Plattenteller

Sonntag, 20. Juni 2010

Kurz und Bündig

Pünktlich zur Sommersonnenwende und dem längsten Tag morgen meldet sich Nobono kurz aus der Sommerloch-Starre zurück. Es ist aber auch viel zu tun momentan. WM, Prüfungen, Eierschaukeln… deshalb sei die Lethargie dieser Seite mal eben zu verzeihen. Die Musikindustrie macht hingegen wenig Pause, so dass in diesem Zeitraum natürlich auch neue Platten erscheinen. Deshalb jetzt eine kurze und knappe Beurteilung von fünf aktuellen Alben inklusive Links zu höchst offiziellen Album-Streams, damit sich jeder gleich selber ein Bild machen kann.



The Drums – The Drums

Egal, als was man sie nun sieht, ob als sympathische Surfboys oder unnötig gehypte Stylo-Boyband, die sich selbst viel zu wichtig nimmt… Fakt ist, man kommt um die Drums ja gar nicht drum rum, wenn man sich aktuelle Neuerscheinungen anschaut. Nach der feinen Debüt-EP „Summertime!“ aus dem Vorjahr und diversen sehr guten Singles war die Erwatungshaltung hoch… auch bei mir selber. Nun ist es also endlich da, das Debüt von dem man Großes erwartet. Erfüllen kann es diese Erwartungen natürlich nicht, aber unterhalten tut es blendend. Ein sommerlich leichtes Retro-Wave-Album ist es geworden, das neben den viel beschworenen Beach-Boys-Anleihen auch im britischen Indiepop der 80er Jahre herumwühlt. Aber immer schön alles auf alt getrimmt, weshalb Tracks wie „Me And The Moon“ oder „Best Friend“ wirklich klingen, als seien sie 1987 aufgenommen. Wenn man schon ein Bild kreiert, dann muss das halt auch bis zum Ende durchgehalten werden. Das schaffen die Drums locker. Auf der Pro-Seite stehen 12 sehr eingängige und sympathisch-lockere Indie-Pop-Songs, die auf jeden Fall gesteigerte Aufmerksamkeit erzeugen. Die Contra-Seite sind natürlich die belanglosen Texte, welche aber aufgrund ihrer Einfachheit ein wenig zum Bandimage gehören. Außerdem ist das ja alles nicht wirklich neu, sondern mit auf erschreckender Dringlichkeit auf „alt“ gebürstet, dass das stellenweise echt nerven kann. Aber besser gut geklaut, als schlecht selber gemacht. Ein Streitfall bleiben die Drums auf jeden Fall noch. Ein sehr kurzweiliges, spaßiges Debüt, von dem sich zeigen wird, ob es diesen Sommer überdauern kann oder nicht.

The Drums - Album-Stream

Trentemøller – Into The Great Wide Yonder

Weiter vom Sommer entfernt als dieser Mann kann man gar nicht sein. Hier ist der Name wirklich Programm und ja, ich werde dieses Wortspiel jetzt machen, liebe linguistische Schöngeister: Die Musik von Anders Trentemøller ist in der Tat anders. Das kündigte sich ja bereits auf dem 2006er-Debüt „The Last Resort“ ein, auf welchem der Däne eher traditionellen Techno und Minimal mit einem düsteren Nährboden fütterte und so eine ganz eigene Klangwelt erzeugte, welche mehr nach düsterem Nebelwald, als nach Disconebel klang. Diese Reise geht Trentemøller nun auf dem Zweitwerk konsequent weiter und verabschiedet sich auf „Into The Great Wide Yonder“ fast vollständig vom Club, sondern wagt sich in die hoffnungslose Dunkelheit. Wer sich die von ihm compilierte „Habour Boat Trips“-CD aus dem Vorjahr mal angehört hat, weiß, dass Anders seine Wurzeln weniger im Techno als vielmehr im Wave der 80er, sowie in melancholischen Folk-Balladen sieht. Und dieser kalte, düstere Grundton durchweht alle 10 Tracks dieses Albums. Tanzbar ist da eigentlich nichts mehr, stattdessen kreiert Trentemøller mit elektronischen Effekten und einer omnipräsenten Gitarre düstere Klanglandschaften voller Kälte und Melancholie, aber doch mit einer gewissen Reichhaltigkeit. Traurige Violinen, blubbernde Grooves, verzweifelte Gitarren, dazu atmosphärische Gastsänger… „Into The Great Wide Yonder“ wirkt wesentlich organischer und geschlossener als der Vorgänger, spielt in einer ganz eigenen Liga und ist bereits jetzt eines der interessantesten Alben dieses Jahres.

Trentemøller - Album-Stream

Uffie – Sex Dreams And Denim Jeans

Unverhofft kommt oft. Irgendwie hat Uffie das Timing verpasst. Vor ca. 3 Jahren, als der Hype um New Rave, Justice, Ed Banger und Co. überall zu lesen war wurde sie zu Busy P’s Vorzeige-Muse, wurde überall geknipst, mit möglich wenigen Klamotten wohlgemerkt. Und irgendwie nahm sie dann auch noch ein paar Tracks mit der Ed Panger Posse auf. Unter anderem dem damaligen Love Interest Feadz. Und alle haben auf das Debüt gewartet, aber es kam nicht. Irgendwie ist Uffie dann versackt, zu viel Kokain, zu viel Party, zu viel Schall und Rauch. Mit Feadz ist Schluss, zwischendurch hat sie geheiratet, sich scheiden lassen und ich glaube sogar ein Kind bekommen. Jetzt wo der Hype längst vorbei ist und die unsägliche Ke$ha aus dem Uffie-Prinzip eine Kurzzeitkarriere kreiert hat, muss wohl irgendeine Koks-Nase bei Ed Banger gemerkt haben, dass man da was verpennt hat. Und so kommt jetzt tatsächlich noch ein Uffie-Debüt-Album. Die Leute hinter der jungen Dame bleiben gleich. Mr. Oizo, Sebastian oder auch Mirvais zaubern feinsten Beat-Shit, der sich auch ein paar Jahre nach dem Hype noch hören lassen kann. Darüber hinaus krankt Uffie eigentlich an dem gleichen Problem, an dem sie schon vor drei Jahren krankte und was auch an Ke$ha so nervt… ihr einziges Erzählthema ist sie selber. Und spätestens nach fünf Tracks hat man die Nase voll von den ewiggleichen Poser-Sprüchen über Partys, MC-Skills, Sexualität und diverse Statussymbole, alles schön mit Auto Tune gepimpt. So toll ist das angebliche tolle Leben von Uffie nämlich gar nicht. Vielleicht bin ich auch zu alt und zu männlich um mich damit identifizieren zu können. „Sex Dreams And Denim Jeans“ ist ein furchtbar belangloses Album, welches so viel sein will, aber doch so wenig zu sagen hat. Irgendwann ist die Party halt auch vorbei, junge Dame.

Uffie - Album-Stream @ laut.de

Tokyo Police Club – Champ

Ab und an gibt es ja immer mal so Alben, die einen wirklich überraschen und die man immer wieder gern hört. Irgendwie kam das 2008er Debüt „Elephant Shell“ der Kanadier von Tokyo Police Club damals aus dem Nichts und hat mich sofort gepackt. 10 Instant-Hits in gerade mal einer halben Stunde. Die Halbwertszeit von „In A Cave“ oder „Your English Is Good“ hält übrigens auch noch zwei Jahre später an, zu unwiderstehlich schreien diese flotten Indie-Rock-Songs nach Jugend und Sommer. Die herrliche Unbeschwertheit legen solche Bands dann aber meist auf dem Nachfolgealbum ab. Ist halt so im Leben. Man wird älter und die Sommer verlieren mit dem Ende der Adoleszenz irgendwie auch immer mehr ihren Reiz. Nun ist der Nachfolger „Champ“ da, auf dem Tokyo Police Club eigentlich nichts anders machen, als auf dem Debüt. Die Laufzeit bewegt sich immer noch um die 30 Minuten und die Songs handeln immer noch von ihren Alltagsthemen. Liebe und so. … Und man hat sich auch die jugendliche Frische bewahrt, allerdings krankt „Champ“ ein wenig am Debüt der Band. Das lässt sich in der Form natürlich nicht mehr wiederholen. Die Platte ist immer noch recht gut und weist einiger ordentliche Kracher auf, zündet aber nicht mehr so direkt und einprägsam, wie Album Nummer Eins. Oder liegt das jetzt daran, dass ich nun auch zwei Jahre älter bin? Ich weiß es nicht. Eine gute Platte, der ich mich in den nächsten Wochen sicher noch etwas widmen werde, um sie vielleicht besser zu erschließen. Fans des Debüts, sowie von kurzweiligem Indie-Rock sei das Werk trotzdem ans Herz gelegt.

Tokyo Police Club - Stream @ MySpace

The National – High Violet

Es gibt so eine handvoll Bands und Künstler, mit denen man sich ja als Musikfan beschäftigen sollte, aber die einem immer irgendwie durch die Lappen gehen, weil man dann doch was anderes hört. Ich sollte bspw. mal anfangen Radiohead zu verstehen… oder Velvet Underground. Und Bowie hör ich sowieso zu wenig. The National sind auch so eine Band, welche die ganze Welt gut findet, aber die ich bisher trotz Interesse immer ein wenig vernachlässigt habe. Aber jetzt muss ja mal endlich der Zeitpunkt dazu sein, immerhin ist das neue Album „High Violet“ sogar in die deutschen Album Top Ten eingestiegen. Und natürlich sagen alle, dass man National vom ersten Moment an lieben wird, wenn man sie hört. Bla bla halt. Aber es ist so, Leute. Ich gebe mich geschlagen angesichts dieser wunderbaren Scheibe. Und vor allem die Stimme von Matt Berninger, dessen tiefer Bariton einen immer tiefer in die Welt dieses melancholischen Indie-Rocks zieht. Lange kein so schönes melancholisches Album gehört, wie die neue Scheibe der Männer aus Ohio. Traurige Post-Punk-Gitarren, schwere Moll-Pianos oder schöne Streicher… und immer wieder diese Stimme. „High Violet“ ist von vorn bis hinten gelungen. Ein toller Grundton, der zwar wenig sommerliche Atmosphäre verbreitet, aber wer braucht die schon dauerhaft. Bereits nach ein paar Hördurchgängen ein ziemlicher Hit, der sicher auch in den nächsten Wochen noch wachsen wird und in der Jahresabschlussliste recht weit vorn landen wird. Und dabei ist das gerade erst der Anfang. Alle anderen, die wie ich eine Weile gebraucht haben, um das zu verstehen, sind herzlich eingeladen, diese Band jetzt auch zu entdecken. Bowie, you’re next!

The National - Album-Stream @ NY Times

Mittwoch, 9. Juni 2010

Husbands And Wives

Cover

Anfang des Monats hat unser aller Lieblings-Soundforscher Trent Reznor (entspricht Nine Inch Nails), gemeinsam mit seiner frisch geehelichten besseren Hälfte, sowie Produzenten-Veteran Atticus Ross die 6-Track-EP How To Destroy Angels auf den Markt geworfen und damit gleichzeitig diesem Projekt einem Namen gegeben.

Eine Frage bleibt: wer braucht’s? Zum ersten alle Nine Inch Nails-Fans. Vor allem diese, für die das wahnsinnige The Fragile das Highlight deren Diskographie darstellt. (Zu denen zählt sich übrigens auch der Autor hier, deswegen die nun folgenden ungebrochenen Lobeshymnen.) Denn all das, was The Fragile schlicht überwältigend gemacht hat, ist hier vertreten: die unfassbaren Soundspielereien, die aus allen Himmelsrichtungen herangeschneit kommen und dabei zwar auch leise, verhuschte, fragile (was sonst?) Momente erzeugen, allerdings sich nicht zu schade sind, gelegentlich auch mit der rostigen Säge die Atmosphäre zu schneiden (so ein Sound ist auch zu erwarten, wenn Atticus Ross seine Fingerchen im Spiel hat, siehe The Book Of Eli-Score). Die triphoppenden Beats. Die Flächen. Die dichte Atmosphäre. Der sich aus der Dunkelheit hervorschälende Popappeal. Und gerade der wurde mit How To Destroy Angels noch weiter potenziert. Natürlich liegt das daran, dass die zwar nicht sonderlich charakteristische, aber dennoch sehr hübsche Stimme von Reznors Gemahlin Mariqueen Maandig, schon von Grund auf etwas eingängiger klingt, als das verängstigt-mutlose oder knüppelhart-krakeelende Organ ihres Gatten und dadurch den Popfaktor in den Himmel schießen lässt. Und auch daran, dass die Lieder alle eine halbwegs radiofreundliche Länge aufweisen und in dieser Laufzeit auch dem Melodiegesang viel Platz einräumen. Herrlich. Eingängig. Wie eine fortgeschrittene Variante von Lamb, Phantogram oder frühen Massive Attack.
Dass die Lieder alle Güteklasse A aufweisen, ist ja klar. Aber für alle die mit den Kompositionen von Herrn Reznor nicht vertraut sind: auch ohne der Adelung durch Johnny Cash (wie bei Hurt) stellt man schnell fest, dass seine Stücke, mit feinstem Pinsel ausgearbeitete Kollagen sind, die von Nahem ebenso interessant sind, wie aus der Weite betrachtet. Also immer kompakt und komplex zugleich. Einige fantastische Hooklines zum Warmwerden und eine Detailfülle und arrangeske Dichte in die man sich verlieren kann. So auch auf dieser vorliegenden EP. Lediglich das latent nervige BBB trägt seine Güteklasse bereits im Titel.
Daher können wir also auf die Frage “Wer braucht’s” festhalten: Zum zweiten alle Interessenten an Popmusik, die zwar einen schwer elektronischen Einschlag hat, aber mit landläufigen Elektropop, weniger zu tun hat, sondern eher – sozusagen – sophisticated gestaltet ist.
Die How To Destroy Angels-EP lässt auf Großes für das fertige Album hoffen, wenn es dann irgendwann in mittlerer Zukunft erscheint. Die extended play ist als kostenloser Download verfügbar.

















Donnerstag, 3. Juni 2010

Zurück zum Wesentlichen

Besser kann man das Ende von Tiger Lou nicht verarbeiten, als mit diesem Album. Rasmus Kellerman steht nun auch ganz offiziell zu sich und seinem Namen und präsentiert ein tolles Soloalbum namens "The 24th"...

61OoA7mdY-2BL-_SL500_AA300_Kurzzeitig musste man schon Angst um den guten Mann haben. In den letzten 5 Jahren hatte Rasmus Kellerman sich mit seinen Kollegen zur Band Tiger Lou zusammengefunden und immer besser miteinander harmoniert und gespielt, so dass am Ende drei wunderbare Alben herausgekommen sind, von denen das Letzte, dass 2008er „A Partial Print“ den vorläufigen Höhepunkt darstellt. Mehr geht nicht mehr. 8minütige Rock/Pop-Kunstwerke gepresst in ein Gesamtkonzept, welches am Ende sogar Bandchef Kellerman selber über den Kopf zu wachsen schien. Die Luft war raus und die Frage machte sich breit, wie es denn jetzt weitergehen sollte. Erstmal gar nicht, Kellerman hatte das Gefühl mit Tiger Lou alles gesagt und gespielt zu haben, was machbar war. Tiger Lou ist tot, aber Rasmus Kellerman lebt. Mehr denn je! Glücklicherweise, denn beim Anhören des ersten Post-Tiger-Lou-Soloalbums wird deutlich, wie sehr uns dieser Mann nämlich gefehlt hätte.

Völlig überraschend und schneller als erwartet präsentiert uns der musikalische Schwede nun neues Material. Die Initialzündung war die Hochzeit seiner Schwester vergangenes Jahr, bei welcher Kellerman die Bühne erstmals seit einigen Jahren wieder Solo betrat und dort einen eigens geschriebenen Song, „Talk Of The Town“ performte. Ein Gefühl, welches Kellerman bei allem Banddasein, in den letzten Jahren anscheinend vermisst hat. Dabei hat ja früher mal alles so angefangen. Und so schließt sich der Kreis wieder am Ende und Kellerman besinnt sich jetzt, pünktlich zum dreißigsten Geburtstag wieder auf sich und seine alten Stärken. Ein Mann, eine Gitarre und dazu die wunderbare Kraft des Songwritings. Na gut, etwas mehr darf es dann doch sein, denn „The 24th“ ist am Ende kein reines Akustik-Album geworden, wie man vielleicht hätte erwarten können. Piano, E-Gitarren und Schlagzeug sind natürlich mit von der Partie. Das gibt dem ganzen einen nostalgischen Charme und erinnert an die Zeit zurück, als Kellerman noch unter dem Alias „Araki“ auftrat bzw. an die Zeiten des Tiger-Lou-Debüts „Is My Head Still On?“ Die Kunst liegt in der Reduktion und in den Songs, denen Kellerman diesmal einfach den meisten Platz einräumt… vor allen anderen Spielereien sind sie das wichtigste. Die Melodien, die Texte. Sie geben uns einen Einblick in den Seelenzustand des Schweden. Teils glücklich reflektierend, wie im Opener „The 24th“, teils auch etwas melancholisch philosophierend über das Älterwerden („The Greatness & Me“)… Aber auch Ungewissheit, wie im anschließenden „Five Years From Now“. Leichte Melancholie weht immer mit, wenn Kellerman zur Gitarre greift. Seine Stimme ist nach wie vor markantes Zentrum der Songs, strahlt Wärme, Zerbrechlichkeit aber auch Sehnsucht aus. Ganz so, wie man es gewohnt ist. Kellerman ist dabei mit dem Debüt unter eigenem Namen ein ausgesprochen gutes und wunderschönes Album voller ehrlicher Musik geworden. Wunderbar einfache Gitarrenpopsongs mit starkem akustischen Einschlag und einem stetigen Hauch von nordischer Melancholie, passend sowohl für kalte Herbsttage, als auch für laue Sommerabende. Diese Abwendung vom überladenen Konstrukt „Tiger Lou“ macht Sinn. Nach der Trauer über den Split verbreitet „The 24th“ den nötigen Optimismus, denn es zeigt, dass Kellerman zurück ist und von seiner alten Stärke nach wie vor nichts verloren hat.

Kellerman präsentiert sich als ernstzunehmender und gereifter Songwriter, der trotz der neu gewonnen Selbstsicherheit immer noch ein Suchender in dieser Welt zu sein scheint. Und ein Zweifelnder bezüglich der guten, wie schlechten Sachen, die ihm widerfahren sind. Und da der reflektierende Mensch immer wieder auf der Suche nach etwas ist und dies ungern allein tut, ist dieser Mensch wie schon in den letzten Jahren auch 2010 wieder der passende Gefährte für melancholische Momente im Alltag des eigenen Lebens. Ganz großes Kino im kleinen Rahmen. Schon jetzt eines der besten Alben des Jahres.

DOWNLOAD - "Five Years From Now" [mp3]

Offizielle Homepage

Samstag, 29. Mai 2010

A Midsummer’s Day Dream

Cover

Nun will man den jungen Musikern nicht grundsätzlich einen Hang zum überbordernden Drogenkonsum unterstellen. Aber wer es schafft derart entrückte Musik zu produzieren, die repetitiv, hypnotisch und von vorn bis hinten mit Klang zugebombt ist, der muss sich auf jeden Fall derartigen Gerüchten stellen. The Depreciation Guild haben das Ganze dann auch noch völlig unverdächtig Spirit Youth genannt.

Mit diesem Album kann der Sommer kommen. Die faulen Nachmittage auf der Wiese. Man liegt da, von der Hitze ermüdet, vermeidet jede Regung. Im Hintergrund hört man Kinder toben, allerlei Insekt schwirrt durch die Luft. Alles ist friedlich. Man schaut in den Himmel, wie die zwei knallweißen Wolken ziehen und sich in Super-Slow-Motion transformieren, zerreißen, sich wieder zusammenfinden und entweder irgendwann auflösen oder hinterm Horizont verschwinden. Das Buch hat man zur Seite gelegt, weil man nicht mehr weiß, wie man sich zum Lesen positionieren soll. Ein sanfter Wind, der angenehm kühlend über die Haut weht, hat außerdem immer mit zarter Hand versucht die Seiten umzublättern. Man lässt ihn nun gewähren. Das Buch wird beiseite gelegt, man selbst nur noch auf dem Rücken. Und die Ohrstöpsel flüstern einem vorsichtig in Ohren. Minimal angezerrte Gitarren, durch alle Effektgeräte der Welt gejagt wurden, damit sie länger und dichter klingen. Ein Schlagzeug, dass scheinbar in einer Duschkabine steht und von dort aus unter den Gitarren herpoltert. Darüber einerseits die fragile Stimme von Kurt Feldman (sonst Drummer bei The Pains Of Being Pure At Heart) und anderseits, hübsche Orgeln, Synths, Chöre, Solo-Gitarren und so weiter. Obwohl alles vollgestopft ist bis zum Rand, wirkt diese Postrock-Variante nicht laut, sondern einfach nur butterweich, träumerisch. Wunderschön. Doch im Unterschied zum Rock von der Post, wird hier nicht lange instrumental rumgeschwelgt, sondern schöne Popsong vorgetragen. Dies zwar auch eher langsam und mit starker Kifferschwere in der Intonation, aber wer will bei der Hitze schon hetzen? Das Genre heißt doch Dream Pop, oder? Das ist Musik von Tagträumern für Tagträumer. Also: Keine Eile! Und so wird man von einem Song zum nächsten getragen, die vor einem vorbeiziehen wie diese Wolke am Himmel. Eigentlich passiert Nichts weiter, aber man hört genauso fasziniert zu, wie man zuschaut. Wenn man mal kurz nicht aufpasst, weil die Gedanken auch ins Wandern kommen, macht das keinen großen Unterschied, beides – die Wolke und die Musik entfleucht einem nicht so schnell. Man kann keine einzelnen Lieder unterscheiden, man kann nachher keine einzige Zeile mitsingen, man wurde nie überrascht, das Album fängt an, wie es aufhört. Trotzdem ist man geneigt, sich nach einem Durchgang, den nächsten gleich hintendran zu geben. Einfach zu schön das Ganze, zu passend. Zu friedlich. Wie dieser Sommertag.

Spirit Youth erschien am 28.05.2010.

Hörbeispiel: Dream About Me (vimeo)

The Depreciation Guild - "Dream About Me" from Jack Ferry on Vimeo.

Montag, 17. Mai 2010

Alles hat seine Zeit

Seit vergangener Woche gibt es ein Coveralbum von der US-Indierock-Legenden Nada Surf. Wie? Gar nicht mitbekommen? Macht nichts, denn viel verpasst man dabei auch nicht...

71t0I7vDGQL-_SL500_AA300_In seiner Bandvita hat das New Yorker Trio Nada Surf ja eigentlich schon vieles, was eine anständige Karriere im Musikbusiness fast schon automatisch mit sich bringt. Die klassischen Indie-Alben der 90er („High/Low“, „The Proximity Effect“), das große Meisterwerk, welche den Hörerradius merklich erweiterte („Let Go“) und die Messlatte so hoch setzte, dass die Nachfolger („The Weight Is A Gift“, „Lucky“) sich daran nur die Zähne ausbeißen konnten. Und jünger wird man ja mit Mitte 40 auch nicht mehr… was fehlt also neben einem spröden Alterswerk noch? Das obligatorische Coveralbum und das liefert uns die Band dieses Jahr mit „If I Had A Hi-Fi“ ab. Kein Mensch hat sie wirklich danach gefragt, aber danach fragen uns Nada Surf ja auch nicht. Album Nr. 6 ist eindeutig eine Herzens- und auch Spaßangelegenheit. Nada Surf betreiben die intensive Aufrechterhaltung der eigenen Adoleszenz und liefern dabei eine Platte mit viel Licht und Schatten ab.

Positiv anrechnen muss man es den Herren aber, dass die Auswahl der zu covernden Songs keinnen Marketingplan verfolgt, sondern letztendlich einen Querschnitt aus Lieblingssongs der Band darstellt, welche sie zum Zeitpunkt der Albumaufnahmen hatten. Das garantiert dann auch einige Überraschungen, hauptsächlich welche der unbekannteren Art und Weise. Sicher, „Enjoy The Silence“ von Depeche Mode mag man ja noch kennen, aber der Rest ist Glückssache und davon abhängig, inwieweit man in den Discographien von Kate Bush, Spoon oder den Go-Betweens bewandert ist. Ich bin es nicht und so bin ich auch weniger dazu geneigt, zu vergleichen, sondern mehr die Songs aus der Sicht der Herren Caws, Lorca und Elliot zu bewerten. Letztendlich kann man den Vorgang ganz kurz zusammenfassen: Nada Surf nehmen sich unterschiedlichste Songs, welche sie sie mögen und lassen sie so klingen, als wären sie ihre eigenen. Nicht mehr und nicht weniger ist „If I Had A Hi-Fi“… Das macht damit natürlich gleichermaßen viel richtig, wie falsch. Erneut verpassen Nada Surf die Chance, mal aus ihrem gewohnten Soundumfeld auszubrechen. Wo Nada Surf drauf steht, ist halt auch Nada Surf drin. Und es ist sicher mal lustig, bekanntere Songs, wie eben den großen Depeche-Mode-Klassiker mal im typischen Indie-Poprock-Gewand zu hören, aber auf kompletter Albumlänge machen sich halt wieder die alten Abnutzungserscheinungen bemerkbar, welche ich schon in meiner Rezension zu „Lucky“ kritisiert habe. Letztendlich machen Nada Surf seit gut 10 Jahren den stets gleichen Sound. Melodieverwöhnter US-Indierock mit der ewig jugendlich klingenden Butterschmelz-Stimme von Matthew Caws, sowie den dazugehörigen Backingvocals seiner Bandkollegen. Viel „Oooohhhs“ und „Aaaahs“, etwas Melancholie und dazu herrlich kurzweilige Texte aus Caws Feder. Letztere fehlen diesmal natürlich, was ein kleines, aber durchaus wichtiges Defizit darstellt, gerade wenn der Sound so austauschbar ist. Denn irgendwie beschleicht mich dieses Gefühl sehr häufig auf diesem Album. Nicht, das es schlecht ist oder so, wenngleich die Cover natürlich nicht an die Qualität eines Originalen Nada-Surf-Tracks herankommen… aber letztendlich ist bei Nada Surf irgendwie musikalisch schon alles ausgeschöpft wurden. Kleinere Ausflüchte aus dem Soundbild, wie bei „The Agony Of Lafitte“ oder dem feinen Kate-Bush-Cover „Love And Anger“ bleiben die Ausnahme. Oder auch der schöne Streicher-Zwischenteil im Moody-Blues-Cover „Question“. Aber irgendwie kommt es einem dennoch bekannt vor. Nichts gegen Kontinuität, liebe Nada Surf, aber es ist doch auch in Ordnung, mal irgendwie aus den gewohnten Soundschemata auszubrechen. Gerade bei einem Coveralbum hätten sich doch mal ein paar Möglichkeiten aufgetan.

Aber Nada Surf lassen wieder eine Chance verstreichen, etwas zu wagen. „If I Had A Hi-Fi“ recycelt erfolgreich alle Nada Surf Eigenarten der vergangenen Platten. Fast schon, als wollte man auf Krampf ein Gefühl aufrechterhalten, welches sich in dieser Form sowieso nicht mehr reproduzieren lässt. Dieses ewig gleiche Muster kann man als Band aber nur dauerhaft durchziehen, wenn man auch die Songs dazu im Gepäck hat. Und gerade auf diesem Coveralbum ist dies nicht der Fall. Es mag eine Herzensangelegenheit der Band gewesen sein, aber es sind halt alles keine weltbewegenden Songs auf dem Album. War ja auch nicht Ziel der Aktion und jemand, welcher die Band das erste Mal aktiv hört, mag sich daran auch nicht wirklich stören. Wenn man, wie ich, allerdings schon ein paar Jahre dabei ist, dann hinterlässt dies alles mittlerweile irgendwie einen faden Beigeschmack. Caws und Kollegen können sich nicht ewig etwas vormachen. Die Zeit steht halt leider nicht still, so bitter diese Erkenntnis auch ist. „If I Had A Hi-Fi“ reiht sich als kurzweiliges, aber irgendwie auf Dauer belangloses Coveralbum in meinen allgemeinen Interessenschwund an dieser Band ein. Vielleicht kann mich ein neues Nada-Surf-Album mit eigenen, stärkeren Songs und vielleicht endlich mal ein paar frischen Ideen wieder daran erinnern, warum diese Band einst vor Jahren mein Herz im Sturm eroberte. Aber gleichzeitig macht sich da auch eine gewisse Skepsis breit, ob ihnen das überhaupt noch mal gelingt. Also bleibt mir am Ende nur ein resignierendes Bandzitat: What can you do but go on?

DOWNLOAD - "Electrolution" (Bill Fox Cover)

Freitag, 14. Mai 2010

Trennungsängste

Seit heute steht das Drittwerk vom James Murphys LCD Soundsystem offiziell in den Verkaufsregalen. Der Mann, welche im vergangenen Jahrzehnt so unnachahmlich Disco und Punk mixte, macht auch hier nichts falsch. Allerdings bleibt ein fader Beigeschmack beim Durchhören...

41l8-b3-RxL-_SL500_AA300_Eigentlich wollte James Murphy nicht mehr. Der DFA-Labelchef und selbsternanntes Gehirn hiner dem LCD Soundsystem wollte sein Projekt eigentlich nach den ausgiebigen Touren zum 2007er „Sound Of Silver“ zu Grabe tragen und sich auf neue Dinge konzentrieren. Nötig hätte er es ja auch nicht mehr. Seit der Debütsingle „Losing My Edge“ aus dem Jahr 2002 gilt Murphy sowieso als Heilsbringer der New Yorker Dance-Szene, der es mit LCD, seinem Label und den darauf befindlichen Acts wie The Rapture geschaff hat, die verschiedenen Genres Punk, Indie und Disco spielend leicht miteinander zu verknüpfen, lange bevor irgend jemand die Hype-Wörter „New“ und „Rave“ in einem Atemzug erwähnte. LCD Soundsystem war stets eine spielend leichte Verknüpfung verschiedenster Elemente. Intelligente Indie-Disco-Musik, die sowohl live, als wie auch auf Platte bestens funktionierte.

Und eigentlich sollte ja jetzt zum Ende der Dekade auch Schluss damit sein. Murphy meinte, dass alles mit LCD gesagt sei, was zu sagen wäre. Ganz unrecht hat er damit nicht, denn entgegen aller Behauptungen hat er mit „This Is Happening“ nun doch noch ein drittes Studioalbum produziert, nur um dabei in Interviews zu betonen, dass es vermutlich doch das letzte LCD Album sein wird. Da hat wohl jemand ausgeprägte Trennungsängste. Aber Murphys Bedenken im Vorfeld waren schon nicht ganz unbegründet. Denn beim Hören von „This Is Happening“ wird tatsächlich deutlich, dass Murphy eigentlich in den letzten 5 Jahren schon alles gesagt hat, was er sagen wollte. Der spritzigen Unbekümmertheit des selbstbetitelten 2005er Debüts und der musikalischen Perfektionierung von „Sound Of Silver“ hat Album Nr. 3 letztendlich nichts mehr hinzuzufügen, außer der Erhaltung des Status Quo. Letztendlich betreibt Murphy den Plagiarismus am eigenen Werk. Man hat das Gefühl alles irgendwie schon mal gehört zu haben. „Drunk Girls“ ist die obligatorische dreieinhalb Minuten-Single in der Tradition von „Daft Punk Is Playing My House“ oder „North American Scum“, „One Touch“ oder „I Can Change“ sind typische lange Tanzflächenfüller in der Tradition von „Get Innocuous!“ und wie sehr „All I Want“ auf das gute „All My Friends“ hinüberschielt, sollte auch gleich klar sein. Das ist natürlich kein Vorwurf, denn letztendlich ist ein überraschungsarmes LCD Soundsystem Album immer noch besser als manch anderer Schrott, der denkt, er könne Disco und Rock miteinander verknüpfen. Die Beats sind wieder mal astrein, die Instrumentierung versprüht das gewohnte DFA-Flair und Murphy selber lebt sein Mitteilungsbedürfnis wieder gewohnt ausgiebig aus, indem er seine spannenden lyrischen Ergüsse über die Discobeats singt und gern auch mal schreit. Alles beim Alten im LCD-Land, auch wenn am Ende der Platte ein wenig die Luft raus ist und man irgendwie die obligatorische Ballade vermisst, wenngleich das dezent groovende „Home“ natürlich ein adäquater Ersatz ist.

Mehr kann und muss man dazu auch nicht schreiben. Gewohnt souveräne Exkurse in anspruchsvolle und abwechslungsreiche Dance-Gefilde sind auch mit „This Is Happening“ sicher. Die Gitarren, Synthies und dicken Basslinien funktionieren wie eh und je und man bekommt genau das, was man auch von Murphy und seinen Mitmusikern erwartet. Da liegt aber auch der Hund begraben. Das A-Ha-Gefühl der ersten Alben fehlt praktisch komplett, da man permanent das Gefühl hat, alles schon mal gehört zu haben. Das sagt natürlich nichts über die Qualität aus und daran muss man sich natürlich auch nicht stören, aber man kann es, gerade wenn man von den Vorgängern mehr gewohnt ist. Im Prinzip war nach dem tollen „Sound Of Silver“ wirklich schon alles gesagt. Aber gönnen wir mal James weiterhin seinen Spaß, denn „This Is Happening“ ist ja eigentlich ein gutes Album und live wird das diesen Sommer auf den Festivals sowieso wieder eine Messe. Und vielleicht überwindet der Bandchef dann auch seine Ängste und erkennt, dass es doch besser ist, aufzuhören, bevor man sein ganzes Pulver verschossen hat. Und das hat der gute Mann ja sicher nicht nötig…

Album-Stream auf der offiziellen LCD Homepage!

Donnerstag, 13. Mai 2010

Von Pornos und Suppen

Cover

Schmutzfink ertappt? Bereits mit wässrigen Lefzen auf etwas Schmutz und Fleisch gehofft? Nö, sorry. Geht doch wieder nur um Popmusik: Auf ihrer Internetseite sind derzeit alle Songs des neuen Thieves Like Us-Album hörbar, welches auf den mediokren Namen Again And Again getauft wurde. Also neues Futter für Leute, denen Hot Chip und Yeasayer zu faul sind. Zur Überbrückung.

So ganz kann die Cleverness der genannten Bands allerdings nicht erreicht werden. Die Lieder an sich sind zwar recht spannend instrumentiert und können teilweise sogar mit halbwegs guten Momenten punkten. Als ganze Songs funktioniert das jedoch nur im Einzelfall. Als Beispiel sei mal der unglaublich sexy Titel Shyness seziert: Der Anfang mit seinem herrlich soften und dennoch funkigen Sample, lässt an und für sich Großes erwarten. Man sieht schon vor dem geistigen Auge, wie sich Schlafzimmertüren schließen, Augenlider auf Halbmast stehen, Anderes dafür auf ganzem Mast, Lingerie sich löst, heftig geatmet wird und die roten Lichter angehen. Voll Porno, ey! (Sagt das eigentlich jemand wirklich ernsthaft und unironisch?) Auch die Strophe und der Refrain, die dem folgen kann man ganz gut finden. Auf Dauer hätte man sich allerdings entweder noch ein weiteres Element gewünscht oder halt einen an sich stärkeren Song. Dummerweise wird es nämlich langweilig. Grau. Erotik eines Graubrotes. So wird wohl weiterhin Let’s Get It On die Beischlafhymne bleiben und Shyness verkommt zur Einschlafhilfe. Jungens, Jungens lasst besser das Kiffen sein!
Und so setzt sich der Trauermarsch fort. Das Beat-Bassline-Ensemble bei One Night With You ist genial, der Rest altbacken. So Clear kann mit seinen Plucker-Synthies und dem synkopischen Bassgeholper einen Rausch auslösen, wenn nicht die windschiefen Gitarren dazwischen grätschen würden. Der Sound von Lover Lover ist ordentlich fett, regelrecht massiv hervorquellend. Die Gesangsmelodie hingegen vom Reißbrett. Forget Me Not ist ein rundum gelungener Song, nur schon recht oft von anderen Bands gehört. Der supersmoothe Beat von Love Saves könnte Snoop Dogg neidisch machen – bei den Gesangskünsten verhält es sich eher andersum (was ein sehr schlechtes Zeichen ist). Die restlichen Lieder sind einfach nur so entweder schwach oder langweilig.
Ein gehäufter Esslöffel Melodie und eine Prise spannendere Struktur hätte der ganzen Suppe wohl noch ein paar lecker Fettaugen verpasst. So bleibt das leider nur ein fade gewürztes Wässerchen. Da sich kann das nomadische schwedisch-amerikanische Trio wohl noch etwas von den Chefköchen von Yeasayer abgucken. Viel Erfolg.

Again And Again ist bereits als MP3-Album erschienen und wird am 06.Juli auch physisch verfügbar sein.

Hörbeispiel: Shyness

Mittwoch, 5. Mai 2010

Alles! Jetzt! Sofort!

Das Warten hat ein Ende. Am Freitag erscheint das Zweitwerk der Foals, welches den Erwartungen standhält. Eine verbale Verneigung vor dem bisher schönsten Pop-Album des Jahres!

51PdaHqoQsL-_SL500_AA300_Ganz Europa übt sich momentan im Griechenland-Bashing! Diese Ouzo-trinkenden Finanzjongleure aber auch! Die FORSA sieht die Stimmung der Deutschen gegenüber den Griechen eher negativ. Gibt es denn nichts Nettes über die Pleitegeier zu sagen? Immerhin ist Yannis Philippakis ein Netter gegen den man nichts haben darf. Der Wahl-Londoner mit griechischer Abstammung macht seit einigen Jahren mit seiner Hauptband, den Foals, von sich hören. Wer diese nach ihrem 2008er Debüt “Antidotes“ als Hipster-Eintagsfliege abstemplen wollte, der hat sicher nur halbherzig hingehört. Denn natürlich waren zackige Disco-Smasher wie „Cassius“ oder „Balloons“ prädestiniert dafür, kleine Indie-Rock-Happen für Zwischendurch zu sein. Doch darüber hinaus bestand das Album ja nicht nur daraus, sondern auch aus so feinfühlig großen Soundkonstruktionen, wie „Red Socks Pugie“ oder „Big Big Love“… es kündigte sich bereits damals an, dass die Herren um Philippakis einiges mehr zu bieten haben, als die Konkurrenz.

Nun schickt sich das Zweitwerk „Total Life Forever“ an, die Lobhudelei auf die jungen Fohlen einfach nur noch mit einem großen Haufen Ausrufezeichen zu bestätigen. Alles was „Antidotes“ konnte, kann dieses Album nämlich schon mit links… und nebenbei noch viel mehr. Natürlich ist Album Nr. Zwei immer die konsequente Weiterentwicklung des Debüts, bei welcher die Band ihr neu erlerntes Wissen der Welt zeigen kann. So entwickelt „Total Life Forever“ die Ansätze und Ideen des Debüts wesentlich weiter. Von der Band gern mal als tropischer Prog-Rock-Fiebertraum bezeichnet, gibt man sich nun wesentlich stärker der Psychodelic, sowie der großen Geste hin, ohne das Verspielte zu verlieren. Unterschwellige Tanzflächenfüller und epische Hymnen zugleich. Große Songkonstrukte, wie „Black Gold“ oder „Spanish Sahara“, welches erst einmal einige Minuten braucht, um in Fahrt zu kommen, sind an der Tagesordnung. Die Wave-Gitarren zirpen immer noch nervös herum, überall sprengelt Elektronik hervor, und passt sich den wechselnden Rhythmen an. Außerdem hat Philippakis und Co. den harmonischen Chorgesang für sich entdeckt und klingen jetzt teilweise sogar ein wenig nach den Fleet Foxes. Dazu passt das wuchtige Arrangement. Bei „Alabaster“ künden die großen Trommeln vom nahenden Unheil. Es passiert so viel, so unterschiedlich. „Total Life Forever“ lässt es entspannter angehen, groovt aber immer noch ungemein vor sich hin. Irgendwo zwischen Exotik und organisch gespieltem Techno angesiedelt entfalten die 11 Stücke nach und nach ihre Magie. „Blue Blood“ ist als Opener noch etwas verhalten, doch bereits „Miami“ schreit mit jedem Ton „Superhit“ aus sich heraus und muss einfach Single werden. Auch der entspannte Groove des Titeltracks lädt dazu ein. Und natürlich lassen sich Sücke wie „After Glow“ Zeit, aber dann explodiert der Beat zur Hälfte so dermaßen und mündet ein einem waschechten Discomonster. Als ob James Murphy Hand angelegt hätte. Egal ob groovend hier oder verträumt gefühlvoll, wie bei „2 Trees“… die Foals entwerfen abwechslungsreiche Klangbilder, die den Hörer mitreißen und „Total Life Forever“ bereits jetzt zu einem der Top-Alben des Jahres 2010 machen. Dazu gewohnt kryptische Textideen über die Verworrenheit der Zukunft oder jede Menge Blut. Ist vielleicht auch eher unwichtig, was die Foals in ihrer bildlichen Sprache zu erzählen haben, sondern vielmehr wichtig, wie sie dies erzählen. Eine heiße Mixtur aus Indie-Rock, Elektronik, Britpop und viel rhythmischer Sportgymnastik, so scheint es. Die Musik der Foals ist atmosphärisch, verspielt, aber trotz aller Durchdachtheit immer auch ein wenig gefühlvoll und emotional. Ob das jetzt unbedingt für die Tropen sein soll, weiß ich nicht. Aber etwas Sommerliches kann ich diesen Klängen schon manchmal abgewinnen… ach und irgendwie auch etwas Kaltes… Ihr merkt, mir gehen die Worte langsam aus. Und ehe ich noch mehr um den heißen Brei herumschweife, hier das Fazit: das bis dato spannendste Album des Jahres mit breitem Klangspektrum für alle Zuhörer, die Freude an vielseitigem Pop finden können und wollen. Also schnell das Album kaufen, denn dieses Finanzpaket ist mal wirklich gut angelegt.

Hörbeispiele auf der offiziellen Foals-Homepage



Foals @ MySpace

Freitag, 30. April 2010

Game Over

Da braucht das Gruftimädchen gar nicht so zu glotzen! Die Crystal Castles haben ein neues Album am Start. Das heißt nicht nur genauso, wie ihr erstes, sondern bietet auch fast die gleiche Musik. Warum man auf diese Band und diese Platte verzichten kann... aber nicht unbedingt muss.

Streitfrage Crystal Castles. Dummer Hipster-Schrott oder Musik-Genies? So ungefähr kann man das zusammenfassen. Die affinitive Twitter und MySpace-Generation hat das Elektropunk-Duo aus Kanada bereits mit den ersten Tracks und dem darafuffolgenden selbstbetitelten Album in die jungen Herzen geschlossen. Das Debüt bot viele helle Momente und gute Ideen, aber auch viel Verzichtbares und Unreifes. Insgesamt eher ein Sammelsurium an Momenten, als ein geschlossenes Album. Aber vielleicht bin ich da mit Mitte 20 auch etwas altmodisch und das Konzept-Album ist überholt und hat für Alice Glass und Ethan Kath auch keine besondere Bedeutung mehr. Warum sonst würden sie das zweite Album, welches es nach einem Leak jetzt auch panisch schnell in digitaler und physischer Form zu erwerben gibt, genauso nennen, wie das erste? Macht keinen Sinn? Muss es auch nicht.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Crystal Castles für gnadenlos überbewertet halte. Live sind sie sowie eine einzige unverständlich übersteuerte Krachorgie, auf die man verzichten kann. Soll das den vielbesagten Elektro-Punk darstellen? Für Punk sind die Crystal Castles aber zu aussagelos… und halt zu unverständlich. Welche wichtigen Botschaften schreit Alice denn schon ins Mikro? Politisch sind sie nicht, künstlerischer Anspruch lässt sich bedingt erkennen und gelegentlich wirken sie eher wie Modells aus einer New-Yorker-Reklame. Nix mit Punk, denn dazu frönt das Duo auch auf „Crystal Castles II“ viel zu sehr dem Pop. Eigentlich alles beim Alten auf dem Album. Produktionstechnisch hat man sich ein wenig von der Heimstudioatmosphäre wegbewegt, was schon mal prinzipiell zu begrüßen ist. Ansonsten betreibt man auf den 14 Songs ordentlich kreativen Eigendiebstahl. In Vielzahl werden Sounds und vor allem Beats aus dem Debüt zweit- und drittverwertet und eigene Ideen noch mal neugesponnen. Der Opener „Fainting Spells“, sowie das knappe „Doe Deer“ versuchen dabei die elektropunkige Seite des Duos zu zelebrieren und ein zweites „Alice Practice“ zu erzeugen. Erfolg bedingt. Allerdings sind die Crystal Castles immer dann gut, wenn sie gerade das nicht versuchen. Denn dann kommt oft astreiner Elektropop heraus, wie bei der überraschenden ersten Single „Celestica“ oder dem entspannt groovenden „Empathy“, inklusive schön viel Hall auffer Stimme. Auf jeden Fall experimentiert Kollege Kath stärker mit Genres und Sounds, als auf dem Debüt. Und wer hätte schon ein lupenreines Sigur-Rós-Sample, wie bei „Year Of Silence“ erwartet? Und erst der verrückte Schlusstrack „I Am Made Of Chalk“… Insgesamt gibt man sich etwas kompakter, als beim Debüt. Den Videospielsound-Elementen wird eine ordentliche Portion „80er Pop“ hinzugefügt. Das macht dies alles ein wenig eingängier, als auf Album Nummer Eins, aber nicht unbedingt besser. Die Crystal Castles leiden auch 2010 immer noch an einem entscheidenden Basisproblem: sie können keine guten Songs schreiben. Und falls doch, dann bringen sie diese falsch rüber. Obwohl man aufgestockt hat und die Soundspielerein nun gern über die Vier-Minuten-Grenze hinaus bringt, fehlt es den Tracks an einer gewissen Dynamik. Aus starken Anfängen, wird dann bspw. bei Songs wie „Violent Dreams“ ein eher mittelprächtig vor sich hin plätschernder Track, dem es an Abwechslung und Ideen fehlt. Daran kränkelt das ganze Album mal wieder. Mit 14 Tracks ist es eindeutig zu lang ausgefallen. Was auch immer die beiden Kanadier sagen wollten, sie hätten es auch auf zehn Songs sagen können. Dazu das begrenzte Repertoire an Beats und Bleeps. Das funktioniert natürlich super zur Hintergrundbeschallung oder gern in nem gut gefüllten Indieclub, aber darüber hinaus trifft das alte Sprichwort „Aus den Augen, aus dem Sinn“ in diesem Fall sicher ganz gut zu. Über Alice Glass „Talent“ kann man sicher viel diskutieren, aber Kollege Ethan hat an sich produktionstechnisch und musikalisch einiges drauf, verschwendet sein Potential aber merklich an Song- und Loopideen, welche die Aufmerksamkeitsspanne des Hörers gern mal auf eine harte Probe stellen. Wer sich mit dem zufrieden gibt, was die Band vor zwei Jahren schon abgeliefert hat, wird sicher auch Teil 2 des „Crystal-Castles“-Franchises gut finden. Wer darüber irgendwie mehr erwartet hat, sollte dieser Platte lieber mit gesunder Skepsis gegenübertreten… und dann vielleicht einfach umdrehen und gehen. Man muss ja nicht jeden Trend mitmachen.

DOWNLOAD - "Celestica" [mp3]



MySpace: www.myspace.com/crystalcastles

The Sisterhood Of Traveling Trance

Cover

CocoRosie haben ein neues Album namens Grey Oceans in die Pipeline geschickt. Wen der Musikstrom erreicht kann sich schon einmal auf eine ungewöhnliche Erfahrung einstellen. Denn die beiden Frauen, lassen ordentlich die Puppen schwelgen. Von Stücken in Zeitlupe bis zum hämmernden Beat haben die beiden Freefolkerinnen ein breites Arsenal an Musik aus dem Zeughaus geholt. Alles nur um uns bei Gelegenheit in den Orbit zu schießen.

Bianca und Sierra Casady heißen die beiden Autorinnen dieses Handtäschchen voller Musikmagie. Dass aus diesem schwer kontrollierbarem Gedöns aus allen möglichen Instrumente überhaupt eine Art Magie erwachsen kann, liegt an den vokalen Einsätzen von Sierra. Diese hat am Conservatoire de Paris einst versucht Grundsteine für eine Karriere als Opernsängerin zu legen.
Was für ein imperalen Effekt eine Stimme derartiger Coleur auf Musik haben kann, dem sei ans Herz gelegt, mal die Augen zu schließen und sich das Großwerk des Damien Rice namens Eskimo zu geben. Wenn da der Mezzosopran von Doreen Curran aus den Lautsprechern schreitet, bleibt auf einmal die Zeit stehen und der Raum weitet sich.
Genau so funktioniert das auch auf Grey Oceans. Da aber gleich mehrere Male. Am Besten eigentlich bei Titel zwei namens Smokey Taboo. Zumal der Effekt zusätzlich verstärkt wird, indem die holde Sierra sich außerdem noch dazu aufschwingt die Harfe zu zupfen, die seit jeher eines der Markenzeichen des CocoRosieschen Sounds ist. Dies bringt dem Klang zusätzlich noch die Verwunschenheit, die man gemeinhin mit Elfen und ähnlichen majestischen Fabelwesen assoziiert.
Im Allgemeinen kann man das Klangerlebnis überhaupt am Effektivsten mit “verwunschen” beschreiben. Als ob man das Nachts unterm Sternhimmel am Weiher ausharrt und urplötzlich ein Schwarm Leuchtkäfer dem Schilf entsteigt und beginnt über dem Wasser zu tänzeln.
So ist das Titelstück zum Beispiel eigentlich ein sehr spartanische Akustikballade, die von Bianca mit ihrer Björk- beziehungsweise Karin Dreijer Andersson-artigen Stimme (inklusive starkem Akzent) gesungen wird. Und dabei vor Verhuschtheit nicht so richtig Tritt fassen kann. Bis aus dem Hintergrund wieder das Opernorgan ihrer Schwester ertönt und das Lied schweben lässt.
Und so könnte man fortfahren und ähnlich metaphorisch versuchen, Stücke wie die butterweiche Variante eines Drum ‘n’ Bass- und Kinderlied-Mashups namens Hopscotch oder das mit herrlichem Vogelgezwitscher, sowie Toy Piano angechillte Gallows oder den TripHop-Ansatz von R.I.P. Burn Face zu beschreiben. Letztendlich reiht sich hübsche Miniatur an edlen Leisetreter-Pop. Auch wenn das auf Dauer leicht ermüdend sein kann, kullert einem die Schönheit permanent vor die Ohren. Allerdings können die Schwestern den Schöngeist anscheinend selbst nicht durchhalten und müssen zum Abschluss mit dem spoken word-artigen Technostampfer Fairy Paradise und dem arg seltsamen Gelaber und heftig Akzentuierten von Here I Come aus der Träumerei, aus dem Trancezustand wieder raus reißen. Auch wenn beide Stücke für sich wieder nicht einer gewissen traumhaften Stimmung entbehren, machen sie leider doch die Gesamtheit des Albums zunichte. Schade drum.
Trotzdem eine Empfehlung für alle, die mal wieder Lust auf eine arg verträumte Version von Popmusik haben, ohne gleich irgendwelchen Kifferfantasien lauschen zu müssen. Dies hier ist zum Schwelgen, aber dennoch neugierig und klar.
Grey Oceans erschien heute.

Hörbeispiel:

Smokey Taboo (YouTube)

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