A Midsummer’s Day Dream
Nun will man den jungen Musikern nicht grundsätzlich einen Hang zum überbordernden Drogenkonsum unterstellen. Aber wer es schafft derart entrückte Musik zu produzieren, die repetitiv, hypnotisch und von vorn bis hinten mit Klang zugebombt ist, der muss sich auf jeden Fall derartigen Gerüchten stellen. The Depreciation Guild haben das Ganze dann auch noch völlig unverdächtig Spirit Youth genannt.
Mit diesem Album kann der Sommer kommen. Die faulen Nachmittage auf der Wiese. Man liegt da, von der Hitze ermüdet, vermeidet jede Regung. Im Hintergrund hört man Kinder toben, allerlei Insekt schwirrt durch die Luft. Alles ist friedlich. Man schaut in den Himmel, wie die zwei knallweißen Wolken ziehen und sich in Super-Slow-Motion transformieren, zerreißen, sich wieder zusammenfinden und entweder irgendwann auflösen oder hinterm Horizont verschwinden. Das Buch hat man zur Seite gelegt, weil man nicht mehr weiß, wie man sich zum Lesen positionieren soll. Ein sanfter Wind, der angenehm kühlend über die Haut weht, hat außerdem immer mit zarter Hand versucht die Seiten umzublättern. Man lässt ihn nun gewähren. Das Buch wird beiseite gelegt, man selbst nur noch auf dem Rücken. Und die Ohrstöpsel flüstern einem vorsichtig in Ohren. Minimal angezerrte Gitarren, durch alle Effektgeräte der Welt gejagt wurden, damit sie länger und dichter klingen. Ein Schlagzeug, dass scheinbar in einer Duschkabine steht und von dort aus unter den Gitarren herpoltert. Darüber einerseits die fragile Stimme von Kurt Feldman (sonst Drummer bei The Pains Of Being Pure At Heart) und anderseits, hübsche Orgeln, Synths, Chöre, Solo-Gitarren und so weiter. Obwohl alles vollgestopft ist bis zum Rand, wirkt diese Postrock-Variante nicht laut, sondern einfach nur butterweich, träumerisch. Wunderschön. Doch im Unterschied zum Rock von der Post, wird hier nicht lange instrumental rumgeschwelgt, sondern schöne Popsong vorgetragen. Dies zwar auch eher langsam und mit starker Kifferschwere in der Intonation, aber wer will bei der Hitze schon hetzen? Das Genre heißt doch Dream Pop, oder? Das ist Musik von Tagträumern für Tagträumer. Also: Keine Eile! Und so wird man von einem Song zum nächsten getragen, die vor einem vorbeiziehen wie diese Wolke am Himmel. Eigentlich passiert Nichts weiter, aber man hört genauso fasziniert zu, wie man zuschaut. Wenn man mal kurz nicht aufpasst, weil die Gedanken auch ins Wandern kommen, macht das keinen großen Unterschied, beides – die Wolke und die Musik entfleucht einem nicht so schnell. Man kann keine einzelnen Lieder unterscheiden, man kann nachher keine einzige Zeile mitsingen, man wurde nie überrascht, das Album fängt an, wie es aufhört. Trotzdem ist man geneigt, sich nach einem Durchgang, den nächsten gleich hintendran zu geben. Einfach zu schön das Ganze, zu passend. Zu friedlich. Wie dieser Sommertag.
Spirit Youth erschien am 28.05.2010.
Hörbeispiel: Dream About Me (vimeo)
The Depreciation Guild - "Dream About Me" from Jack Ferry on Vimeo.