Plattenteller

Montag, 29. März 2010

Vorwärts in die Vergangenheit

CoverWir schreiben das Jahr 2010. Die ganze Popwelt wird von Synthesizern beherrscht. Die ganze Welt? Nein das kleine angelsächsische Dorf Sunderland leistet beharrlich Widerstand. Auch das neue Album der The Futureheads namens The Chaos, klingt wie schon das Debüt anno 2004 klang. Hektische Gitarren, astreiner Chorgesang, zackig-eingängige Songs mit deftigem britischen Akzent vorgetragen.

Im Prinzip ist somit das ganze Album bereits in der Präambel beschrieben. Es soll mir aber erlaubt sein mal noch ein, zwei Gedanken dazu zu formulieren.

Erstens: Wieso hat der Taube-Ohren-Mann schon Zugang zu diesem Werke, obwohl es doch erst am 26.April das Licht der Welt erblicken wird? Nun, wer diese CD momentan vorbestellt, bekommt das Album bereits jetzt im MP3-Format vorweg geliefert. Unabhängig, ob man die Futureheads jetzt toll findet oder nicht, sollte man diesen klugen Zug einfach mal anerkennen und hoffen, dass es unter den Bands und Plattenfirmen Schule macht, auch um diese schwindsüchtige Industrie - von der wir letztendlich doch alle abhängig sind - noch etwas länger am Leben zu erhalten. Denn so fühlt sich vielleicht doch der ein oder andere animiert, ein Album zu kaufen, wenn man dadurch als Käufer quasi eine Art exklusiven Status erhält. Es sollte allerdings dazu erwähnt werden, dass The Chaos auf dem bandeigenen Label Nul Records veröffentlicht wird und man sich von daher solchen Experimenten hingeben muss, um überhaupt bestehen zu können.

Zweitens: Die Songs sind allesamt nicht schlecht. Manche besser, wie das sehr energetisch-agile Struck Dumb, das hakenschlagende The Connector oder das komplexe Queen-in-Kurzform Jupiter, manche schlechter wie I Can Do That das seine Titelzeile bis zum Erbrechen wiederholt oder auch Sun Goes Down, das nicht gerade variabel ist und daher recht schnell auf den Geist gehen kann.
Ein Lied sticht aber vor allen anderen hervor: Heartbeat Song ist so unvergleichlich catchy und lädt bereits mit dem zweiten Refrain zum Mitsingen ein. Der Sommer beginnt mit diesen Tönen bereits jetzt wenn es eigentlich noch kühl und teils regnerisch ist. Diese Single wird am 12. April erscheinen. Wir werden mal schauen, ob sie entsprechend bekannt wird, um im Sommer dann alle Abifeiern dieser Welt zum Kochen zu bringen. Oder halt den Studentenclub Ihres Vertrauens. Das Zeug dazu hat es auf jeden Fall.

Außerdem hätten es drittens die Knaben endlich mal verdient, entsprechende Anerkennung von der breiten Masse zu bekommen, da dies eine der unsäglichen "The"-Bands war, die wenigstens ihre Instrumente und ihre Stimmen beherrscht haben, recht clevere Songs schrieben und auch - gerade mit dem Drittwerk This Is Not The World - mal soundmäßig ordentlich Arsch getreten haben. Dass sie nun zwar damit rettungslos altmodisch klingen und dadurch schon wieder nerven könnten, muss man leider unter "Ironie des Schicksals" einsortieren, aber vielleicht klappt es ja mit Hilfe des Überhits Heartbeat Song ja doch.

Samstag, 27. März 2010

Kampf gegen Windmühlen

Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Thirteen Senses? Ich jedenfalls schon. Und auch wenn es sonst kaum einer mitbekommen hat... es gibt ein neues Album, wenngleich auch momentan nur zum Anhören. Hier die Details...

Lang, lang ist’s her. Na gut, auch nicht so lang. Dennoch sah die Musikwelt vor ca. 6 Jahren noch ein wenig anders aus. Franz Ferdinand waren gerade dabei alles über den Haufen zu werfen und von Nur Rave, Twitter oder Lady Gaga war noch keine Spur. Alles irgendwie übersichtlicher. Die von Travis und Coldplay losgetretene Britpop-Welle der späten 90er flaute also gerade ab. So gesehen waren die Thirteen Senses aus Cornwall sogar relativ spät dran mit ihrem 2004er Debüt „The Invitation“. Dennoch konnte man damit einige Kritiker- und Fanherzen für sich gewinnen. Besonders meines, denn ich bin nach wie vor ein riesiger Verehrer dieses traumhaften Meisterwerkes, dass ich ganz klar zu den qualitativ besten Debüts der letzten zehn Jahre zähle. Für die Band war also alles drin, aber im Anschluss lernten sie dann leider die Schattenseiten der Industrie kennen. Von Hundert auf Null. Der Nachfolger „Contact“ war ein kolossaler Flop, der es gerade mal so in die UK Top 100 schaffte. Dabei hatte das Album durchaus helle Momente, aber die Band hatte am Ende irgendwie den roten Faden darauf verloren. Schlechte Promotion tat ihr übliches, so dass die Band sang- und klanglos ihren Plattenvertrag verlor und ihn bis heute auch nicht wiederhat.

thirteensenses
Tragische Vorgeschichte zu einem an sich tollen Ereignis. Wie aus dem Nichts gibt es jetzt nämlich ein neues Album der Band! Zwar noch nicht physisch oder digital veröffentlicht, aber seit vergangener Woche streamt die Band ihr Drittwerk „Crystal Sounds“ gratis auf der hauseigenen Homepage. Ohne Anzeichen eines VÖ-Datums oder CD-Covers. Und ein Label hat man ja auch noch nicht. Ist dies etwa das Bewerbungsschreiben? Geht da noch etwas im Kampf gegen die Windmühlen? Eigentlich schon, denn es ist schon beeindruckend welch gutes Album die Jungs in Eigenregie im heimischen Studio zusammengezimmert haben. „Crystal Sounds“ ist natürlich kein zweites „Invitation“, aber es merzt ein wenig die Fehler von „Contact“ aus, in dem sich die Band auf ihre Stärken beruft. Und das heißt natürlich gefühlvolle Britpop-Balladen voller Melancholie und gern mal etwas Kitsch. Die Schuster bleiben bei ihren Leisten. Der Reigen der neun Songs wird durch das nette, wenn auch etwas lange Titelstück eröffnet. „A little wiser now“ stellt Sänger Will South darin fest. Ist wohl was dran… im Anschluss zeigt die Band aber, dass sie durchaus noch in der Lage ist, ein paar anständige Hits aus dem Ärmel zu schleudern, nach denen sich Snow Patrol sicher die Finger lecken würden. „The Loneliest Star“ begeistert mit wuchtigem Refrain, während man sich beim eingängigen „Home“ sofort heimisch fühlt und da erstmals wieder den Spirit spürt, welcher das Debüt durchwehte. Mit dem ziemlich flotten, aber gefühlvollen „Imagine Life“ kann die Band dann ebenfalls punkten und zeigt, dass sie auch abseits der reinen Balladen etwas zu bieten haben. Funktioniert hier besser, als beim Zweitwerk. „Animals“ entpuppt sich im Anschluss als siebenminütiges Kitsch-Epos, mit dicken Streicherwänden, welches zwischendrin mal spontan die Richtung wechselt. Ambitioniert und durchaus reizvoll. Mit „After The Retreat“ gibt’s danach den obligatorischen Rohrkrepierer des Albums, was aber vorkommen kann. „I Saw Stars Disappear“ ist dann schon wieder hochgradig melodramatisch und zelebriert einmal mehr die orchestrale Seite der Band, die mehr als auf den anderen Alben, diesmal in den Vordergrund tritt. Wo haben die denn das Orchester her? „Answer“ gibt sich dann wieder als klassischer Thirteen-Senses-Song. Irgendwie abgedroschen… Gott, aber so wunderschön. Und am Ende wird dann noch mal richtig aufgefahren… „Out There“ ist purer Orchesterkitsch auf 8-Minutenlänge, der fast schon eine kleine Symphonie darstellt. Vielleicht das bisher ambitionierteste Stück, welches die Band bisher aufgenommen hat. Funktioniert trotz hohem Kitschfaktor sehr gut, auch weil es scheint, als ob man einiges seit „Contact“ dazu gelernt hat. Besonders in dem Bereich „Stärken und Schwächen“. Die Thirteen Senses versuchen nun nicht mehr allzu sehr, wie andere Bands zu klingen, sondern scheinen ihren Sound langsam zu finden. Der lehnt sich natürlich immer noch an all die genreverwandten Bands an und driftet stellenweise diesmal halt etwas arg in kitschige Gefilde ab, gerade was die Streicher angeht. Aber einfach ist wohl nichts mehr, denn dieses Album schielt eindeutig auf den Erfolg und möchte trotz Eigenständigkeit nichts dem Zufall überlassen. „Seht her, liebe Plattenfirmen… wir können doch was.“ Ein gutes Album ist „Crystal Sounds“ am Ende nämlich wirklich geworden. Das Debüt wird als persönliche Messlatte vermutlich auch nicht mehr erreicht, aber immerhin verweigert man sich dem völligen qualitativen Abstieg. Was jetzt passiert, wissen wohl alle Beteiligten nicht so genau. Ob es „Crystal Sounds“ schafft, aus dem Meer an Veröffentlichungen entscheidend herauszuragen, um die Band voranzubringen steht in den Sternen. Wünschen würde ich es ihnen aber nach wie vor von ganzem Herzen.

Das komplette Album bei Soundcloud anhören...
Crystal Sounds - Full Album Stream by ThirteenSenses

Thirteen Senses @ MySpace

Dienstag, 23. März 2010

Frühlingserwachen

Ein Album, wie ein Rauschzustand. Nächste Woche erscheint das Solo-Debüt von Jónsi, welches, ganz unüberraschend, natürlich ein ziemliches Meisterwerk geworden ist. Eine Liebeserklärung...

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, durch des Frühlings holden belebenden Blick,
im Tale grünet Hoffnungsglück… was Goethe in Versform schon längst wusste, hat, so scheint es zumindest, der isländische Wunderknabe Jónsi Birgisson nun in musikalischer Form aufgenommen… das längst überfällige Soloalbum des Sigur-Rós-Frontelfen ist wie der musikgewordene Sieg des Frühlings über den Winter, nicht nur weil es pünktlich zum Jahreszeitenwechsel erscheint. Und dann heißt das gute Teil auch noch „Go“ … der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in raue Berge zurück! Die raue Landschaft Islands hat Jónsi auch ein wenig zurück gelassen. Es bricht Licht in den Nebel des Sigur-Rós-Gewandes. So geht das Solodebüt den Weg konsequent weiter, den bereits das letzte Album seiner Hauptarbeitgeber leicht eingeschlagen hat. Keine epischen 9min-Post-Rock-Werke mehr, sondern kompaktere, gezieltere Songs, die sich dem Pop nicht komplett verweigern, sondern ihn um einige Facetten ergänzen wollen.

So präsentiert Jónsi auf 40min 9 großartige Hymnen voller Euphorie und Virtuosität, durchsetzt von tollen Melodien und üppiger Instrumentierung. Trotz einiger Balladen gibt man sich gern in Aufbruchsstimmung angesichts dessen, was der Frühling mit all seinen Farben bringen mag. „We should always know that we can do anything” proklamiert Birgisson bereits im ersten Song und beschwört die Kraft und Energie der endlosen Sommer herauf. Mehr von allem! Auch „Animal Arithmetic“ wird zum schnellen Lauf durch die Wiesen und Felder untermalt mit einem spannenden Mix aus Percussions, Elektronik und viel Orchester. Und eindeutiger als mit „Fuck it, let’s go and live“ kann man Lebensfreude nicht mehr besingen. Auch in „Boy Lillikoi“ wird das schlechte dieser Welt und sämtliche Zweifel mit orchestraler Wucht hinweggespielt. „Your spirit still burns and so life goes on“. Entwaffnete Euphorie verpackt in ein episches Klanggewand. Stärker als noch bei Sigur Rós oder dem letztjährigen „Riceboys Sleeps“-Projekt mit Lebenspartner Alex setzt Jónsi bei seinem Soloausflug auf die Kraft klassischer Instrumente, die er zusammen mit interessanten, kleinen Elektroelementen zu gelegentlich wirklich reinrassigen Popsongs vermixt. Doch stets umgibt die Musik auch diesmal etwas überirdisches, etwas das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Und das ist halt, neben der musikalischen Untermahlung durch den Komponisten Nico Muhly auch wieder die einzigartige Stimme von Jónsi. Ein magisches Goldkehlchen, welches sich stets zu den höchsten Höhen aufschwingt und in gleichen Maasen gefühlvoll, zerbrechlich, aber doch kraftvoll wirkt. Eine gleichermaßen fremdartige, wie vertraute Stimme, die weiterhin mehr von einem Fabelwesen, als von einem Menschen hat. Daran ändert auch der Wechsel in englische Sprache nichts, zumal die Jónsi wohl wie wirklich dialektfrei hinbekommen wird. Muss er auch nicht. Die Stimme bleibt das Markenzeichen, kombiniert mit der außergewöhnlichen Musik, welche sich auch diesmal schwer einordnen lässt. Orchestraler Hymnenpop, gepaart mit stampfenden Beats und folkloristischen Einsprengseln. Wie eine Disco im Zauberwald oder halt das große Frühlingserwachen. „Go“ ist ein absoluter Traum und das aus meiner Sicht, bisher schönste Album dieses Jahres. Birgisson erschließt sich scheinbar mühelos neue musikalische Horizonte ohne dabei die eigene Vergangenheit zu verleugnen. Außergewöhnliche Musik in jeder Hinsicht. Ein Album, dass ich wärmstens jedem Musikfreund ans Herz legen muss. Der alte Dichtermeister würde mir sicher beipflichten… Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!



Jónsi Homepage

Montag, 15. März 2010

Rubik's Disc

CoverDas neue Album Head First von Goldfrapp vermag wieder auf der Tanzfläche zu verzaubern, wenn man damit zurecht kommt, dass man von Tänzern umgeben ist, die aussehen als wären sie Flashdance entsprungen.

Als Paradebeispiel sei gleich an erster Stelle das ganz und gar zauberhafte Dreaming genannt, was zwar von einem recht handfesten Beat und dicken 80s-Synthies unterfüttert ist, aber dennoch so flächig voranträumt, wie es im Titel bereits vermerkt ist, dass der von mir so geliebte musikalische Trancezustand schneller fertig ist, als eine Minuto-Büchse.
Auf ihrem halbwegs legendären ersten Album haben Will Gregory mit seinen unfassbaren Klangepen und Alison Goldfrapp mit ihrer Weichspülerstimme es geschafft, dass jedes einzelne Lied einen in Rekordgeschwindigkeit von dieser Welt beamt. Mit Album Numero Zwo wurde dieses Element zugunsten von funky Discobeats zunehmend verdrängt, was die Musik natürlich geerdet hat und auch eine wichtige Weiterentwicklung darstellte. Die Magie jedoch, die war nur noch sporadisch da. Und kam mit den nachfolgenden Werken nicht wieder.
Auch wenn das 08er Werk Seventh Tree das Discoelement wieder etwas ausbremste und ruhige Lieder dominierten, waren die doch eher am Lagerfeuer als in der Schwerelosigkeit angesiedelt.
Auf ihrem Neuwerk gibt es sie wieder ... die Lieder die einen ins Schweben bringen, wie weiland Utopia oder Deep Honey. Das genannte Dreaming, das leicht an Calvin Harris' Flashback erinnernde I Wanna Life und vor allem das nur traumhafte Hunt. Der Rest lässt für meinen Geschmack die 80er zu weit rein. Alive zum Beispiel klingt extrem nach Olivia Newton John und wie sie Xanadu singt und auch Believer und der Titeltrack klingen wie direkt aus dem Oldie-Radio aufgenommen. Und was für ein Retrostomper die Single Rocket ist, sollte sich inzwischen rumgesprochen haben.
Allerdings werden Goldfrapp - wenn die liebe Alison sich nicht entschließt Reißzwecken zu gurgeln - immer den Bonus haben, dass sie eine der zauberhaftesten, sexiesten und Steine erweichendsten Stimmen im gesamten Musikbusiness zu bieten haben. Daher kann man sich wahrscheinlich ihre Musik immer anhören.
Ach ja: Die Texte sind simpel und musikalisch wie immer und die Songs haben natürlich die üblichen Poplängen von drei bis maximal fünf Minuten. Aber das braucht man bei diesem Duo eigentlich nicht mehr erwähnen.
Head First erscheint am Freitag, den 19.März 2010.

Hörbeispiele:
Hunt
Dreaming

Das gesamte Album ist natürlich inzwischen schon bei YouTube (einfach nach Goldfrapp suchen) hörbar.

Sonntag, 14. März 2010

In The Ghetto

CoverDas nunmehr fünfte Album von Portugal. The Man (innerhalb von 3 1/2 Jahren!!) namens American Ghetto beschreibt den bereits eingeschlagenen Weg weiter fort. Keine stilistischen Überraschungen, die ihr ohnehin schon vorhandenes übliches Genre-Potpourri aus Americana, Blues, Indie und anderem Hippiekram nicht noch steigert.

Um es gleich mal kurz und unumwunden rauszuhauen: Der eingeschlagene Weg war von Anfang bereits so breit, dass die 16-spurige US 101 in Los Angeles gelb vor Neid werden kann. Allerdings mutiert der Hörer dadurch zum übersättigten, dickleibigen Einzelkind, dass permanent nach neuen, aufregenden Sachen quängelt. Es ist paradox: Man wünscht sich, dass die Portländer doch mal ein neues musikalisches Kapitel aufschlagen würden, dabei bieten sie einen Variantenreichtum, der anderen Bands die Tränen in die Augen treiben könnte.
Diesmal wurde die Farbpalette noch um ein paar feine elektronische Einsprängsel bereichert. An allen Ecken und Enden, zischt nun hier irgendein Synthie, knurrt irgendein Moog, triphopt ein Drumcomputer, heult ein Soundeffekt oder das gesamte Klangbild wird recht radikal durch den Flanger gejagt, wie es ein schlechter Dorf-DJ macht, wenn er diesen Effekt neu ins Repertoire aufgenommen hat. Ansonsten hören wir die üblichen Midtempo-Hymnen, die immer zu verhuscht oder zu exaltiert daherbronsen. Die Gitarren klirren dünn wie eh und je, wobei man jeweils das abgehackte, seitengescheitelte Indie-Akkordgeschrammel hört und gleichzeitig die rotnackigen Country-Pickings auf der zweiten Gitarre. Der Bass kullert seine sexy Linien in die Lenden, das Schlagzeug spielt seine breakigen Beats und John Baldwin Gourley plärrt mit seiner immer noch hübschen Stimme zwischen Operndiva in Grundschülerin.
Also, wie bereits erwähnt, keine nennenswerten Neuerungen, trotz Effekt-Turnstunde und Sound-Bastelecke.
Die Songs zaubern natürlich wie eh und je und können gefallen. Jedoch scheint ihr Talent eingeschlafen zu sein, wahrhaft magische Momente einzuflechten, wie sie es auf den ersten drei Alben noch geschafft haben. Hier fehlen einfach die absoluten Überreißer, die die Zeit zum Stehen bleiben zwingen können. Kein AKA M80 The Wolf, kein Gold Fronts, kein My Mind, kein Colours. Wobei man der Ehrlichkeit halber erwähnen muss, dass 1000 Years mit seiner flirrenden Atmosphäre durchaus in die Nähe dieser Region kommt, allerdings ohne die Stadtgrenze zur Transzendenz zu überschreiten.
Der Rest poppt so vor sich hin, ohne einen aber wirklich am Schlafittchen zu packen. Zumindest den erfahrenen Portugal.The Man-Hörer. Alle, die mit dem Schaffen noch nicht vertraut sind, würden wahrscheinlich vor Freude darüber, dass es so eine geile Band gibt, die so überwältigende Musik macht, ihr Hab und Gut veräußern, um den Recken hinterher zu reisen.
American Ghetto ist seit dem 2.März als Download erhältlich.









Freitag, 12. März 2010

Watt-E

CoverMit ihrem neuen Album Beat The Devil's Tattoo lassen Black Rebel Motorcycle Club die Verstärker wieder glühend durch den Äther ziehen. Ein phonstarker Drogentripp, wie man es bereits von den ersten beiden Alben gewohnt ist.


Jeder anständige Indiehörer, der etwas auf sich hält, sollte bereits mindestens einmal mit dem Namen My Bloody Valentine in Berührung gekommen sein. Damit meine ich nach die tumbe Schlachteplatte aus dem Kino (weder 2- noch 3-D), sondern zwei Buben und zwei Mägdelein aus Großbritannien, die zwischen 1983 und '97 ihre sehr fluffig-brachiale Version von Pop in die alternative Musikwelt krawallten. Auf ihrem epochalen Album Loveless befindet sich neben vielen anderen erstklassischen Song der komplett aus dem Ruder laufende wabernde Terror von To Here Knows When. Jeder Ton entgleitet permanent, die Schichten und Wände dröhnen auf einen ein, aber gleichzeitig geistartig durch einen hindurch. Es zerfließt an allen Ecken und Enden und reißt dadurch ziemlich stark an den Nerven. Wenn nach den unglaublich anstrengenden fünfeinhalb Minuten der erlösende Brecher-Riff von When You Sleep einsteigt merkt man sehr deutlich, dass man aus einem seltsamen Zustand entrissen wird: geistige Leere, gepaart mit Müdigkeit beziehungsweise Erschöpfung und der beinahe körperlichen Entrückung aus dem präsenten Raum und der gegenwärtigen Zeit. Man nennt das auch manchmal auch landläufig ... Rausch. Man muss an der Stelle betonen, dass dies auch hervorragend ohne die Einnahme bewusstseinserweiternder Mittel möglich ist.
Black Rebel Motorcycle Club wiederum erreichen eine Wirkung, die stark in diese Richtung tendiert, auf ihrem aktuellen Album. Während das erste albumtitelgebende Stück mit seinen rauhen Westerngitarren noch stark an Howl erinnert und durchaus Raum zum Atmen lässt, sind ab dem folgenden Conscience Killer die bluesigen, mäandernden E-Gitarren König.
Ja, hier wird gerockt, was die siffige Garage hergibt. Wie gewohnt schälen sich dabei aber astreine Poptitel aus dem triefenden Fuzz-Gestank. Nur geschehen die halt in Zeitlupe. Das Tempo ist getragen wie es sich für Psychedelia gehört, die beiden Sänger singen, als würden sie dauerhaft dabei sein, in Narkose versetzt zu werden. Die Gitarren schrammeln Achtel, die Drums poltern im straighten Viervierteltakt, der Bass knarzt auch nicht aufregender darunter. Wie immer macht mehr das Zusammenspiel die Musik. Und so können sich durchaus schöne Sachen aus der Lärmwolke herauskrachen. Der hübsch furzende Bassriff bei War Machine beispielsweise, der das Lied immer wieder bremst und beschleunigt, als wäre es ein Karren mit ovalen Rädern. Das doch recht flott rockende Mama Taught Me Better. Das stadiongroße hymnische Aya, dass Oasis im Nachhinein noch blass werden lässt. Oder dass dick mit Streichersynthies unterfütterte Evol, dass dem eingangs beschriebenen Zustand mit seiner watteartigen Struktur (weich aber undurchdringlich) wohl am nächsten kommt.
Auch die ruhigen Stücke wie das fein unterorgelte Sweet Feeling mit seiner exaltierten Gesangsweise oder dass sehr gefühlvoll lagerfeuernde The Toll, bei dem erneut eine mopsfidele Mundharmonika ums Eck krächzt können gefallen. Nur - und hier kommt der Pferdefuß - wird man auf hier letztendlich über die gesamte Spielzeit von 65 Minuten durchweg wogend zugeknödelt. Es gibt - außer zwischen den Stücken - keinen Moment der Stille. Legato-artig, als ob man das rechte Pedal am Klavier durchweg drücken würde, rauschen die Songs über einen drüber beziehungsweise durch einen hindurch. Und irgendwie über die gesamte Länge an einem vorbei. Schade drum, denn schlecht ist keines der Lieder nur halt in seiner Gesamtheit viel zu lang. Viel zu anstrengend. Aber immerhin wird der erwähnte Rausch entwickelt und das letztendlich auch noch viel hörbarer und leichter verdaulich als To Here Knows When.
Beat The Devil's Tattoo ist seit heute, dem 12.03.2010 erhältlich.

Hörbeispiele:

Evol
Bad Blood

Mittwoch, 10. März 2010

Geschliffen, poliert und in Öl gebadet.

CoverSeit dem 01.03.2010 ist das Debütalbum Lights von Ellie Goulding per Import erhältlich. In Deutschland wird es dann am 23.04. erscheinen. Kaufen braucht man es allerdings nicht.









Denn wenn man mal dezent sucht, stellt man fest, dass man fast das ganze Album von allerlei Blogs bekommt:

01. Guns And Horses
02. Starry Eyed (noch besser ist der Russ Chimes-Remix)
03. This Love (mal nur als live-Version)
04. Under The Sheets
05. The Writer
06. Everytime You Go
07. Wish I Stayed (feat. FrankMusik)
08. Your Biggest Mistake
09. I'll Hold My Breath
10. Salt Skin

Sollte irgendwann nochmal der Titel This Love sich in der Originalversion breit machen, empfehle ich, sich diesen unbedingt reißerisch zu unternageln. Dann hat man wirklich alle relevanten Titel so bekommen. Den Rest kann man sich sparen.
Denn die anderen Songs unterscheiden sich nicht großartig von den erhältlichen. Man hört durchweg ganz nette Singerei von Songwriterei, die im Synthpop-Darm eingewurstet ist. Das klingt auch alles nicht schlecht und wenn man mit sehr viel Konzentration sich den einzelnen Songs widmet, stellt man auch fest, dass diese noch nicht mal wirklich schlecht sind - außer dem sehr einfältig nervenden Everytime You Go, das zu allem Überfluss auch noch mit einem jaulenden Gitarrensolo abgedroschen wurde. Allerdings ist die Gefahr riesig über die ganze Albumlänge schnell mal gedanklich abzudriften und die Musik beginnt am Trommelfell abzuperlen, als wäre das mit Teflon beschichtet. Auf der ganzen Kunststoffscheibe findet sich kein Widerhaken, Nix was aus dem Meer aus romantischer Schöngeistigkeit herausragt. Die Pianos klimpern, die Lagerfeuergitarren kullern, der Bass brummelt warm, die Beats tänzeln verspielt, die Synthies unterfüttern sanft und die Stimme haucht zurückhaltend (beziehungsweise versucht sie ihr dünnes Organ mit permanenter Dopplung und unendlichen eigenen Backingvocals künstlich zu verdicken. Meine liebe Frau Gesangsverein, so nicht!). Sicher auch alles in seinen Einzelteilen ganz erstaunlich, in seiner Summe, kommt allerdings ein derart glitschig-glattes Albummolluskel heraus, welches man einfach nicht greifen kann und je fester man drückt, desto schneller entgleitet alles.
Natürlich brauchte man nach den Vorabliedern Under The Sheets und Starry Eyed kein In Utero erwarten, schließlich haben wir es hier mit Popmusik der mainstreamigsten Sorte zu tun. Allerdings haben wir ja erst letzte Woche anhand von Two Door Cinema Club erfahren, wie man aalglatte Popmusik machen kann und dennoch sich im Kopf verankern kann.
Kleine Aufreger und Hängenbleiber können kleine Stilwechsel sein, eine nacktere Produktion, ein Ausbruch aus der Verse-Chorus-Bridge-Struktur und eine variablere Stimme. All das findet auf Lights nicht statt. Daran krankt dieses Machwerk.
Wenn man in der richtigen Stimmung ist, können solche Stücke wie Your Biggest Mistake oder Guns And Horses auch durchaus begeistern. In seiner Gesamtheit allerdings passiert hier nix von Substanz oder etwas, worüber man noch mehr Worte verlieren müsste.

Mittwoch, 3. März 2010

Verloren im Eismeer

Die angenehm epische Rückkehr der Foals . . .

Ein Mann stapft durch die klirrende Kälte einer kargen Gebirgslandschaft. Hiner sich her zieht er ein seltsames Paket, dass er erst vor kurzem aus dem langsam aufbrechenden und unrhigen Eismeer gezogen hat. Nein, der allgemeinen Frühlingsstimmung schließt sich dieses 7minütige Hochglanzvideo nicht an. Der Mann, der sich auf die Odyssee im Schnee begibt ist niemand anderes als Foals-Frontmann Yannis Philippakis, der jetzt auch über amtlichen Bartwuchs verfügt. Die neue Ernsthaftigkeit? Nicht unbedingt, denn die sensationelle Fiebertraum der neuen Single "Spanish Sahara" unterstreicht nur die Qualitäten der Foals, die bereits auf dem 2008er Debüt "Antidotes" zu hören waren. Der Ruf einer reinen bunten Mädchen-Tanzflächen-Indieband scheint damit hoffentlich ad acta gelegt, denn wenn der im April erscheinende Nachfolger "Total Life Forever" auch nur annähernd diesen Weg weitergeht, steht uns ohne Frage eines der spannendsten Alben dieses Jahres bevor. Die Foals erweitern ihr Klangspektrum und zeigen Mut zur dezenten Opulenz. Das hier ist groß, Freunde, also bitte die Zeit nehmen, um es anzuschauen.

Dienstag, 2. März 2010

Licht und Schatten

Der ultimative Mega-Tag der Kritiken zieht weitere Kreise. Die Gorillaz und Jaguar Love gab es schon und nun folgen noch jeweils einmal Licht und Schatten aktueller Hochglanz-Popmusik. Repräsentiert durch Two Door Cinema Club auf der guten und Owl City auf der dunklen Seite der Macht.

Two Door Cinema Club – Tourist History

41l5bANYDaL-_SL500_AA240_Drei junge Herren aus Großbritannien mit eingängigen und tanzbaren Indie-Poprock-Songs. Das ruft im Allgemeinen mittlerweile ja gern mal ein lautes Gähnen hervor, denn davon hatten wir ja bekanntermaßen in den letzten fünf Jahren mehr als genug. Gut, manchmal waren es auch vier Typen, selten fünf, aber die Röhrenhosen und Wuschelhaare gehörten dennoch zum Equipment dazu. Braucht man also im Jahr 2010 mehr davon? Eigentlich nicht mehr… und deshalb gingen mir auch Two Door Cinema Club ursprünglich mit ihrem locker-flockigen Melodie-Indie-Pop eigentlich ziemlich weit am Allerwertesten vorbei. „Sollen sich mal die jungen Mädchen damit befassen“ dacht ich mir so…

Das Ganze hat aber bekanntermaßen einen schönen Haken und das ist gleichzeitig das größte Kapital des Trios aus Nordirland: deren Debüt-Album „Tourist History“ ist leider eine fast schon zu perfekt funktionierende Hitmaschine, der man sich als halbwegs popinteressierter Mensch einfach schwer entziehen kann. Kaum eine Chance, dieses Album zu hassen. Zu viel Melodien, zu eingängig, zu schwungvoll. Das Urteil fällt eindeutig zugunsten der Angeklagten aus. Zehn Songs, zehn Volltreffer. Neben eingängigen Refrains, vielen „Ohhs“ und „Uuhs“ überzeugt auch die butterweiche Produktion, die wirklich jeden Ansatz von Ecken oder Kanten ausgemerzt hat. Dazu gibt’s schöne Synthieflächen, die ewig jinglenden Indiegitarren und auch gern mal ein paar Cowbells zu den stampfenden Disco-Beats. Die Rezeptur ist bekannt… etwas Phoenix hier, eine Prise Friendly Fires da: das Hauptgericht wird sehr hittig serviert. „Undercover Martyn“, „What You Want“, „Do You Want It All?“ oder „I Can Talk“ lass ich da gern mal als Tipps herausstechen. Letztendlich kann man aber eigentlich jeden Song nehmen. Wie ein lauer Sommerabend oder, um mal metrologisch näher am „jetzt“ zu bleiben, gern auch ein heller Frühlingstag. Lebensbejahende, junge, schwungvolle Indie-Pop-Songs, die eben jene Art Leichtigkeit und Unbekümmertheit ausstrahlen, die man daran schon seit Jahren schätzt oder ggf. auch hasst. Keine der beiden Seiten wird durch dieses Album vom Gegenteil überzeugt werden. Und obwohl das alles halt nicht neu oder sonderlich originell ist, so haben des die drei Herren vom zweitürigen Kinoclub geschafft, eine erstaunliche Anzahl munterer, und durchaus kurzweiliger Popsongs zusammenzustellen, welche es sicher schafft für viele junge und jung gebliebene Menschen der passende Soundtrack zum Frühling und auch Sommer 2010 zu werden. Alles darüber hinaus muss auch nicht interessieren. Hier und jetzt ist „Tourist History“ absolut ausreichend und zufrieden stellend, was man vom zweiten Kandidaten hier nicht behaupten kann.

Anschauen - "Do You Want It All?" (Video)

Owl City – Ocean Eyes

41GzUyv4a0L-_SL500_AA240_Adam Young ist vermutlich der netteste Mensch auf Erden. Er geht immer nur bei Grün über Ampeln, trinkt gern Brause, mag Käfer, rasiert sich jeden Tag und setzt sich gern mal auf den Balkon und entspannt bei einer schönen alten… sagen wir mal, Platte der Pet Shop Boys. Letzteres kann ich sogar gut nachvollziehen. Und er hat sicher ganz viele Freundinnen und so, aber in der Highschool war er stets der schüchterne, kleine Junge, der sich lieber zuhause vorm PC beschäftigt habt. Doch wie bereits Farin Urlaub es ankündigte, wollte sich auch Young eines Tages rächen und die Herzen aller Mädchen brechen. Vor meinem geistigen Auge spielt sich quasi der Film dazu ab. Jetzt ist Young Owl City und ein Popstar, den man einfach nur knuddeln möchte. So ist Amerika halt!

Nix da! Ich verweigere mich der plüschigen Kuschelrunde! Anfangs dachte ich ja auch noch, dieses „Fireflies“ ist ein ganz kurzweiliger Popsong. Irgendwie süß halt. Doch letztendlich ist es ja immer so, dass man sich bei übermäßigem Zuckerkonsum gern mal den Magen verdirbt. Und so fühlt es sich beim Anhören des Owl City Debüts „Ocean Eyes“ auch an… als ob man zuviel Zuckerwatte gegessen hat. Man wird einfach auf diesem Album von einer so überschwänglich harmoniesüchtigen Naivität erdrückt, dass einem fast schlecht wird. In welchem Land, hinter welchem Regenbogen ist denn so was hörenswert? Ich kann es Mr. Young ja nicht mal übel nehmen, dass er so locker flockige Songs über Würmer und Vögel, sonnige Strandspaziergänge oder gar Zahnarztbesuche schreibt. In seiner grenzenlosen Verweigerung gegen alles Schlechte dieser Welt ist das ja schon fast konsequent durchgehalten. Trotz nettem Songwritings und unabstreitbaren kompositorischen Grundfähigkeiten ist „Ocean Eyes“ von einer dermaßen unberührenden Oberflächlichkeit überzogen, dass es, zumindest mich, richtig sauer macht. Adam Young’s Bubblegumpop bewegt sich konsequent um den berühmten heißen Brei herum und weiß auch nicht richtig wohin er soll. Richtig schön, wenn eine Elektropop-Power-Nummer wie „Umbrella Beach“ mal ausbricht und Tanzstimmung verbreitet. Diese gewisse Energie hat auch der Two Door Cinema Club, aber bei Owl City bleibt der Rest aber irgendwo im Midtempo-Bereich hängen und die Songs fangen schnell an, zu langweilen und sich auf erschreckende Art und Weise zu ähneln. Von der unnötig exzessiven Autotune-Benutzung mal ganz abgesehen. Oh, und diese ganze Postal-Service-Problematik dürfte ja mittlerweile auch hinlänglich bekannt sein.

Es ist toll, dass dieser Mann sich das alles selbst im heimischen Hobbyraum zusammengebastelt hat und auch zu dem steht, was er tut. Aber am Ende des Tages ist „Ocean Eyes“ einfach nur eine belanglose, oberflächliche Ansammlung naiver Popsongs, die auf Dauer einfach zu wenig Abwechslung und Spannung bieten. Vielleicht ist das nett für Frischverliebte, die auf Wolke 7 schweben, Menschen, die noch eine unaufregende Untermalung beim Bügeln suchen und Teenager, die sich nach Miley Cyrus mal mit „echter“ Musik versuchen wollen. Hat vermutlich auch alles seine Berechtigung, aber mich persönlich beschleicht beim Hören das permanente Gefühl der Überflüssigkeit. Es gibt, wie ihr seht, immer zwei Seiten der Medallie. So nett der Adam auch sein mag . . .

Anschauen - "Dental Care" (Video)

Comic-Musik

Da ja derzeit das neue aktuelle Gorillaz-Werk an dieser Stelle in voller Länge zu hören ist, möchte ich mir es nicht entgehen lassen, das Werk Titel für Titel zu kommentieren:

Cover






1. "Orchestral Intro" (featuring sinfonia ViVA) 1:09

Beginnt mit sanftem Rauschen, wie es sich für ein Beach-Album gehört, wird dann von dramatischen Streichern fortgeführt. Klingt groß, klassisch-romantisch.

2. "Welcome to the World of the Plastic Beach" (featuring Snoop Dogg and Hypnotic Brass Ensemble) 3:35

Sehr entspannter G-Funk-Track, zu dem Mr Dogg im typischen Stil (zugekifft bis unter die Hutkrampe) seine schönen Rhymes droppen kann. Die Bläser und die Vocoderstimme im Hintergrund geben eine hübsch soulige Stimmung.

3. "White Flag" (featuring Kano, Bashy and The Lebanese National Orchestra for Oriental Arabic Music) 3:43

Sanfte Percussion, irgendeine Ethno-Flöte und eine sehr folkloristisches Orchester lassen anfänglich noch orientalisches Feeling, wie im Titel bereits angedeutet, aufkommen. Anschließend fällt es dann doch in einem relativ klassischen HipHop-Song zusammen. Der Beat stimmt aber, bringt den Song gut nach vorn. Erinnert ein wenig an The Streets.

4. "Rhinestone Eyes" 3:20

Erstmals kommt die Stimme Damon Albarns wieder zur Geltung. Allerdings melodiefrei. Im Hintergrund die nostalgisch sägende 80's-Synthies über langsamen, aber kickenden Beat. Kann trotz Cheeleader-artigen Shouts im Refrain nicht wirklich überzeugen.

5. "Stylo" (featuring Bobby Womack and Mos Def) 4:30

Ganz im Gegensatz zu dem hier. Altbekannt. Und immer noch grandios. Der Soulgesang Bobby Womacks kriegt mich jedes Mal wieder.

6. "Superfast Jellyfish" (featuring Gruff Rhys and De La Soul) 2:54

Gruff Rhys kennt man ja als Sänger der Super Furry Animals und Neon Neon. De La Soul hatten in den Neunzigern ihre Heydays mit HipHop, der nicht vom bösen Gangsta-Life erzählt, sondern von fröhlicheren Sachen. Der Song klingt auch prompt wie so eine Art Kindergeburtstag. Schließlich wird ja aus Kindersicht auch die Vorzüge unserer Plastikwelt erläutert und Gruff singt im Refrain auch eine simple, an Kinderlieder gemahnende Linie. Der Beat immer noch fett wie eine Friteuse, dazu verpielte Synthie-Weisen.

7. "Empire Ants" (featuring Little Dragon) 4:43

Wieder etwas entspannter. Selige akustische Strandgitarren, viel Delay. Man wird sofort unter einen Sternenhimmel gebeamt. Sehr harmonisch. Und wieder schön von Damon Albarn gesungen.
Ab der Häflte bricht dann doch wieder die Disco über einen rein. Klingt dann im Wesentlichen nach Goldfrapp. Also Musik wie Tangerine Dream mit etwas mehr Beat. Nur singt halt nicht Alison Goldfrapp, sondern Little Dragon. Kann auf jeden Fall jedem romantischen Geist gefallen. Wäre auch eine gute Single.

8. "Glitter Freeze" (featuring Mark E. Smith) 4:03

Mark E. Smith von The Fall darf dem Hörer wieder ungeniert mit seinen typischen Genöle ein Ohr abkauen. Das allerdings nur sehr kurz. Dazu kommt sonst im Wesentlich mal ordentliche Pornomusik from outer space. Geht zwar nicht ins Ohr, aber im besten Sinne in die Hose.

9. "Some Kind of Nature" (featuring Lou Reed) 2:59

Lou Reed spricht wie immer mehr, als er singt. In der Strophe. Im Refrain tritt dann wieder die gesangliche Rettung von Albarn in Erscheinung. Wird im Verlauf mit Zunahme der melodischen Elemente immer besser. Je weniger Lou Reed halt machen darf. Das ist aber auch sehr subjektiv. Manche mögen es ja, wenn einer komplett verdrogt und gelangweilt auf einen einlabert.

10. "On Melancholy Hill" 3:53

Och wie schön. Ein schöner einfacher Popsong, der zwar wieder aus dem Kinderzimmer entwichen klingt, mit Glockenspiel und verschämten Piccoloflöten-Elementen. Aber die Melodieführung ist halt sehr schön. Niedlich.

11. "Broken" 3:17

Klassischerer R'n'B-Song mit hübschen AutoTune-Refrain. Gefällt mir außerordentlich gut. Hat wieder diese Weltraumkomponente, die der Musik gut steht. Perfekte Länge, außerdem.

12. "Sweepstakes" (featuring Mos Def and Hypnotic Brass Ensemble) 5:20

Zeit, dass wieder die fetten Beats zum Zuge kommen, wer passt da besser als der erneute Mos Def-Einsatz? Doch anfänglich fragt man sich, wo bleibt denn nun der Beat ... zunächst klingt das noch sehr gebremst. Im Verlauf kommen, dann noch vorsichtige Sägeform-Synths dazu. Man erwartet jeden Moment, dass es gleich losbollert, aber es bleibt ruhig. Die Balkan-Bläser setzen ein. Der Song zieht weiter und weiter. Mos Def rappt. Und beinahe unmerklich ist die Klangkulisse randvoll. Das gesamte Ensemble für dieses Lied wirkt wie ein Treck, der immer mehr in Fahrt kommt, gemeinsam harmonische Schlängellinien fährt und letztendlich doch sehr gut mitreißen kann. Sehr cleverer Track. Ein weiteres Highlight.

13. "Plastic Beach" (featuring Mick Jones and Paul Simonon) 3:47

2/3 The Clash im Titelsong? Was wird denn das? Ein eigentlich klassischer Gorillaz-Song, der aber letztendlich durch seine ziellosen Samples und seine Melodieaskese bereits nach zwanzig Sekunden nervt. Da muss man wohl durch, wenn man Legenden ins Studio lässt.

14. "To Binge" (featuring Little Dragon) 3:55

Zum Glück gibt es ja Leute, die noch melodieverliebt sind. Little Dragon gehört offenbar dazu. Zu netten Kirmesorgeln, federleichtem Shufflerhythmus und im Zwiesang mit dem Hauptvokalisten kommt ein weiteres sehr niedliches Söngchen bei rum, den man im Prinzip ad hoc ins Herz schließen muss. Verliert sich dann doch irgendwie. Eine Minute kürzer wäre sinnvoller gewesen.

15. "Cloud of Unknowing" (featuring Bobby Womack and sinfonia ViVA) 3:06

Das Rauschen taucht wieder auf. Aus dem Meer entsteigt die mächtige Stimme des Bobby W., der mit seiner Stimmlage sofort an Louis Amstrong erinnert. Mit dem Einsatz des kleinen Sinfonieorchesters entfernen wir uns vom Strand und fliegen hinfort. Wunderschön. Viiieeel zu kurz. Könnte das nicht bitte so endlos sein wie der Titelsong? Gleich noch einmal hören.

16. "Pirate Jet" 2:32

Furchtbar billige Keyboardsounds geleiten den Hörer weg vom Plastic Beach hinein in eine Plastic World voller Kunststoffbecher die einhundert Jahre lang im Ozean schwimmen. Willkommen in der Realität.

Fazit: Hit reiht sich an Hit. Und wirkt dennoch als geschlossenes Ganzes. Mit durchgehender entspannter Strandatmosphäre, die dennoch permanent von einer Art Unheil überschattet ist, welches permanent vernehmlich ist. Also auch musikalisch hervorragende Umsetzung des titelgebenden Themas. Die Texte setzen sich wohl auch damit auseinander. Darf man ruhigen Gewissens gutfinden. Und am Freitag, den 5. März im Laden käuflich erwerben.


P.S.: Seit heute ist auch das vollständige Video zu Stylo verfügbar. Da das bei YouTube mal wieder Länder-geblockt ist, hier einfach ein internationaler Link:
Gorillaz - Stylo (feat Mos Def and Bobby Womack)

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