Mittwoch, 29. September 2010

Out of the forest

Ob man es glauben mag oder nicht, aber dieser Blog ist NICHT mein Leben. Unglaublich oder, aber all die Bands finanzieren mich oder meinen Kollegen FallOnDeafEars nicht wirklich, so dass wir gezwungen sind, etwas aus unserem Leben zu machen bzw. mit sinnvollen Aktivitäten abseits der Bloggerei unser Geld zu verdienen. Oder es zumindest anstreben. Bei meiner Wenigkeit wäre dies dann nächstes Jahr der Fall, momentan sitz ich noch an der Abschlussarbeit. Aber genug zur Biographie... warum ich das erwähne. Nun, es stellt sich halt die allumfassende Frage, wo genau denn berufstechnisch der Weg hingeht. Die Welt eines Geisteswissenschaftlers ist bekanntlich voller Optionen.

Deshalb heute die Varinate "Film- und Videoproduktion", an der ich in den letzten Jahren viel Spass und Freude gefunden habe, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Vielleicht hat sich ja mal jemand in der Linkliste das Format "gelb!" angeschaut. Empfehlenswert. Jenes Format brachte mich nun in die Position zusammen mit meiner reizenden Kollegin Jenny (auch hier empfiehlt sich das Anklicken ihres Blogs) ein Musikvideo für die Band Lost.Minds zu produzieren. Nachdem ich schon mal die Ehre hatte, bei einem Videodreh für die guten Herren beizuwohnen (siehe hier, achten sie auf den dicken Mann mit Hut), wurde es nun ein ganzes Stück professioneller, inkl. durchdachtem Konzept, Kostüm, Outdoor-Dreh bei Tag und Nacht usw.

Herausgekommen ist folgendes Video zum Song "Catch Up On Everything", welcher von einer EP aus diesem Jahr stammt, die den gleichen Namen trägt wie die Band. Die Lost.Minds (niemals den Punkt vergessen!)sind eine sympathische 5-Mann-Kapelle aus Jena/ Berlin, die es seit 2004 gibt. Musikalisch kann man das gern als Indie-Rock kategorisieren, der gelegentlich auch mal mit Elektronik und breiten Gitarrenwänden liebäugelt. Emotionen inklusive! Mit dieser Kombination und mit immer wieder neuen Ideen hat sich die Band in den letzten Jahren eine kleine, aber feine Fanbasis erspielt, zu welcher der ein oder andere jetzt noch dazustoßen mag/ kann und soll. Die gleichnamige, fünf Track starke EP gibt's direkt unter dem Video zum Gratis-Download. Im Namen der Band und meiner eigenen Producerehre hoffe ich, das Video gefällt, trotz der bescheidenen Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Aber selbst Anton Corbijn hat ja mal klein angefangen, egal ob mit oder ohne 5 Euro mehr Hartz IV.



Alternativ-Video-Link: Bei YouTube anschauen.

Free Download - EP "Lost.Minds" (2010) (einfach unter "Media" gehen und dort runterladen)

Sonntag, 26. September 2010

rhododendron's ranking ... 38/ 2009

Das leidige “Was-ist-denn-nun-eine-Single-und-was-nicht”-Thema hatten wir hier ja schon desöfteren und das macht sich bei der Auswahl natürlich immer etwas schwerer. Die Foals sind da auch gesonderte Kandidaten. Eigentlich gibt’s gerade „Spanish Sahara“ als Single, aber auch nur ein Re-Release. Und nun schon wieder ein neues Video? Na ja, da besagter Song über besagte Wüste ja schon vor nem halben Jahr hier war, hab ich mir gedacht: „Scheiß drauf!“ Die neue Single heißt „2 Trees“ und ist vielleicht neben der Sahara der beste Song des aktuellen Albums. Ein melancholisch, träumerisches Meisterwerk. Und damit geht’s locker direkt auf die Eins. Die insgesamt vierte(!) Nummer Eins dieses Jahr für die Briten. Einsamer Rekord! Die Kings Of Leon müssen sich da hinten anstellen. Neu auf Platz 4 ist der wohl chronisch gelangweilte Russel Lissack von Bloc Party, der hier mit seinem neuen Nebenprojekt (Co-Pilots) mal eben eine Single seines letzten (Pin Me Down) neu abmischt und dem netten „Curious“ damit ordentlich Feuer unter dem Arsch macht. Toller Clubtrack, dafür geb ich gern Platz 4. Der dritte Neuzugang stammt von den Spaniern von Delorean, die uns mit ihrem Clip zu „Real Love“ trotz intensiven Herbstbeginnes noch einmal den Sommer zurückholen wollen. Das funktioniert sogar erstaunlich gut. Ich bin dann mal vom Meer träumen und wünsche noch einen schönen Sonntag!

01.(NEW/ #1) Foals “2 Trees”
02.( 02 / #2 ) Kings Of Leon “Radioactive”
03.( 01 / #6 ) Kisses “People Can Do The Most Amazing Things”
04.(NEW/ #1) Pin Me Down vs. Co-Pilots “Curious”
05.( 04 / #3 ) Fotos “Mauer”
06.( 03 / #4 ) Arcade Fire “Ready To Start”
07.( 07 / #2 ) Marina And The Diamonds “Shampain”
08.( 05 / #7 ) Interpol „Barricade“
09.( 06 / #3 ) A Classic Education “Gone To The Sea”
10.(NEW/ #1) Delorean “Real Love”
11.( 09 / #3 ) Cee-Lo Green “Fuck You!”
12.( 08 / #5 ) Orchestral Maneuvers In The Dark “If You Want It”
13.( 11 / #7 ) Robyn “Hang With Me”
14.( 10 / #8 ) Wir Sind Helden “Alles”
15.( 17 / #2 ) Magic Kids “Superball”
16.( 12 / #10) Kele „Everything You Wanted“
17.( 13 / #9 ) Klaxons “Echoes”
18.( 16 / #5 ) Trentemøller “... Even Though You’re With Another Girl”
19.( 14 / #5 ) Yeasayer “Madder Red”
20.( 18 / #11) The Pass „Treatment Of The Sun“





Samstag, 25. September 2010

Sunny Saturday Afternoon

Cover

Adam Pierce hat mal wieder seine Mice Parade aufmarschieren lassen, um der Welt mit dem neuen Album What It Means To Be Left-Handed zu zeigen, dass schöne Popmusik auch mit Mandolinen, seltsamen Takten, zerfahrenen Arrangements und indirektem Gesang möglich ist. Das ist etwas für Musikliebhaber, nicht für Nebenbei-Hörer. Denen erschließt sich allerdings Großes. Ein fiktiver Festivalbericht.

Mice Parade ist eine jener Bands, die für gewöhnlich den undankbaren Job haben, bei einem Festival Samstag als eine der ersten Bands auf die Bühne zu müssen. Die Zuschauer sind noch zu zerrupft von der Einstiegsparty, die der Abend davor halt darstellt. Viele gammeln noch auf dem Zeltplatz vor sich hin, viele schlafen noch oder wieder. Nur ein paar ziemlich enthusiastische Musikliebhaber haben sich schon wieder auf das Festivalgelände begeben, um ihr Eintrittsgeld wirklich wieder reinhören zu können. Da kann man dann solche Bands vernehmen, die man nur vom Namen her kennt oder nur eine Single oder halt gar nicht.
Die Kapelle steht auf der viel zu großen Bühne und schaut in einen – euphemistisch - sperrlich bestellten Zuschauerraum und muss nun vorgeben, total viel Lust zu haben und unbedingt Leute überzeugen zu wollen. Also spielen sie ihre Dreiviertelstunde runter und versuchen irgendwie zu übertünchen, dass sie eigentlich selbst noch nicht so richtig wach sind. Was in diesem Moment also zählt, ist die Musik.
Die Gruppe fängt zum Beispiel mit Old Hats an. Komische Musik. Eine mehr als omnipräsente Mandoline, ein Schlagzeuger der irgendeinen krummen Beat spielt, zwei Vokalisten – m/w – die ab und zu mal eine kleine Zeile ins Mikro nölen. Ansonsten trägt der Song sich selbst immer weiter voran. Ja, klingt ganz niedlich, passt zu diesem sonnigen Nachmittag. Nächster Song – Fortune Of Folly. Mmh … klingt so ähnlich. Oh, das klingt aber hübsch, wie sich die Gitarren (akustische, elektrische, Mandoline) umspielen! Moment! Warum bremsen die den Song jetzt so aus? Bisschen anstrengend. Erinnert irgendwie an die Broken Social Scene. Auch ein wenig an Múm. Die Stimme von ihr klingt auch so verhuscht. Ach nee, das ist die sogar! Das Publikum applaudiert schon etwas mehr. Recover, der nächste “Reißer”. Wie bewegt man sich eigentlich dazu? Ist ja nicht so, dass einem die Füße einschlafen, aber so richtig zum abgehen ist das auch nicht? Man schaut sich um, die kleine Gruppe Abi-Nerds neben einem kann das auch nicht richtig einordnen, nur sanft schüttelt sich der Afro. Aber der Blick ist fasziniert auf die Bühne gerichtet … die Gespräche werden weniger.
CoverMary Anne, als nächstes. Die Ballade, die das Album abschließt. Ist ja nicht so, dass man jetzt unbedingt eine Erholung braucht, aber gut. Die werden sich schon was dabei gedacht haben. Der Blick schweift etwas ab. Die Sonne malt mit festen Griff interessante Schattenspiele auf die noch sehr leeren Betonflächen. Das Mädel vom Bierstand hinter dem Zuschauerraum träumt vor sich hin. Das Pärchen rechts von der Bühne knutscht, die Gruppe Indie-Studenten liegt da hinten lächelnd im Gras und lässt sich von der Sonne an der Nase kitzeln. Ach! Ist das alles friedlich. Bessere Musik kann es für diese Szenarie nicht geben. Man wendet sich wieder interessierter der Bühne zu. Jetzt kommt die Hitkanone: Mallo Cup, ein Song, der direkt von Dinosaur Jr. geklaut zu sein scheint. Flott, ungewöhnlich straight, recht kurz. Es kommt Bewegung ins Publikum. Tokyo Late Night, der “Breakbeat” fährt schön ins Bein, sonst lässt man sich von dem Stück treiben, Mandoline, Piano, Bass, Gitarren, Stimmen alles prasselt so Stück für Stück auf einen ein. Die Musik muss man irgendwie als impressionistisch bezeichnen.
Oh, jetzt aber: In Between Times – klingt wie eine Mischung aus Lampshade in der Strophe und Stars im Refrain. Das Publikum wird immer begeisterter, bewegt sich immer mehr. Auch der Band nimmt man die Freude inzwischen ab. Even, der nächste – fast klassische in seinem Sound – Indiehit. Besser könnten das Nada Surf nicht machen. Brillanter Song. Trotzdem ist nach anderthalb Minuten Schluss. Zum Finale: Couches & Carpets. Die Nachtmusik. Passt zwar nicht gerade zu dem tatsächlichen Wetter, aber inzwischen träumen eh alle tanzend vor sich hin. Jetzt! Der Postrock-Moment! Uh, jetzt wird es aber laut. Wie geil! Die Band drischt jetzt nur noch auf die Instrumente ein, das Publikum johlt, auch die Verkäuferin aller Biere lächelt, die Liegewiese wurde immerhin schon zur Sitzwiese. Jeder freut sich über diese kleine Entdeckung, die er an diesem Nachmittag gemacht hat.

Auch wenn das natürlich inzwischen schon das achte Album von Mice Parade ist, musste es vielleicht so lange dauern, um ein paar mehr Menschen von der Güte dieser Kapelle zu überzeugen. Denn irgendwie wirkt der ganze Spaß jetzt etwas kompakter, schlüssiger, organischer. Natürlich klingt das Ganze immer noch im Prinzip zerfahren, verstolpert und sehr eigen, aber halt dennoch wirklich greifbar. Pop für Profis, Fortgeschrittene und ambitionierte Amateure sozusagen.

What  It Means To Be Left-Handed erscheint in Deutschland am 01. Oktober, ist aber schon als Import erhältlich.

Hörbeispiel: In Between Times

Montag, 20. September 2010

Peinliche Popvorlieben / Teil 5

So. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten. Seit einigen Wochen geistert nun diese hübsche Single immer wieder mal durch meinen persönlichen Äther. Wo ich zuerst nicht wusste, ob das nun Mist oder doch ein must ist, bin ich nun zu einer Entscheidung gekommen. Das ist Mist, der aber trotzdem mal vorgestellt werden sollte.

Amy Meredith – Young At Heart

Was für eine schöne Stimme. Zumindest, wenn man die Black Kids mag. Denn hier befindet sich das vokale Gegenstück dazu aus Australien. Dazu wird formatierter Indierock gereicht, der so auf Nummer-Sicher getrimmt wurde, dass Fort Knox wie ein Witz dagegen wirkt. Simpler Text, simple Melodie, simples Arrangement und irgendwie sehr kalt in seiner Ausdrucksweise. Also alles das, was man landläufig so unter Formatrock versteht. Passend dazu auch ein Hochglanzvideo, voller Lichtreflexe und fröhlicher Indie-Models und einer Band aus dem Hipster-Katalog. Perfekt. Sitzt, passt, wackelt und hat Luft.
Alles das sollte einem treuen Alternativ-Popper ja schon mal ordentlich die Halsschlagader schwellen lassen. Das tut es auch. Bis man sich dabei ertappt, wie man auf einmal die Refrain-Melodie so vor sich hin pfeift. Tonight we’re all still young at heart. Es merkt sich unmerklich ein gutes, befriedigendes Gefühl ein, wenn man den Track dann doch noch einmal anspielt. Die schmalzigen Keyboardflächen breiten einem die Arme aus, die Mannequins aus dem Videoclip stecken einen mit ihrer guten Laune an und prompt ist man infiziert.
Der Rest ihrer Musik ist im Prinzip nicht der Rede wert. Doch dieser eine Song kann einem schon den Tag versüßen, wenn man über die Formatradio-Oberfläche hinweg blicken kann. Mal schauen, ob das nur mir so geht oder ob sich das noch zum veritablen Hit entwickelt. Bisher wurde das Ganze noch nicht als Single veröffentlicht, auch wenn das Video bereits verfügbar ist. Aber mit Sony im Rücken und einer gewissen Penetranz in der Beschallung mag das klappen. Doch auch wenn dem nicht so sein sollte: Ihr kennt es erstmal. Something good will come.



Ach ja: Wem das alles zu 00er ist, der kann sich auch gerne den Visitor-Remix von Young At Heart zu Gemüte führen. Das klingt wiederum heftig nach 80er.

Sonntag, 19. September 2010

rhododendron's ranking ... 37/ 2010

So, die 37. Ausgabe des wöchentlichen Rankings im diesen Jahr. Ich versuch mich heut auch mal so kurz, wie möglich zu fassen. Die Kisses belegen nach wie vor den ersten Platz, bekommen aber direkt dahinter Konkurrenz von ihren Landsleuten, den Kings Of Leon. Die haben schon wieder eine neue Platte inklusive schmissiger neuer Single, inkl. Gospel Chor und Barbecue-Video. Jeeeesus Christ! Sehr feine Nummer. Die Fotos machen nochmal zwei Plätze gut und Marina und ihre Diamanten melden sich auf der Sieben mit einer neuen Single zurück. Die x-te aus ihrem Debüt, aber „Shampain“ gehört dennoch zu den besseren Tracks da drauf, weshalb dieser Platz extremst gerechtfertigt ist. Außerhalb der Top 10 geht’s für alle ein Stück runter. Und für die Magic Kids reicht es mit der schnittigen Single „Superball“ immerhin für einen 17. Platz im Ranking. Amtlich, Amtlich, meine jungen Herren. Und schoooon bin ich wieder weg. Das war’s für diesen Sonntag, hoffe für jeden ist wieder was dabei gewesen.

01.( 01 / #5 ) Kisses “People Can Do The Most Amazing Things”
02.(NEW/ #1) Kings Of Leon “Radioactive”
03.( 02 / #3 ) Arcade Fire “Ready To Start”
04.( 06 / #2 ) Fotos “Mauer”
05.( 03 / #6 ) Interpol „Barricade“
06.( 04 / #2 ) A Classic Education “Gone To The Sea”
07.(NEW/ #1) Marina And The Diamonds “Shampain”
08.( 05 / #4 ) Orchestral Maneuvers In The Dark “If You Want It”
09.( 08 / #2 ) Cee-Lo Green “Fuck You!”
10.( 07 / #7 ) Wir Sind Helden “Alles”
11.( 09 / #6 ) Robyn “Hang With Me”
12.( 12 / #9 ) Kele „Everything You Wanted“
13.( 10 / #8 ) Klaxons “Echoes”
14.( 11 / #4 ) Yeasayer “Madder Red”
15.( 14 / #3 ) MGMT “Congratulations”
16.( 13 / #4 ) Trentemøller “... Even Though You’re With Another Girl”
17.(NEW/ #1) Magic Kids “Superball”
18.( 15 / #10) The Pass „Treatment Of The Sun“
19.( 17 / #8 ) Ellie Goulding “The Writer”
20.( 18 / #7 ) Metric “Eclipse (All Yours)”





Samstag, 18. September 2010

In der Pop-Destille

Cover

Die wunderbaren The Thermals beglücken uns mit einem neuen Album. Kurz, melodisch, etwas ruppig, immer sympathisch. Popmusik auf das Wesentliche reduziert: Gesang, Schlagzeug, Bass, Gitarre und ein großer Eimer voller wundervoller Melodien. Zweiunddreißig Minuten voller Glückseligkeit. Für mich zumindest. So haben sie das früher schon einmal drauf gehabt und so praktizieren sie es wieder. Ohren auf für Personal Life.

 

The Thermals sind: Hutch Harris und Kathy Foster (sowie irgendein Schlagzeuger, der eh nicht länger als zwei Alben dabei sein darf). Und ihr Motto ist: Tempo. Weil Sänger, Gitarrist und Hauptsongwriter Hutch eines dieser ADHS-Kinder ist, das nicht mittels Ritalin in den Orbit geschossen wurde, fällt es ihm schwer sich länger auf eine Sache zu konzentrieren. Glücklicherweise kommt bei ihm noch ein Talent für erstklassige Lieder dazu. Aus diesen zwei Fakten kann jeder Dyskalkuliker ableiten, was bei den Thermals vorliegt: Das Destillat der Popmusik. Kein Schnickschnack, Nichts zum Füllen, nur der Song. So wie es die Folker so gerne vormachen. Da das aber schnarchnasige Musik ist, ist es für Mr Harris natürlich ungeeignet. Als Poppunk könnte man die Musik seiner Truppe beschreiben.
Zumindest auf den ersten beiden Alben. Unter diesen 25 Titeln befindet sich genau einer (!) der die Dreiminuten-Schallmauer durchbricht. Schnell, schnell, schnell muss das gehen. Auf dem dritten Album The Body, The Blood, The Machine wurde dann versucht dieses Konzept zu durchbrechen. Die Songs blieben zum Großteil recht langsam, waren ruhiger und vergleichsweise episch in ihrer Länge. Und der Pop ging irgendwie flöten. Eine Enttäuschung. Der Nachfolger Now We Can See konnte auch nicht gerade aber überzeugen.
Aber jetzt ist Personal Life da. Zehn Songs, dreißig Minuten. Und der Weg der Thermals in diese halbe Stunde einkomprimiert. Die straff getakteten Arrangements der Anfangsphase, gespickt mit Variabilität der beiden letzten Alben. Nicht jede Melodie und Hookline muss vom Sänger kommen. Nein, auch die Gitarre wird zum Singen gebracht oder der Background-Chor wird in den Vordergrund geschoben. Das Tempo ist nicht durchgängig im roten Drehzahlbereich. Und auch nicht durchgängig kurz vorm Absaufen. Mal hier, mal da, mal in der Mitte.
Mehr Variabilität muss aber nicht sein. Sonst ist alles gleich. GitarreSchlagzeugBassGesang. Zwar etwas altmodisch, wenn man bedenkt, dass inzwischen jede mikrofonierte Röhrenjeans sich gemüßigt fühlt, einen elektronischen Klangerzeuger einzusetzen. Es tut der Sache aber keinen Abbruch. Für meine Ohren klingt es eher vorteilhaft, es hat etwas Reines und Unverfälschtes. (Oh Gott, sowas schreiben doch eigentlich nur die Popveteranen vom Rolling Stone – ich werde alt.)
So kommen also schöne Spätsommerhits wie das federleichte Not Like Any Other Feeling, das recht niedliche You Changed My Life, der hoffentlich-bald-College-Hit I Don’t Believe You und der absolute Übersong und Ohrwurmrakete Your Love Is So Strong bei rum. Die Qualität der Lieder ist fast durchgängig sehr hoch – so richtig fällt nur Never Listen To Me durch seine Melodiearmut aus dem Rahmen. Ansonsten bekommt der interessierte Hörer Akkordfolgen, Melodiebögen und Refrains vor die Füße geschmissen, wie sie bei anderen Bands vielleicht einmal auf einem Album vorkommen.
Das ist auch alles, worauf man sich dabei konzentrieren sollte – die Musik an und für sich ist nix Weltbewegendes oder Revolutionäres – Power Pop halt –, aber die Lieder können einen trotzdem durch die Spätsommer der nächsten zehn Jahre bringen. Alles richtig gemacht.

Personal Life erschien am 10.09.2010.

Donnerstag, 16. September 2010

Kurz und Bündig - 09/10

Manche Alben kann man leider nicht in der Intensität abhandeln, wie man eigentlich müsste. Manchmal fehlt es halt an Zeit, irgendwie an Motivation und teilweise auch an ein paar guten Platten auf dem Markt. Da ich dank Abschlussarbeit, vieler Internetstreams und diverser Fileanbieter dann doch in ein paar reinhören konnte, folgen hier wieder meine Kurzeindrücke von fünf Alben der letzten Zeit.
Kurz-Und-Buendig-3

Fotos – Porzellan

Das Beste gleich zu Beginn. Im Prinzip hatte ich die Fotos schon als nette, aber unwichtige deutsche Indie-Rockband abgestempelt, deren einziger Vorteil damals war, dass sie mal im Gegensatz zur Konkurrenz nicht zu spät dran war, um auf den Trendzug „Großbritannien“ aufzuspringen. Das Debüt bot ordentlichen New-Wave-Indie-Rock und hatte internationales Format, der Nachfolger hatte eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Nach einem uninspirierten Auftritt beim Bundesvision Song Contest war dann wohl wirklich die kommerzielle Luft draußen. Und nun das? „Porzellan“ ist das vielleicht überraschendste Album dieses Jahres, eben auch weil sich die Herren komplett neu erfinden und definieren. Man orientiert sich nun an Shoegaze-Größen wie „Jesus And The Mary Chain“, „My Bloody Valentine“ oder auch gern mal den spät-80er-Cure. Das heißt: viel Hall, viel Flächen, viel Echos, viel weite. Die Drums hallen in weiter Ferne, genauso wie die Stimme von Sänger Tom, der seine kryptischen Textbotschaften bereits aus dem Äther zu singen scheint. Sphärische Monster wie „On The Run“ oder „Raben“ treffen auf schnittige Single-Kandidaten, wie „Mauer“ oder „Nacht“. Das funktioniert deshalb so gut, weil man sich eben 1:1 an den Originalen orientiert, aber die deutsche Sprache eben dann doch mal außergewöhnlich in diesem Soundkontext klingt. Klar, Puristen können jetzt beklagen „Den fällt nix eigenes ein“, aber seien wir mal ehrlich: wann ist das in den letzten Jahren noch irgendjemandem? Und gerade in Deutschland. Damit kommen die Fotos von der Ersatzbank wieder ins Spiel und präsentierten ein echtes, kleines Meisterwerk voll andächtiger Schönheit. Davon bitte einen Abzug!

"Porzellan"-Stream bei Simfy

Magic Kids - Memphis

Schlagersänger Chris Roberts wusste es einst: „Du kannst nicht immer 17 sein.“ Recht hat die Schmalzlocke. Am Älterwerden führt ja kein Weg vorbei. Das beweist schon der tägliche Blick in den Spiegel oder jede neue Geburtstagskarte. Aber manchmal wünscht man sich halt, man könnte sich die jugendliche Leichtigkeit bewahren. Die Magic Kids machen das. Der flotte Fünfer aus Memphins, Tennessee hat nicht nur sein Debüt nach der eigenen Heimat benannt, sondern sich auch ganz dem akut gravierenden Surf-Pop-Virus verschrieben. Eigentlich müssten sie aus Kalifornien kommen, so sehr würde diese Faust auf’s Klischeeauge passen. „Memphis“ ist locker, flockig, unbeschwert und dabei so naiv zuckersüß, wie die Beach Boys in ihren besten Zeiten. Inklusive Bläsern, Frauenstimmen und Kinderchören und den ewigen Songs über die große Sommerliebe, das schöne Wetter und die unbeschwerte Freiheit der Jugend. Länger als drei Minuten sind die Songs kaum, müssen sie auch nicht. Dafür versucht man erst gar nicht zu klingen, als wäre man nach den 60er Jahren aufgenommen worden. Mehr retro geht fast gar nicht. Ein kurzweiliger, leicht beschwingter Spaß, der vielleicht, wäre er zwei Monate eher erschienen, ein schönes Sommeralbum geworden. So stellen wir uns dazu lieber nostalgische Bilder von Stränden und lazy Sunday afternoons vor. Ziel erreicht, würde ich sagen.

Magic Kids bei MySpace

Brandon Flowers - Flamingo

Irgendwann reißt auch mal jeder Geduldsfaden. Selbst bei mir. Ich habe Brandon Flowers und den Killers bisher immer die Treue gehalten. Ich habe ihnen das dämlich Pseudo-US-Rock-Album „Sam’s Town“ genauso verziehen, wie die 80s-Pop-Scheibe „Day & Age“, die gar nicht mal so mies ist, wie immer alle sagen. Ich verzeihe Mr. Flowers auch seine krampfhaften Morrissey-Immitationen, aber irgendwann ist ja auch mal gut. Irgendwann muss man sich eingestehen, dass „Hot Fuss“ ein Einzelfall bleiben wird und man einem Künstler daraufhin keine Nibelungentreue schwören muss. Schon gar nicht bei diesem Soloalbum. Kele von Bloc Party hat’s vorgemacht, Paul Smith von Maximo Park folgt nächsten Monat und nun also Brandon Flowers. Trotz Produzent Stuart Price und Albumtitel „Flamingo“ erwartet einen kein glanzvolles Discoalbum (was weniger schlimm gewesen wäre), sondern ein unglaublich belangloses Formatradiopop-Werk, auf denen Flowers schon wieder seine ewig gleichen Songs über das romantisierte Amerika, Gott und das tolle Las Vegas singt. Aber eben alles noch eine Spur langweiliger, austauschbarer und nerviger als auf den alben seiner Hauptband. Ein furchtbares Geseihere, gnadenlos glatt produziert und stimmlich leider wenig variabel. Es scheint so, als kann Flowers nichts anderes und immerhin scheinen seine Bandkollegen da noch einiges herauszureißen. Allerdings sollten diese Songs ursprünglich auch Killers-Songs werden. Das lässt dann doch schlimmes erwarten, denn was hätten die noch retten sollen. Brandon, bitte werde der traurige Las-Vegas-Crooner, der auch mal im Nachmittagsprogramm des schlimmsten Dudelradios laufen kann. Aber erwarte nicht, dass ich dir dabei folge.

Brandon Flowers bei MySpace

Robyn – Body Talk, Pt .2

Eine Frau, ein Konzept. Robyn schlägt um sich, choreographisch, wie veröffentlichungstechnisch. Den ersten Streich der „Body Talk“ reihe gab’s vor ein paar Monaten, nun folgt der zweite. Über die fragwürdige Veröffentlichungspolitik hatte ich mich damals schon ausgelassen, also lassen wir das an der Stelle mal. Muss jeder selber wissen, ob er sich das in dieser Form kauft. Positiv anzurechnen ist aber die Tatsache, das Teil 2 sogar noch eine Spur besser als der erste ist. Mit Ausnahme des etwas uninspirierten Minimal-Tracks „We Dance To The Beat“ gibt es keine wirklichen Ausnahmen, dafür aber so schöne Elektropop-Songs, wie „In My Eyes“ oder die tolle Single „Hang With Me“. Und natürlich die üblichen „Dicke-Eier“-Songs, wie „Criminal Intent“. Als ob wir mittlerweile nicht schon langsam gecheckt hätten, dass man sich mit der blonden Schwedin nicht anlegen darf. Immerhin hat sie auch Snoop Dogg dabei, der ja momentan keine Dame abblitzen kann. Inhaltslos wie eh und je trägt der Dogfahther aber seinen Teil dazu bei, dass „U Should Know Better“ den Drive bekommt, den es hat. Katy Perry kann schon mal Staub fressen. Am Ende entlässt uns Robyn dann noch mit einer wunderbar traurigen Akustik-Version von „Indestructible“, welches wir dann wie bei „Hang With Me“ beim letzten, dann auf dem nächsten Album mit voller Instrumentierung genießen werden. Bis dahin reicht aber auch dies als Beweis dafür, dass Robyn stimmlich mehr kann, als nur den weißen Elektro-Power-MC zu geben. In Sachen stilvoller Elektro-Hochglanz-Pop ist Robyn also 2010 das Maß aller Dinge. Hier folgt die Bestätigung, der dritte Teil wird daran sicher nicht viel rütteln können.

Exklusiver Album-Stream bei Guardian.co.uk

Oliver Koletzki & Fran - Lovestoned

Und um noch mal kurz einen Abstecher in die Abteilung „Überflüssig“ zu machen: Oliver Koletzki, seines Zeichens Berliner Minimal-Hype hat ein neues Album gemacht. Mit Freundin Fran. Darauf soll es um die Zelebrierung der Liebe gehen, immerhin präsentieren sich die beiden Frischverliebten ja beim Im-Bett-Frühstücken auf dem Cover. Doch ist das die Liebe, wie sie sein sollte? Koletzki und Anhang servieren ein durch und durch belangloses Album, dessen einzige Funktion wohl darin bestehen soll in irgendwelchen hippen Berliner Cafés zu laufen, so sich Menschen auf nen Latte oder ne Bionade treffen und dabei von ihren wichtigen Jobs im Marketing oder den Meeeedien erzählen. Alles was man an diesem Klischee hasst, repräsentiert „Lovestoned“. Langweilige elektronische Hintergrundbeschallung, die selbst für reinen Minimal zu dröge ist. Ich würde das deshalb wirklich gern als Café-Lounge-Musik abstempeln, bei welcher vermutlich Kalkbrenner beim druffen Nacktfrühstücken einschlafen würde. Janz schön langweilig, Altaaa! Und dazu säuselt uns Fran noch belanglose Texte daher, von Kissenschlachten, Kaffeetrinken (siehe an!) und Fahrradfahren an der Spree. Wo ist das Feuer, die Leidenschaft? Aber ich möchte hier auch nicht die Beziehung des jungen Paares Koletzki analysieren. Für Menschen, welche auf diese Musik stehen und in einer ähnlichen Lebenswelt, wie die beiden Protagonisten verkehren ist das vermutlich die schönste und coooolste Musik auf Erden. Für den Rest wohl einfach nur überflüssig und verzichtbar.

Album-Stream bei MySpace

Montag, 13. September 2010

Duisburg Calling

Da treffen sich beide Blogschreiberlinge von Nobono schon mal auf einem Festival und dann so was. Richtig, das Berlin Festival stand vergangenes Wochenende an. Augenzeugenbericht und Fehleranalyse in einem.

PS: Die Fotos stammen alle von den netten Fotographen von intro.de

BerlinFestival-Entrance
Eigentlich hätte dieser Bericht jetzt durchaus mit einer obligatorischen langen Anfangsrede und einem Monolog über die wie immer lustige, weil sich selbst so sehr liebende, Berliner Hipster Szene beginnen sollen oder zumindest mit einem kleinen Exkurs über die historische Location des stillgelegten Berliner Tempelhof Flughafens und wie hier gekonnt die Geschichte der Stadt (Bau in den 20er Jahre, Nazizeit, Luftbrücke etc.) mit seinem urbanen Anspruch verbunden wird. Hätte auch alles mit einem guten Festival unterstrichen werden können, aber so entpuppt sich das diesjährige Berlin Festival als eine nett aussehende Luftblase, welche von schlechter Organisation, vermeidbaren Anfängerfehlern und dem berühmtberüchtigten Sparen am falschen Ende, zum Platzen gebracht wurde. Und deshalb schlossen wir, FallOnDeafEars und rhododendron, am Samstagabend den Beschluss, dieses Festival auf das Wesentliche zu reduzieren, um ihm nicht mehr Bedeutung zusprechen zu müssen, als es verdient hat.

Die Story ist hinlänglich bekannt. Zumindest, wenn man ein wenig die Medien gelesen hat. Es ist ja keiner umgekommen, denn dann wären wir wohl wirklich in aller Munde gewesen. Aber so wurde das Festival halt Freitagnacht abgebrochen und der Sonnabend umgestellt und stark verkürzt. Diverse Künstler fielen weg, Bescheid wussten nicht wirklich alle, Schuldzuweisungen aus allen Ende und Besucher, die sich den Spaß nicht nehmen ließen, obwohl sie allen Grund dazu gehabt hätten. Und über allem schwebte das Todschlagargument, um alle ruhig zu stimmen: Duisburg! Ja, zwei Monate nach dem Loveparade-Drama waren wohl alle noch zu sensibilisiert, was das Thema „Sicherheit“ angeht. Dies führt dann zu einer leichten Sicherheitshysterie, die ja eigentlich unnötig gewesen wäre. Der Vergleich zu Duisburg hinkt und wird den dortigen Opfern und dem Versagen der Verantwortlichen nicht wirklich gerecht, denn das Berlin Festival war weit davon entfernt, abgebrochen werden zu müssen. Fahle Pressemitteilungen, Sicherheitsbedenken und unreflektierende Medien können nicht über die teilweise amateurhafte Planung dieses eigentlich als krönender Abschluss der Berlin Music Week gedachten Evens hinwegtäuschen. Also alles anders: Wir teilen die Besprechung in zwei Bereiche auf. Zuerst ein paar aufgelistete Hinweise an die Organisatoren (oder alle anderen, die gern mal ein Festival arrangieren wollen, kann ja jetzt fast jeder), dann ein paar Bemerkungen zur Musik, die ja glücklicherweise da war und das alles noch irgendwie gerettet hat.

I. Frust durch Fehler

1. Gelände nutzen. Popkomm hin oder her, aber der Flughafen Tempelhof ist nicht gerade irgendein Club mit Hinterhof, sondern weitläufiges Gelände, welches kaum genutzt wurde. Angesichts der tollen Kulisse ein Jammer. In den Räumlichkeiten ist noch genug Platz gewesen. Die Lautstärkereglung? Ist da keine Sonderegelung drin? Wieviel von der Mainstage hört man in den angrenzenden Gebieten, hinter dem Rollfeld wirklich? Auf der Karte sind die nächsten Häuser schon recht weit weg. Werden die wirklich alle nach 23.00 Uhr um den Schlaf gebracht?

2. Keine Trichter. Ich war nie gut in Physik, aber selbst das raffe ich. Wenn viele Menschen in einen begrenzten Bereich drängen wird es eng. Bei Panik sogar lebensbedrohlich, das zeigten uns die Loveparade-Analysen. Umso unverständlicher, dass diese Trichter vor den beiden kleineren Bühnen (Hangar 4 und 5) sogar aufgebaut wurden, obwohl sie komplett überflüssig waren. Warum einen Trichter hinbauen, wenn da einfach mal wesentlich mehr Platz gewesen ist? Wenn man schon die Zahl der Leute im Hangar begrenzen muss, dann vielleicht lieber direkt an deren Eingängen. Da verteilt sich das auch. So drängen ein paar hundert Leute halt gleichzeitig auf eine kleine Öffnung. Und mehr waren es zur kritischen Stunde Freitagnacht auch nicht. Wegen ein paar hundert Leuten gleich Duisburg im Kopf haben? Come On!

3. Kapazitäten kennen. Der einfachste Trick der Welt. Wenn man nicht so viel Platz hat, nicht so viele Tickets verkaufen. Ein Massenfestival auf begrenztem Raum? Sehr fein! Vielleicht sollte man erstmal mit der Begrenzung der Gästelistenplätze oder des Ticketkontingents anfangen. Gier siegt über Verstand. Es stellt sich die Frage, welche sich schon die MELT!-Verantwortlichen vor ein paar Jahren stellen mussten: Macht man es kleiner und exklusiver oder größer und massenwirksamer? Und wenn man sich, wie das Berlin Festival für letzteren Weg entscheidet, sollte man halt auch Kapazitäten bieten, wie sie Ferropolis hat.
BerlinFestival-Crowd

4. Ahnung von Musik. Wie ja inzwischen schon bei FKP Scorpio und ihrem Hurricane/Southside-Doppel angekommen ist, ist spätestens seit vorletztem Jahr Electro eindeutig im Mainstream angekommen und kann inzwischen ein größeres Publikum mobilisieren, als manche Rockband. Daher ist es ja auch ganz nett, dieser Musikrichtung mit dem Hangar 4 ein eigenes Forum zu bieten, damit der geneigte Hörer nicht so viel hin und her rennen muss. Dieser Vorliebe sollte dann allerdings auch entsprechend Raum geboten werden. Vor allem wenn solche Schwergewichte wie 2ManyDJs, Boys Noize oder Fatboy Slim im Angebot sind, die wesentlich mehr Hipster aus ihren Löchern holen, als Gang Of Four, Adam Green oder Edwyn Collins - denen wiederum die Hauptbühne zur Verfügung gestellt wurde. Grotesk.
In der Praxis ließ sich das am Samstag auch beobachten, als beim Herren Noize, der dann auf die Mainstage musste, eine riesige und sehr bewegliche Menge sich vor der Bühne positionierte, wie es noch nicht einmal die Freitags-Headliner Editors geschafft haben.

5. Kompromisse machen. Folgt direkt dem vierten Punkt. Wenn es die gesetzlichen Beschränkungen halt nicht zulassen, dann muss man kein krampfhaftes „Wir-feiern-durch-die-Nacht-durch“-Festival machen. Lieber gute Acts zu ner guten Zeit auf ner Hauptbühne, als früh morgens in irgendeinem Hangar. Und wenn, dann diverse DJs und alles lieber nach drinnen verlagern. Oder verteilt sie in die Stadt, denn die Berliner Clubkultur feiert eh ohne Kompromisse weiter, die gehen eben nicht nachhause, wenn die Hauptbühne um Mitternacht zugemacht wird. Wie naiv war es, dies anzunehmen.

6. Keine Ausreden. Selbst wenn es aus organisatorischen Kreisen schon heißt, man wollte weiter machen, aber die Polizei hat das verhindert, so war dies alles vermeidbar. Sicher, momentan übertreibt man es ein wenig mit der Sicherheit, aber das wäre auch unnötig gewesen, wenn diese vermeidbaren Fehler nicht gemacht worden wären. Der Besucher ist der Kunde, er erwartet eine Dienstleistung. Das muss kein perfektes Festival sein, aber zumindest eines, das in den Grundzügen seiner Organisation funktioniert. Das war nicht der Fall, weshalb es hier auch wirklich kaum eine Ausrede geht. Sie sollen sich hinstellen, sich entschuldigen und im Idealfall eine Entschädigung anbieten. Das hat nichts mit verletztem Stolz der Besucher zu tun, sondern ist einfach nur ein logischer Schritt.

II. Freude durch Musik

BerlinFestival-JamesWenigstens gab es das auch noch. Musik! Der Grund, warum man überhaupt hier war, beziehungsweise sollte man eigentlich deswegen hier sein. In Berlin und bei dieser Form von Musik ist das natürlich stets auch immer ein Schaulaufen eitler Egomanen und supercooler Stylos. Kann man nicht verhindern und wirkt ja auch gelegentlich sehr komisch, besonders weil der ursprüngliche Anspruch, aus der Masse herauszuragen angesichts von tausenden Gleichgesinnten komplett verblasst und eher die Uniformität fördert. Aber fragen sie mal den Metal, der kennt es nicht anders. Trends lassen sich schwer ausmachen… also, wenn ich danach gefragt werden sollte. Verglaste Hornbrillen, welche Intelligenz suggerieren sollen sind anscheinend immer noch nicht durch. Frauen verunstalten ihre Frisuren immer mehr durch furchtbare Undercuts und die Morrissey-Tolle ist auch 25 Jahre nach „Meat is Murder“ nicht tot zu bekommen. Fein! Die Hoffnung, dass mit dem ewigen 80er Comeback hoffentlich auch nicht die Modesünden von damals wiederkommen, wird mit ersten Zweifeln versehen. Männer, die Frisuren der New Kids On The Block und Co müssen nicht wiederkommen! Aber ist ja auch eher unwichtig, letztendlich wär man auch in einem Kartoffelsack nicht aufgefallen. Die kleine Gruppe im Michael-Jackson-Gedächtnis-Outfit, welche einem immer wieder über den Weg lief, war da noch etwas kreativ. Aber kommen wir endlich mal zu Musik. Was gibt’s Neues im Pop? Eher altbekanntes, was uns das Berlin Festival da, zumindest auf den großen Bühnen präsentierte, aber das bedeutet natürlich keinen Qualitätsverlust. Egal ob die ewig tourenden Soulwax, das überall spielende LCD Soundsystem, Exklusives wie Fever Ray oder ein paar alte Hasen, die sich pünktlich zum Tourende noch mal überreden ließen (Hot Chip, Editors)… da waren ein paar Favoriten dabei. Von den wenigen Acts, welche man aufgrund der Verschiebung und Überlagerung sehen konnte, waren die meisten glücklicherweise gut. Dem allgemeinen Faible der beiden Autoren für Listen folgen nun die Festivaleindrücke in Top-5-Form:

Bester Live Moment

1. Soulwax
- Perfekte Symbiose aus Bild und Ton. Bunte Regenbogenvisuals treffen auf eine Band, die mittlerweile vollständig zum Live-DJ-Set mutiert ist. Das Club-Prinzip vom Aufbau und Abriss eines Tracks reizt keine Band so gekonnt aus, wie das Quartett aus Belgien. Laut, rockend, tanzbar ohne das dabei Gefangene gemacht werden. Nach einer Stunde wirkt es zwar etwas monoton, aber auf dem Weg dahin hat man den Spaß seines Lebens.
BerlinFestival-Soulwax

2. Boys Noize
- Die Allzweck-Waffe. Die Szenen-Antithese zu David Guetta. Ein DJ-Superstar, der zwar auch mit den Black Eyed Peas gemeinsame Sache macht, aber das nicht so raushängen lässt. Zumal er sich, gerade live den Popstrukturen konsequent verweigert. Hier wird Musik auf das reduziert, was zählt. Dicke Beats, noch dickere Bässe und immer direkt in die Gehörgänge. Minimale Instrumentierung, ohne glücklicherweise Minimal zu sein. Alex Ridha gibt dem Volk, was das Volk will, bewahrt sich aber stets seinen Charme. Die Stimmung ist ein nicht enden wollender Siedepunkt. Underground-Rave für die Massen!

3. Atari Teenage Riot
- Das Prinzip Zerstörung. Alec Empire will niemandem wehtun, er will nur spielen. Na, gut ein paar müssen doch verletzt werden. Die Polizei natürlich, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften auch und natürlich die Politiker, das System und vielleicht auch der eigene Vermieter. Ein Aufstand ist ein Aufstand. Nicht logisch, sondern laut. Und konsequent. Das Berliner Live-Comeback der einstigen Underground-Helden ist vor allem eine explosive Verweigerung aller Richtlinien. Hier wird der Pop-Struktur unverfroren in die Magengegend getreten. Digitaler Hardcore Punk, der gerade wegen seiner konsequenten Härte und Verweigerung genauso Spaß macht. Das ruinieren auch Empires etwas sehr egozentrische Ansagen nicht. Eine Wohltat für das Festival und ein nostalgischer Blick auf die revolutionäre Kraft, welche in den 90ern einst in dieser Stadt steckte. Was hat die Subkultur heute noch zu entgegnen? Den Dadaismus von Bonaparte? Come on!

4. Robyn
- Die Optik vieler Besucher mag schon grenzwertig sein, aber wenn man sich Robyn so anschaut, weiß man auch, wo das herkommen kann. Blonder Topfschnitt trifft Bomberjacke! Konichiwah, ihr Schlampen! Die neue große, kleine Lady des guten Elektropop präsentiert die besten Songs aus ihren bisherigen beiden „Body Talk“-Platten von 2010, sowie dem selbstbetitelten Comeback-Album von 2007. Dabei tanzt sie mit einer Mischung aus Lady Gaga und… hmmm, sagen wir mal, Vanilla Ice, haucht ab und an mal ein kleines Dankeschön ins Mikro und verfolgt stattdessen das Dicke-Hose-Prinzip, auch ihn ihren Songs. Die stehen eindeutig auf der Haben-Seite, besonders wenn die gute Frau so clever ist und ihre tolle Röyksopp-Kollabo „The Girl And The Robot“ spielt. Leider etwas steril und durchchoreographiert. Aber so ist der Pop halt auch manchmal.

BerlinFestival-HotChip5. Hot Chip
- Kamen ohne Joe Goddard, der sein neues Vaterglück genoss. Der letzte Auftritt der Festivalsaison war ein gewohnt souveränes Set ihrer größten Hits und leider viel zu zeitig beendet (wenn halb 12 Schluss sein soll, ist halt auch halb 12 Schluss!). Dafür hatte Alexis Taylor wieder ein umwerfendes Outfit an und Owen Clarke am Keyboard links hatte mehr Showtalent als die meisten Frontmänner, den eigenen eingeschlossen. Der wirkte wieder mal leicht abwesend und seine zarte Stimme musste wieder den Kampf gegen die dicken Clubbeats antreten. Die waren dafür aber da! Hot Chip spielen ihre Songs live glücklicherweise stets anders und publikumsorientiert. Balladen verboten! So stellen sich selbst beim besten Fan ein paar Überraschungsmomente ein.

Schwächster Live-Moment

1. Fatboy Slim
- Schlechtes Set, keine Stimmung, wenig Hits und uninspirierte Bühnenshow. Für das Geld hätte man die 2ManyDJs lieber noch länger spielen lassen sollen. Oder gleich Daft Punk holen! Oder Joy Division… hmpf, Nevermind.

2. Boemklatsch
- Ein lustiges DJ-Kombinat aus Holland, das sich irgendwie einen lustigen 20-Minuten-Slot zwischen Atari Teenage Riot und dem Festivalabbruch gesichert hat. Macht das Sinn? Nicht wirklich, wenngleich die Beats natürlich ordentlich in den Gehörgängen hämmerten. Warum dafür aber teilweise gleich 6 Menschen auf der Bühne waren, von denen lediglich 2 die Geräte bedienten muss ich nicht verstehen.

3. Le Corps Mince de Françoise
- Zwei Frauen, eine an der Gitarre, eine am Mikro. Beats aus’m Labtop. Kitsuné Label. Und so weiter. Warum eigentlich? Dilettanten-Pop aus Finnland mit französischem Namen und schlechtem Englisch. Und schlechten Songs. Wenn es Symbolfiguren für alle Gegner der aktuellen „Indie“-Bewegung geben müsste, ich würde diese beiden feierlich nominieren.

4. Editors
- Also natürlich ist selbst ein schwacher Editors-Gig immer noch besser als … hmmm, sagen wir mal, jedes MGMT-Konzert oder so. Aber hier haben die Freitags-Headliner auf mich irgendwie ein wenig müde gewirkt, wenngleich Tom Smith und seine Mannen natürlich Vollprofis sind, denen man das nicht ansieht. Aber es war halt der letzte Gig für eine Band, die seit vergangenen Herbst fast pausenlos unterwegs war und nun vermutlich einfach mal die Synthies in den Schrank und die Füße auf den Tisch legen will. Stimmung war trotzdem okay, das möchte ich gar nicht leugnen. Der Sound hingegen etwas fad.

5. Adam Green
- Der Indie-Holzmichel. Er lebt noch, er lebt noch, stirbt nicht, trotz potentiell steigenden Drogenkonsums und musikalischer Stagnation in den vergangenen Jahren. Ja, die Welt hat Adam Green fast ein wenig vergessen in letzter Zeit. Denn das große Problem des kleinen Indie-Kauzes mit seinen kurzen Popsongs ist die Tatsache, dass er offensichtlich nicht anderes kann. Und irgendwann ist das durchaus nervig, selbst für seine härtesten Fans. Die bekommen an diesem frühen Abend immerhin einen freien Oberkörper, diverse Sprünge in die Menge, sowie die guten, alten Songs von früher, präsentiert in einem Mix aus Rotzig- und Gleichgültigkeit. Als ob es Adam selbst leid ist, „Gemstones“, „Bluebirds“ oder "Emily" zu spielen. Ein trauriger, kleiner Clown, der Herr Green.

Bester Sound
Soulwax: Hat ein ganzes Festival lang gedauert, dann hatte man druckvollen, klaren Sound. Zumindest für diese eine Band.

Bestes Outfit
Soulwax: Alle vier in ordentlich sitzenden grauen Anzügen, schlicht und gut. Wie bemerkte Kim Thayil (Soundgarden) einst ganz richtig: "Muss ich denn aussehen wie ein Penner, um Rockmusik machen zu können?"

Bester Showmoment
James Murphy schlägt auf eine Cowbell. Ich habe ein Indie-Musik-Fan-Leben lang drauf gewartet, dass noch mal zu sehen!

Beste Party
Der selbstveranstaltete anschließende, kleine Parkplatz-Rave vorm Flughafen. Eine bunte Mini-Menschenmasse fand sich ein. Von lustigen Spaniern, über tanzende Damen aus Österreich, einen besoffenen britischen Master Engineerer und einen angehenden finnischen Rockstar war alles an unserem Auto. Klingt fast zu erfunden, um wahr zu sein.

Beste Frisur
MC CX Kidtronik (Atari Teenage Riot) und sein astreiner 90er-Jahre Eurodisco-Gedächtnis-Iro

Beste Sicherheitslücke
Unser israelischer Freund schaffte es, eine Flasche Rum aufs Gelände zu schmuggeln. Da erwies sich das mäßige Personal ausnahmsweise mal als hilfreich.

Bester Kapitalismus-Moment
Dank des Red-Bull-Syndikates gab es auf dem gesamten Gelände keine reine Cola zu kaufen. Stattdessen nur das hauseigene RB-Gemisch, mit dem tollen 3 Schlücke für 3 Euro-Verhältnis.

Schlechtester Hygiene-Moment
Dreißig Meter lange Schlangen vor einer handvoll Dixie-Klos sollte eigentlich ein Phänomen der Festival-Steinzeit sein. Ist es aber nicht. Zumindest in Berlin.

Größtes Kommunikationsdefizit
We Have Band spielen nicht dann, wann sie sollten, sondern eine Stunde später. Das es niemand, inkl. der Band, welche stattdessen spielte, für nötig hielt, da mal eine Ansage zu machen passt zu diesem Festival.

Bescheuertster Künstlername
Creathief

Und was bleibt nun? Eine trotzdem nette Zeit dank der Freunde, mit denen man da war. Und ein Veranstalter, der sich jetzt mal ordentlich was einfallen lassen muss. Sonst heißt der logische Schritt nächstes Jahr nur „Fernbleiben“. Unsere Gruppe hat das schon für sich beschlossen, wenn mehr sich anschließen, schmerzt dass die Veranstalter sicher auch. Ein wenig Auflehnung darf also schon mal sein.

nobono

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