Im eigenen Schatten
Unsicherheit macht sich breit. Das neue Hot Chip Album wirft die Frage auf, wieviel "Pop" einer Band überhaupt gut tut...
Schafft man es eigentlich, eine Hot-Chip Rezension zu schreiben, ohne dabei das N-Word in den Wund zu nehmen? Nein, nich dieses N-Wort… Ich meine natürlich „Nerd“. Hot Chip werden ja gern mal als solche bezeichnet und machen auch keine Anstalten, etwas dagegen zu unternehmen. Man frickelt stets an neuen Ideen, hat ein überdimensioniertes Wissen in Sachen Popmusik und Front-Softie Alexis Taylor pflegt sein Fabel für große Hornbrillen auch im Jahr 2010 immer noch einigermaßen. Die Frage ist natürlich, wo geht diese meist wegweisende Band in der neuen Dekade denn musikalisch hin? Die letzten Platten waren mit ihrem wilden Genre-Mix stets eine erfrischende Bereicherung in der bunten Musikwelt und zeigten, dass Experimentierfreudigkeit und eingängige Popsongs keinen Widerspruch darstellen müssen. Die Messlatte liegt nach dem 2008er „Made In The Dark“ jedenfalls hoch.
Und wieder schafft es die Band mit dem nun mehr vierten Album zu überraschen… wenngleich sie das auf andere Art und Weise tut, als man es erwartet. Denn stärker als je zuvor will das Kollektiv Hot Chip den Pop. Diese drei Buchstaben sind das Credo unter dem „One Life Stand“ steht. Der Lernprozess ist vorbei. Folgt also am Ende die Kür? Das neue Hot Chip Album ist das bisher eingängigste und melodieverliebteste Album der fünf Briten. Die Frage ist natürlich, inwieweit dies eine gute oder eher unvorteilhafte Entwicklung der Band ist. Auf der Haben-Seite stehen aber wieder einmal unverschämt eingängige Ordner. Der treibende Beginn mit „Thieves In The Night“ oder das Synthie-Streicher-verliebte „I Feel Better“. Diesen Songs kann man sich nicht widersetzen, hier spielt die Band ihre Trümpfe aus. Nach dem netten, aber irgendwie etwas belanglosen Titeltrack wird dann erstmal das Tempo gedrosselt und die Herren Taylor und Goddard können ihrer Vorliebe für schmalzigen Soul frönen, wie sie es schon auf dem Vorgänger bestens gemacht haben. Hier geht dem Album aber etwas die Luft aus… prinzipiell sind Songs wie „Brothers“ oder „Slush“ okaye Songs, aber gerade letzteres ist viel zu lang und schafft es nicht, die Spannung durchgängig zu halten. Ein kleines, feines Juwel, wie „Alley Cats“ hingegen zeigt, dass die Band es neben all dem nerdigen Elektrogefitzel auch schafft, einen einfach nur mit traumhaften Melodien zu bewegen. Am Ende reißt man dann das Ruder noch etwas rum und gerade der luftig leichte Schlusspunkt „Take It In“ verdient noch einmal vollste Hingabe. Soweit so handelsüblich.
Das eigentliche Problem an der ganzen Sache ist aber irgendwie nicht, dass die Songs nicht unbedingt ausreichen, sondern es ist der eigene Schatten, welcher über der Band liegt. Ich meine lassen wir mal das relativ uninspirierte 2004er Debüt „Coming On Strong“ außen vor… aber „The Warning“ und „Made In The Dark“ waren einfach in vielen Bereichen aufregender, überraschender und auf eine positive und spannende Art und Weise gewöhnungsbedürftiger. Es fehlt „One Life Stand“ trotz ausgeprägtem Retropop- und Melodiegespür ein wenig die besondere Note, die Hot Chip immer anhaftete. Selber Schuld, wenn man die Messlatte so hoch legt, ihr Nerds. „One Life Stand“ ist also kein schlechtes Album, sondern sogar ein überdurchschnittlich gutes Popalbum. Und das muss man ja, angesichts des vielen Einheitsbreis in der bunten Welt der Popmusik immer noch betonen… dennoch fehlt da diesmal ein wenig dieses gewisse Etwas, wo ich als Hörer spontan „Wow!“ aufschreien würde. Gerade in den ruhigen Momenten sülzt man unnötig herum. „One Life Stand“ ist also weder Fisch, noch Fleisch, sondern einfach nur Pop… dafür aber von hoher Qualität. Für die Verbreiterung der Fanbasis könnte das aber von Vorteil sein. Und die Welt soll ja auch langsam mal raffen, wie gut diese Band ist. Beim nächsten mal von mir aus auch wieder mit mehr Mut zum Wagnis. Vielleicht sind Kontaktlinsen ja schon mal der erste Schritt.
Hot Chip @ MySpace

Und wieder schafft es die Band mit dem nun mehr vierten Album zu überraschen… wenngleich sie das auf andere Art und Weise tut, als man es erwartet. Denn stärker als je zuvor will das Kollektiv Hot Chip den Pop. Diese drei Buchstaben sind das Credo unter dem „One Life Stand“ steht. Der Lernprozess ist vorbei. Folgt also am Ende die Kür? Das neue Hot Chip Album ist das bisher eingängigste und melodieverliebteste Album der fünf Briten. Die Frage ist natürlich, inwieweit dies eine gute oder eher unvorteilhafte Entwicklung der Band ist. Auf der Haben-Seite stehen aber wieder einmal unverschämt eingängige Ordner. Der treibende Beginn mit „Thieves In The Night“ oder das Synthie-Streicher-verliebte „I Feel Better“. Diesen Songs kann man sich nicht widersetzen, hier spielt die Band ihre Trümpfe aus. Nach dem netten, aber irgendwie etwas belanglosen Titeltrack wird dann erstmal das Tempo gedrosselt und die Herren Taylor und Goddard können ihrer Vorliebe für schmalzigen Soul frönen, wie sie es schon auf dem Vorgänger bestens gemacht haben. Hier geht dem Album aber etwas die Luft aus… prinzipiell sind Songs wie „Brothers“ oder „Slush“ okaye Songs, aber gerade letzteres ist viel zu lang und schafft es nicht, die Spannung durchgängig zu halten. Ein kleines, feines Juwel, wie „Alley Cats“ hingegen zeigt, dass die Band es neben all dem nerdigen Elektrogefitzel auch schafft, einen einfach nur mit traumhaften Melodien zu bewegen. Am Ende reißt man dann das Ruder noch etwas rum und gerade der luftig leichte Schlusspunkt „Take It In“ verdient noch einmal vollste Hingabe. Soweit so handelsüblich.
Das eigentliche Problem an der ganzen Sache ist aber irgendwie nicht, dass die Songs nicht unbedingt ausreichen, sondern es ist der eigene Schatten, welcher über der Band liegt. Ich meine lassen wir mal das relativ uninspirierte 2004er Debüt „Coming On Strong“ außen vor… aber „The Warning“ und „Made In The Dark“ waren einfach in vielen Bereichen aufregender, überraschender und auf eine positive und spannende Art und Weise gewöhnungsbedürftiger. Es fehlt „One Life Stand“ trotz ausgeprägtem Retropop- und Melodiegespür ein wenig die besondere Note, die Hot Chip immer anhaftete. Selber Schuld, wenn man die Messlatte so hoch legt, ihr Nerds. „One Life Stand“ ist also kein schlechtes Album, sondern sogar ein überdurchschnittlich gutes Popalbum. Und das muss man ja, angesichts des vielen Einheitsbreis in der bunten Welt der Popmusik immer noch betonen… dennoch fehlt da diesmal ein wenig dieses gewisse Etwas, wo ich als Hörer spontan „Wow!“ aufschreien würde. Gerade in den ruhigen Momenten sülzt man unnötig herum. „One Life Stand“ ist also weder Fisch, noch Fleisch, sondern einfach nur Pop… dafür aber von hoher Qualität. Für die Verbreiterung der Fanbasis könnte das aber von Vorteil sein. Und die Welt soll ja auch langsam mal raffen, wie gut diese Band ist. Beim nächsten mal von mir aus auch wieder mit mehr Mut zum Wagnis. Vielleicht sind Kontaktlinsen ja schon mal der erste Schritt.
Hot Chip @ MySpace
rhododendron - 3. Feb, 19:41
Nie wieder Faschismus!
Die gesellschaftliche Herabwürdigung von "Brillenschlangen" ist an und für sich schon schlimm genug. Jetzt in einem derart alternativen Magazin lesen zu müssen, dass dem Herrn Taylor zugunsten eventueller Verkäufe anempfohlen ist, das Nasenfahrrad abzusetzen, finde ich einfach nur niedrig und verachtenswert. Schon allein der Reflex "Nerd!" zu rufen, sobald einer ein Binokel spazieren trägt, sollte einem freiheitlich denkenden Menschen zuwider sein.
Man erleidet Kurzsichtigkeit nicht nur, weil man von frühester Kindheit an Kafka und "Brockhaus Universallexikon in 15 Bänden" bei Taschenlampenschein unter der Bettdecke las oder weil der Tagesablauf von "World Of Warcraft" bestimmt wird. Oder weil man Kant dem Homophon vorzieht. Myopie kann durchaus auch ein angeborener Zustand sein.
Dass man dann zum Kassenmodell greift statt zum "Ray Ban"-Design-Kunstwerk, könnte einfache finanzielle Gründe haben, wodurch die Nerdisierung von Brillenträgern einer Gleichsetzung der Geringverdiener mit "Loser" nahekommt. Bei diesem Gedanken rollt sich allen aufrechten SPD-Soldaten doch glatt der Fußnagel nach oben!
Also nieder mit den Klischees! Nie wieder Stereotypen!
Zumal man an der Stelle vielleicht betonen sollte, dass die Sehhilfe von Alexis Taylor auch keine typisch nerdige dickrandige und im eigentlichen Wortsinne Hornbrille ist, sondern mehr so die dünnrandige, große. Marke 'aus Opas Nachlass geklaut'. Oder 'Trucker im Ruhestand'. Oder einfach - und vor allem - Marke Kinderschänder.
Upps! Ist mir da gerade ein Klischee untergekommen? ;-)