Plattenteller

Montag, 15. November 2010

Krisenfeste Kumpels

Ist der Ruf erst ruiniert, rezensiert es sich ganz ungeniert. Ja, nachdem ich mit meiner Lobhudelei bezüglich der neuen Take-That-Single „The Flood“ schon alle Indie-Credibility bewusst aufs Spiel gesetzt habe, gehe ich jetzt gleich mal in die Vollen. Ja, genau. Ich. widme. mich. dem. Album! Das erscheint leak-bedingt schon heute im UK und am Freitag dann auch in Germany. Der wiedervereinigte Fünfer bekommt keine Heiligsprechung, aber ein paar Komplimente.

41vAMwT5olL-_SL500_AA300_Die Boygroup ist ja eigentlich ein popkulturelles Phänomen der 90er. Also damit meine ich die klassische Rumhüpf-Tanz-Boygroup dieser Epoche. Sicher gab’s vorher auch die Bay City Rollers und heute die… hmmm, sagen wir mal Kooks oder so, aber wir reden von der guten alten Boygroup, die keine Instrumente brauchte, weil sie viel zu beschäftigt damit waren, süß auszusehen und rumzuhampeln. Weitestgehend ausgestorben heute, glücklicherweise. Aber in den 90er schossen sie wie Pilze aus dem Boden, gerade in Germany. Muss ich die Namen „Bed & Breakfest“ oder „Touché“ erwähnen? Während deren Beteiligte heute Galileo oder Neun-Live-Call-In-Sendungen moderieren ist es anderen besser ergangen. Justin Timberlake wurde Weltstar, die Backstreet Boys existieren immer noch, wenngleich das außer ihnen niemanden zu interessieren scheint und dann natürlich die Mutter aller Boygroups aus England: Take That. Nun also mit großem Pomp wieder zu Fünft. Robbie mag bzw. kann solo nicht mehr, man verträgt sich wieder. Aus den einstigen Bravo-Posterboys ist quasi der erste ernstzunehmende Prototyp einer Mengroup geworden. Gut aussehen tun sie auch um die 40 immer noch, kurzweilige Popmusik machen sie immer noch. Ob sie dabei ernst genommen werden wollen, wissen nur sie selbst. Sollte man aber beim Hören und Betrachten tunlichst vermeiden.

Take That waren stets eine der akzeptabelsten Boygroups, selbst in den 90ern, als man das in der Schule noch nicht zugeben durfte. Aber Gary Barlow hatte schon ein gewisses Talent dazu, gute Popsongs zu schreiben und für so eine Glanztat wie „Never Forget“ würde manch „richtige“ Band einen Mord begehen. Nach dem Williams-losen Comeback 2005 gab’s vor allem großspurigen Schmonz-Britpop mit Hang zur großen Geste. Vollkommen übertrieben, aber nicht ohne einen gewissen Charme. Dazu eine Band, die sich ironisch selbst reflektiert und darüber hinaus gar nicht erst versucht, noch großartig Tanzchoreographien in dem Alter zu testen. Man sieht sich eher als Showact, wer daran zweifelt sollte sich mal die letzten DVDs anschauen. Doch es geht immer noch etwas mehr. Die Robbie-Rechnung geht in jedem Fall auf. 1 Millionen Tickets an einem Tag. Ob man es glaubt oder nicht, aber Take That sind augenblicklich die größte Band im UK. Das Land darbt in Zeiten der großen Rezession nach ein bisschen Geborgenheit, ein wenig Glück in düsteren Zeiten. Dave Cameron kann sich glücklich schätzen, diese Jungs zu haben. Nun also „Progress“, das Comeback auf Zeit. Oder auch länger. Unter Geheimhaltung zusammen mit Starproduzent Stuart Price (Madonna, Killers etc.) entstanden soll es die Zeiten Richtung Zukunft stellen. Das Mutterland des Pop spricht und alle sollen hören. Natürlich ist „Progress“ kein geniales Album, es ist und bleibt Pop in seiner reinsten Form. Konzipiert zum Zwecke der Unterhaltung und des Mitsingens. Price weiß das und lenkt das Ganze dennoch in eine erfreulich kurzweilige Richtung. Denn wenn man den guten Mann engagiert muss man wissen, dass der Weg zwangsläufig über die 80s oder in diesem Fall auch gern mal die 90s führt, denn Price ist eher der Mann für die Tanzflächen, als für die filigranen Phil-Spector-Pop. Und genau das unterscheidet „Progress“ vom letzten Output aller Protagonisten. Price schließt sich dem Trend an, den er vermutlich selber mitzuverschulden hat. Die Frischzellenkur für die alten Boys wird mit Hilfe von Synthesizern, dezenten Disco-Beats und einem noch dezenteren Maß an Coolness und Experimentierfreude bewerkstelligt. Alles andere hätte nicht gepasst, denn irgendwo muss der viel beschworene Fortschritt ja durchaus herkommen.


Natürlich ist „Progress“ kein Meisterwerk und am Ende auch irgendwie berechenbar, wenngleich man etwas wesentlich konventionelleres erwartet hätte. Da schielt „The Flood“ eher auf Nummer-Sicher und Altbewährtes, während der Rest versucht eine gute Balance zwischen Kitsch und Kurzweiligkeit zu halten. Dabei kann auch gern mal aufs Gaspedal getreten werden. Sunnyboy Mark Owen ist dafür zuständig und seine beiden Nummern „S.O.S.“ und „What Do You Want From Me?“ sind dann auch die beiden besten Nummern der Platte geworden. Schau an, Howards Beitrag „Affirmation“ ist dagegen regelrecht peinlich. Ansonsten herrscht die seit dem Comeback anhaltende flache Hierarchie vor. Jogi Löw wäre stolz auf die Briten. Zwei Songs für Owen, einer für Donald und einen für Orange (der feine Flächen-Synthie Hidden-Track). Ist auch okay, ansonsten rückt Gary Barlow noch ein Stückchen mehr von seiner Chefrolle ab. Heimkehrer Robbie Williams wird nämlich erstaunlich viel Platz eingeräumt, Barlow darf nur mal gelegentlich ran, wie z.B. beim Schlusssong „Eight Letters“. Ansonsten spielt Robbie wieder den guten alten Suppenkasper und bei „The Flood“ stimmt ja auch alles. Die anderen Songs sind so lala. „Underground Machine“ ist irgendwie blöd und „Wait“ wartet immerhin mit nettem Harmoniegesang auf. Der Weg geht also ein wenig zurück zur Plastik, zumindest was die Instrumentierung angeht. Ansonsten wird mit Ausnahme des ersten und letzten Songs die Trennung und Reunion der Band inhaltlich nur gelegentlich aufgegriffen. Und wenn dann auch am besten in bedeutungsschwangere Texte über Universen, Sterne und Niemandsländer. Ach und die Regierung wird auch angesprochen, und Kinder… und unsere Welt. Irgendwo zwischen Witz und Weltschmerz, aber irgendwie am Ende doch blah. Der Revolutionsgedanke ist natürlich nicht zu verachten, aber irgendwie nimmt man es den Jungs auch nicht ab. Muss ja auch nicht sein, das ist ja nicht ihr Job. Take That sollen singen, gut aussehen, unterhalten und ihren Hörern und Ticketkäufern eine vergnügliche Zeit bescherren. Die dürften mit „Progress“ vollends zufrieden sein. Für richtige Musikliebhaber ist das dann auf Dauer dennoch eine zu furchtbar verwaschene Suppe, aber wenn man sich andere „Sternstunden“ der aktuellen Mainstream-Poplandschaft anschaut, dann stellen diese fünf Herren gerade eines der geringsten Ärgernisse da. So gesehen doch ganz nett, dass sie wieder da sind.

Und hier ein kleines Video vom TV-Comeback gestern...

Montag, 25. Oktober 2010

Kurz und Bündig / Best-Of-Spezial

Im Herbst werden nicht nur die Blätter bunt und die Tage grau und kalt, nein, auch in der Musikindustrie gibt es das immer gern wiederkehrende Phänomen der Greatest-Hits und Best-Of-Platten, welche oft einen letzten ausweglosen Versuchen der Plattenfirmen darstellt, in der Vorweihnachtszeit noch ein paar Umsätze zu machen. Diese Compilations bieten dann weniger für die Fans der besagten Künstler etwas, sondern eher für den typischen Gelegenheitskäufer getreu dem Gedankengang „Person xy mag doch irgendwie Künstler xy, also könnt ich doch da mal eine CD kaufen.“ Ein aussterbendes Phänomen, aber noch gibt es genug Menschen, die sich gern die x-te Best-Of von Sting und Co. ins Wohnzimmer stellen und da die größten Hits abfeiern. Die Bands können da oft gar nicht mal viel dagegen machen, sagen aber zum ein oder anderen Gelegenheitskäufer auch nicht Nein. Gute Miene, zum bösen Spiel. Und da mit steigender Best-Of-Platten-Zahl auch die regulären Alben, welche zur Winterzeit erscheinen abnehmen, lohnt sich ein vollständiges „Kurz und Bünding“ diesmal gar nicht, weshalb ich mal fünf Best-Of-Platten erwähne, welche jetzt bzw. vor nicht allzu langer Zeit auf den Markt gekommen sind. Kaufen muss man die natürlich trotzdem nicht.

Kurz-Und-Buendig-5

Pet Shop Boys – Ultimate

Sie gelten seit frühester musikalischer Sozialisation als eine meiner Lieblingsbands und stets musste ich mich dafür rechtfertigen. Doch mittlerweile genießen die Pet Shop Boys ja in der Welt der Musikkritiker und Künstler recht hohes Ansehen und im Zuge des allgemeinen Revivals von kommerziellem 80er-Pop á la Hurts brauchen die Herren Tennant und Lowe sich nicht mehr zu verstecken. Erst letztes Jahr haben sie mit dem famosen „Yes“ bewiesen, dass sie die jüngere Konkurrenz immer noch locker in die Tasche stecken können, falls sie wollen. Nun gibt’s nach 1991 und 2003 die dritte Best-Of-Scheibe des dynamischen Synthie-Duos, die so dermaßen überflüssig ist, dass ich auch gar nicht mehr weiter darüber reden muss. Eine 19-Track-starke, chronologische Auflistung der größten Single-Gassenhauer, welche seltsamerweise dennoch großartige Nummern, wie „Rent“, „It’s Alright“ oder „You only tell me you love me when you’re drunk“ ausspart. Dazu ein billig-zusammengeschusterter neuer Track namens „Together“, welcher in dieser Qualität auf einer Greatest-Hits-Platte wirklich nichts zu suchen hat. Fans ködert man mit einer interessanten, vollgepackten Bonus-DVD, welche alte TV-Auftritte und den feinen diesjährigen Glastonbury-Auftritt beinhaltet. Muss aber auch nicht sein, gibt ja YouTube. Und für alle anderen, die sich für die tolle Welt von Tennant/ Lowe interessieren reicht das ausgiebige, interessant zusammengestellte und feine „PopArt“-Doppel-Album von 2003 immer noch völlig aus.

Zum Anhören... "Being Boring" (1990)

Mew – Eggs Are Funny

Den lustigsten Titel für eine Best-Of wählen mit Sicherheit die dänischen Kunstpopper von Mew. „Eggs Are Funny“ bezieht sich auf einen der ersten Songs, den sie damals, noch zu Schulzeiten schrieben. Die jetzt erscheinende Ansammlung alter Hits gibt einen guten Einblick in die gut zehnjährige Schaffensperiode des Quartetts, das mittlerweile zu einem Trio zusammengeschrumpft ist. Die Verteilung der Songs ist fragwürdig, aber vermutlich hat sich die Band, wie immer, schon irgendwas dabei gedacht. Allein vom tollen internationalen Debüt „Frengers“ stammen 6 der 15 Songs, während der Nachfolger „And The Glass Handed Kites“ lediglich durch zwei Nummern vertreten wird. So entspricht „Eggs Are Funny“ aber wenigstens eher den Ideen der Band. Und essentielle Songs, wie „Am I Wry? No“, das wundervolle „She Came For Christmas“, das verträumte „Silas The Magic Car“ oder das einfach nicht enden wollende Meisterwerk „Comforting Sounds“ sind sowieso drauf. Gerade im Vergleich mit Frühwerken wie „Salvia“ zeigt sich die Entwicklung dieser Band, deren Sound immer verzwickter und eigensinniger wurde und zuletzt immer stärker mit konformen Rhythmen und Strukturen bracht. Das gipfelt dann etwa auch beim einzigen neuen Track „Do You Like It?“, bei dem man ständig das Gefühl hat, dass da alles nicht so sitzt, wie es laut Pop-Empfinden eigentlich sitzen müsste. Es bleibt spannend zu sehen, wohin der Weg denn nun in den nächsten Jahren geht. Vielleicht nehmen sie ja auch noch mal ein paar Songs aus ihrer Schulzeit auf. Zuzutrauen wäre ihnen das allemal.

Zum Anhören ... "Am I Wry? No" (2003)

Athlete – Singles 01-10

Auch das Londoner Quartett Athlete zählt seit Jahren zum engeren Favoritenkreis, wenn es um meine Lieblingsbands geht. Ja, ich muss jetzt auch nicht noch mal vom wunderbar, leicht sommerlichem Debüt „Vehicles And Animals“, dem gesetzten, melancholischen Nachfolger „Tourist“ und dem vollkommen unterschätzten Pop-Kleinod „Beyond The Neighbourhood“ anfangen. Alles schon mal an anderer Stelle hier geschrieben. Durchforstet doch einfach mal das Archiv von Nobono. Da steht auch, dass das letztjährige „Black Swan“ dann leider ziemlich schwächelte, sowohl bei Fans, wie auch bei Kritikern. Der Vorgänger tat das auch schon irgendwie, so dass die Erfolgskurve von Athlete leider in den letzten Jahren etwas nach unten zeigt. Die Best-Of ist also eine gute Zwischenstation, um auf die letzten zehn Jahre zurückzublicken und vielleicht den entscheidenden Schnitt zu machen. Auf CD 1 bekommt man das, was der Titel sagt, nämlich alle Singles seit 2001, sowie einen neuen, alten Track namens „Back Track“, der auch vor zehn Jahren entstand, aber nie veröffentlicht wurde. Nun, fertig produziert, reiht er sich hervorragend ins Bandschaffen ein, auch weil er so herrlich nach den Frühwerken klingt, so dass man das Gefühl hat, das langsame Abdriften in belanglose Formatradiowelten wäre nie passiert. Vielleicht ist dieser Song ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft, vielleicht versucht die Band einfach wieder, die Sachen etwas unverkrampfter zu sehen. Die zweite CD empfiehlt sich mit ebenso vielen, tollen B-Seiten ebenfalls wärmstens. Ein perfektes Rundumpaket, dass ich jedem Fan guter Gitarrenpopmusik nun wärmstens ans Herz legen möchte. Auf die Zukunft!

Zum Anhören ... "Tourist" (2005)

Robbie Williams – In And Ouf Of Consciousness

Es ist schon eine gewisse Kunst, den Absprung zu schaffen. Für Musiker sowieso. Gerade Popmusik ist immer an bestimmte Zeiten gebunden, fast jeder hat dabei irgendwann einen Zenit und jeder lässt den logischerweise auch hinter sich. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Ordnet man die Prioritäten? Zieht man sich ganz zurück? Macht man auf gutem, wenn auch nicht überragendem Niveau weiter? Geht man in ganz neue Richtungen und macht einfach einen Schnitt? Es gibt viele Optionen und viele Beispiele, sowohl negative, wie positive. Ich erspaar mir eine Nennung und komme direkt zu Robbie Williams, den man sicher nicht mögen muss, der aber stets gute und akzeptable Popsongs hergestellt hat. Ein Massenphänomen, mit Licht- und Schattenseiten. Dass die Luft seit einiger Zeit raus ist, dürfte auch klar sein. Selbst Robbie Williams hat keine Lust mehr auf Robbie Williams. Keine Lust mehr auf die großen Soloshows, das Lampenfieber, den Druck und das Playboy/Drogenwrack-Image. Jetzt geht Williams auf die 40 zu, ist verheiratet und hat seinen Frieden mit Take That geschlossen, weshalb er seine Zukunft vorerst da drin sieht. So soll sich mit der neuen Best-Of der 20jährige Kreis seines Egotrips endlich schließen. Er beginnt mit dem Versöhnungsduett zwischen Williams und Gary Barlow und endet mit einem Song von Take That. So erzählt dieses Doppelalbum die rückwirkende Geschichte einer Sololaufbahn, die einige Highlights und Evergreen mit sich brachte und den beeindruckenden Lebenslauf eines Megastars darstellt, der die Generation, die wir ich, seine Karriere verfolgt hat, irgendwie geprägt hat. Vielleicht gibt es diese Megastars auch in Zukunft nicht mehr. Vielleicht bleibt das Take-That-Comeback auch nur ein Intermezzo und er kommt in veränderter Form wieder. Vielleicht hat dieser lustige Mann aus Stoke-on-Trent auch einfach seinen privaten und musikalischen Frieden gefunden. Ich gönne es ihm von ganzem Herzen.

Zum Anhören ... "No Regrets" (1999)

Oasis – Time Flies … 1994 - 2009

In Sachen „Das richtige Ende finden“ sind Robbie’s ehemalige Buddies von Oasis dann eher das komplette Gegenteil. Jahrelang gab’s so häufig Zoff zwischen den beiden Gallaghers, dass das vorzeitig endgültige Ende letztes Jahr dann natürlich zu keinem Zeitpunkt überraschte, aber irgendwie doch keiner mehr damit rechnete, weil Oasis zu diesem Zeitpunkt eh nur noch eine gut geölte Nostalgie-Maschine waren, die zwar in den letzten Jahren stets immer mal wieder tolle Songs, wie „Stop Crying Your Heart Out“ oder „Falling Down“ veröffentlichte, aber stets mit der Bürde ihrer absoluten Hochphase in den 90ern leben musste. Die Band hatte das, bei aller Ironiefreiheit, längst kapiert und spielte in den letzten Jahren immer wieder die Songs, die eine ganze Generation von Menschen geprägt hatte. Auch ohne ein Gespür für die damalige Zeit, sind „Champagne Supernova“, „Roll With It“ oder „Live Forever“ unkaputtbare Hymnen für die Ewigkeit und Popdokumente einer Zeit des Aufbruchs und Neuausrichtung. Kaum zu fassen, wie die Zeit verflogen ist. Das ehemalige Label hat nun noch mal schön alle Hits zusammengepackt, nachdem die Compilation „Stop The Clocks“ vor einigen Jahren eher Fan- und Bandfavoriten vereinte. Damals sträubte sich die Band dagegen. Jetzt kann die alte Kuh aus Manchester gemolken werden. Geld stinkt ja bekanntermaßen nicht. In naher Zukunft werden sich dann Noel Solo und Liam mit dem restlichen Oasis versuchen, aus dem immer noch fallenden Schatten zu befreien. Vielleicht nur um am Ende einzusehen, dass sie zusammen eigentlich ganz gut funktionieren. Bei diesen beiden weiß man ja bekanntlich nie.

Zum Anhören ... "Some Might Say" (1995)

Montag, 18. Oktober 2010

Stachelkind

Cover

Mal wieder Zeit für komische Musik. Also jetzt nicht im Pop-Sinne. Sondern eher im Indie-Sinne. Aber wenn Kollege rhododendron im vollen Ernst Take That bespricht, kann man auch mal ein Wort über I Blame Coco verlieren. Ihr Album The Constant wurde mit Schützenhilfe des Majors Island auf den Markt gehauen und ist ein gefälliges Electropop-Album, das ganz auf den Zeitgeist zugeschnitten ist und auch durch einige bemerkenswerte Titel gefallen kann.

Um das gleichmal hinter uns zu bringen: I Blame Coco ist eine britische Künstlerin namens Eliot Paulina Sumner. Der erfahrene Musikhörer wird bei dem Nachnamen auch prompt hellhörig werden. Und richtig: Kein großes Geheimnis – es ist die Tochter eines gewissen Gordon Sumner, besser bekannt unter seinem dämlichen Künstlernamen Sting.
Was verbindet deren Musik? Nix. Der Nachwuchs macht solche Musik, wie sie heute erfolgreich ist. Der Vater solche, wie sie heute die jungen Menschen größtenteils nicht mehr interessiert. Was aber weitergegeben wurde, ist definitiv eine sehr angenehme Rauigkeit der Stimme, die Coco sehr deutlich von anderen Konkurrentinnen im “Mädels machen Electropop”-Sektor abhebt. Sie klingt erwachsen, selbstbewusst und gleichzeitig sehr attraktiv und warm. Da hört man gerne mal länger hin.
Ob auch ein gewisses Talent im Songwriting ein dominantes Gen im Erbgut ist, lässt sich hier nicht hundertprozentig schlüssig bewerten. Fraglos sind ein paar feine Titel unter den 13 Tracks, die allerdings auch zum Großteil Hilfe von professionellen Liederautoren, wie Steve Kipner (u.a. Physical von Olivia Newton-John) oder Klas Åhlund (früher bei Teddybears STHLM) erhalten haben. Die beiden Titel, für die Miss Sumner allein Credits bekommt – Quicker, mit seinem erstklassigen Rave-Piano kann gefallen; der entspannte Reggae No Smile ebenso – sind durchaus nicht zu verachten. Andere Sachen, kann man getrost unter den Tisch fallen lassen: Party Bag, Turn Your Back On Love oder das abschließende It’s About To Get Worse sind nur langweilig bis nervig. Hervorzuheben sind außerdem das zweite Reggaestück Only Love Can Break Your Heart mit seiner hypnotischen Melodie (das übrigens tatsächlich etwas an den Englishman in New York erinnert und im Original von Neil Young stammt), Caesar (featuring der unvermeidlichen Robyn, Single No.1) und natürlich das ganz und gar fabelhafte Eröffnungsduo Selfmachine (Single No. 2) und In Spirit Golden (Single No. 3). Das sind richtig gute Werke, die auf durchaus das Potenzial zum Hängenbleiben haben.
Die Musik? Synthies, Drumcomputer eine vereinzelte Gitarre – nix Auffälliges, nix Schlechtes. Lieder um die dreieinhalb Minuten. Die Beschreibung Electropop wurde hier quasi einmal über 45 Minuten durchexerziert. Muss man nicht mögen, muss man nicht kaufen. Man muss allerdings auch nicht, wenn es im Radio kommt – was recht wahrscheinlich ist -, zwangsläufig umschalten. Die Lieder kann man genießen.

The Constant erscheint am 02. November.

Hörbeispiel: In Spirit Golden

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Eine kleine Nachtmusik

Hut ab! Das morgen in Deutschland erscheinende Solodebüt von Maximo-Park-Frontmann Paul Smith entpuppt sich als überraschend in sich gekehrter, sperriger Gegenentwurf zur eigenen Band und entwickelt gerade deshalb ganz eigene Stärken...

51Th4jBUfBL-_SL500_AA300_Langsam werden sie ja alle flügge, unsere Indie-Band-Frontmänner. Nachdem diverse Hauptbands dieses Jahr pausieren zwecks unterschiedlicher Gründe, wie Ideenlosigkeit, internen Spannungen oder alternative Familien- bzw. Lebensplanung, machen sich deren stimmliche Aushängeschilder nun daran, eigenes auf den Markt zu werfen. Stillsitzen ist nicht deren Ding, die Ergebnisse könnten aber kaum unterschiedlicher sein. Brandon Flowers macht einfach da weiter, wo die Killers zuletzt aufgehört haben und Kele Okereke macht lieber einen auf Elektrodisco-Boxer. Nun also auch Paul Smith, Frontmelone von Maximo Park. Man durfte gespannt auf das sein, was der gute Mann in den letzten Monaten da primär in seinem Schlafzimmer aufgenommen hat. Kann dieser Mann mehr, als nur gut aussehen, singen und wild auf der Bühne herumspringen und sich damit gleichzeitig aus dem Schatten der eigenen Band befreien, welche zuletzt eher stagnierte, als sich voran zu bewegen? Die Antwort ist ein erfrischendes, aufrichtiges und vollmundiges „Ja!“

Auf „Margins“ beschränkt sich Smith nämlich fast vollständig auf seine Singer/Songwriter-Stärken und hat dabei ganz unbeabsichtigt ein feines Album eingespielt, welches eher ruhige Töne anschlägt und sich so gar nicht in den Vordergrund drängen will, ganz im Gegensatz zur Konkurrenz. Paul Smith stellt die Songs, die Atmosphäre und seine nach wie vor wortgewandten und feinsinnigen Texte vor die eigene Person und versucht gar nicht erst nach Maximo Park zu klingen. Natürlich funktioniert das nicht ganz und gerade am Anfang versprühen „North Atlantic Drift“ und „The Crush And The Shatter“ doch ein wenig den Flair der Hauptband. Diese Songs hätten durchaus in ausgereifterer Form auf das letztjährige „Quicken The Heart“ passen können. Doch danach geht Smith seinen eigenwilligen Weg, reduziert die Instrumentierung und entfaltet auf melancholischen Songs, wie „Improvement/ Denouement“, „While You’re In The Bath“ oder „This Heart“ eine nachdenkliche, gefühlvolle und stellenweise recht düstere Grundstimmung. Smith gibt sich auf der ganzen Platte eher introspektiv und es scheint fast so, als kann er seinen ohnehin immer stets sehr tiefgründigen Texten über das Zwischenmenschliche mit all seinen Widrigkeiten nun endlich in ein Gewand packen, was diesen wesentlich besser steht. Smith kehrt in sich, klingt so gefühlvoll, wie nie zu vor und beweist eindrucksvoll, dass er viel mehr kann, als nur rumhüpfen und große Showmaster-Gesten verbreiten. Romantische Songs, wie „I Drew You Sleeping“ oder „Our Lady Of Lourdes“ treffen auf die bereits angesprochenen düsteren Songs. Das Gefühl der Melancholie lässt der Mann aus Newcastle dabei nie los. „Margins“ bleibt somit eher ein Album für den einsamen Herbstspaziergang am Strand, als für romantische Abende voller Zweisamkeit vor dem heimischen Kamin. Die Instrumentierung gibt sich akustisch reduziert, lässt viel Raum für Hall und Weite und Smith Stimme hält sich häufig einfach mal bewusst zurück. Gerade in dieser Einfachheit liegt die stille Magie des Solodebüts.

Auf „Margins“ stehen ganz klar die Songs im Vordergrund. Paul Smith beweist sich den letzten Zweiflern als Singer/ Songwriter, dessen Ambitionen auch abseits des normalen Pop-Spektrums liegen. Gerade jetzt, wo die Tage wieder kürzer und die Nächte kälter werden, bietet sich „Margins“ als persönlicher Ruhepol bestens an. Es zündet dabei sicher nicht sofort und entwickelt sich. Als Hörer und Maximo Park-Fan sollte man auf keinen Fall den Fehler machen und hier etwas Vergleichbares zu Paul’s Hauptarbeitgeber erwaten. Natürlich schimmern Maximo Park hier und da immer mal durch, aber insgesamt will „Margins“ vor allem zum Zuhören und Nachdenken anregen. Und diese Aufgabe löst es mir Bravur, so dass man sich, auch angesichts der zuletzt etwas schwächelnden Hauptband, durchaus weitere Soloausflüge des Mannes mit Melone vorstellen kann.

Album-Stream @ Simfy

Montag, 11. Oktober 2010

Peinliche Popvorlieben / Teil 06

Wie sich der Blickwinkel im Laufe der Jahre doch verändern kann. Sowohl bei Musikschaffenden, als auch bei Musikkonsumierenden. Ja, die News sind keine News mehr. Take That sind zurück, was sie eigentlich schon seit ein paar Jahren sind, aber diesmal sind sie auch wirklich wieder zu fünft, die Jungs, die jetzt Männer sind. Back For Good… For Real! Und es wird Zeit, dass ich der Men-Band jetzt mal ein paar Zeilen hier widme. Ich oute mich nicht als Fan, aber als Sympathisant. Deshalb ist die Comeback-Single „The Flood“ hier nur Mittel zum Zweck.

Take That „The Flood“

Take That ist auch ein Generationen-Ding. Ein 90er Ding. Wer wie ich in den 90ern musikalisch sozialisiert wurde, der kennt das Thema. Kiddies von heute, sagen wir mal, Baujahr ’92 bis ’94 kennen Take That nicht mehr. Für sie sind sie nur eine Legende und deren Boygroups heißen dann… hmm… Mando Diao oder Kooks. So fielen Take That, das große „Robbie-steigt-aus-Teenies-bringen-sich-um“-Drama und der endgültige Split 1996 in die Zeit, als ich mir auch öfters mal die Bravo kaufte und die Charts verfolgte. Man nahm das immer mit, fand Take That aber natürlich fuuurchtbar. Und das „Never Forget“ ein ziemlich genialer Popsong ist, muss auch keiner wissen. Oder vielmehr „durfte“. Mit den Jahren verändert sich dann auch ein wenig die Sicht auf die Dinge. Angesichts furchtbarer Boyband-Generationen im Nachhinein (ich werfe mal US5 und andere Casting-Katastrophen in den Raum) wirkten die Briten gar nicht mehr so mies. Hey, und Gary Barlow hat die Songs ja auch selber geschrieben und komponiert. Und Robbie Williams Solo war ja, bis zuletzt auch gar nicht mal so unverkehrt, sondern halt ein feistes Showtalent.

Tja, eben bis zuletzt. Und nun schließt sich 2010 tatsächlich der Kreis. Take That sind ja schon seit ein paar Jahren zurück, haben sich jetzt eher auf großflächigen Schmonz-Britpop spezialisiert (für den ich öfters mal ne Neigung hab) und feiern damit, gerade in der britischen Heimat größere Erfolge als früher. Und Robbie? Der hat seine Dämonen nun besiegt, geheiratet und hängt jetzt mit der neuesten Best-Of und seinem Bandcomeback die Solokarriere an den Nagel, was höchst ehrbar ist, weil er seinen Zenit eh hinter sich gelassen hat und sich selber eingestanden hat, dass er da nicht mehr sonderlich viel erreichen kann und will. Also gibt’s eine abschließende Best-Of inkl. Duett mit Ex-Erzfreind Gary Barlow, bei welchem sich beide wieder verstehen und zeigen „Schaut, wir waren einfach doofe Teenager, jetzt sind wir wieder Freunde.“ Oder so ähnlich. So beginnt Robbies neue Best-Of mit dem Barlow-Duett und endet mit „Could It Be Magic“, einen der wenigen Take That Songs, bei denen er damals die Lead Vocals übernehmen durfte. 15 Jahre Egotrip sind genug, alles was er am Ende wollte, ist seine kleine Boyband-Familie wieder haben. Das ist die romantische Erklärung des Ganzen. Geld, Ideenlosigkeit und das bekannte Lampenfieber bezüglich Soloshows sind ja auch noch Argumente. Alles, wie früher, nur etwas weiser halt. Wenn das 90er-Revival Galleonsfiguren braucht, dann bitte schön diese. Und nun bald mit neuem Album „Progress“, das natürlich von Stuart Price produziert wird. Der sorgt natürlich auch dafür, dass sich bei „The Flood“ noch jede Menge Synthie-Spielereien zu dem erwarteten Schmalzpop gesellen. Der Song natürlich als Kampfansage an alle Zweifler… „We were holding back the flood”, “they say we never dance again.“ Man muss das nicht mögen und es bleibt gefälliger Pop für Formatradios, Hausfrauen und Fußballarenen. Das haben sowohl Robbie, als auch Gary, Mark, Howard und Jason in den letzten Jahren erfolgreich zelebriert. Nun also die Bündelung der Kräfte. Fünf Jungs, aus denen Männer geworden sind und die gar nicht den Anspruch erheben, irgendetwas Tiefsinniges, Experimentelles oder Artfremdes zu schaffen. Wie ein guter Tee, man bekommt, was man erwartet. Und irgendwie hat so ein Happy End ja auch etwas Schönes. Außer für die Ärzte (aus Berlin). Die verkündeten damals nämlich in irgendeiner Bravo aus dem Jahr 1996 lautstark, dass sie sich auflösen würden, wenn Take That wiederkämen. Mal sehen, welche Band jetzt konsequenter handelt.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Heimatlieder

Die neue Entspanntheit des eigenen Seins. Die Kings Of Leon melden sich nächste Woche mit einem neuen Longplayer zurück und knüpfen da an, wo der letzte aufgehört hab, würzen das Ganze aber mit noch etwas mehr Gefühl...

51nrl1cq-2BIL-_SL500_AA300_Rückblickend muss man sich schon fragen, wann das auf einmal so groß geworden ist, mit diesen Kings Of Leon. Vor Jahren noch eine nette, kleine Bluesrock-Band, welche musikalisch und auch optisch amerikanischer hätte kaum sein können, hat sich die verschrobene Hinterwäldlerband auf den letzten beiden Alben „Because Of The Times“ und „Only By The Night“ spürbar Richtung Pop entwickelt, musikalisch etwas an Form gewonnen, ohne dabei die Wurzeln zu verleugnen und sich in Sachen Frisuren und Klamotten auch deutlich herausgeputzt. Im Fahrwasser von Hit-Singles wie „On Call“, „Sex On Fire“ oder gerade „Use Somebody“ nahmen die Followill-Brüder alles mit, was ging, vom Grammy über die ein oder andere goldene Schallplatte. Jetzt spielen sie in England schon vor einem sechsstelligen Publikum und haben endlich auch die amerikanische Heimat davon überzeugt, dass man doch eigentlich zu schützendes Kulturgut ist. So ist der neue Longplayer „Come Around Sundown“ nun das mit Spannung erwartete Album Eins nach der scheinbaren Welteroberung. Wie gehen die Herren nun mit dem neuen Rockstarstatus um?

Erstaunlich bodenständig, muss man sagen, denn wie das meist in einer solchen Situation der Fall ist, besinnen sich die Kings Of Leon auf ihre Wurzeln und Ursprünge. Man hat den Globus quasi mehrmals umreist, nur um festzustellen, dass es doch zuhause am Schönsten ist. Man betrachte nur mal das Video zur Single „Radioactive“, eine visuelle und musikalische Verneigung vor den Südstaaten und der eigenen Kultur. „Come Around Sundown“ ist also ein etwas melancholisch zurückblickendes Album, welches die musikalischen Wurzeln der Band genauso integriert, wie die in den letzten Jahren dazugekommenen Pop- und Stadionrockelemente. Der Opener „The End“ macht bspw. da weiter, wo „Closer“ auf dem Vorgängerwerk aufhörte, während Tracks, wie „Mary“ sich eindeutig vor den Frühwerken der Followills verneigen. Die Gitarren schrammeln nach wie vor anständig und hallen gleichsam zu treibenden Bassläufen. Und immer wieder Calebs prägnante Stimme, welche den Blues einfach für sich gebucht hat. Kein anderes Organ würde so gut zur Musik der Kings passen, wie seine. Ein markantes whiskey-trunkenes Reibeisen, irgendwo zwischen aggressivem Flehen und melancholischem Klagen. Seit jeher streitbar und auf Albumlänge sicher immer von der eigenen Stimmung abhängig, aber dass sie wie die Faust aufs Auge passt, kann einfach nicht geleugnet werden. Schon gar nicht bei einem so typischen Album, dass mit Songs wie „Back Down South“ oder „Pyro“ bewusst zurückwünscht in die eigene Heimat. Wenn man die Augen schließt, sieht man deshalb auch die Bilder des bereits angesprochenen „Radioactive“-Videos vor sich. Man sieht die Geschichten, die Caleb erzählt vor seinem geschlossenen Auge vorbeiziehen. Melancholische Sommerabende auf dem Land, Geschichten über Frauen, Glauben, die berühmten paar Bier zu viel und das einfache Leben mit Freunden und Pick Up Trucks. Die Kings Of Leon betreiben musikalisch und inhaltlich eine Art melancholische Romantisierung der eigenen uramerikanischen Wurzeln und wirken dabei stets, auch aufgrund ihrer Biographie recht authentisch und weniger kitschig, als bspw. Kollege Brandon Flowers, der daran schon seit Jahren öfters scheitert.

„Come Around Sundown“ durchweht ein recht entspannter Wind, nachdem sich das 2008er „Only By The Night“ eher mit den eigenen Dämonen und vielen düsteren Themen auseinander setzte. Die Kings Of Leon ordnen damit ihre Prioritäten etwas neu, bleiben aber ansonsten ihren gewohnten musikalischem Stil weitestgehend treu. Alles andere würde sich auch irgendwie seltsam anfühlen, gerade wenn es darum geht, sich auf die eigene Heimat zurückzubesinnen. Für alle verkappten Cowboys, die Lust auf eine solche musikalische Reise mit den vier US-Boys haben, gibt es genau das, was man angesichts eines solchen Plattencovers erwarten kann. Etwas Western-Romantik hat bekanntlich noch niemandem geschadet.


Radioactive

Kings Of Leon | MySpace Music Videos


Kings Of Leon @ MySpace

Freitag, 1. Oktober 2010

Kurz und Bündig - 10/10

Eine Mischung aus Lethargie und Real-Arbeitsverweigerung bescherrt Nobono heute glücklicherweise wieder ein paar kleine Plattenbetrachtungen im Rahmen von “Kurz und Bünding”. Folgende Neuerscheinungen der letzten Wochen sollte man sich näher anschauen… oder eher nicht.
Kurz-Und-Buendig-4

Glasser – Ring

Cameron Mesirow ist Glasser, Glasser ist Cameron Mesirow. Die junge Dame aus Los Angeles reiht sich in die Damenriege ein, die sich für ihre Soloprojekte gern mal einen eigenen Namen besorgt. Doch nix mit Diamanten oder Maschinen, hier geht es eher in die Richtung von Natasha Khan aka „Bat For Lashes“. Mesirow macht sphärischen Traumpop, der sich wirklich eher Mrs. Khan als an Florence Welsh orientiert. Breite Flächen aus Synthies und „Ohhhs“ und „Aaahs“ treffen auf Glasser’s zerbrechliches Stimmchen. Damit hat man es schon zum Tour-Support von The XX und Jónsi geschafft, was ja auch nicht gerade die schlechtesten Adressen sind. Nach diversen feinen Vorab-Songs gibt es nun endlich das Debüt-Album „Ring“, das genau da weitermacht, wo man es sich erhofft. Sphärische Pop-Songs entgegen aller strukturellen Erwartung, voller Zerbrechlichkeit und Gefühl. Epische Hymnen in stark reduzierter Form sozusagen. Und dabei wurde das alles zu großen Teilem im Heimstudio aufgenommen. Teilweise erinnert „Ring“ bei Songs wie „Home“ oder „Tremel“ schon stark an die bereits erwähnte Dame von Bat For Lashes, aber das ist ja auch nicht die schlechteste Referenz, was gute, emotionale und wunderbare Musik angeht. Aufgeschlossene Hörer sollten sich „Ring“ auf jeden Fall mal genauer durchhören und dadurch dem Alltag entschweben. Und vielleicht mal auch abseits des obligatorischen Internet-Leaks die Platte kaufen und Mrs. Mesirow unterstützen. Ich hab sie schon auf der Einkaufsliste. Eine der besseren Platten 2010, jetzt schon.

Album-Stream @ Stereogum

Bugged Out! presents „Suck My Deck“ by Friendly Fires

Mix-CD’s gibt’s ja bekanntlich wie Sand am Beach, wo sie gern aufgelegt werden. Gerade in Dance-Bereich hauen die großen DJ’s im Biz ja gern mal regelmäßig ihre pumpenden Sets in kommerzieller Form heraus. Wie soll man da nur die Übersicht behalten? Muss man vielleicht gar nicht, wenn’s einen nicht so interessiert, was Tiesto regelmäßig so spielt. Oder man hört dann eher hin, wenn bestimmte Namen aufpoppen, die man mit Qualität verbindet. In diesem Fall treffen gleich zwei zusammen. Zum einen „Bugged Out!“, je legendäre Partyreihe, die seit den 90ern die wichtigen Hauptstädte Europas und der Welt mit allem beschallt, was qualitativ gute elektronische Musik macht. Namedropping lässt sich auf deren Homepage betreiben. Die Mix-CDs, welche die Partyreihe regelmäßig veröffentlicht bestechen durch die künstlerische Freiheit, welche man den Künstlern lässt. Legendär war der Hot-Chip-Mix, der ganze 40 Jahre Popmusik und denkbar jedes Genre umfasste. Und hier kommt der zweite Name ins Spiel: Die Friendly Fires haben die neueste Mix-CD zu verantworten. Deren Debüt gehört zu den besten Platten der letzten Jahre und hat sich seinen Platz in meinem Herz schon längst erspielt. Gespannt wird auf den Nachfolger gewartet, diese Mix-CD hilft da ein wenig bei der Überbrückung. Die drei Briten mixen darauf 83 Minuten lang feinste Discomusik zusammen, schielen mal eben bei den 80ern vorbei und frönen ansonsten auch ausgeprägt ihrer Leidenschaft für smoothen 90er-Jahre-House. Das spricht mich als ähnlich sozialisierter Mensch natürlich voll an. Egal, ob Munk, Azari and III (mit denen die Friendly Fires auch auf einem neuen, gemeinsamen Track kollaborieren) oder Discodeine… die Auswhal stimmt. Und vor allem betreiben die Fires eben kein sinnloses Namedropping, denn wenn man nicht total in der Geschichte der Dance-Musik drinsteckt, dann kennt man hier eh das Wenigste. Muss man ja auch nicht. Der Mix überzeugt genau deshalb, weil alle so stimmig ineinander läuft, egal aus welchem Jahr oder Subgenre der jeweilige Track stammt. Diese Platte rockt ungemein! Egal ob vor oder während der Party. Wer will kann da auch in den Pool springen.

Homepage des neuen "Bugged Out!"-Mixes inkl. Hörproben

Mark Ronson & The Business Intl. – Record Collection

Irgendwo hab ich neulich mal gelesen, die jüngst vergangenen 00er waren das Jahrzehnt der Produzenten. Könnte was dran sein, denn wann sonst drückten Leute wie Pharell Williams oder Timbaland ihren Stempel den Künstlern so sehr auf? Mark Ronson war dann so etwas wie die britische Ausgabe der ganzen Geschichte und ihm gelangen mit Amy Winehouse’s „Back To Black“, sowie seinem eigenen Coveralbum „Versions“ ziemlich große Würfe. Von nun an standen alle Schlange. Alle wollten Ronson’s reaktivierten Soul-Sound der 60er, den er dank moderner Hip Hop Beats wieder salonfähig machte. Die Nachzügler schossen sowieso wie Pilze auf den Boden. Ronson selber hat mittlerweile die Schnauze voll, in die immer gleiche Ecke gestellt zu werden. Deshalb soll das neue Album alles anders machen! Mark Ronson soll sterben, aber gleichzeitig leben! Also, neue Frisur, neue Band, neue Songs, keine Cover mehr. Und neuer Sound! Mark Ronson hat die Schnauze voll von Bläsern und nimmt nun Synthies. Die 80er! Nein, wie revolutionär! So revolutionär entpuppt sich „Record Collection“ dann aber beim ersten und zweiten Hören gar nicht. Ronson macht immer noch das, was er in der Vergangenheit gemacht hat. Poppiger Hip Hop mit den üblichen groovenden Beats. Statt der Bläser stelle man sich nun einfach nur alte Analog-Synthies vor und schon hat man den „neuen“ Ronson-Sound. Innovativ ist das nicht. Die Gaststars stehen trotzdem wieder Schlange, wenngleich man sich fragt, ob jetzt Boy George oder Simon Le Bon von Duran Duran wirklich nötig gewesen wären. Die Songs klingen auf Albumlänge etwas zu monoton und die Ideen sind arg überschaubar. Ronson’s krampfhafter Versuch, sein Alter Ego zu töten erzeugt ein nettes, aber durch die Bank weg überraschungsarmes Mainstream-Pop-Album, dem ironischerweise das abhanden geht, was Ronson vor 3 Jahren so interessant machte, nämlich das Besondere. Wenn Produzenten versuchen, Popstars zu werden, geht das eh meist schief. Ronson sollte mal bei Timbaland anrufen.

Mark Ronson @ MySpace

Orchestral Maneuvers In The Dark – History Of Modern

Hilfe, noch ein Comeback! Einst gingen die 80er-Helden von O.M.D., Andy McCluskey und Paul Humphrys gegen Ende des besagten Jahrzehnts getrennte Wege, nur um 20 Jahre später dann doch zu merken, dass es allein nicht geht. O.M.D. sind also zurück, weil beide nichts Besseres zu tun haben, das Geld brauchen oder sich einfach wieder lieben. Die Gründe bleiben bei sowas ja immer relativ schleierhaft, muss man ja auch nicht hinterblicken. Was zählt ist die Musik. Und da will die Band, die uns so unkaputtbare Evergreens wie „Electricity“, „Tesla Girls“ oder „Dreaming“ bescherrte es nochmal wissen. Das ist die unweigerliche Botschaft von „History Of Modern“. Alles will die alte Zeit reaktivieren, selbst Peter Saville, die alte Factory-Legende wurde fürs Artwork verpflichtet. O.M.D. versprechen einen Mix aus alten und neuen Sounds und halten diese Ankündigung sogar zu großen Teilen ein. „History Of Modern“ ist ein recht ordentliches Stück Elektro-Pop geworden, das die Balance zwischen altbackenen Sounds und neuen Ideen relativ gut hält. „New Babies, New Toys“ ist ein druckvoller, bassgetriebener Öffner, das zweigeteilte Titelstück lässt einen die vergangenen 20 Jahre Musikentwicklung locker vergessen und zwischendurch wagt man auch mal Momente abseits des Schmonzpops. Das reduzierte „New Holy Ground“ bspw. oder das auf „sexy“ getrimmte „Pulse“, auf dem McCluskeys jugendlich wirkende Stimulationsversuche dann doch etwas gezwungen daher kommen. Am Ende isses vielleicht doch etwas zu viel Pomp, zu viel Glattheit, zuviel O.M.D., eine Band, die man für viele einzelne Singles stets mochte, welche aber auf Albumlänge dann doch viel Halbgares boten. Die alten Fans von früher wird es freuen, denn diese Zielgruppe wird „History Of Modern“ dankbar aufnehmen und trotz neuem Materials in Erinnerungen schwelgen. Dazu klingt McCluskey aber auch ewig jugendlich. Die jüngere Generation ködern sie damit sicher nur bedingt. Aber vielleicht wollen sie das auch gar nicht mehr. Ein Denkmal kann man auch wesentlich schlimmer und peinlicher ruinieren, als diese beiden Herren!

OMD @ MySpace

Aeroplane – We Can’t Fly

Gut Ding will Weile haben. Aeroplane, ein belgisches Danceprojekt machte in den letzten drei Jahren immer mal wieder mit einzelnen Tracks und vielen sehr guten Remixen für Größen wie Robbie Williams, Au Revoir Simone, Friendly Fires oder Grace Jones von sich reden. So wuchs die Fangemeinde dank der wunderbaren Verbreitungsmöglichkeiten des Internets immer weiter, wenngleich die beiden Belgier dabei sicher nie sonderlich reich geworden sind. Nun gibt es tatsächlich ein Album des Projektes, welches nach dem Abgang von Stephen Fasano nun nur noch aus den übrigens 50%, Vito De Luca besteht, der auch den Großteil von „We Can’t Fly“ zu Verantworten hat. Aeroplane’s Arbeiten waren stets interessant, weil sie sich zwar anfänglich noch stark an französischen Acts, wie Daft Punk oder Justice orientierten, sich dann aber Stück für Stück Richtung smoother 80er Pop orientiert haben, der eben nicht direkt auf die Zwölf geht, sondern den Hörer eher zum entspannten Mitwippen einlädt. Das Debütalbum vollendet nun diese Entwicklung konsequent, in dem es sich realtiv überraschend vollständig diesem Pop verschreibt und dabei den Dancefloor häufig aus den Augen lässt. Stattdessen gibt es echte Instrumente, aufbrausende weibliche Gastsängerinnen und Popsongs, die sich definitiv an den späten 70er und frühen 80ern orientieren. Veredelter Schlager-Pop, wenn man böse ist, Post-Disco wenn man es cool ausdrücken will. De Luca hat wahrlich keine belanglose Ansammlung von Tracks gemacht, die er mit seinem Kollegen in den letzten Jahren aufgenommen hat (lediglich eine modifizierte Version von „Caramellas“ befindet sich auf dem Album), sondern ganz neue Richtungen ausprobiert und vor allem richtige, organische Popsongs geschrieben und produziert. Wer hätte das erwartet? Ich nicht. „We Can’t Fly“ ist nicht unbedingt das, was ich mir vom Debüt erwartet und erhofft hab und man muss sich schon auf diese neue Richtung einlassen. Gutfinden muss man das dennoch nicht. „We Can’t Fly“ hat durchaus seine guten Momente, anderes ist dann eher verzichtbar. Etwas schade, aber es bleibt ja die Hoffnung, dass de Luca in Zukunft wieder mehr remixt. Und Kollege Fasano plant angeblich auch ein Album. Halten wir mal die Augen offen.

Stream von "We Can't Fly" auf MySpace

Mittwoch, 29. September 2010

Out of the forest

Ob man es glauben mag oder nicht, aber dieser Blog ist NICHT mein Leben. Unglaublich oder, aber all die Bands finanzieren mich oder meinen Kollegen FallOnDeafEars nicht wirklich, so dass wir gezwungen sind, etwas aus unserem Leben zu machen bzw. mit sinnvollen Aktivitäten abseits der Bloggerei unser Geld zu verdienen. Oder es zumindest anstreben. Bei meiner Wenigkeit wäre dies dann nächstes Jahr der Fall, momentan sitz ich noch an der Abschlussarbeit. Aber genug zur Biographie... warum ich das erwähne. Nun, es stellt sich halt die allumfassende Frage, wo genau denn berufstechnisch der Weg hingeht. Die Welt eines Geisteswissenschaftlers ist bekanntlich voller Optionen.

Deshalb heute die Varinate "Film- und Videoproduktion", an der ich in den letzten Jahren viel Spass und Freude gefunden habe, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Vielleicht hat sich ja mal jemand in der Linkliste das Format "gelb!" angeschaut. Empfehlenswert. Jenes Format brachte mich nun in die Position zusammen mit meiner reizenden Kollegin Jenny (auch hier empfiehlt sich das Anklicken ihres Blogs) ein Musikvideo für die Band Lost.Minds zu produzieren. Nachdem ich schon mal die Ehre hatte, bei einem Videodreh für die guten Herren beizuwohnen (siehe hier, achten sie auf den dicken Mann mit Hut), wurde es nun ein ganzes Stück professioneller, inkl. durchdachtem Konzept, Kostüm, Outdoor-Dreh bei Tag und Nacht usw.

Herausgekommen ist folgendes Video zum Song "Catch Up On Everything", welcher von einer EP aus diesem Jahr stammt, die den gleichen Namen trägt wie die Band. Die Lost.Minds (niemals den Punkt vergessen!)sind eine sympathische 5-Mann-Kapelle aus Jena/ Berlin, die es seit 2004 gibt. Musikalisch kann man das gern als Indie-Rock kategorisieren, der gelegentlich auch mal mit Elektronik und breiten Gitarrenwänden liebäugelt. Emotionen inklusive! Mit dieser Kombination und mit immer wieder neuen Ideen hat sich die Band in den letzten Jahren eine kleine, aber feine Fanbasis erspielt, zu welcher der ein oder andere jetzt noch dazustoßen mag/ kann und soll. Die gleichnamige, fünf Track starke EP gibt's direkt unter dem Video zum Gratis-Download. Im Namen der Band und meiner eigenen Producerehre hoffe ich, das Video gefällt, trotz der bescheidenen Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Aber selbst Anton Corbijn hat ja mal klein angefangen, egal ob mit oder ohne 5 Euro mehr Hartz IV.



Alternativ-Video-Link: Bei YouTube anschauen.

Free Download - EP "Lost.Minds" (2010) (einfach unter "Media" gehen und dort runterladen)

Samstag, 25. September 2010

Sunny Saturday Afternoon

Cover

Adam Pierce hat mal wieder seine Mice Parade aufmarschieren lassen, um der Welt mit dem neuen Album What It Means To Be Left-Handed zu zeigen, dass schöne Popmusik auch mit Mandolinen, seltsamen Takten, zerfahrenen Arrangements und indirektem Gesang möglich ist. Das ist etwas für Musikliebhaber, nicht für Nebenbei-Hörer. Denen erschließt sich allerdings Großes. Ein fiktiver Festivalbericht.

Mice Parade ist eine jener Bands, die für gewöhnlich den undankbaren Job haben, bei einem Festival Samstag als eine der ersten Bands auf die Bühne zu müssen. Die Zuschauer sind noch zu zerrupft von der Einstiegsparty, die der Abend davor halt darstellt. Viele gammeln noch auf dem Zeltplatz vor sich hin, viele schlafen noch oder wieder. Nur ein paar ziemlich enthusiastische Musikliebhaber haben sich schon wieder auf das Festivalgelände begeben, um ihr Eintrittsgeld wirklich wieder reinhören zu können. Da kann man dann solche Bands vernehmen, die man nur vom Namen her kennt oder nur eine Single oder halt gar nicht.
Die Kapelle steht auf der viel zu großen Bühne und schaut in einen – euphemistisch - sperrlich bestellten Zuschauerraum und muss nun vorgeben, total viel Lust zu haben und unbedingt Leute überzeugen zu wollen. Also spielen sie ihre Dreiviertelstunde runter und versuchen irgendwie zu übertünchen, dass sie eigentlich selbst noch nicht so richtig wach sind. Was in diesem Moment also zählt, ist die Musik.
Die Gruppe fängt zum Beispiel mit Old Hats an. Komische Musik. Eine mehr als omnipräsente Mandoline, ein Schlagzeuger der irgendeinen krummen Beat spielt, zwei Vokalisten – m/w – die ab und zu mal eine kleine Zeile ins Mikro nölen. Ansonsten trägt der Song sich selbst immer weiter voran. Ja, klingt ganz niedlich, passt zu diesem sonnigen Nachmittag. Nächster Song – Fortune Of Folly. Mmh … klingt so ähnlich. Oh, das klingt aber hübsch, wie sich die Gitarren (akustische, elektrische, Mandoline) umspielen! Moment! Warum bremsen die den Song jetzt so aus? Bisschen anstrengend. Erinnert irgendwie an die Broken Social Scene. Auch ein wenig an Múm. Die Stimme von ihr klingt auch so verhuscht. Ach nee, das ist die sogar! Das Publikum applaudiert schon etwas mehr. Recover, der nächste “Reißer”. Wie bewegt man sich eigentlich dazu? Ist ja nicht so, dass einem die Füße einschlafen, aber so richtig zum abgehen ist das auch nicht? Man schaut sich um, die kleine Gruppe Abi-Nerds neben einem kann das auch nicht richtig einordnen, nur sanft schüttelt sich der Afro. Aber der Blick ist fasziniert auf die Bühne gerichtet … die Gespräche werden weniger.
CoverMary Anne, als nächstes. Die Ballade, die das Album abschließt. Ist ja nicht so, dass man jetzt unbedingt eine Erholung braucht, aber gut. Die werden sich schon was dabei gedacht haben. Der Blick schweift etwas ab. Die Sonne malt mit festen Griff interessante Schattenspiele auf die noch sehr leeren Betonflächen. Das Mädel vom Bierstand hinter dem Zuschauerraum träumt vor sich hin. Das Pärchen rechts von der Bühne knutscht, die Gruppe Indie-Studenten liegt da hinten lächelnd im Gras und lässt sich von der Sonne an der Nase kitzeln. Ach! Ist das alles friedlich. Bessere Musik kann es für diese Szenarie nicht geben. Man wendet sich wieder interessierter der Bühne zu. Jetzt kommt die Hitkanone: Mallo Cup, ein Song, der direkt von Dinosaur Jr. geklaut zu sein scheint. Flott, ungewöhnlich straight, recht kurz. Es kommt Bewegung ins Publikum. Tokyo Late Night, der “Breakbeat” fährt schön ins Bein, sonst lässt man sich von dem Stück treiben, Mandoline, Piano, Bass, Gitarren, Stimmen alles prasselt so Stück für Stück auf einen ein. Die Musik muss man irgendwie als impressionistisch bezeichnen.
Oh, jetzt aber: In Between Times – klingt wie eine Mischung aus Lampshade in der Strophe und Stars im Refrain. Das Publikum wird immer begeisterter, bewegt sich immer mehr. Auch der Band nimmt man die Freude inzwischen ab. Even, der nächste – fast klassische in seinem Sound – Indiehit. Besser könnten das Nada Surf nicht machen. Brillanter Song. Trotzdem ist nach anderthalb Minuten Schluss. Zum Finale: Couches & Carpets. Die Nachtmusik. Passt zwar nicht gerade zu dem tatsächlichen Wetter, aber inzwischen träumen eh alle tanzend vor sich hin. Jetzt! Der Postrock-Moment! Uh, jetzt wird es aber laut. Wie geil! Die Band drischt jetzt nur noch auf die Instrumente ein, das Publikum johlt, auch die Verkäuferin aller Biere lächelt, die Liegewiese wurde immerhin schon zur Sitzwiese. Jeder freut sich über diese kleine Entdeckung, die er an diesem Nachmittag gemacht hat.

Auch wenn das natürlich inzwischen schon das achte Album von Mice Parade ist, musste es vielleicht so lange dauern, um ein paar mehr Menschen von der Güte dieser Kapelle zu überzeugen. Denn irgendwie wirkt der ganze Spaß jetzt etwas kompakter, schlüssiger, organischer. Natürlich klingt das Ganze immer noch im Prinzip zerfahren, verstolpert und sehr eigen, aber halt dennoch wirklich greifbar. Pop für Profis, Fortgeschrittene und ambitionierte Amateure sozusagen.

What  It Means To Be Left-Handed erscheint in Deutschland am 01. Oktober, ist aber schon als Import erhältlich.

Hörbeispiel: In Between Times

Samstag, 18. September 2010

In der Pop-Destille

Cover

Die wunderbaren The Thermals beglücken uns mit einem neuen Album. Kurz, melodisch, etwas ruppig, immer sympathisch. Popmusik auf das Wesentliche reduziert: Gesang, Schlagzeug, Bass, Gitarre und ein großer Eimer voller wundervoller Melodien. Zweiunddreißig Minuten voller Glückseligkeit. Für mich zumindest. So haben sie das früher schon einmal drauf gehabt und so praktizieren sie es wieder. Ohren auf für Personal Life.

 

The Thermals sind: Hutch Harris und Kathy Foster (sowie irgendein Schlagzeuger, der eh nicht länger als zwei Alben dabei sein darf). Und ihr Motto ist: Tempo. Weil Sänger, Gitarrist und Hauptsongwriter Hutch eines dieser ADHS-Kinder ist, das nicht mittels Ritalin in den Orbit geschossen wurde, fällt es ihm schwer sich länger auf eine Sache zu konzentrieren. Glücklicherweise kommt bei ihm noch ein Talent für erstklassige Lieder dazu. Aus diesen zwei Fakten kann jeder Dyskalkuliker ableiten, was bei den Thermals vorliegt: Das Destillat der Popmusik. Kein Schnickschnack, Nichts zum Füllen, nur der Song. So wie es die Folker so gerne vormachen. Da das aber schnarchnasige Musik ist, ist es für Mr Harris natürlich ungeeignet. Als Poppunk könnte man die Musik seiner Truppe beschreiben.
Zumindest auf den ersten beiden Alben. Unter diesen 25 Titeln befindet sich genau einer (!) der die Dreiminuten-Schallmauer durchbricht. Schnell, schnell, schnell muss das gehen. Auf dem dritten Album The Body, The Blood, The Machine wurde dann versucht dieses Konzept zu durchbrechen. Die Songs blieben zum Großteil recht langsam, waren ruhiger und vergleichsweise episch in ihrer Länge. Und der Pop ging irgendwie flöten. Eine Enttäuschung. Der Nachfolger Now We Can See konnte auch nicht gerade aber überzeugen.
Aber jetzt ist Personal Life da. Zehn Songs, dreißig Minuten. Und der Weg der Thermals in diese halbe Stunde einkomprimiert. Die straff getakteten Arrangements der Anfangsphase, gespickt mit Variabilität der beiden letzten Alben. Nicht jede Melodie und Hookline muss vom Sänger kommen. Nein, auch die Gitarre wird zum Singen gebracht oder der Background-Chor wird in den Vordergrund geschoben. Das Tempo ist nicht durchgängig im roten Drehzahlbereich. Und auch nicht durchgängig kurz vorm Absaufen. Mal hier, mal da, mal in der Mitte.
Mehr Variabilität muss aber nicht sein. Sonst ist alles gleich. GitarreSchlagzeugBassGesang. Zwar etwas altmodisch, wenn man bedenkt, dass inzwischen jede mikrofonierte Röhrenjeans sich gemüßigt fühlt, einen elektronischen Klangerzeuger einzusetzen. Es tut der Sache aber keinen Abbruch. Für meine Ohren klingt es eher vorteilhaft, es hat etwas Reines und Unverfälschtes. (Oh Gott, sowas schreiben doch eigentlich nur die Popveteranen vom Rolling Stone – ich werde alt.)
So kommen also schöne Spätsommerhits wie das federleichte Not Like Any Other Feeling, das recht niedliche You Changed My Life, der hoffentlich-bald-College-Hit I Don’t Believe You und der absolute Übersong und Ohrwurmrakete Your Love Is So Strong bei rum. Die Qualität der Lieder ist fast durchgängig sehr hoch – so richtig fällt nur Never Listen To Me durch seine Melodiearmut aus dem Rahmen. Ansonsten bekommt der interessierte Hörer Akkordfolgen, Melodiebögen und Refrains vor die Füße geschmissen, wie sie bei anderen Bands vielleicht einmal auf einem Album vorkommen.
Das ist auch alles, worauf man sich dabei konzentrieren sollte – die Musik an und für sich ist nix Weltbewegendes oder Revolutionäres – Power Pop halt –, aber die Lieder können einen trotzdem durch die Spätsommer der nächsten zehn Jahre bringen. Alles richtig gemacht.

Personal Life erschien am 10.09.2010.

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