einfach mal YouTube fragen. Der Sound, ursprünglich recht 80er-Pop-lastig, hat sich dabei zuletzt in eine immer melodischere, gefühlvollere Richtung entwickelt. Dezenter, piano-getriebener Lounge-House, mehr zum Träumen als zum Dancen. Der Gipfel der Entwicklung ist dann wohl die zuletzt erschienene EP „The River“, welche die Musikalität von Herrn Silver eindeutig in den Vordergrund rückt. Disco-Remxie überlässt er der Konkurrenz, die nun sogar bei ihm ran darf. Ansonsten befinden sich auf „The River“ sechs ganz formidable Instrumentaltracks, die zum Träumen und Dahinschwelgen einladen ohne sich irgendwelchen aktuellen Trends anzupassen. Und auch konventionelle Instrumente haben mittlerweile ihren Einzug in die Welt von CFCF gehalten. Für alle, die auf gute, auch gern mal etwas poppiger produzierte, elektronische Klangwelten stehen ist CFCF ein Mensch, den man sich für die nahe Zukunft vormerken sollte, egal, in welcher Form er dann in Erscheinung tritt.

Video "The River"

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