Plattenteller

Donnerstag, 16. September 2010

Kurz und Bündig - 09/10

Manche Alben kann man leider nicht in der Intensität abhandeln, wie man eigentlich müsste. Manchmal fehlt es halt an Zeit, irgendwie an Motivation und teilweise auch an ein paar guten Platten auf dem Markt. Da ich dank Abschlussarbeit, vieler Internetstreams und diverser Fileanbieter dann doch in ein paar reinhören konnte, folgen hier wieder meine Kurzeindrücke von fünf Alben der letzten Zeit.
Kurz-Und-Buendig-3

Fotos – Porzellan

Das Beste gleich zu Beginn. Im Prinzip hatte ich die Fotos schon als nette, aber unwichtige deutsche Indie-Rockband abgestempelt, deren einziger Vorteil damals war, dass sie mal im Gegensatz zur Konkurrenz nicht zu spät dran war, um auf den Trendzug „Großbritannien“ aufzuspringen. Das Debüt bot ordentlichen New-Wave-Indie-Rock und hatte internationales Format, der Nachfolger hatte eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Nach einem uninspirierten Auftritt beim Bundesvision Song Contest war dann wohl wirklich die kommerzielle Luft draußen. Und nun das? „Porzellan“ ist das vielleicht überraschendste Album dieses Jahres, eben auch weil sich die Herren komplett neu erfinden und definieren. Man orientiert sich nun an Shoegaze-Größen wie „Jesus And The Mary Chain“, „My Bloody Valentine“ oder auch gern mal den spät-80er-Cure. Das heißt: viel Hall, viel Flächen, viel Echos, viel weite. Die Drums hallen in weiter Ferne, genauso wie die Stimme von Sänger Tom, der seine kryptischen Textbotschaften bereits aus dem Äther zu singen scheint. Sphärische Monster wie „On The Run“ oder „Raben“ treffen auf schnittige Single-Kandidaten, wie „Mauer“ oder „Nacht“. Das funktioniert deshalb so gut, weil man sich eben 1:1 an den Originalen orientiert, aber die deutsche Sprache eben dann doch mal außergewöhnlich in diesem Soundkontext klingt. Klar, Puristen können jetzt beklagen „Den fällt nix eigenes ein“, aber seien wir mal ehrlich: wann ist das in den letzten Jahren noch irgendjemandem? Und gerade in Deutschland. Damit kommen die Fotos von der Ersatzbank wieder ins Spiel und präsentierten ein echtes, kleines Meisterwerk voll andächtiger Schönheit. Davon bitte einen Abzug!

"Porzellan"-Stream bei Simfy

Magic Kids - Memphis

Schlagersänger Chris Roberts wusste es einst: „Du kannst nicht immer 17 sein.“ Recht hat die Schmalzlocke. Am Älterwerden führt ja kein Weg vorbei. Das beweist schon der tägliche Blick in den Spiegel oder jede neue Geburtstagskarte. Aber manchmal wünscht man sich halt, man könnte sich die jugendliche Leichtigkeit bewahren. Die Magic Kids machen das. Der flotte Fünfer aus Memphins, Tennessee hat nicht nur sein Debüt nach der eigenen Heimat benannt, sondern sich auch ganz dem akut gravierenden Surf-Pop-Virus verschrieben. Eigentlich müssten sie aus Kalifornien kommen, so sehr würde diese Faust auf’s Klischeeauge passen. „Memphis“ ist locker, flockig, unbeschwert und dabei so naiv zuckersüß, wie die Beach Boys in ihren besten Zeiten. Inklusive Bläsern, Frauenstimmen und Kinderchören und den ewigen Songs über die große Sommerliebe, das schöne Wetter und die unbeschwerte Freiheit der Jugend. Länger als drei Minuten sind die Songs kaum, müssen sie auch nicht. Dafür versucht man erst gar nicht zu klingen, als wäre man nach den 60er Jahren aufgenommen worden. Mehr retro geht fast gar nicht. Ein kurzweiliger, leicht beschwingter Spaß, der vielleicht, wäre er zwei Monate eher erschienen, ein schönes Sommeralbum geworden. So stellen wir uns dazu lieber nostalgische Bilder von Stränden und lazy Sunday afternoons vor. Ziel erreicht, würde ich sagen.

Magic Kids bei MySpace

Brandon Flowers - Flamingo

Irgendwann reißt auch mal jeder Geduldsfaden. Selbst bei mir. Ich habe Brandon Flowers und den Killers bisher immer die Treue gehalten. Ich habe ihnen das dämlich Pseudo-US-Rock-Album „Sam’s Town“ genauso verziehen, wie die 80s-Pop-Scheibe „Day & Age“, die gar nicht mal so mies ist, wie immer alle sagen. Ich verzeihe Mr. Flowers auch seine krampfhaften Morrissey-Immitationen, aber irgendwann ist ja auch mal gut. Irgendwann muss man sich eingestehen, dass „Hot Fuss“ ein Einzelfall bleiben wird und man einem Künstler daraufhin keine Nibelungentreue schwören muss. Schon gar nicht bei diesem Soloalbum. Kele von Bloc Party hat’s vorgemacht, Paul Smith von Maximo Park folgt nächsten Monat und nun also Brandon Flowers. Trotz Produzent Stuart Price und Albumtitel „Flamingo“ erwartet einen kein glanzvolles Discoalbum (was weniger schlimm gewesen wäre), sondern ein unglaublich belangloses Formatradiopop-Werk, auf denen Flowers schon wieder seine ewig gleichen Songs über das romantisierte Amerika, Gott und das tolle Las Vegas singt. Aber eben alles noch eine Spur langweiliger, austauschbarer und nerviger als auf den alben seiner Hauptband. Ein furchtbares Geseihere, gnadenlos glatt produziert und stimmlich leider wenig variabel. Es scheint so, als kann Flowers nichts anderes und immerhin scheinen seine Bandkollegen da noch einiges herauszureißen. Allerdings sollten diese Songs ursprünglich auch Killers-Songs werden. Das lässt dann doch schlimmes erwarten, denn was hätten die noch retten sollen. Brandon, bitte werde der traurige Las-Vegas-Crooner, der auch mal im Nachmittagsprogramm des schlimmsten Dudelradios laufen kann. Aber erwarte nicht, dass ich dir dabei folge.

Brandon Flowers bei MySpace

Robyn – Body Talk, Pt .2

Eine Frau, ein Konzept. Robyn schlägt um sich, choreographisch, wie veröffentlichungstechnisch. Den ersten Streich der „Body Talk“ reihe gab’s vor ein paar Monaten, nun folgt der zweite. Über die fragwürdige Veröffentlichungspolitik hatte ich mich damals schon ausgelassen, also lassen wir das an der Stelle mal. Muss jeder selber wissen, ob er sich das in dieser Form kauft. Positiv anzurechnen ist aber die Tatsache, das Teil 2 sogar noch eine Spur besser als der erste ist. Mit Ausnahme des etwas uninspirierten Minimal-Tracks „We Dance To The Beat“ gibt es keine wirklichen Ausnahmen, dafür aber so schöne Elektropop-Songs, wie „In My Eyes“ oder die tolle Single „Hang With Me“. Und natürlich die üblichen „Dicke-Eier“-Songs, wie „Criminal Intent“. Als ob wir mittlerweile nicht schon langsam gecheckt hätten, dass man sich mit der blonden Schwedin nicht anlegen darf. Immerhin hat sie auch Snoop Dogg dabei, der ja momentan keine Dame abblitzen kann. Inhaltslos wie eh und je trägt der Dogfahther aber seinen Teil dazu bei, dass „U Should Know Better“ den Drive bekommt, den es hat. Katy Perry kann schon mal Staub fressen. Am Ende entlässt uns Robyn dann noch mit einer wunderbar traurigen Akustik-Version von „Indestructible“, welches wir dann wie bei „Hang With Me“ beim letzten, dann auf dem nächsten Album mit voller Instrumentierung genießen werden. Bis dahin reicht aber auch dies als Beweis dafür, dass Robyn stimmlich mehr kann, als nur den weißen Elektro-Power-MC zu geben. In Sachen stilvoller Elektro-Hochglanz-Pop ist Robyn also 2010 das Maß aller Dinge. Hier folgt die Bestätigung, der dritte Teil wird daran sicher nicht viel rütteln können.

Exklusiver Album-Stream bei Guardian.co.uk

Oliver Koletzki & Fran - Lovestoned

Und um noch mal kurz einen Abstecher in die Abteilung „Überflüssig“ zu machen: Oliver Koletzki, seines Zeichens Berliner Minimal-Hype hat ein neues Album gemacht. Mit Freundin Fran. Darauf soll es um die Zelebrierung der Liebe gehen, immerhin präsentieren sich die beiden Frischverliebten ja beim Im-Bett-Frühstücken auf dem Cover. Doch ist das die Liebe, wie sie sein sollte? Koletzki und Anhang servieren ein durch und durch belangloses Album, dessen einzige Funktion wohl darin bestehen soll in irgendwelchen hippen Berliner Cafés zu laufen, so sich Menschen auf nen Latte oder ne Bionade treffen und dabei von ihren wichtigen Jobs im Marketing oder den Meeeedien erzählen. Alles was man an diesem Klischee hasst, repräsentiert „Lovestoned“. Langweilige elektronische Hintergrundbeschallung, die selbst für reinen Minimal zu dröge ist. Ich würde das deshalb wirklich gern als Café-Lounge-Musik abstempeln, bei welcher vermutlich Kalkbrenner beim druffen Nacktfrühstücken einschlafen würde. Janz schön langweilig, Altaaa! Und dazu säuselt uns Fran noch belanglose Texte daher, von Kissenschlachten, Kaffeetrinken (siehe an!) und Fahrradfahren an der Spree. Wo ist das Feuer, die Leidenschaft? Aber ich möchte hier auch nicht die Beziehung des jungen Paares Koletzki analysieren. Für Menschen, welche auf diese Musik stehen und in einer ähnlichen Lebenswelt, wie die beiden Protagonisten verkehren ist das vermutlich die schönste und coooolste Musik auf Erden. Für den Rest wohl einfach nur überflüssig und verzichtbar.

Album-Stream bei MySpace

Montag, 6. September 2010

Gewalt-und-Wiesen-Musik

CoverDie sehr feinen Klaxons haben nun schon vor geraumer Zeit ein neues Album namens Surfing The Void zu Markte getragen. Dieses sollte auf dieser Seite besser mal besprochen werden. So soll es nun hiermit geschehen.






Ross Robinson gehört irgendwie nicht zu den Produzenten, die sich derbe mit Credibility bekleckert haben. Seine Hauptwerke sind die von Slipknot, KoRn und Limp Bizkit, womit er als Begründer des NuMetal-Genres bezeichnet sein kann, dass unter Musikfachkräften nicht gerade höchstes Ansehen genießt. Demzufolge auch Mr. Robinson. Womit ihm allerdings nicht Recht getan ist. Denn in sein Wirken fallen auch die besten Alben von At The Drive-In, den Blood Brothers, Glassjaw oder auch ein gutes Werk von The Cure. Alles hochemotionale und dennoch unpeinliche Musik, die auch mit ordentlich Schmackes versehen ist. So kann man seinen Sound wohl bezeichnen.
Nun also Klaxons. Die passen mit ihrer Indiemusik nicht gerade in die recht Metal-lastige Diskographie ihres Produzenten. Sind jetzt aber dennoch drin. Und prompt wird der Lautstärke-Pegel mal ordentlich nach oben getrieben. Die Drums klingen recht massiv, der verzerrte Bass nimmt eine deutlich dominantere Position ein, die Gitarren fiepsen oft recht noisig herum, die Arrangements sind von wesentlich mehr Breakdowns und Knalleffekten bestimmt. Doch glücklichweise sind das immer noch die Klaxons, die - wie gehabt - ihr Händchen für leicht abgespacete aber dennoch wunderschöne Popsongs beweisen. Ab und zu - wie bei dem Vorab-Promo-Track Flashover oder dem Titelsong lassen sie zwar schon ganz schön den Knüppel aus dem Sack, doch im Großen und Ganzen haben wir es hier mit recht psychedelischen und betont chaotisch-komplizierten und - zum Glück dennoch - kompakten Popsongs zu tun.
Somit ist das Werk zwar weder für die Wall Of Death noch für den Engtanz geeignet, aber für die Leute, die die Klaxons im Prinzip schon immer mochten, sie jedoch auf Dauer etwas zu ermüdend fanden. Denen wird hier mit süßen Melodien Honig ums Maul geschmiert, nur um dann mit einer heftigen Bassattacke eine trockene Rechte in die gleiche Körperregion zu verpassen. Herrlich!

Donnerstag, 2. September 2010

Verlust als Chance

Alles auf Anfang? Oder alles zu Ende? Morgen erscheint hierzulande endlich das vierte Album der New-Yorker-Ausnahmeband Interpol. Die Entwarnung vornweg: es ist wieder mal hervorragend geworden. Eine Selbstverständlichkeit war das aber nicht...

41GKdg5O9IL-_SL500_AA300_Nein, gute Vorzeichen sehen anders aus. Der schmerzliche Weggang von Carlos Dengler, die ungewissen Äußerungen über die Zukunft und dann auch noch ein selbstproduziertes Album, welches genauso heißt, wie die Band. Das macht man ja meist, wenn einem sonst nix mehr einfällt. Das vierte Album von Interpol hatte einen holprigen Start und wird jetzt ungewollt zum Schicksalswerk erkorren, welches über die Zukunft des Neu-Trios entscheidet. Mann, Mann, Mann! Als ob die New Yorker nicht schon an sich große Fußstapfen gehabt haben, die sie ausfüllen müssen. Nämlich ihre eigenen. Kaum eine Band hat es in den vergangenen Jahren geschafft, mich musikalisch so zu erfüllen, wie diese Band. Als ich Ende letzten Jahres meine Lieblingsalben der ausgehenden Dekade aufgestellt habe, waren sie die Einzigen mit drei Alben in den Top 25. Das will einiges heißen und das lässt auch einiges erwarten. Wohin geht die Reise? Schwanengesang oder Neubeginn?

Ein wenig muss man die Dinge aber schon relativieren. Carlos D. ist weg, das Album „Interpol“ hat er schon noch mit aufgenommen. Über seinen Zufriedenheitsgrad bei dieser Aufgabe kann man nur spekulieren. Immerhin hat der stilsichere Mann am Bass noch seine Dienstpflicht getan. Er mag zwar nicht der wichtigste Teil der Band gewesen sein, aber in Sachen Stil und Ausstrahlung war er unverzichtbar. Aber vielleicht wurden diese Punkte auch überbewertet. Vielleicht hatte die Band sich nicht nur diesbezüglich festgefahren und wollte mal aus diesem „Düstere-Band-in-schicken-Anzügen“-System heraus. Klamottentechnisch gibt man sich 2010 wesentlich vielseitiger und beim Sound? Da bleibt man glücklicherweise den eigenen Leisten treu, wenngleich man bei der musikalischen Schusterei einige neue Feinheiten in den bekannten Interpol-Sound hineinarbeitet. Ich hab früher gern mal betont, dass es mir gerade bei Interpol immer herzlich egal war, ob sie sich verändern, so lange sie mit ihren Songs weiterhin diese unnachahmliche Atmosphäre erzeugen. Dabei haben sie sich eigentlich auch stets verändert, allerdings nur immer zu einem gewissen Teil, so dass man fast meinen könnte, alles wäre, wie immer. Verworrene Beschreibung für vielschichtige Musik. Nach dem überraschend gradlinigen und eingängigen 2007er Werk „Our Love To Admire“ entscheided sich die Band glücklicherweise nicht weiter in diese Richtung zu gehen, wenngleich das vielleicht auch hätte funktionieren können. Aber man zieht sich wieder aus dem Scheinwerferlicht zurück in die Dunkelheit und entfaltet da wieder die Magie der Anfangstage.

Interpol-2010
Nicht ohne Stolz… „Success“ der bisher kompakteste und eingängiste Opener der Bandgeschichte. Kein großes Epos, sondern ein direkter und düsterer Song mit dem typischen Interpol-Drive und einem Paul Banks der uns wieder kryptisches um die Ohren ruft. „Dreams of long life, what safety can you find?“ Die Skepsis der Strophen trifft auf einen vorsichtig optimistischen Refrain und der simplen Feststellung “I have succeeded“. Worüber, darüber hüllt man sich im Schweigen. Danach wird es mit “Memory Serves” gleich eine Spur pathetischer und ausladender. Bleierne Schwere liegt in der Luft, gepaart mit einer gewissen Erlösung, welche der Refrain mit sich bringt. Es ist der übliche Schaukampf der Gefühle, der Interpol auch auf dem vierten Album beherrscht. Das kleine Licht in einem Wald voller Dunkelheit finden, das ist es, was die Band will. Paul Banks fleht, Daniel Kessler schlägt die Saiten an, wie man es erwartet, Sam Fogerino treibt alles voran und Carlos, ja, Carlos ist auch noch da, längst nicht mehr so präsent wie noch bei den ersten beiden Platten, aber sein Basslauf und seine kompositorischen Ideen schimmern natürlich durch. Deshalb durchweht einen ein leichtes Gefühl von Bitterheit. Wie soll man die Band nun sehen, die ein wichtiges Teil ihrer bisher einwandfrei funktionierenden Maschine verloren hat? Das muss dann wohl wirklich erst ein eventuelles fünftes Album zeigen, denn hier erleben wir die klassischen Interpol noch einmal in ihrer Blüte. „Lights“ wäre ein viel typischerer Opener gewesen, allein durch seinen dramaturgischen Aufbau. Doch man setzt ihn an vierter Stelle, wo er ebenfalls funktioniert, genauso wie die schmissige Single „Barricade“, welches die zweite Hälfte des Albums einläutet. Hier versucht die Band stärker aus dem bisherigen Korsett auszubrechen, wenngleich man stets Anleihen an frühere Werke findet. „Always Malaise“ hat mit seinem dezent psychodelischen Groove durchaus Ähnlichkeiten mit „Hands Away“ vom Debüt-Album. „Safe Without“ zieht einen dank Kesslers Gitarrenloop genauso in den Bahn, wie „Try It On“, bei welchem sich die Gitarre bewusst zurückhält und Sam Fogerino sich an einem für die Band ungewohnten Breakbeat versucht. Regelrecht leichtfüßig, wenngleich wir uns natürlich immer noch in der finstersten Nacht befinden. Und die ist voller Angst und Zweifel, genauso wie „All Of The Ways“, bei dem Banks den verzweifelten und eifersüchtigen Liebhaber gibt und dabei von einem mehr aus düsterer Magie umgeben ist. Sind das Denglers symphonische Vorstöße, die er immer anbringen wollte? Die Antwort wird im Nebel verloren gehen. Dieser Nebel wird am Ende nocheinmal gelichtet, wenn „The Undoing“ einen fast schon optimistisch aus diesem Nachtflug entlässt. Klar, Happy-Go-Lucky sieht anders aus, aber ein leichter Unterton ist heraushörbar. Ein versöhnliches Finale, teils sogar auf Spanisch.

Es bleibt ein mehr als positiver Effekt nach dem Hören zurück. Interpol wenden sich wieder dem Dunkel zu und halten weiterhin die Balance zwischen ihren gewohnten Spielarten und ein paar neuen Ideen. Es werden neue Beats, Riffe und Songstrukturen angewendet und Paul Banks variiert mit seiner hypnotischen Stimme wesentlich mehr als früher. Er steuert auch seine eigenen Backgroundvocals dazu, die manchmal auch nur aus schwer verständlichem Murmeln oder verzweifelten Ausschreien bestehen, egal ob hoch oder tief. Aber es zieht einen unweigerlich in seinen Bann. Interpol erweitrern die eigene Nische und liefern ein sehr starkes Album ab, welches in Sachen Intensität und Atmosphäre wieder zu den Anfängen zurückgeht, aber die Entwicklung der letzten Jahre nicht außen vor lässt. Und schon wieder werden die Fußspuren fürs nächste Album höher gelegt. Und wär ich masochistisch veranlagt, würde ich der Band sogar nahe legen, vielleicht lieber jetzt zu gehen, als sich komplett auf das Trio-Experiment einzulassen und somit Gefahr zu laufen, das eigene Denkmal zu zerstörren. Aber vielleicht ist es gerade das, was diese Band braucht, um weiter zu existieren. Bei aller Angst um die Zukunft hinterlässt das Album „Interpol“ einen hervorragenden und sehr starken Eindruck. Die Zukunft der Band Interpol sieht also gar nicht so düster aus, wie man denken mag.

Kompletter Albumstream @ MySpace

Dienstag, 31. August 2010

Copy & Paste

Eigentlich ist schon alles über sie geschrieben, aber auch unser kleiner Blog mag um die Hurts nicht wirklich herumkommen. Schon allein die Unrechtfertigung dieses Hypes ruft mich jetzt mal auf den Plan, ein paar Zeilen zum jüngst erschienenen Debüt "Happiness" zu schreiben...

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Erinnerungen sind toll! Seien wir mal ehrlich. Egal, ob es sich um Menschen, Ereignisse, bestimmte Lebensabschnitte oder bestimmte Songs geht. Wir erinnern uns gern zurück, tendenziell eher an die besseren Sachen, als an die schlechteren. Da funktioniert die kognitive Selektion ganz gut. Und der geneigte Musikliebhaber erinnert sich eben gern an Songs, Bands und die damit verbundenen Momente zurück. Der erste Kuss, die erste Party-Nacht, die guten Sounds halt… manchmal geschieht das auch kollektiv, wenn sich gern viele Leute an bestimmte Zeiten erinnern wollen bzw. dies zumindest meinen, zu wollen. Solche Retrowellen gab es schon immer in der Musik. In den 80ern gab’s ein Revival des 50er-Jahre-Rock’n-Roll’s, der Punk kommt genauso immer mal wieder, wie halt der Post-Punk inkl. Indie-Rock Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Die Musikwiederverwertung funktioniert zirkular, wenn das eine nervt, kommt das Andere wieder. Bleiben wir also kurz bei den 80ern. Die sind irgendwie prädestiniert dafür, immer wieder aufzutauchen. Das entsprechende Revival gibt’s eigentlich aller paar Jahre. Jetzt ist es also wieder soweit… die Schulterpolster und seltsamen Frisuren bleiben im Schrank, die Glanzzeiten des Pop werden hingegen reaktiviert. Die Menschen sind wieder bereit dafür.

Jetzt also die Hurts, über die irgendwie schon alles geschrieben wurde. Die Rückkehr zur großen 80er-Geste, retro durch und durch. New New Romantics in Zeiten der weltweiten Krise. Ich meine, was will man auch erwarten, wenn einem das Manchester Duo Theo Hutchcraft und Adam Anderson mit schicken Nazi-Scheiteln und adretten Hemden, sowie tiefem Hundeblick in schwarz/weiß vom Cover aus anklotzen. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, sowohl beim Look, als auch bei der Musik. Ästhetik über allem mag man da fast meinen. So wird aus der Newcomer Band mit entsprechender Major-Label-Unterstützung weniger ein Musikact, sondern vielmehr die Vermittlung eines ganzen Lebensgefühls. Hier sind sie die 80er, durch und durch. Jedes Detail wurde kopiert und nun wird uns allen suggeriert, dass es halt auch so ist. Wenn ich allein alle Bands aufzähle, die in den Plattenkritiken zu „Happiness“ bereits erwähnt wurden. Hier muss also die ultimative Symbiose aus Tears For Fears, Depeche Mode, den Pet Shop Boys, OMD, New Order und Bronski Beat kommen... Wahnsinn! Ist allerdings nicht so. Und damit kommen wir jetzt mal endlich zur Musik: „Happiness“ ist ein ganz nettes und gefälliges Pop-Album, welches nach gutem Start allerdings sehr schnell Ermüdungserscheinungen erzeugt, gerade deshalb weil diese Band anscheinend alles sein will und damit hofft, die eigenen Defizite zu überbrücken. Dabei geht’s ja ganz gut los. „Silver Lining“ reißt mit kilometerweitem Pathos die graue Wolkendecke auf und verbreitet düstere Hoffnung. Die Single „Wonderful Life“ hat mich vor einem halben Jahr bereits aus den Socken gehauen. Nun hat sie aufgrund von übermäßig viel Airplay und einer leicht unnötigen Überproduktion auf dem Album ein wenig an Faszination verloren, aber ein handwerklich feiner Popsong bleibt er dennoch. Eine düstere Melancholie, mit viel Dramatik, eingebettet in klassische Popgewänder… das zieht. Auch bei „Blood, Tears & Gold“. Irgendwie sehr eingängig, da kann man als Freund guter Popmusik nichts Schlechtes dran finden. Aber ab dann geht der Abstieg los, langsam aber schleichend. Und den Hörer beschleicht langsam das Gefühl, dass da nix weiter kommt, als das, was er auf den ersten paar Songs schon gehört hat. Große Gesten, große Schulzen und die fadenscheinige Verkündung von Romantik und Gefühl. So gehen die Songs dann meist im Midtempo bzw. Balladenbereich los. Kollege Hutchcraft wirft sein, zugegeben sehr feines Stimmchen in den Ring und nach und nach fügt sich eine Schicht dazu. Ganz nach dem „Copy und Paste“-Verfahren. Hier noch’n dicker Synthie, da noch ein paar fette Streicher. Und nie den Chor und die Mehrstimmigkeit nie vergessen. Und dicke Pauken bitte! Alles muss groß sein, alles übertrieben. Kennt man den Opener „Silver Lining“, kennt man auch den Rest vom Schützenfest. Die Songs heißen dann halt „Illuminated“, „Evelyn“ oder „Unspoken“. Gerade letzteres klang in der damaligen EP-Version auch aufgrund seiner Reduktion sehr angenehm, doch nun wird auch hier die ewig gleiche Schablone aufgesetzt. Es baut sich auf, es kommen Streicher, Pauken und Bombast. Bitte immer mehr von allem!

Alles was dieser Band suggeriert wird, kommt also nicht wirklich auf. Zu kaum einem Zeitpunkt wird die Qualität der oft zitierten Originalbands erreicht. Die breite Schicht an Synthiespuren und balladesquem Weltschmerz-Schnulz ist in keinster Weise emotional oder authentisch. Stets wirkt alles zu übertrieben, zu unecht, zu gekünstelt… da gönnt man sich doch lieber noch einmal zum x-ten Mal „The Power Of Love“ von Frankie Goes To Hollywood. Und die beiden schwachen Uptempo-Nummern „Stay“ und „Better Than Love“ lassen wir mal lieber außen vor. Man merkt, dass das nicht die liebste Baustelle des Duos ist. Nein, das sind die Power-Pathos-Balladen. Und davon gibt’s mehr als genug. Am Ende ist sogar Kylie Minogue bei „Devotion“ dabei. Auch hier guter Anfang, schwacher Abgang. Lediglich „Water“ zeigt am Ende das etwas weniger durchaus mehr sein kann. Es geht doch, wenn die Band nicht immer permanent in eine solche Schmalzsackgasse laufen würde. Alle Ecken und Kannten werden glatt gebügelt, alles wirkt übertrieben und fast schon haarscharf an einer Parodie. Man höre nur mal auf Hutchcrafts kraftlose Texte voller austauschbarer Standard-Phrasen. Wenn man das mal übersetzt und dann die Instrumentierung und Produktion so lässt, dann fehlt auch nicht mehr wirklich viel für nen guten Schlager. Vielleicht zieht das deshalb so gut in Deutschland. Vielleicht wünschen sich die Hörer das suggerierte Gefühl von früher zurück. Die Romantik der 80er, die Zeit der Jugend als Popmusik noch Qualität hatte. Vielleicht funktionieren die Hurts deshalb so gut, auch im schlimmsten Formatradio. Sie passen zwischen die alten Hits, ohne wehzutun. Und neue Generationen kennen das halt noch nicht. Das alles sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Happiness“ eigentlich eine recht durchschnittliche, einseitige und sehr reaktionär produzierte Platte ist, welche ohne den entsprechenden Push durch das Label vielleicht gar nicht die Aufmerksamkeit bekommen hätte, die sie jetzt bekommt. Das wird anderen guten 80er-Retrobands der letzten Jahre nicht ganz gerecht. Und den Hurts schon mal gar nicht. Aber so ist das mit den Erinnerungen ja auch. Sie verblassen halt irgendwie mit der Zeit und werden nicht mehr so wahrgenommen, wie sie tatsächlich einmal passiert sind. Und dann kann man sich halt auch mal mit einer eher mittelmäßigen Kopie wieder darüber hinwegtäuschen.

Hurts @ MySpace

Donnerstag, 26. August 2010

Die Reifeprüfung

Überraschend Angekommen. Ab morgen gibt es ein neues Album von Wir Sind Helden, welches vor allem dadurch überrascht, dass Deutschlands netteste Popband auf einem so hohem Niveau zeigt, mit dem zumindest ich gar nicht mehr gerechnet hätte...

Ein wenig bieder wirkt es schon, das Cover der neuen Helden-Platte. Seriös im gut bürgerlichen Outfit der… ja, was ist das, 20er Jahre? Keine Ahnung, ich bin da modehistorisch nicht bewandert, aber die Aussage soll schon mal stehen: Da sind wir wieder, geschniegelt und herausgeputzt, aber mit einem gewissen Ernst. Glücklicherweise werden Wir Sind Helden jetzt nicht zu Spaßbremsen, sondern setzen nach der erstmals etwas längeren Pause die Prioritäten etwas anders. Zum Glück!

51ufqENWJfL-_SL500_AA300_Denn eigentlich, muss ich gestehen, hatte ich zuletzt ein wenig die Lust an dem Quartett aus Berlin verloren, nachdem ich schon seit dem 2003er Debüt „Die Reklamation“ an vorderster Front dabei war. Die Nachfolgealben steigerten sich sogar noch, soundtechnisch stagnierte die Band aber auf dem 2007er „Soundso“, wenngleich aber auf sympathisch hohem Niveau. Aber irgendwann hat sich das Prinzip der ewig quirligen Gitarrenpop-Band mit NDW-Anleihen halt auch etwas ausgereizt. Trotzdem blieben die Helden vor allem stets ein was, und zwar hochgradig authentisch und sympathisch. Irgendwie waren sie der durchschnittlichen deutschen Konkurrenz immer einen Schritt voraus in Sachen Wortwitz, Intelligenz und „Unpeinlichkeit“. Jetzt also die Rückkehr, nach Baby- und Bandpause. Und was für eine Rückkehr! Im Prinzip hatte ich in der Form schon gar nicht mehr damit gerechnet, aber das Viertwerk „Bring Mich Nach Hause“ ist das bisher überraschendste, reifste und somit auch beste Helden-Album bisher. Hier spielt keine hippe Nachwuchsband mehr auf, sondern gereifte Musiker, die sich ihren Status in der hiesigen Poplandschaft nicht mehr großartig erspielen müssen, sondern den bewussten Schritt nach vorn gehen. Das neue Album ist jetzt aber, wie gesagt, keine bierernste Angewohnheit, es geht aber generell etwas nachdenklicher und tiefgründiger zur Sache. Vielleicht liegt’s halt auch am Elternglück das Paares Holofernes/ Roy, vielleicht auch einfach an einer distanzierten Sichtweise auf die Dinge. „Bring Mich Nach Hause“ handelt vom Suchen und Finden, mit einer gewissen Gewichtung auf ersteres vielleicht. Single und Opener „Alles“ präsentiert sich als kleine Motivations-Hymne und Gegenpol zu den täglichen Existenzängsten, während der Titeltrack ein verzweifeltes Flehen von Frau Holofernes zu sein scheint, in welchem sie den Weg nach hause sucht. So weht allen Songs ein gewisses Gefühl von Melancholie bei. Die nachdenkliche Ballade von Wolfgang und Brigitte zum Beispiel über die Tücken der Liebe oder das unglaublich traurige „Meine Freundin war im Koma…“, bei welchem Judith mit brüchiger Stimme auf leisem Piano versucht, den Verlust einer Freundin zu verarbeiten. Das Leben ist kein Ponyhof, wenngleich das Quartett auch die schönen Seiten nicht auspaart. „Was Uns Beiden Gehört“ verbreitet gute Laune, auch „23:55, Alles Auf Anfang“ hat ordentlich Schmackes, während mit der Powerpop-Nummer „Kreise“ schon eine nächste potentielle Single in den Startlöchern steht.

Was „Bring Mich Nach Hause“ außerdem so angenehm zum Hören macht, ist der Fakt, dass die Helden ihre neue Nachdenklichkeit auch soundtechnisch unterstreichen. Die üblichen, klirrenden 80er-Synthies fehlen erfreulicherweise, hingegen halten Bläser, Banjos und Akkordeon Einzug ins Instrumentarium. Alles wirkt etwas organischer, bodenständiger. Kann man auch gern als Folk-Pop bezeichnen, muss man aber nicht. Klar gibt es die klassischen Helden-Nummern nach wie vor, aber Songs wie das mit Jazz-Anleihen spielende „Dramatiker“ oder die oben erwähnte todtraurige Klavierballade über die komatöse Freundin, die nie wiederkam, zeigen ganz neue, spannende Seiten an der Band. In der Reduktion auf die Musik liegt das neue System, da ist auch mal Zeit für ein langes Gitarrensolo am Ende von „Im Auge des Sturms“ mit einem Outro, das selbst die Beatles damals hätten nicht besser hinbekommen können. Das alles hinterlässt einen hervorragenden Eindruck, einen richtigen Ausfall gibt es kaum. Wir Sind Helden sind der eigenen Konkurrenz wieder einmal ein paar Schritte voraus und haben die Reifeprüfung bestanden. Sicher, das ist natürlich weiterhin Pop, aber „Bring Mich Nach Hause“ zeigt, dass man in diesem Pop-Rahmen jede Menge Spielraum haben kann, um den eigenen Horizont zu erweitern. Am Ende bleiben die Helden nach wie vor Sympathieträger, irgendwie gehaltvoller, irgendwie ne Spur besser. Und zumindest mich haben sie damit wieder nach hause ins eigene Fanlager gebracht.

Album komplett anhören bei MySpace


Wir sind Helden - Alles

Samstag, 7. August 2010

Run with the dogs tonight ...

Drittes Album, Dritter Geniestreich. Arcade Fire bleiben Meister im Höherlegen der eigenen Messlatte. Auch "The Suburbs" ist wieder uneingeschränkt zu empfehlen... Nobono schließt sich den Lobhudeleien an. Geht ja auch nicht anders...

61NJ89YXLWL-_SL500_AA300_Verkehrte Welt. Bands tendieren ja gern mal dazu sich mit zunehmender Albumzahl immer pompöser und durchdachter zu geben. Mögen es die neuen finanziellen Möglichkeiten sein oder das gewachsene Wissen in Sachen Produktion. Oder vielleicht gar die Tatsache, dass man sich auf einmal zu Höherem und Größerem berufen fühlt. Wie auch immer… Arcade Fire machen’s irgendwie anders herum. Müssen sie ja sozusagen auch, immerhin haben sie mit ihren ersten beiden Alben die komplette Anfangsphase übersprungen. „Funeral“ war 2004 für ein Debüt schon unglaublich ausgereift, episch und hat Fans in der ganzen Welt gefunden. Kritiker und Mitmusiker von Bono bis Bowie waren auf der Seite des kanadischen Künstlerkollektives. Der Nachfolger „Neon Bible“ machte dann alles noch größer und perfekter und die Jubelschreie wurden immer lauter. Live sind Arcade Fire sowieso eine Messe, gelten generell nach nur zwei Alben als eine der besten zeitgenössischen Bands der Welt. Was soll da noch kommen? Auflösung? Kompletter Größenwahn? Wilde Experimente? Fast… „Rückbesinnung“ heißt das Zauberwort.

Und genau die hatte die Band um das Ehepaar Win Butler und Régine Chassagne auch nach all dem Schulterklopfen und enlosen Touren nötig. Eine Pause, in der man sich fragt, wer man ist und was man musikalisch als nächstes kreieren möchte. Zuerst war das nicht wirklich klar. Der ideale Ort für die Rückbesinnung waren dann nämlich die eigenen Wurzeln. Und die liegen für Butler im Staate Texas. Er fuhr zusammen mit Frau Régine zurück zu den Orten seiner eigenen Vergangenheit, um sich zu erinnern und selbst zu finden. Das Ergebnis heißt nun „The Suburbs“ und widmet sich dieser fast vergessenen Kindheit in den Vorstädten. Es ist, um die Sache mal kurz und bündig zu machen, wieder ein Meisterwerk geworden! Fast schon beängstigend, wie die Band aus Montreal das Niveau auch auf dem dritten Album auf so hohem Niveau hält und es schafft bekannte Elemente mit neuen Ideen zu vermischen, dabei aber stets die Band zu sein, die man seit Jahren ins Herz geschlossen hat. Bzw. erinnert es einen daran, warum man Arcade Fire liebt. Es ist die musikalische Qualität, die auch hier Bestand hat. Dabei beinhaltet die Rückbesinnung auch etwas Reduktion. Ein Schritt, der unweigerlich nötig war, denn mal im Ernst: wie hätte man den Bombast auf „Neon Bible“ noch toppen sollen? Ein Folk-Album ist „The Suburbs“ dann aber auch nicht geworden. Irgendwo in der Mitte vielleicht. Etwas bodenständiger, etwas reifer, etwas ehrlicher und direkter. Arcade Fire müssen sich nicht mehr hinter riesigen Orgeln und Blechbläsern verstecken. Die Songs müssen das eh nicht. Deshalb erlaubt man sich so scheinbar einfache Songs, wie den Titeltrack, das wunderbare „Modern Man“ oder „Suburban War“. Den Pomp gibt es natürlich trotzdem, dafür stehen Songs wie „Rococo“ oder „Ready To Start“ Aber er hält sich etwas zurück, passt sich den Songs besser an. Dazwischen gibt es einige Tracks, wie das rockig simple „Month Of May“ oder das treibende 80er-Rip-Off „Empty Room“, bei dem die Band auch mal auf’s Gaspedal tritt. Und auch so schielen die 80er gern mal etwas deutlicher durch, denn Tracks wie „Half Light II (No Celebration)“ oder das große Finish „Sprawl II (Mountains Beyond Mountains)“ lassen die ein oder andere Keyboard-Frequenz zum Instrumentarium der Band hinzustoßen. Und selbst wenn Spötter nun behaupten können, die Damen und Herren würden nur auf einen Trendzug aufspringen, dem kontern sie gleich mit einer erstaunlichen Unpeinlichkeit dieser Aktion. Alles beim alten, aber irgendwie doch nicht. Es ist schwer zu beschreiben, aber es hört sich nachwievor gut an. Arcade Fire ebenen ihren opulenten Indie-Rock ein wenig und besinnen sich auf ihr musikalisches Können, ohne ihr Genie dabei zu unterdrücken.

So klingt halt eine raue Teenager-Platte, wenn man sie erst Jahre später aufnimmt. Die Wut und Verzweiflung der Kindheit und Jugend in der Vorstadt ist einer leichten Melancholie und Selbstreflexion gewichen. Eine Dankbarkeit für das Hier und Jetzt hat sich bei Butler entwickelt. Aber auch eine gewisse Wehmut, welche die Platte durchweht. Diese geschlossene Grundstimmung macht sich durchaus breit. Und während sich die ersten beiden Alben eher mit Themen wie dem, Tod, Veränglichkeit oder der Situation unserer Welt beschäftigten, ist „The Suburbs“ eher ein persönliches Werk geworden, dass von ersten Fahrversuchen in der Nachbarschaft oder Fernsehnachmittagen mit Freunen handelt. Diese Themen und Motive ziehen sich durch alle Songs. Jeder, der seine Kindheit und Jugend in ähnlichen Umständen verbracht hat und mit etwas Distanz und, na ja, sagen wir mal, Altersweisheit, auf diese Zeit zurückblickt, wird Butler und seinen Mannen bei jedem Ton und jeder Silbe zustimmen können. Und deshalb kann und will ich auch nichts anderes machen, als dieses Album über den großen Klee zu loben. Man könnte maximal noch bemängeln, dass 16 Songs vielleicht etwas zu viel des Guten sind, aber angesichts der Tatsache, dass diese Songs sich alle auch auf einem entsprechend hohem Niveau befinden, ist das wirklich ein irrelevantes Argument. Alle, die Arcade Fire bisher liebten, werden es weiterhin tun, alle Zweifler werden vermutlich auch bald Stück für Stück überzeugt. Ich weiß mittlerweile wirklich gar nicht mehr, wie die das noch toppen wollen. Geht eigentlich gar nicht. Aber ich lass mich sehr gern eines Besseren belehren.

Hier klicken für Album-Stream von "The Suburbs"

Mittwoch, 21. Juli 2010

Kurz und Bünding


In der Kürze liegt bekanntlich die Würze. Es wird mal wieder Zeit, dass ich mich hier einigen Platten kurz widme, welche in den letzten Wochen auf dem Musikmarkt aufgetaucht sind und für die hier angesichts der Sommerhitze und einiger anderer Verpflichtungen einfach kein Platz für eine längere Besprechung war. Aber niemand soll vergessen werden, so auch die hier.

Kent – En Plats I Solen

Das ist sicher die Überraschungsplatte des letzten Monats. Eigentlich steuerten die schwedischen Rocker ja bereits auf die Pause zu, nachdem sie ihr erst im November 2009 erschienenes Album „Röd“ ausgiebig beworben und betourt haben. Natürlich nur in Skandinavien. Wär ja auch noch schöner, wenn man die weltweite Fanbasis mal bedienen würde. Doch dann wurde quasi aus dem Nichts ein Album angekündigt, welches man bereits im Frühjahr aufgenommen hat. Es heißt übersetzt „Ein Platz in der Sonne“, zeigt einen romantischen Sonnenuntergangsstrandspaziergang auf dem Cover und klingt auch sonst wieder etwas heiterer, nachdem die letzten Alben etwas düster ausgefallen waren. Auch ist Produzent Stefan Boman wieder dabei, welcher schon für den Band-Meilenstein „Du Och Jag Döden“ verantwortlich war. Er gibt dem Album ein paar Streicher mehr, um das sonnige Gemüt zu untermalen. Ansonsten ändert sich nicht sonderlich viel im Hause Kent. Bei einem Album, welches nicht einmal ein Jahr nach dem letzten erscheint, drängt sich der Vorwurf „Resteverwertung“ natürlich auf und den muss man auch nicht abstreiten. Neben einigen wirklich schönen Songs, wirken einige Tracks auch wie lieblose Versatzstücke auf B-Seiten-Niveau. Aber das ist noch verträglich. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass Kent erneut nicht von ihrem Hang zu glatt gebügelten Formatradiopop wegkommen, selbst wenn’s nicht mehr ganz so schlimm nach Depeche-Mode-Coverband klingt, wie auf „Röd“. An sich nicht schlimm, wenn da nicht die übergroße Vergangenheit und einstige Glanztaten wären, bei dem die Band genau dann funktionierte, wenn sie eben nicht diesen vorhersehbaren Klischees entsprach. Ein solides Popalbum ist „En Plats I Solen“ aber allemal und ich find’s sogar besser als den Vorgänger. Nicht nur aufgrund des Namens mehr Licht als Schatten.

Album bei last.fm anhören

Delorean – Subiza

Also wenn sich eine Band schon nach der legendären Zeitmaschine aus „Zurück in die Zukunft“ benennt, dann müssen da schon ziemliche Super-Nerds am Werk sein. Sind sie auch… Delorean kommen zur Abwechslung mal aus Spanien, statt aus New York oder London, können es aber locker mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen. Das Rezept: grenzenlos optimistischer und heller Retro-Dance-Pop, der gleichzeitig Indie ist, aber auch voll gepackt mit Versatzstücken aus der Zeit, als Drumcomputer, Flächensynthies und fette Früh-90er-House-Pianos noch salonfähig waren. Und habe ich schon die gepitchten Vocals erwähnt? Aber hallo! Delorean macht Musik, die einen, wenn man wie ich in den frühen 90ern Kind war, permanent nostalgisch stimmt, weil man immer wieder einige Elemente heraushört. Dazu kommen astreine Popsongs, wie „Stay Close“, „Glow“ oder „Endless Sunset“. Das alles ist natürlich gleichzeitig hochgradig tanzbar, wie hymnenhaft und erinnert dabei am Ehesten an den Sound der amerikanischen Kollegen von Passion Pit. Delorean sind hier allerdings mit ihren Anleihen im Dance-Sound der späten 80er und frühen 90er wesentlich konsequenter und eindeutiger, was jemanden wie mich natürlich freut. Das sehr gute Songwriting bewahrt die Band dann glücklicherweise davor in irgendeiner Trash-Falle zu landen, zumal das hier glücklicherweise immer noch viel mehr mit Phoenix, als mit Mr. President zu tun hat. Dies sei mal gesagt. Ansonsten ist das Debüt „Subiza“ auch abseits aller nostalgischen Gefühle eines der bisher frischesten, kurzweiligsten und feinsten Popalben dieses Jahres. Es verbreitet auf angenehm unaufdringliche Art und Weise tolle Laune und sollte ab jetzt der ideale Soundtrack für jeden schönen Sommertag sein. Doc Brown würde mir zustimmen!

Delorean @ MySpace

Best Coast – Crazy For You

Streng genommen erscheint das Debütalbum des kalifornischen Indie-Duos Best Coast offiziell erst nächste Woche in Deutschland, aber wen interessiert das mittlerweile im World Wide Web eigentlich noch. Kaufen sollte man sich das aber trotzdem, ich werde das auf jeden Fall machen. Ganz stark im Kommen sind die Beiden sowieso, besonders Frontfrau Bethany Cosentino, die gern mal als neues Szene-Sternchen aufgezogen wird. Mitmusiker Bobb Bruno hat da nicht nur optisch das Nachsehen, stellt sich aber gern in den Hintergrund. Nach diversen EPs und Tracks nun also das Debüt „Crazy For You“. Darauf gibt es zwei Handvoll Songs, die sich genretechnisch irgendwo in den Bereichen Indie-Rock, Lo-Fi oder gern auch mal Surf-Pop einordnen. Gerade letzteres Subgenre wurde durch Hipster-Acts wie die Drums zwar zuletzt etwas schief gelegen, aber hier kommt ein echtes Original. Die Musik kann durchaus als authentisch cool durchgehen, die Gitarren schrammeln relativ unsauber daher, Mrs. Cosentino singt ein paar nette Songs mit naiven Mädchenthemen (der Sommer, Jungs, Gudde Laune!) vor sich hin und dazu jede Menge Harmoniegesang und auch sonst ein Vibe, der am ehesten als „sommerlich“ eingestuft werden kann. Warum auch nicht. Das Prinzip reizt sich zwar auf Albumlänge relativ schnell aus, aber dafür überzeugt das Debüt mit einem schönen Gesamtklang, sprich: die Stimmung stimmt! Genauso wie man sich einen chilligen Tag im heißen kalifonischen Sommer vorstellt, so klingt „Crazy For You“. Irgendwie sympathisch, etwas unbeholfen, aber dabei doch ziemlich cool. Und einen erhöhten Pop-Appeal mag ich hier auch nicht absprechen. Also ehrlich gesagt: ich bin ziemlich anfällig für solche Musik, das hatte man letztes Jahr auch beim Album der „Girls“ gesehen. Best Coast sind vielleicht nicht mehr als eine kühle Hype-Brise in einem heißen Sommer, aber ist es nicht genau dass, wonach man sich an solchen Tagen sehnt?

Album-Stream zu "Crazy For You"

Robyn – Body Talk, Part I

Wie ein Phoenix aus der Mainstream-Asche. Seitdem die schwedische Pop-Blondine seit einigen Jahren ihren eigenen Weg abseits ihrer Vergangenheit geht, sind neben den Käufern auch die Kritiker auf ihrer Seite. Nachdem das selbstbetitelte Erfolgsalbum nun schon eine Weile her ist, hat die neue Queen Of Pop (wenn man den Kritikern glauben darf) nun 2010 den waghalsigen Plan aufgestellt, drei Alben in einem Jahr zu veröffentlichen. Das schafft Aufmerksamkeit und natürlich ordentlich Geld in der Portokasse. Inwieweit man diesen Weg mitgeht, sollte jeder für sich selbst entscheiden, immerhin beinhaltet der erste Teil der „Body Talk“-Reihe gerade mal acht Tracks, die aber recht ordentlich dort weitermachen, wo Robyn zuletzt aufgehört hatte. Die Songs bieten wieder ein erstaunliches Spektrum, irgendwo zwischen Pop, Elektronik und auch Hip Hop. Alles natürlich astrein auf den Punkt gebracht und vor allem produziert, so wie Hochglanzpop halt sein sollte. Und gerade wenn man denkt, die Platte erstickt in elektronischen Produzentenspielereien (Röyksopp sind u.a. mit dabei), serviert uns die gute Dame ein akustisches „Hang With Me“, sowie ganz am Ende mit „Jag Vet en Dejlig Rosa“ sogar ein traditionelles schwedisches Schlaflied. Was will man da noch dagegen sagen? Robyn macht ihr Ding sehr gut, die Maschine läuft kalkuliert und produziert eifrig eingängige und gleichzeitig hippe Popsongs, wie sie die Künstlerin beabsichtigt hat. Qualitativ sicher Kommerzpop von der besseren Sorte. Wenn die Hit-Quote auf den Parts 2 und 3 genauso hoch sein wird, dann sollte Lady Gaga demnächst sicher mal nachlegen. Und wer war eigentlich diese Madonna?

Album-Stream bei "Soundcloud"

Stars – The Five Ghosts

Es ist immer ein wenig wie Nachhausekommen, wenn die Stars aus Kanada wieder neue Musik veröffentlichen. Es sind diese wunderbaren Songs, die schönen Geschichten und das gesangliche Doppelspiel der beiden Frontprotagonisten Torquil Campell und Amy Milan, die mich seit über einer halben Dekade nun schon begeistern. Das neue Studioalbum „The Five Ghosts“ ist da nicht anders. Allein wenn die beiden zu ruhigen Gitarrenklängen im Opener „Dead Hearts“ wieder ihren Dialog beginnen und von Geistern aus der Vergangenheit berichten, dann ist es dieses Gefühl von Sicherheit, gerade in Milans Stimme. Das wäre aber nur halb so gut, wenn die Songs nicht voller Gefühl, Größe und wunderbarer Melodien wären. Wie die Band das nach dem opulenten „In Our Bedroom After The War“ von 2007 noch steigern wollte, war mir ein Rätsel, doch die Antwort ist so simpel, wie logisch zugleich: einfach auf dem gleichen hohen Niveau weitermachen und ein Album abliefern, welches dem Vorgänger ebenbürtig ist. Powerpopsongs wie „Wasted Daylight“, „Fixed“ oder „How Much More“ sind der Grund warum, man die Band liebt, genauso wie die Balladen „Changes“ oder „Winter Bones“. Nachdem sich der Vorgänger etwas organischer und orchestraler gab, wird es auf „The Five Ghosts“ etwas elektronischer, als zuvor. Allerdings relativ dezent, muss man sagen. Ein wenig erinnert das vom Sound her sogar wieder an das 2003er Album „Heart“, nur halt mittlerweile auf einem produktionstechnisch viel hochwertigeren Level. Die Melodien und die Musik stimmen wieder und auch die Geschichten bleiben spannend. Es geht natürlich wieder um die großen Gefühle Tod, Verlust und Liebe… und jede Menge Geistergeschichten, passt ja zum Album. „The Five Ghosts“ gehört schon jetzt zu meinen zehn Lieblingsalben des Jahres, auch wenn noch die Hälfte vor uns liegt. Die Stars bleiben ein Qualitätsgarant für wunderschönen Indie-Pop, der keine Scheu vor großen Gefühlen hat. Da macht ihnen in dieser Abteilung fast niemand etwas vor. Hoffentlich auch in Zukunft.

Album-Stream zu "The Five Ghosts"

Montag, 12. Juli 2010

Introducing: Kisses


Was'n Hoch! Deutschland ächzt unter der Hitze! Fragen sie mal die Deutsche Bahn und deren Fahrgäste. Mehr Sommer geht eigentlich gar nicht. Für alle, die noch auf der Suche nach einem sommerlich leichten Soundtrack für die Jahrhunderthitze sind und dabei keine Angst vor gutem alten Pop sind, dem sei das kalifonische Pop-Duo Kisses ans Herz gelegt. Und so wie sie heißt, klingt sie auch... wie eine einzige, sommerliche Party im Club Tropicana, irgendwann zu der Zeit in den 80ern als auch Wham! dort haussiert haben. Bereits seit einiger Zeit gestern Tracks wie "Bermuda" und die neue Single "People Can Do The Most Amazing Things" durch die Blogs dieser Welt und langsam wird eine immer größere Scharr Menschen auf Jesse und Zinzi, wie sich die beiden laut Homepage nennen aufmerksam.

Das Rezept passt dabei hervorragend zur aktuellen Wetterlage, auch in der Musikszene. Jede Menge 80er-Pop, aber dabei auf so locker leichte Art und Weise verpackt und mit Jesse's melancholischer Stimme veredelt, dass man davon gern mal eine Portion mehr nehmen kann, ohne sich gleich zu übersüßen. Selten klang der Versuch, nach der guten alten Zeit zu klingen, dabei so lockerleicht, wie in diesem Fall. Mit jedem neuen, wunderbaren kleinen Poplied dürfte der Hype somit nicht kleiner werden. Wenn die Qualität so bleibt, dann freue zumindest ich mich schon auf mehr. Gern auch im Herbst.

Download - "Kisses" [mp3]

Download - "Bermuda" [mp3]

Sonntag, 11. Juli 2010

Noise And Kisses

Cover

M.I.A. hat ein neues Album gemacht. Wer das nicht mitbekommen hat, lebt mutmaßlich außerhalb der Medienwelt. Egal ob Musikexpress, Zeit oder Spiegel, alle reden von dem neuen Werk. Und loben es. Dafür, dass hier Politik so unwiderstehlich in ein ansprechenden Musikkontext gebracht wurde. Doch auch für texttaube Menschen wie den nobono-Rezensenten, kann das Album Maya (bzw. darf man es wohl auch /\/\/\y/\ schreiben) ein schöner Zeitvertreib sein.

 

Denn hier bekommt man mal recht ernsthaft den Kopf gewaschen. Schon die Vorabsingle Born Free, ließ einen schon erstmal ob des recht heftigen Sounds schlucken. Das ist Punk, das Avantgarde, das ist eine ernsthafte Alternative. Noch heftiger geraten dann noch Meds And Feds mit seinen sehr ordentlichen Zerrgitarren-Sample und dem heftig stampfenden Beat. Einladung zum Headbangen! Doch auch Steppin’ Up mit seinem schönen Bohrmaschinen-Sound ist nicht von schlechten Eltern und rüttelt mal ernsthaft an den Nerven. Am effektivsten ist diesbezüglich aber fraglos Teqkilla das sich mit stolz geschwellter Brust, den “Gestörtester Song im Mainstream”-Orden ans Revers heften kann. Was passiert neben Kopfspalter-Klängen und Beatprügeleien? Miss Arulpragasam rappt recht entspannt vor sich hin, was das Alles so herrlich ambivalent wirken lässt und doppelt dringlich. Aber nicht zähnefletschend aggressiv, sondern es macht richtig Spaß der Britin beim Zerlegen der Stereoanlage zuzuhören. Und Popper, aufgepasst! Auch wenn sich der Klang weit außerhalb von dem befindet, was man sonst dem Radio entnehmen kann, werden einem hier dennoch mit traumwandlerischer Sicherheit Ohrwürmer in die Gehörgänge gesetzt. “Shot of teqkilla in me” skandiert man noch den ganzen Tag vor sich hin, genauso wie den Schlachtruf “I was booooorn free!”.
Doch dann sind ja auch noch die andere Hälfte Lieder, die einen wiederum ganz lieblich umschmeicheln. Story To Be Told groovt beispielsweise wunderbar träumerisch vor sich hin, Tell Me Why versucht sogar den Popmoment mittels eines sehr catchy Refrain mit der Brechstange zu erzeugen, genauso wie die herrliche erste Single XXXO. Und vor allem die liebliche Reggae-Abfahrt It Takes A Muscle hätte ich auch in der “Sommerloch”-Rubrik einbinden können. Da droht keine Gefahr und man wird regelrecht eingelullt. Auch das abschließende Space klingt schließlich zutraulicher, als es die latent abgedrehte Vorabversion There’s Space For Ol Dat I See angedroht hat.
Natürlich ist Voraussetzung, dass man ein offenes Ohr besitzt, sowohl für die Noise-Daumenschrauben als auch für die Pop-Küsse. Dann allerdings breitet sich vor einem das spannendste Album des bisherigen Jahres aus, das – vermute ich zumindest – eine recht lange Halbwertszeit haben dürfte, wenn man denn erstmal angefixt ist. Denn neben dem Offensichtlichen, was einem von der ersten Sekunde an entgegen schreit – egal ob Pop oder Krawall – ist natürlich festzustellen, dass hier sehr feine, pulsierende HipHop / Dancehall-Stücke entsponnen wurden.
So weit zum Musikalischen. Vermutlich kann man sich jetzt noch seitenlang über die textliche Sprengkraft von Maya auslassen. Aber da mich das – wie erwähnt – nicht so wahnsinnig interessiert, überlasse ich das gerne den Kollegen oder man muss sich halt in den gängigen Politik-Wochenmagazinen darüber informieren.

Maya erschien am Freitag, dem 09.Juli.

Hörbeispiel: Teqkilla

M.I.A. - Teqkilla found on Hip-Hop

Donnerstag, 24. Juni 2010

Befreiungsschlag

Von Eierschaukeln hält dieser Mann nichts... Bloc-Party-Frontmann Kele Okereke nutzt die Bandpause, um mal eben sein Solodebüt zu veröffentlichen. Nicht die schlechteste Option zum Zeittotschlagen...

Power ist gut, Power macht stark! Aber leider auch nur zeitgleich begrenzt, denn irgendwann ist halt mal die Luft raus. Und so sehr Bloc Party aus London die Musikwelt in den letzten fünf Jahren mit ihrem energiegeladenen und zu Experimenten neigenden Indierock begeistert haben, jetzt ist Zeit für eine Zwangspause. Zuletzt wirkte die Band nach jahrelangem Touren und Aufnehmen (3 Alben in 4 Jahren, dazu einige Extra-Singles) wahrlich ausgepowert und da gönne selbst ich meiner Lieblingsband mal etwas Zeit zum Durchatmen. Nun ja, falls die Zeit brauchen. Während Schlagzeuger Matt gerade nichts macht und sich Gordon und Russell in anderen Bands etwas dazu verdienen, konnte Frontmann Kele Okereke einfach nicht kreativ still sitzen und musste gleich wieder arbeiten. Ein Schuldiger für das Arbeitspensum der letzten Jahre scheint also gefunden zu sein, denn ursprünglich hätte „The Boxer“ auch ein Bloc Party- Album werden sollen. Da der Rest aber nicht wollte, wurde Kele nun buchstäblich zum Einzelkämpfer. Zusammen mit einigen Stunden im Fintesscenter und einem neuen Sound präsentiert sich der gute Mann nun als gut gewappnet für das Solodebüt.

Doch Kele bleibt auch solo glücklicherweise immer noch Kele. Nachdem Ende 2009 durchgesickert ist, das Mr. Okereke zusammen mit Spank-Rock-Produzent XXXChange ein Album produziert, hatte man schon Befürchtungen, jetzt macht er einen auf Dizzee Rascal und würde die Rap-Ansätze des letzten BP-Albums „Intimacy“ weiter verfolgen. So kommt es dann doch nicht, dennoch kündigte sich bereits auf dem letzten Album der Hauptband an, dass die elektronische Färbung spätestens auf dem Soloalbum nicht mehr zu übersehen sein würde. So ist es denn auch gekommen und „The Boxer“ ist eine konsequente, elektronische Weiterentwicklung von Kele Okereke geworden. Zehn Elektro-Pop-Songs, die wie eine Frischzellenkur wirken und Keles bereits seit Jahren stets wachsende Faszination für urbane Clubmusik wieder spiegeln. Bereits der stampfende Opener „Walk Tall“ gibt die Richtung vor. Kele bläst zum Elektromarsch, die Beats trommeln, die Bassläufe knarzen. Gleich im Anschluss wird’s dann mit „On The Lam“ etwas housiger und Kele pitcht seine Stimme kurzerhand mal etwas nach oben, was dem Song etwas durchaus exotisches gibt. Die Single „Tenderoni“, ein stampfendes Rip-Off von Wiley’s „Wearing My Rolex“ macht dann alles sicher. Wer jetzt allerdings nach dem druckvollen Beginn ein reines Clubalbum erwartet, der unterschätzt Okereke. Es werden auch ruhigere Töne angeschlagen, bspw. in „New Rules“ oder „All The Things I Could Never Say“. Und mit poppig eingängigen Nummern, wie „The Other Side“ oder „Everything You Wanted“ wird dann deutlich, dass man Kele einfach nicht losgelöst vom Bloc-Party-Kontext sehen kann. Muss man auch nicht. Eine seiner größten Stärken übernimmt Kele nämlich auch auf der Soloplatte und das ist sein exzellentes Songwriting. Großes Posen und hohle Gesten braucht man nicht erwarten, Okereke bleibt auch weiterhin der intelligente Beobachter seiner urbanen Umwelt und schreibt tolle Songs über Ängste, Zweifel, Verlust, aber auch Hoffnung. Man nehme nur den finalen Song „Yesterday’s Gone“ bei dem Kele schließlich das Fenster nach all der Dunkelheit öffnet und etwas Optimismus in den Raum lässt.

So unterscheidet sich „The Boxer“ gar nicht mal so sehr von dem, was Bloc Party ausmachte. Auch solo pflegt Kele seine Experimentierfreudigkeit und den Mut, etwas Abwechslung innerhalb des Pop-Kontextes zu wagen. So packt er intelligente Songs in ein elektronisch tanzbares Outfit und spielt ein wenig mit den Erwartungen des Publikums. Die liegen natürlich etwas tiefer, als bei der Hauptband, das gebe ich gern zu. Dieses gewisse „Etwas“, welches Bloc Party ausmacht, wird auch zu keinem Zeitpunkt erreicht, was aber auch kein Problem ist, denn nachweislich geht es hier halt nicht um das Quartett, sondern um dessen Kopf. Und der meistert sein Solodebüt ganz ordentlich. „The Boxer“ ist kein Meisterwerk und hat mit Songs wie „The Other Side“ oder „Rise“ auch einige Schwachstellen und wirkt gelegentlich etwas eigensinnig produziert, ist aber ansonsten ein recht kurzweiliges, grooviges Pop-Album geworden. Der Befreiungsschlag ist geglückt und Kele Okereke zeigt, dass er noch jede Menge Ideen und Energie für die Zukunft hat. Den Mann sollte man im Auge behalten. Und irgendwann haben seine Bandkollegen sicher auch die Nase voll vom Urlaub.





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