|:Mottenkiste:| / Pomp und Grandezza
Die Norweger Delaware haben anno 2003 das extrem überladene …and everything reminds me auf den Markt gehauen. Obwohl es so klingt, als könnte man damit die größten Stadien der Welt füllen, hat es letztendlich nur für ein paar gammeligen Kaschemmen außerhalb von Norwegen gereicht. Obwohl sie schon beim Major-Label Sony BMG gelandet sind, der allerdings nicht so richtig wusste, wie man dieses Hitalbum vermarktet. Das verstehe wer will.
Bands, die meinen ihre Emotionalität mithilfe von Streichern, Richard Clayderman-Pianos, Midtempo, hymnenhaften Gesang und einem entrockten Sound ausdrücken zu müssen, sollten einem erstmal sehr suspekt sein. Und wenn man willkürlich in irgendein Titel dieser Platte reinlauscht, wird dieser Eindruck auch unterstützt. Hier macht jemand auf ganz große Geste. Der ganze Hofstaat für kitschige Musik steht Spalier, um Richard Holmsen mit seiner butterweichen Stimme den Geleit zu bieten, wie er den Soundteppich zu Schmachtfetzen zerreißt.
Und was für welche! Sowas würde sogar 30 Seconds To Mars die Schamesröte ins Gesicht treiben. Doch trotz dem, dass man die Scheibe lieber im plüschigen Versteck hört, als im offenen Cabrio, muss man doch gestehen, dass sich hier Songperle an Songperle zu einer schönen Powerballaden-Kette reiht. Und damit sind natürlich nicht nur die Refrains gemeint, hier stimmt zum großen Teil alles. Die Streicherarrangements könnte Andrew Lloyd Webber nicht besser machen. Das Glockenspiel zur Eröffnung bei Everything Sometimes, zaubert ein Lächeln aufs Gesicht. Die Strophe aus Secret würde bei vielen Bands bereits als vollwärtiger Refrain durchgehen. Bei Delaware ist das erst der Anfang, der eigentlich Refrain, wäre bei anderen schon das absolute Finale grande, kurz hinterm Ausverkauf. So wird man Song um Song weichgespült, bis die Gitarren beim vorletzten About You einem so hart vorkommen wie Death Metal, obwohl sie doch nur leicht angezerrte Akkorde schrammeln. Doch gerade die Tatsache, dass die Norweger sich dafür nicht zu schade sind und offenbar den Ausverkauf nicht fürchten, sondern völlig ungeniert die größten Schmalzfässer aufmachen, ringt doch einfach nur Respekt ab.
Seit den Anfängen der Christenheit, wurde von so genannten Säulenheiligen berichtet, die ihre Tage damit verbrachten auf Säulen zu leben und zu beten, manche davon mit permanent ausgebreitet Armen. Sechzehn Stunden am Tag. Wer mal versucht, dass nur drei Minuten nachzustellen, weiß, was das für eine Leistung ist. Delaware gebahren sich ebenfalls als Säulenheilige und schleudern einen Refrain nach dem dem anderen ins Rund, die dazu einladen bei Sonnenuntergang mit wehenden Haar am schönsten Kliff der weißesten und höchsten Steilküste der Welt zu stehen und die Arme auszubreiten. Immerhin fünzig Minuten lang. Ihre Fähigkeit eine übergroße Melodie nach der nächsten rauszuschleudern und gleichzeitig diese mit stets überraschenden Harmonien abzupolstern, ist wohl das, was das Album so erstaunlich macht.
Natürlich ist das auf Dauer anstrengend und Last Night trotz vollem Einsatz einfach nur langweilig. Aber im Wesentlichen überwiegt das Licht die paar Schatten. Das gleißendste und wärmste, dass man sich vorstellen kann. Plus Glitzereffekt.
Hörbeispiel: Always (RuTube)