Ausgehen

Samstag, 14. August 2010

Such den Bono

Pro-Bono auf Nobono! Es muss an dieser Stelle auch endlich mal U2 etwas Platz eingeräumt werden. Deren aktuelles Showprogramm machte jetzt u.a. Halt in Hannover. Hier meine subjektiven Eindrücke...
PS: Die Fotos stammen allesamt von der Homepage von NDR2.

Seit nunmehr über dreieinhalb Jahren schreibe ich nun schon meine diversen Gedanken zu Musik aus den Bereichen Rock/ Pop, Indie und was weiß ich hier auf diesem kleinen Blog, welche „Nobono“ heißt. Ich hab nie ganz kapiert, warum der Blog so heißt, aber die ehemaligen Gründer haben sich eh längst in den Vorruhestand verabschiedet, weshalb man das als urbanes Mysterium in den Akten vermerken kann. Ungeachtet morphologischer Gesetzgebung muss es aber was mit deren Antipathie für Bono Vox, Frontprediger der irischen Stadionrocker von U2 zu tun haben. Und ebenso lange habe ich mich auf einen triumphalen Bericht zu dieser Band, welche ich ja eigentlich mag, hier gefreut, denn die Überschrift, „Yes! Bono!“ stand schon seit genauso langer Zeit fest und sollte nun angesichts meines Konzertbesuches bei den vier Herren endlich ihre Verwendung finden. Aber am Ende kommt ja bekanntlich immer alles anders. Aber fangen wir mal kurz am Anfang an.


Bono hatte Rücken. Kann man ja auch mal haben mit 50. Einem Bandscheibenvorfall war es zu verdanken, dass die aktuelle „360° Tour“ ein paar Wochen Pause machen musste. Finanzielle Verluste in dreistelliger Millionenhöhe inklusive. Und deshalb müssen U2 jetzt noch bis weit in 2011 rein weitertouren. Nicht nur wegen der schwarzen Zahlen. Man will ja auch. Das entsprechende Statussymbol hat man ja schon dabei: Die Kraaaalleeee! Nach Turin und Frankfurt war Hannover diesen Donnerstag erst die dritte Station nach dem Wiederanpfiff. Nachdem ich U2 vergangenen Sommer auf ihren beiden Daten verpasst hatte, nun also die Chance, fünf Jahre nach dem ersten und sehr gut in meiner Erinnerung gebliebenen Konzert in Berlin, die Band noch mal live zu erleben. Man weiß ja nie, wie viele Chancen man noch bekommt. Die AWD-Arena ist glücklicherweise nicht riesig und der Ansturm hielt sich in Grenzen, so dass es sich zum Glück nicht unbedingt rentierte, sich 11 Uhr schon anzustellen. Auch nach 17 Uhr kam man noch relativ gesittet in den vorderen Bereich der Bühne. Ja, die Bühne. Viel wurde schon über die Kralle geredet. Revolutionär, riesig, gigantisch, einmalig! Ja, schon irgendwie. Aber auch eine beängstigende Art und Weise. Ich meine, klar, wir reden hier von der Band, die 1997 auf der „PopMart“ Tour die größte Leinwand ever dabei hatte und dazu noch eine ebenfalls beachtlich große Zitrone, aus welcher sie emporstiegen. Aber der Overkill gehörte eh zum 90er-Jahre-Konzept der Band. Damals war das alles bewusst übertrieben, ironisch und konsequent live, sowie auf Platte, durchgezogen. Aber heute? Heute wirkt es nur wie eine groteske Spielerei, deren Mehrwert sich eigentlich auch in Grenzen hält, wie man live feststellen sollte. Na ja, eines nach dem anderen. Erstmal heißt es relativ lange im abgetrennten Raum vor bzw. rund um die Bühne warten. Unvermeidlicher Nebeneffekt von Konzerten in dieser Größenordnung. Irgendwann enterten dann Kasabian die Bühne und gaben einen ganz okayen Support Act ab. Da ich die an anderer Stelle schon mal live gesehen hatte, wusste ich von deren Live-Qualitäten. Gerade in der Heimat sind die diesbezüglich ja eine Macht, hier sind sie mehr ein (Achtung, Wortspiel mit Band-Song) „Underdog“. Aber man arbeitet dran, spielt ein solides Set an „Hits“ aus den ersten drei Alben und Frontmann Tom Meighan übt sich als Crowd-Anheizer mit dem gewissen Mix aus Lausbuben-Image und Arroganz. Nützt aber nix. Der Sound ist mies und das Publikum ist eher damit beschäftigt, den Bierpegel in die Höhe zu treiben. Neue Zielgruppen erschließt man hier sicher schwer. Aber solange sich unter den knapp 50.000 Leuten eine Handvoll Interessierter und potentieller Käufer findet, hat sich das Ganze ja schon gelohnt. Ein lukrativer Sommerjob halt für mittelgroße Bands. Und das hat sich ja rumgesprochen. Fragen sie mal Snow Patrol oder Interpol.

Dann heißt es wieder weiter warten. Und der Innenraum füllt sich dann doch langsam aber sicher. Leider mit dem Publikum, das man angesichts einer Band, die ihr Debütalbum vor dreißig Jahren veröffentlicht hat, durchaus erwarten kann. Aber ich meine, mit 26 bewege ich mich ja auch langsam in diese Bereiche vor. Leider trennt sich da einiges und meist hat man das Gefühl, die Spreu bleibt übrig. Und für die Damen und Herren ist ein U2-Konzert in erster Linie natürlich ein Event. Willkommene Abwechslung vom Alltag. Sicher, man mag auch die Band und die alten Platten und so, aber Hauptsache es ist mal wieder was los in der Stadt. Fehlt ja nur eine Plane und Kralle wäre ein tolles Zirkuszelt. Na ja, also werden viele T-Shirts gekauft oder selbergedruckt und sich vor allem reichlich mit Bier eingedeckt. Die ganze Zeit! Und in Massen. Der finanzielle Tourausfall-Verlust wird weg gesoffen! Und so sind alle lustig drauf, fotografieren sich immer wieder vor der Kralle oder einem Ordner oder und stimmen lustige „Wir wollen den Bono sehen“-Sprechchöre an. Die gelungene Abwechslung vom Büroalltag ist ja auch jedem zu gönnen. Festivals sind eh nicht mehr in deren Zielgruppenbereich und ja sowieso viel zu kompliziert, schmutzig und aufwendig. Also fokussiert sich dies gern mal auf einzelne Events alter Helden. Depeche Mode sind auch so Favoriten, das hab ich letztes Jahr gemerkt. Ironischerweise läuft auch „Enjoy The Silence“ in der Aufwärmphase. Ein Raunen geht durch die Menschen. Der Rest der Musik entpuppt sich als überraschend tagesaktueller Mix aus feinsten Indie-Perlen, aber da hat jemand eindeutig an der Zielgruppe vorbeioperiert. Aber zumindest hatte er gute Ambitionen. Na ja, erstmal ein Bier. Und noch eines. 5 Euro für nen halben Liter? O zapft is! Einige haben zu Konzertbeginn anscheinend schon genug. Die Fremdschämquote steigt ein wenig. Ein Hoch auf meine, ebenfalls anwesenden und anständigen Eltern! Ich bleibe bei einem „Ich kann mich auch ohne Alkohol amüsieren“ und komme dann mal zur Hauptband des Abends. Die gab’s ja auch noch.

U2-Live-BonoKurz vor 21 Uhr betraten die vier viel umjubelten Iren zu den Klängen von David Bowie’s „Space Oddity“ die Bühne und lassen sich erstmal ordentlich vom Hannover Publikum feiern. Als Intro fungiert ein neues Instrumental-Stück. Ja, The Edge war während Bonos Reha durchaus produktiv. Es folgt „Beautiful Day“, eine fast schon zu sichere Wahl für den ersten Song. Der Zirkus beginnt, Manege frei für die Megastars. Es folgt relativ wenig vom aktuellen Album „No Line On The Horizon“, weil… ja, warum eigentlich? U2 gehen auf Nummer sicher und liefern ein paar gute Evergreens. Und so hat man während Songs wie „New Years Day“, „Mysterious Ways“ oder „Elevation“ Zeit sich mit der Bühne und ihren positiven, wie negativen Eigenarten auseinanderzusetzen. Das Spiel „Such den Bono“ wird mal eben ruckzuck zum Publikumsrenner, denn die Möglichkeit, sich entweder auf der Bühne oder per Brückenüberquerung auch auf dem Außenkreis zu bewegen nutzen alle Bandmitglieder. Die Brücken bewegen sich übrigens auch noch. Das führt natürlich zu feinen Momenten, wenn Bono auf einmal in gerade mal zwei Meter Entfernung über einem steht und „Hallo“ sagt. Da wird selbst ein mittelmäßiger Song wie „City Of Blinding Lights“ zum Erlebnis. Das Publikum wendet seine Gesichter, egal, ob Bono, The Edge oder Adam Clayton, immer Richtung Rockstar. Und natürlich wird da alles an iPhones, Fotohandys und Digi-Cams gezückt, was das Inventar zu bieten hat. Also hält man permanent die Augen auf. Wie ein Paparazzi sucht man das beste Motiv und die Nähe zum Star. Das führt dann aber auch gern mal zu frustrierenden Momenten, wenn Bono zum Beispiel beim 84er Klassiker „The Unforgettable Fire“ gar nicht zu erspähen ist. Die Konzertsozialisierung der letzten Jahrzehnte nötig jeden, den Fixpunkt Bono zu suchen, aber er ist halt einfach nicht da. Dabei ist The Edge ja auch noch da. Und generell… sollte es nicht um die Musik gehen? Na ja, etwas Show muss auch sein. Und “etwas” ist in diesem Fall halt viiiiel Technik. Allein bei der Vorstellung darüber, wie teuer die ausklappbare LCD-Wand gekostet hat, wird mir schlecht. Ich versuche die existenten, gleichzeitg herum reisenden drei (!) Krallen, ihre Produktions- und Transportkosten auszurechen und das in Relation mit… sagen wir mal, humanitärer Hilfe für Afrika (Wunder Punkt, Herr Vox) zu setzen… aber beim Rechnen wird mir schlecht. Ich bleibe bei ungläubigem Kopfschütteln. Hätte etwas weniger nicht auch den gleichen Effekt gehabt? Das Herumlaufen der Protagonisten wirkt nicht nur extrem einstudiert, sondern entpuppt sich auch eher als Gimmick. Die Höhe der Bühne dürfte für Genickstarre der Personen vorne sorgen und generell… das Anliegen, das alle mehr sehen können ist eher eine Lüge. Vielmehr lassen sich dadurch noch ein paar billige Plätze hinter der Bühne verkaufen. Ein Schelm, der böses dabei denkt. Die Kartenkäufer dürften sich freuen, denn prinzipiell ist die Kralle immer noch eine klassische Bühne, halt mit offener Rückwand und nem etwas längeren Rundum-Steg. Die Band agiert aber einen Großteil des Konzertes nach vorn gewandt. Immerhin steht die Bühne ja auch nicht in der Mitte des Stadions. Der Effekt besteht in der Größe, die jeden Normalbürger erschlägt und im Showkonzept, bei dem die Band sich gern mal als Insassen ihres riesigen Raumschiffes präsentiert. Bonos Roboteransprache wirkt da sogar relativ witzig. Ansonsten liefert der gute Mann die Show, die man von ihm erwartet. Etwas schreien, etwas gestikulieren und vor allem viel trinken. Hat der Doktor wohl gesagt. Ansonsten animiert Bono halt auch viel zum mitsingen, was sich natürlich bei Stadion-Allzweckwaffen, wie „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ als todsicheres Mittel entpuppt, um zum einen Gänsehaut zu erzeugen und zum anderen, den letzten Stillsitzer zu motivieren. Bonos Stimme macht einen guten Eindruck. Sie klingt sowieso schon lange nicht mehr wie 1991 und die Tagesform spielt mittlerweile leider eine entscheidende Rolle (Negativ: siehe die letzten beiden Live-DVDs). U2-Live-EdgeAn diesem Abend klappt alles und das sorgt gelegentlich für tolle Momente, etwa wenn man mal kurz das Singles-Gerüst verlässt und einen ganz neuen Track, wie das krachige „Glastonbury“ spielt. Oder der zehn Jahre alte Album-Track „In A Little While“. Richtig schön wird es bei „Miss Sarajevo“, dem Song, der einst für das Seitenprojekt „Passangers“ mit Brian Eno, Mitte der 90er, entstand. Die traurige Ballade vom Schönheitswettbewerb im kriegsgebeutelten Sarajevo der 90er wird sehr reduziert vorgetragen. Die Stimme von Duettpartner Luciano Pavarotti ist mittlerweile leider für immer verstummt, aber Bono singt den Opern-Part auf magische Weise einfach selber und erzeugt phänomenalen Jubel. Ein großer Moment, auf den Punkt genau funktionierend. Vielleicht der schönste des ganzen Abends und das Argument, was für „Yes, Bono!“ als Überschrift spricht. Denn U2 haben in ihrer Karriere großartige Songs geschrieben. Sicher, die Hits wurden tot gespielt, wenngleich sie ja im Prinzip immer noch gute Songs sind. Aber auch abseits davon haben U2 Brillantes geschaffen. Deshalb halte ich ihnen auch die Treue, wenngleich die letzten zehn Jahre nicht mehr sooo viel von dieser Brillanz zeigen, wie frühere Taten. Aber nach drei Jahrzehnten noch auf diesem Level zu spielen und sich dabei musikalisch immer wieder selbst zu puschen… da gehört schon Einiges dazu. Und diese Band spielt immer noch im Original Line-Up. Da sind vier Freunde auf der Bühne, das merkt man. Selbst wenn sie an diesem Abend eher Pflichterfüllung betreiben und es Bono sichtlich schwer fällt, die Leute beim schnittigen, aber etwas fremdartig wirkenden, Dance-Teil zu „I’ll Go Crazy If I Don’t Go Crazy Tonight“ zum Ausflippen zu bringen. Wer wedelt mit den Armen, aber kommt nicht gegen den eigenen Schatten aus Hits und der Erwartungshaltung des Publikums an. Schade eigentlich.

U2-Live-BandSchade auch deshalb, weil die Band selber ja noch einigermaßen fit in der Birne ist und musikalisch noch vieles erreichen möchte. Immerhin sind laut Bono gerade drei Alben-Konzepte in der Entwicklung. Mal sehen, wieviel davon am Ende übrig bleibt. Aber aufs Altenteil kann und will man sich wohl noch nicht zurückziehen, was sehr vorbildlich ist. Live hinterlässt das Ganze dann doch irgendwie einen etwas uneuphorischen Beigeschmack. Je größer die Show und die Technik dahinter, desto durchgeplanter und auch irgendwie seelenloser wirkt das Ganze. Selbst Bono beschreibt das Ganze irgendwie passenderweise als ein Volksfest mit hoher Bierquote. Das Spektakel steht im Vorder-, die Musik im Hintergrund. Sicher, wenn dann bei „With Or Without You“ mal die Ehefrau kurz in den Arm genommen wird, ist das schon anrührend, bleibt aber nur eine Momentaufnahme. Showbiz pur, da wirken selbst die obligatorischen politischen Einsprenkler ein wenig fehl am Platz. Seit jeher ein Streitthema, anscheinend auch unter den Fans. Als zwischen den Zugaben eine Rede von Desmond Tutu über die Leinwand flimmert, in dem er die Leute weiterhin zum Kampf gegen die Armut in Afrika ermuntert, gibt es auch vereinzelte Pfiffe, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob die jetzt aus Begeisterung entstanden sind. Für das schlechte Gewissen ist kein Platz beim Volksfest. Gejubelt wird beim anschließenden "One" aber dennoch. Nett sind diese Momente aber trotzdem. Und wichtig! Was macht denn eigentlich die Revolutionsbewegung in Theheran? Hätte Bono ja mal besseres Update geben können. Das abschließende "Moment Of Surrender" dann noch Robert Enke zu widmen (inkl. Larry Mullen Jr. im "Hannover-96"-Trikot) ist ebenfalls höchst ehrbar und
scheint die Menschen eher zu bewegen, als Amnestys Alltagssorgen oder das Schicksal von Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi in Burma. Aber für seine politischen Botschaften bieten die Shows für Bono die gleiche lukrative Möglichkeit, wie der Sommerjob von Kasabian und Co. ... Wenn schon ein paar Dutzend Menschen sich Gedanken machen, ihre Unterschrift geben und Umdenken, dann ist das schon ein Erfolg. Da muss man sich kleine Maßstäbe setzen. Aber ich möchte hier nicht alles schlecht reden, denn diese Show bot auch sehr viel Gutes. Mehr gutes, als schlechtes. Die Schauwerte sind beeindruckend, besonders wenn man sie richtig einsetzt. So z.B. bei "Hold Me, Thrill Me, Kiss Me, Kill Me" aus dem Jahr 1995, bei dem die einstige "Coolness"
der Band nochmal durchblitzt. Düster, Experimentell und irgendwie mit subtiler Erotik untersetzt... dass diese Anti-Hymne damals das erste Stück Musik war, dass ich je von U2 gehört habe, hat bleibenden Eindruck hinterlassen. Irgendwo zwischen Zoo TV und PopMart entstanden, also zur Hochphase, als U2 ihr Gigantomanie-Konzept auch künstlerisch einfach mal auf die Spitze getrieben haben, inkl. Kostümen und Kunstfiguren. Von MacPhisto ist
mittlerweile nur noch ein bisschen reflektierendes Rotlicht in Bonos Spiegeljacke geblieben. Die wilden Zeiten sind vorbei. Irgendwie traurig, aber der Lauf des Lebens. Schätz ich mal.

Am Ende gehen die Lichter an, der Jubel ist groß und die Band verschwindet wieder in den Katakomben des Stadions. Wer noch kein Foto vor der Kralle gemacht hat, tut dies jetzt. Ein weiteres Bier wird angesichts des Andrangs schwer werden. Nach der Show ist vor der Show. U2 ziehen weiter durch die Welt, die nächste Bühne wird ja schon anderorts aufgebaut. Und das Fazit? Nein, das ist jetzt nicht total vernichtend, aber auch kein euphorisches "Yes, Bono!" U2 sind und bleiben eine großartige Band. Um sich das immer wieder zu bestätigen muss man nur mal deren musikalisches Schaffen in den letzten 30 Jahren betrachten und all die musikalischen Genres, die sie da abgegrast haben. Absolute Beständigkeit und Hitquote. Aber das bringt halt nach so langer
Zeit an der Weltspitze auch einige Schattenseiten mit sich. Sinkende Risikobereitschaft (Setlist) und akuter Größenwahn (Bühne) sowieso. Das raubt den eigentlich sehr tollen Songs ein wenig die Seele und das Gefühl, zumal diese Faktoren bei manchen auch gar nicht wichtig zu sein scheinen. Es war schön, die einstigen Helden nochmal live und vor allem relativ nahe gesehen zu haben. Und vermutlich sollte ich auch nicht so naiv sein und hier mehr erwarten, als dies der Fall ist. Konzerte in dieser Größenordnung sind Events mit zig anderen Faktoren und Nebenerscheinungen. Das ist schon in Ordnung so. Jeder nach seiner Farcon. Meine ist's auf Dauer jedenfalls nicht. Vielleicht denken ja dann selbst die irischen Volkshelden nochmal um, und versuchen sich nicht auf Teufel komm raus, immer wieder selbst zu toppen. Da ist die Obergrenzen nämlich irgendwie auch langsam
erreicht. Selbst beim Größenwahn gilt: weniger ist manchmal eben doch mehr. Dann wird das vielleicht nochmal was mit der Überschrift.

Setlist:

01 Return of the Stingray Guitar
02 Beautiful Day
03 New Year's Day
04 Get On Your Boots
05 Magnificent
06 Mysterious Ways
07 Elevation
08 I Still Haven't Found What I'm Looking For
09 Glastonbury
10 In A Little While
11 Miss Sarajevo
12 Until the End of the World
13 The Unforgettable Fire
14 City of Blinding Lights
15 Vertigo
16 I'll Go Crazy If I Don't Go Crazy Tonight (Remix)/ Discotheque
17 Sunday Bloody Sunday
18 MLK
19 Walk On

20 One
21 Where the Streets Have No Name

22 Hold Me Thrill Me Kiss Me Kill Me
23 With or Without You
24 Moment of Surrender

Freitag, 30. Juli 2010

Niemals loslassen...

Auf ihren stets ausgiebigen Deutschland-Besuchen schauen die New Yorker Indierock-Urgesteine Nada Surf erstmals im schönen Dresden vorbei. Ein kleiner Erfahrungsbericht vom gestrigen Konzert im dortigen Beatpol.

Letzte Woche bin ich 26 geworden. Das ist nicht das Ende der Welt, freilich, aber zumindest der faktische Beweis dafür, dass ich nun endgültig den 30ern näher bin, als den 20ern. Damit sollte der Bereich der Adoleszenz nun, glaubt man der öffentlichen Meinung (und Wikipedia), eigentlich hinter mir gelassen werden. Sprich: ich bin jetzt erwachsen und muss mich gefunden haben. Hmmm, ungeliebte Vorstellung. Ist so was in Zeiten des demographischen Wandels überhaupt noch zeitgemäß? Die Popmusik zumindest muss jugendlich bleiben. Sagt sie ja selber ständig. Bei Indie-Musik ist das dann teilweise nicht mehr nötig, wenngleich ich wohl bei nem Konzert der, sagen wir mal, Crystal Castles, eher im oberen Altersdrittel zu finden sein würde. Na ja, lange Vorrede, kurzer Sinn: bei Nada Surf Konzerten ist das alles irgendwie nicht so schlimm, zumal die ja auch schon in einem gewissen Alter sind. Frontmann und Berufsjugendlicher Matthew Caws wird nächste Woche bspw. 43 und sieht nach wie vor immer noch so aus, als wäre er irgendwann Anfang 30 kyrogenisch eingefroren worden. Drummer Ira Elliot ist sogar schon Ende 40 und Kettenraucher Daniel Lorca? Na ja, so ganz unverbraucht sieht der auch nicht mehr aus. Darf er ja auch. Die Band gibt’s jetzt fast schon seit 20 Jahren und der Erfolg in Indie-Kreisen ist zumindest seit zehn Jahren ungebremst, was man auch am relativ vollen Beatpol an diesem Abend sieht. Folklore-Freund Kevin Devine heizt dann als Opener mit emotionalem Akustik-Seelenstrip schon mal die Herzen vor und lässt die angereisten Menschen unterschiedlichen Alters auf die Hauptband freuen.

20091009-130933-171356Jede Band hat in ihrem Leben einen kreativen Höhepunkt bzw. Zenit. Ihn zu erreichen ist ganz natürlich, ihn hinter sich zu lassen ebenso. Bei manchen dauert er länger, bei anderen gerade mal einen Song oder so. Der perfekte Moment, in dem alles gelingt und alles scheinbar leicht erscheint. Im Falle von Nada Surf ist es ein Album und zwar „Let Go“ aus dem Jahr 2002. Irgendwelche Gegenargumente? Die Mehrheit im Beatpol hätte mir gestern zugestimmt. Ich habe zumindest mehr Leute mit einem frisch am Merchstand gekauften Exemplar des 8 Jahre alten Meisterwerks gesehen, als mit einer Ausgabe des jüngst erschienenen, allerdings recht durchschnittlichen Coveralbums „If I Had A Hi-Fi“ gesehen. Die Publikumsreaktionen bei den „Hits“ dieses Indie-Kleinods sind ebenfalls eindeutig. Die Band macht aus der Not eine Tugend und lässt den Songs von „Let Go“ immerhin ein Drittel der Setliste Platz. Man ist sich der Stärke bewusst, spielt sie auch und das ist ja auch gut so. Will man ja auch so hören. Und es wäre natürlich der Band gegenüber nicht fair, das alles nur auf eine Platte zu schieben, denn auch der 2005er Nachfolger „The Weight Is A Gift“ hatte noch einige wirklich gute und große Momente, sogar „Lucky“ aus dem Jahr 2008. Mit zwei Songs aus diesem Album, „Weightless“ und „Whose Authority“ beginnt die Band kurz nach 10 ihr Set und wirkt so entspannt und lässig, wie eh und je. Gut, außer Elliot, welcher hinter seinem Schlagzeug gern mal etwas miesepetrig darein schaut. Ein vierter Mitmusiker wurde sich von Calexico ausgeborgt. Und die Trompete stand natürlich erwartungsgemäß hinter ihm bereit. Dann spielen Nada Surf erstmals die „Let-Go“-Karte aus und bei „Happy Kid“ geht ein leichtes Raunen durch den Raum. Die darauffolgenden Songs „Inside Of Love“ und „Fruit Fly“ von selbiger Platte tun dann ihr Übriges. Doch warum funktioniert das immer noch so gut? „Let Go“ hat nicht nur die richtigen Songs, sondern auch die passende Atmosphäre. Sie strahlt ein hohes Maß an Lässigkeit, aber auch Melancholie aus. Das Zweifeln am Leben wird genauso bedacht, wie die Freude daran. Es thematisiert die allgemeine Unsicherheit und das Suchen und Finden im Leben. Das funktioniert mit 16 genauso, wie mit 46. Das thematisiert Caws ja auch auf anderen Songs, aber nirgends passte das so zusammen, wie auf diesem Werk. Und das wird auch nie wieder so funktionieren, was auch in Ordnung ist. Aber das dieses Album Leben retten kann, steht außer Frage. Ich denke, dass Publikum wird mir zustimmen. Deshalb will man diese Songs auch hören und die Band will sie auch spielen. Das Coveralbum war eher eine spaßige Nebensache, die jetzt als Anlass dient, mal wieder auf Tour zu gehen. Und die Tatsache, dass lediglich vier Songs aus dem Album gespielt werden, zeigt das ja auch. Immerhin ist das Depeche-Mode-Cover von „Enjoy The Silence“ richtig gelungen und „Love And Anger“ von Kate Bush ist ein wirklich toller Popsong, der auch bei Nada Surf funktioniert, eben weil sie sich dicht als Original halten. Und im Falle des Go-Between-Covers „Love Goes On“ passt das ja auch, weil die Nummer von Natur aus eh schon wie eine Nada-Surf-Eigenkomposition klingt. Aber diese Songs tendieren halt überhört zu werden, immerhin hat die Band zu viel tolle eigene Lieder dabei. Das tolle „80 Windows“ wird dank Trompete noch mal ordentlich aufgearbeitet, beim unkaputtbaren „Blonde On Blonde“ haben selbst hart gesottene Männer die ein oder andere Träne im Knopfloch und „Hi-Speed Soul“ klingt immer noch so unnachahmlich catchy, wie vor Jahren. Konservierte Glückseeligkeit! Nada Surf sind die Zeremonienmeister im Zirkus der Zärtlichkeiten, erlauben sich auch das ein oder andere Lob ans Dresdner Publikum bzw. diverse Scherze über die nicht angestrahlte Discokugel im Raum. Mit ihr hätte das doch eine gewisse Abschlusstanz-Atmosphäre gehabt, was ja durchaus im ewig jugendlichen Sinne der Band gewesen wäre.

Nach dem introspektiven und viel umjubelten „See These Bones“ verabschiedet man sich in die Pause, kommt aber noch mal zurück für ein paar Zugaben. Darunter die ultimative Underdog-Hymne „Popular“, welche ebenfalls noch so funktioniert, wie in den 90ern. Einfache Botschaften, sympathisch verpackt. „Always Love“ muss natürlich auch noch kommen und am Ende wird natürlich „The Blankest Year“ gefeiert. Denn bei aller Grübelei und Finderei im Leben, muss es am Ende einfach auch mal eine Party sein. Und die wird gefeiert. Fick es! Obligatorisch werden die Menschen auf die kleine Beatpol-Bühne geholt und man feiert zusammen mit der Band. Etwas melancholisch werde ich dabei schon, denn vor etwas mehr als zwei Jahren war ich selber einer der Bühnenherumspringenden da oben und hab damals versehentlich sogar Kollege Lorca im Trubel fast umgenietet. Viel ist seitdem passiert und hat sich verändert, aber Nada Surf und ihre Musik haben Bestand. Auch an diesem Abend. Die Band übt sich in Pflichterfüllung, die zu keinem Zeitpunkt wie eine solche wirkt und man möchte ihnen angesichts der ganzen wunderbaren Momente glatt die Stagnation verzeihen, der ihre Musik seit Jahren erliegt. Aber darauf kam es an diesem Abend ja auch irgendwie nicht an. Was bei aller Kritik und allem Rumlamentieren über das Alter am Ende halt zählt, ist die wunderbare Wirkung, welche diese Musik auf die jene Menschen hat, welche sie hören. Und egal ob die Leben dieser Zuhörer schon gerettet wurden, sie erst noch gerettet werden oder sie gerade erst anfangen, diese Musik zu entdecken: Nada Surf sind eine Band, die musikalisch vielleicht keine Großtaten mehr vollbringen will und muss, welche aber von ihrer Stärke weiß, Menschen mit ihren Themen aus dem Herzen zu sprechen und dann auch mitzureißen. Es ist halt immer noch der „same damn planet everytime I look“. Egal, wie alt man sich fühlt oder tatsächlich ist.

Setlist / Nada Surf - Dresden - 29.07.2010 /

01 Weightless
02 Whose Authority
03 Happy Kid
04 Inside Of Love
05 Fruit Fly
06 What Is Your Secret?
07 Electrocution
08 Kilian’s Red
09 80 Windows
10 Enjoy The Silence
11 Love And Anger
12 The Way You Wear Your Head
13 Firecracker
14 Love Goes On
15 Blonde on Blonde
16 Hi-Speed Soul
17 See These Bones

18 Do It Again
19 Popular
20 Always Love
21 The Blankest Year

Freitag, 9. Juli 2010

Reisefieber

Auch außerhalb von Deutschland gibt es interessante Musikfestivals. In Tschechien beispielsweise! Vom 03.07. bis 06.07. fand dort bereits zum 15ten Mal das dortige Rock For People-Festival statt. Es folgt ein deutscher Vor-Ort-Bericht, der nicht an Lob spart . . .

Sommerzeit ist Festivalzeit! Und auch Urlaubszeit! Je nachdem, wie man es haben will. Oder vielleicht auch gleich beides zusammen. Warum denn nicht? Die deutsche Rock-Festivallandschaft ist mir ja mittlerweile auch ein wenig bekannt. Riesige Massenveranstaltungen, wie Rock am Ring oder Hurricane reizen mich da nicht mehr so sehr und das geliebte, aber mittlerweile ziemlich überlaufene und kommerzialisierte MELT! hat nach fünf Jahren Dauerbesuch in Folge auch mal eine Pause verdient. Und um Karten fürs Haldern Festival hab ich mich schon wieder zu spät gekümmert. Also, warum mal nicht die Zelte im europäischen Ausland aufschlagen? Das Angebot ist ja groß genug. Doch wohin nur? Roskilde ist zu teuer, die britischen Festivals sind es ebenso und außerdem komplett überlaufen… und dann auch noch hauptsächlich mit druffen Briten. Richten wir den Blick doch mal nach Osten… Perfekt! Tschechiens größtes Rockfestival, das „Rock For People“ ist mit gut 25.000 Zuschauern gar nicht mal so groß und mit knapp 65 Euro geradezu ein Schnäppchen. Drei Tage dauert es trotzdem und das diesjährige Line-Up versprach auch einige Favoriten.

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Die Entscheidung für „Rock For People“ habe ich dabei zu keinem Zeitpunkt bereut. Der große Dank des kleinen Deutschen kommt dabei von Herzen, muss ich sagen. Das Gelände entpuppt sich dabei gleich mal als echter Glücksgriff. Der verlassene Flughafen bei Hradec Králové übt dabei seinen ganz eigenen Reiz aus. In den still gelegten Hangars ist genug Platz für kleinen Bühnen und Bierbänke, darüber hinaus gibt es jede Menge kleine verwinkelte Ecken und überall etwas zu entdecken. Notfalls einfach den Landebahnen folgen. Natürlich gibt es auch hier die üblichen Imbissstände und unerhöht viele Bierzapfsäulen. Allerdings sind diese preislich wesentlich angenehmer, als in Deutschland und auch das Essen wirkt insgesamt eine Spur vielseitiger und weniger künstlich, als auf deutschen Festivals. Vom Döner bis zu ungarischen Wurstspezialitäten ist da alles vorhanden, also falls man sich für das Essen interessiert. Und auch sonst hauen einem nicht tausend Sponsoren permanent irgendwelche Produkte um die Ohren, wie das hierzulande übrig ist. Das Hauptsponsoring teilen sich hier die Telekom und die nationale Sparkasse, welche auch den beiden großen Bühnen ihre Namen geben. Musikalisch übt man sich in Vielseitigkeit, wenngleich das „Rock For People“ eher traditionelle Genres, wie Alternative Rock, Punk Rock und gern auch mal Ska oder Hardcore anspricht. Aber wer denkt hierbei schon in Genres? Am wenigsten vermutlich die einheimischen Besucher, die sichtlich dankbar und offen für alle Formen von Musik zu sein scheinen. Dieses Gefühl der Übersättigung, welches man vor deutschen Konzertbühnen gelegentlich hat, scheint gar nicht bekannt zu sein. Warum auch? Außerhalb von Prag scheint da auch nicht sooo viel zu gehen, was aber keine Beleidigung des Landes sein soll. Viel eher ist es ein Segen, weil hier wirklich die Musik im Vordergrund steht. Sicher, es gibt auch ein paar vereinzelte Facebook-Hipster, aber ansonsten sind hier alle Alters- und Bildungsschichten auf entspannte Art und Weise nebeneinander vorhanden. Klamotten und Frisuren scheinen da relativ egal zu sein. Wen es interessiert, den interessiert es auch, wen nicht, den nicht. Gut drauf sind alle, drogentechnisch wirklich druff und hackedicht wirklich die wenigsten. Eine angenehme Abwechslung, wie ich finde. Da wirken die wenigen, grölenden deutschen Fans fast schon etwas peinlich. Immerhin wollen die Menschen hier anscheinend wirklich etwas von ihrem Geld sehen. Positive Rahmenbedingungen sozusagen, welche in der Tat wirklich anstecken.

Da geraten die Bands fast zur Nebensache. Es sind aber auch viele Künstler da. Natürlich viele aus dem eigenen Land, aber auch aus England, Italien, Spanien, den USA oder sogar Deutschland (Mutabor bspw.)… Alle gleichermaßen anzuschauen ist dabei gar nicht möglich. Auf kleineren Bühnen tummeln sich in Zelten und Hangars einige interessante Nachwuchsbands aus Tschechien, die meine Wenigkeit leider nur im Vorbeigehen erwischen konnte. Überall ist halt Musik… und sei es der rappende Türke am Dönerstand oder eine Blaskapelle, die, so scheint es, permanent übers Gelände zog. Man möchte fast einen Osteuropa-Hype ausrufen. Lassen wir das mal lieber bleiben. Es folgen ein paar kurze Worte zu den Bands, die ich sehen konnte und bei denen ich mich noch an die Namen erinnerte.
The Mahones z.B., die Sonntagnachmittag die ersten waren. Kanadier, die aber irisichen Folk-Punk spielen. Muss man nicht verstehen. Oder mögen. Aber hübsche Akkordeonspielerin hatten sie dabei. Mit Sexiness konnten dann später auf der Hauptbühne The Inspector Cluzo aus Frankreich nicht aufwarten, obwohl sie anscheinend gern auf Geschlechtsverkehr stehen. Immerhin sangen und sprachen sie fast ausgiebig vom „F“-Wort. Alles wurde da gef***t… Sarkozy, seine Frau, Michael Jackson, andere Bands, Spießer und der eigene nicht vorhandene Bassist. Die beiden Franzosen präsentierten sich nämlich als Schlagzeug/Gitarre-Duo in der Tradition der White Stripes. Aber auch die mögen sich natürlich nicht und deshalb wurden die natürlich auch verbal gef***t. Die ganze Fickerei macht mich noch wahnsinnig! Musikalisch irgendwie Mist, wenngleich sie so ihre Prince-Momente hatten und das Publikum motivierten und auch ein paar Leute auf die Bühne holten. Aber irgendwie nix Besonderes. Die permanenten Kampfansagen auf den eigenen Individualismus und die Kommerzverweigerung wirkten ein wenig aufgetragen. Gegen einen Erfolg, wie die White Stripes hätten sie Jungs nämlich sicher nix einzuwenden. Gleiches gilt sicher auch für Coheed And Cambria. Die Band um den schrillen Frontlockenkopf Claudio Sanchez gab ich mir aber aus etwas Entfernung. Zu einem Fan von amerikanischen Alternative Rock mit Screamo-Elementen wurde ich auch auf diesem Festival nicht. Sorry, Jungs. Aber tolle Stimme, Mr. Sanchez! Danach war erstmal Zeit für Englands Trip-Hop-Urgestein Tricky. Der präsentierte einen interessanten Genremix aus Trip-Hop, Rock und jede Menge Atmosphäre. Allein der dritte Song im Set (Namenstechnisch bin ich da nicht bewandert) dauerte gefühlte 15 Minuten und baute sich dabei immer wieder auf und ab. Die Band fügte sich den Anweisungen des Chefs, bei dem es so schien, als ob man nie genau wüsste, was als nächstes auf dem Plan stehen würde. Tricky bewegt sich in einer eigenen Welt, führt seine Tänze und Gesänge, wie ein Schamane auf und wirkt dabei gleichzeitig faszinierend, wie Angst einflößend. Die Songs gehen anscheinend solang, wie er will. Und wenn ihm der Sphärenpop etwas zu viel wurde, dann wird halt mal was anderes gemacht. In diesem Fall hieß das, einfach mal ein Motörhead-Cover ins Set einbauen und Chaos stiften. So holte Tricky zu einer langen, rotzigen Version von „Ace Of Spades“ gefühlte hundert Menschen auf die Bühne, umarmte jeden Einzelnen und ließ einfach mal die Sau raus. Nicht schlecht, Herr Specht! 12177Auf der Hauptbühne fingen danach die wiedervereinigten Skunk Anansie an. Mir stellten sich da primär zwei Fragen: „Wer hat die vermisst?“ und „Hatten die außer ‚Hedonism’ noch einen zweiten Hit?“ Anscheinend ja, aber trotz Aufwachsens in den 90ern überließ ich die Band um Frontfrau Skin da mal lieber dem restlichen Publikum, denen das ganze aber sichtlich gefiel. Und um das 90er-Feeling dennoch ordentlich aufkommen zu lassen, gab ich mir natürlich als krönenden Abschluss des Abends die unverwüstlichen Rave-Altmeister von The Prodigy. Was ein Fest! What you expect is what you get. Ich meine, seinen wir mal ehrlich: The Prodigy machen keine gute Musik und zerren primär von der Vergangenheit und ihrer Hochphase von 1994 bis 1997. Daran ändert auch das aktuelle Album „Invaders Must Die“ nichts. Der dritte Frühling, den die Band damit ausgelöst hat, funktioniert nur, weil sie sich da hervorragend selber kopieren und es das allgemeine Rave-Revival gerade zulässt. Aber ansonsten funktioniert die Prodigy-Maschine nach dem ewig gleichen, wenn auch effektiven Prinzip: Uffe Zwölf! Dicke Beats, laute Gitarren und Bässe und die ewig hängengebliebenen Front-MCs Maxim Reality und Keith Flint, welche natürlich die ewig gleichen Phrasen in die Mikros grölen. Viel „Fuck“ ist dabei und Mr. Reality fragt sehr häufig, wo denn seine „people“ nun sind. Vor deiner Nase natürlich! Das Publikum ist laut, euphorisiert und feiert dabei natürlich „Firestarter“, „Breathe“, „Voodoo People“, aber auch neue Tracks, wie „Omen“ oder „Take Me To The Hospital“. Hauptsache es bollert! Und das tut es ja auch. Und deshalb will ich die Band auch nicht schlechter reden, als sie ist. Das System funktioniert und unterhält blendend. Mein durchgeschwitztes T-Shirt sei mein Zeuge! Wenngleich mich nach gut einer Stunde langsam die Kräfte verlassen und man merkt, dass die Band darüber hinaus anfängt, mit ihrem Sound ein wenig zu langweilen. Ein Highlight war’s ohnehin! Party like it’s 1996! Den Rest ersparte ich mir in dieser Nacht, zu müde war ich.

12359Der Montag war dann wieder erwartungsgemäß heiß, lies es musikalisch aber etwas ruhiger angehen. Immerhin hatte man dann etwas Zeit, sich mal Hradec Králové anzuschauen. Urlaub muss sein! Irgendwann am späten Nachmittag spielten dann Disco Ensemble aus Finnland, aber die hatten auch nur eine Songidee auf Lager. Und das war keine gute! Es folgte auf der Hauptbühne der ehemalige Dead-Kennedys-Frontmann Jello Biafra, der etwas später auftauchte, als geplant. Seine Band und er waren wohl im falschen tschechischen Ort gelandet, hieß es. Der lustige alte Mann wirkte dann ein wenig, wie die Punk-Ausgabe eines Morrissey. Mit viel Gesten, viel Mikrofonkabel und allerhand lustigem Small-Talk. Natürlich über die böse Politik und das doofe Amerika. Und die bösen Kommerz- und Ausbeuterfirmen halt. Wobei ich nicht wissen möchte, von wem der gute Mann sein Equipment hat. Na ja, wenn die Leute, die sagen, Punk sei nicht tot, noch einen Beweis dafür brauchen… Biafra gibt ihn! Zeit für noch ein Bier. Vermutlich hatte Jello auch was gegen das schöne Wetter, es folgte das unvermeidliche Hitzegewitter mit fettem Platzregen. Pünktlich dann, als das große Anstellen vor der Hauptbühne angesichts des Hauptacts Muse begann. Vor enterte noch die blaugefärbte Juliette Lewis die Bühne und tat das, was sie am Besten konnte. Grimassenschneiden, Cool rocken, schreien und sich ordentlich verrenken. Das hob die Stimmung dann nach dem Regen doch ein wenig. Bleibt schon ne coole Rock-Lady, die gute Frau. Aber auch nur Zwischenstation auf dem Weg zum eigentlich Tageshighlight: Muse! Laut eigenen Aussagen hat es das Festival etwas Glück (ein Termin der Band ist aufgefallen) und viel Geld gekostet die Stadionrocker (hartes Urteil, aber das ist mittlerweile leider die Realität) aus dem Vereinigten Königreich zu bekommen. 12328Aber das Geld ist in jedem Fall gut angelegt, denn Muse sind und bleiben die vielleicht beste Live-Band der Welt. Millionen Fans können nicht irren, so auch an diesem Abend, als sich die Band durch ein fast anderthalbstündiges Set ihrer aktuellen „Ressistance“-Tour spielt. Das gestaltet sich erwartungsgemäß überraschungsarm, liefert aber dafür die erwarteten Hits. Immerhin wird gleich mit „Uprising“, „Supermassive Black Hole“ und „New Born“ eröffnet. Für die alten Fans gibt’s wenigstens noch „Citizen Erased“ vom 2001er „Origin Of Symmetry“. Außerdem jede Menge Interludes, bei denen Matthew Bellamy und Kollegen ihrem Hang zu gutem handfesten Gitarrenrock frönen. Und immerhin erspart man uns den „Twilight“-Song. Dafür spart man nicht an Bühnenshow, viel Licht und jede Menge Lasern, sowie großen Gesten. Das sieht toll aus und reißt auch anständig mit. Aber das machen solche Songmonster, wie bspw. der Abschluss „Knights Of Cydonia“ ja sowieso. Dennoch wirkt das alles ein wenig zu glatt und eingespielt. Muse scheinen Opfer jener Krankheit zu werden, die alle großen Bands befällt… eine gewisse Überraschungsarmut und Überprofessionalität. Na ja, wollen wir mal nicht das Haar in der Suppe suchen. Die Show war trotzdem astrein. Einen wunderschönen Abschluss für den Tag bescherten mir dann die formidablen Archive, welche auf der Zweitbühne einen spannenden Mix aus Progrock, Trip-Hop, Elektronik und schöner Lichtshow boten. Sehr stimmungsvolle, abwechslungsreiche Tracks des Musikerkollektives. Ein wenig wie eine weniger anstrengende Variante von Radiohead, möchte man meinen. Vielleicht eine Band, mit der ich mich jetzt endlich mal näher auseinandersetzen sollte.

12476Der finale Tag war dann ein wenig bewölkter und bot auch etwas mehr Regen. Blieb man einfach etwas länger im Zelt. Pünktlich zu den britischen Hardcore-Rockern Gallows hörte der dann aber auch auf. Die stark tätowierten Jungs um den charismatischen Frank Carter hätte das sowieso nicht aufgehalten. Und obwohl ich mit dieser Musik im Alltag sicher wenig anfangen kann, so kann ich mir eine gewisse Wertschätzung gegenüber der Band nicht verkneifen. Das, was sie machen, machen sie sehr gut. Ihre Wut wirkt ehrlich und authentisch… selbst wenn sie sich gegen das noch etwas träge Publikum wendet. Man schreit, man treibt. So muss Punk vermutlich sein. Wäre ich ein junger, frustrierter, britischer Teenager wäre das meine Band! So bin ich aber ein halbwegs zufriedene Mitzwanziger, der sich an diesem Nachmittag lieber der kleineren Bühne widmete. Dort standen nun die Krawallbrüder von Does It Offend You, Yeah? auf dem Programm, deren explosiver Elektrorock mich bereits 2008 auf dem MELT! begeisterte. Mittlerweile hat man die Band ein wenig umgestellt, beherrscht die eigenen Instrumente etwas besser und hat ein neues Album in den Startlöchern. Ansonsten alles beim Alten. Die lieblichen Pop-Songs, welche das Debüt stellenweise noch hatte will man dabei sogar gänzlich weglassen. Dafür soll es noch lauter und basslastiger werden. Hauptsache direkt in die Fresse! Nichts anderes passiert natürlich hier. Bratziger Elektro-Rock, ständiger Auf- und Abbau und Frontmann James Rushent, welcher das Publikum immer wieder an den Eiern packt und es so Stück für Stück zum mitmachen zwingt. Erfolg einkalkuliert. DIOYY? fahren ein ähnlich idiotensicheres Konzept, wie The Prodigy, wirken dabei halt nur etwas frischer und unverbrauchter. Sicher für jedes Festival ein Glücksgriff. Auch diesmal bestätigt sich der Ruf als kurzweilige Live-Band. Den haben ja bekanntermaßen auch The Subways, welche anschließend an der Reihe sind. Das Rock-Trio gibt dem Publikum, was es erwartet und dieses dankt es mit bedingungslosem Stimmungsmachen. Zieht anscheinend weltweit, nur nach wie vor nicht bei mir. Ich halte die Subways immer noch für eine der überflüssigsten Bands des Planeten. Überraschungsarmer Standardrock ohne jegliche neue Idee. Ständig nach dem gleichen Muster aufgebaut. Die einzige Funktion der Songs ist es, das Publikum, mit einem knackigen Refrain (darf auch gern simpel gehalten werden) zum Mitgröhlen- und Moschen zu bewegen. Einstudiert wirkende Gesten und belanglose Texte gehören auch dazu. Ja, wem das Spaß macht, der soll ihn haben, ich find die Band einfach furchtbar belanglos. 12581Na ja, gute Miene zum bösen Spiel, immerhin kommen danach die Editors und da will man sich ja einen guten Platz sichern. Ehrlicherweise muss ich aber eingestehen, dass mir da vielleicht auch beim mittlerweile siebten Auftritt, den ich von dieser Band miterleben durfte, die Kritikfähigkeit abhanden gekommen ist. Gut sind die natürlich immer, weil ihre Songs stimmen und Tom Smith einfach mal ein optischer Magnet ist. Auch an diesem Tag wieder gut gekleidet und mit Sex Appeal vollgestopft! Das Set ist dabei eine ebenfalls recht überraschungsarme Ansammlung an Singles, die man kennt und liebt. „Bullets“ darf dabei genauso wenig fehlen, wie „Racing Rats“, „Eat Raw Meat“ oder die Krankenhaus-Raucher. Fan-Geschenke sollte man da ja auch nicht erwarten. Immerhin haben die Editors aber den besseren Twilight-Song, als Muse. Gespielt wird er trotzdem nicht. Das Set endet mit einem gewohnt schmissigen „Papillon“ und es tut gut, die Band mal wieder gesehen zu haben. Das Publikum war ebenfalls gut drauf, hielt sich in Sachen Ekstase aber etwas zurück. Muss ja auch nicht immer. Damit waren die persönlichen Highlights zufrieden stellend abgegrast und alles andere war nur Bonus. Das Genießen des Geländes mitsamt den kulinarischen Köstlichkeiten bspw. Auf Billy Talent und NOFX verzichte ich gern. Wer brauch die schon, wenn man Kryštof haben kann? Wer? Ja, Tschechiens anscheinend bekanntester Rock- und Popstar (so hab ich’s mir zumindest erzählen lassen) spielte auch noch und es war schön, aus einiger Entfernung zu sehen, wie er seine Landsleute mit schmissigen und durchaus kurzweiligen Popsongs unterhielt. Ein lustiger, langhaariger Mann mit Akkustikgitarre, der durch alle Altersschichten zu begeistern scheint. Warum auch nicht?
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Den Abschluss des Festivals markierten dann Morcheeba, welche noch einmal positiv überraschten. Wer die Band als gefällige Loune-Pop-Band abstempeln möchte, mag zwar auch nicht komplett falsch liegen, sieht aber nur einen Teil des Ganzen. Denn das Trio mitsamt Begleitband ist zudem live noch recht atmosphärisch und hat auch einen gewissen Groove, der absolut passend als stimmungsvoller Abschluss eines solchen Festivals ist. Die entspannten Beats mitsamt der weichen Stimme von Frontfrau Skye passen halt auch perfekt zu einem finalen Tänzchen unter dem Sternenhimmel. Besonders wenn der große Hit „Rome wasn’t build in a day“ gespielt wird. Soviel Liebe zum Ende… fast schon entwaffnend schön. Da gibt’s eigentlich kaum etwas zu kritisieren und ich bleibe voller Lob für dieses feine, entspannte und doch stimmungsvolle Festival und werde auch nächstes Jahr mit dem Gedanken spielen, da vorbeizuschauen. Falls es die Reisepläne halt zulassen. Dĕkuji und Ahoj!

PS: Die Fotos stammen allesamt von der Rock For People Homepage

Mittwoch, 2. Juni 2010

Missverstandene Clowns

Sie surfen auf einer Welle von Vorschusslorbeeren und wollen dabei doch so viel mehr sein, als nur Spassmacher. The Drums gaben am Montag ein kurzes, aber auf jeden Fall kurzweiliges Konzert im Berliner Postbahnhof. Ein Augenzeugenbericht …

Die Wolken hängen tief, die Luftfeuchtigkeit liegt irgendwo zwischen 95 und 100% und die Temperaturen siedeln sich irgendwo im niedrigen zweistelligen Bereich ein. Nein, es sieht nach vielem aus an diesem Montagabend in Berlin, nur nicht nach einem beschaulichen, lauen Frühsommerabend. Hawaii-Hemden und Surfbretter bleiben also an diesem Abend im Schrank, als sich die Drums aus New York im Berliner Postbahnhof ein Stelldichein geben. Aber manchmal muss man sich den Sommer halt auch selber machen, wenn er persönlich eher mit Abwesenheit glänzt. Den junge Herren von der East Coast kann’s sicher auch egal sein, denn überhaupt ist dieses ganze Klischee mit der Surfpop-Band ja nur ein großes Missverständnis. Da macht man einmal einen Song zum Thema Surfen und schon denkt man, hier herrscht Jux und Tollerei. Dabei sind die Drums, wie sie selber behaupten, eigentlich Freunde der gepflegten Melancholie und ihre Songs sind eigentlich keine naiven Sommersongs, sondern von tiefster Traurigkeit. Hmm, ich weiß nicht, ob man ihnen das unbedingt glauben sollte, denn ihre Außenwirkung ist definitiv eine andere.

Drums-LiveNatürlich, wie sich das, für eine gerade so extrem gehypte Kombo gehört, wird der Postbahnhof deshalb an diesem Abend von jede Menge Berliner Hipstern und solchen, die es werden wollen heimgesucht. Von angehenden Abiturientinnen bis zu alten Haudegen mit grauen Schläfen ist da alles vorhanden, was man einer solchen Band ja schon einmal hoch anrechnen muss, immerhin erscheint das Album offiziell ja erst diesen Freitag und vorher geleakt war es meines Wissens an diesem Abend auch noch nicht. Die Hits kennt man trotzdem, weil sich die Band ja in den letzten Monaten im Internet gut herumgesprochen hat. Dabei ist das ja alles keinesfalls, wie an diversen Orten behauptet wird, die größte Erfindung seit der Mikrowelle oder den Strokes, sondern recht gewöhnlicher Indie-Poprock, der sich seine Versatzstücke aus der Geschichte klaut. Etwas Smiths hier, etwas Cure da und natürlich halt auch die Beach Boys, Surfen hin oder her! Aber in der Retrokiste kann man ja gern wühlen. Und das R-Wort haben sich die Drums ja ohnehin auf die Fahne geschrieben. Egal, ob Sound, Videos, Fotos oder klamottentechnisches Erscheinungsbild… hier gilt alles nach 1987 als notorisches Feindbild, so scheint es. Aber vielleicht ist es gerade diese bewusste Abneigung gegen ein modernes Erscheinungsbild, welche die Band so interessant hat. Egal, ob Kalkül oder Kunst- es erweckt Aufmerksamkeit, denn die Hütte war schon gut gefüllt. Nach einer verzichtbaren Berliner Indie-Rock-Band namens „Use Your Fucking Headphones“ (nicht weil die jetzt so schlecht waren, sondern weil ich all diese Versatzstücke in den letzten fünf Jahren schon ca. 400 Mal an anderer Stelle gehört habe und sich mein Kopf da weigert, Interesse dran zu zeigen) ließen sich die Herren Drums dann etwas Zeit und betrachten nach einer unnötig langen Umbaupause mit unnötig viel Michael-Jackson-Songs gegen 22.15 Uhr die Bühne und boten dem Publikum eine extrem kurzweilige Show.

So, wie man sich die Band vorstellt, sehen sie auch aus. Direkt aus der Zeitmaschine. Und dann noch diese Namen… Jonathan Pierce, Jacob Graham, Adam Kessler, Connor Hanwick! So müssen Musiker heißen. Frontmann Jonathan hatte die graue Stoffhose natürlich bestmöglich nach oben über sein großes weißes Shirt gezogen. Tennissocken-Alarm! Und dann ging es gleich mal mit dem schnittigen „It Will All End In Tears“ vom Debüt-Album los und die Band spielte gut auf. Und Pierce brachte sich in Stimmung. Dramatische Gesten, wildes Zucken und jede Menge Ausdruck in allem was er tat und sang… das sollte die Richtlinie des Abends werden und spätestens beim zweiten Track „Best Friend“ begann man dann die Bühne vollständig für sich einzunehmen. Natürlich Pierce, der ein wenig wirkt, wie eine Mischung aus Ian Curtis auf Ecstasy und einem wahnsinnigen Michel aus Lönneberga. Auf jeden Fall mit ordentlich Show. Auch Kollege Graham steht ihm bei diesem Stück in Nichts nach, sondern legt einen unterhaltsamen Ausdruckstanz mit dem Tamburin hin. Ein Wunder, dass sich die beiden dabei nicht über den Haufen rennen! Ein Schelm, der einen Choreographen dahinter vermutet. Aber gerade in einem Land, wo gerade alle steil auf die Natürlichkeit einer gewissen Grand-Prix-Gewinnerin gehen, zeigen Pierce und seine Kollegen auch, wie’s anders geht. Komplette Hingabe und Übertreibung bitte schön! Man gönnt sich ja sonst bekanntermaßen nichts. Das sorgt natürlich für einen gewissen Unterhaltungswert, lässt aber auch an der Seriosität, welche die Band immer gern betont, so seine Zweifel aufkommen. Die Songs tun ihr Übriges dazu. Das sind natürlich formidable Popsongs, was ja sicher der Hauptgrund für den momentanen Hype ist bzw. sein sollte. Die Drums spielen mit „Me And The Moon“ oder „Book Of Stories“ ein paar neue, bisher noch unbekannte Stücke aus dem Album, welche Lust auf dieses Werk machen. Die Mehrheit der Meute freut sich aber natürlich auf die Stücke der letztjährigen „Summertime!“-EP, die allesamt in die Gehörgänge gehen. Egal, ob das swingende „Make You Mine“, das pathetische „Submarine“ oder das Cure-Rip-Off „I Felt Stupid“… hier sind wahre Schätze versteckt, voller eingängiger Mitsingmomente und kurzweiliger Texte. Das sorgt auch live für den ein oder anderen Schmunzler, wenn sich bspw. Pierce im Refrain von „Don’t Be A Jerk, Johnny“ in die Rolle seiner Partnerin hineinversetzt, welche er später dann im selben Song auch gern mal als „Horse Shit“ bezeichnet. Aber die naive Tragik schwingt natürlich mit. Jenny war einst so schön, doch jetzt ist sie faul und unnütz. Ja, die Drums wählen einfache Worte für einfache Gefühle. Hey, und wenn die Sonne schon scheint, warum sollte man da nicht einfach mal zum Strand surfen gehen? Die einfache Ansage der Mitpfeifnummer „Let’s Go Surfing“ verfehlt ihre Wirkung anscheinend nie, deshalb bildet der Song auch heute wieder das Highlight des Abends. Da kommt durchaus mal Sommerstimmung im Publikum auf, welches sich ansonsten aber eher an die Wetterbedingungen außerhalb der Halle hielt. Der Zugabenblock bestand dann aus einem weiteren neuen, sehr atmosphärischen Track, sowie den EP-und-nun-auch-Album-Smasher „Down By The Water“, bei dem schon mal die Feuerzeuge angemacht wurden. Schade, dass „Saddest Summer“ nicht berücksichtigt wurde, dann wär die „Summertime!“ komplett gewesen. Ein schönes Finale dann mit der aktuellen Single „Forever And Ever, Amen“. Und dann war’s das auch schon, nach gerade mal 45 Minuten! Hmmm, mehr kann vielleicht bei einer neuen Band nicht unbedingt erwarten, aber schade war’s schon, denn man hatte das Gefühl, Publikum und Musiker hätten gerade erst angefangen, zarte Bände der Zuneigung zu knüpfen. Aber in der Kürze liegt halt für die Drums die Würze. Gute Popsongs müssen halt auch nicht länger als 3:30 sein… und bitte nicht allzu viel auf einmal davon.

Was bleibt nun also für ein Live-Eindruck vom neuesten, heißen Scheiß aus der schnelllebigen Welt der Populärmusik? Ein eigentlich guter, wenngleich wir hier vielleicht einfach mal auf’m Teppich bleiben sollten. The Drums sind eine vorzügliche Indie-Popgruppe, welche aber keinesfalls Vorreiter einer neuen Welle (surfbrettunabhängig) sind, sondern lediglich eine sehr schicke und gute Referenzliste vorzuweisen haben. Und wenn man dann nicht nur bei den Besten abkupfert, sondern auch in der Lage ist, wirklich eingängige Popsongs zu schreiben, dann rechne ich das einer Band natürlich hoch an. Aber eine Offenbarung sind die nun auch nicht. Die beanspruchte Tiefe lässt sich in all den netten, wenn auch gelegentlich mal etwas bissigen und spaßigen Schlagerlyrics nicht wirklich herausfiltern, aber da verstehe ich sie sicher einfach nur falsch. Naive, aber unglaublich eingängige Popsongs, hervor getragen von einer sehr kurzweiligen Live-Band, die gerade durch ihren Hang zur vollkommen übertriebenen Geste angesichts der eher einfachen Pop-Songs für das ein oder andere Grinsen auf den Lippen des Publikums sorgten. Und wenn sie dann da so mit ihrem ulkigen Klamotten in purer Selbstdarstellung ihre schmissigen Popsongs spielen, dann ist das echt mal einen Konzertticketkauf wert, wenngleich die ganze Zeit die Frage im Raum schwebt, ob die sich wirklich selber ernst nehmen können. Aber das ist nun mal das Los, welches so missverstandene Spaßmacher halt tragen müssen, nehme ich an. Ob dies alles für mehr als nur einen Sommer (wann auch immer der kommt) reicht, wage ich noch gar nicht abzuschätzen. Muss ja auch nicht. Manchmal zählt halt auch einfach mal der Moment. Fuck It, Let’s go surfing!

Setlist:

01 It Will All End In Tears
02 Best Friend
03 Submarine
04 I Felt Stupid
05 Book Of Stories
06 Make You Mine
07 Don’t Be A Jerk, Johnny
08 Me And The Moon
09 Let’s Go Surfing

10 Skippin’ Town
11 Down By The Water
12 Forever And Ever, Amen

Freitag, 26. Februar 2010

Er möchte nur die Welt retten …

Ein Bericht vom gestrigen Get Well Soon-Konzert im Dresdner Beatpol, der es schafft ohne den Begriff „Wunderkind“ auszukommen, aber auch ansonsten voll des Lobes für diese Kombo ist.

Nach der Pflicht des Überraschungs-Debüts ist „Vexations“ also sozusagen die Kür und der Beweis, dass Konstantin Gropper kein Schnellschießer ist, sondern durchaus noch einiges auf dem Kasten hat. In Sachen Qualität ist das auf Platte bereits bestens gelungen und nun tritt er zusammen mit Get Well Soon auch noch den ultimativen Live-Beweis an, dass da noch eine Steigerung möglich ist. Die ausgeklügelte Show zum Album machte gestern in Dresden Halt und bewies eindrucksvoll, dass sämtliches Feuilleton-Gejubel durchaus seine Berechtigung hat. Die Vorgruppe „Stars For The Banned“ stempeln wir dabei mal in der Kategorie „nett, aber verzichtbar“ ab. Der Vorfilm ist vorbei, der Hauptfilm beginnt pünktlich kurz nach Zehn.

GetWellSoonLiveUnd „Film“ ist da ein gutes Stichwort, denn die Show ordnet sich einer kleinen filmischen Rahmenhandlung unter, die mit dem Albumintro „Nausea“ beginnt und die dort erzählte Geschichte des kleinen Mädchens, welches bei einem Waldspaziergang über eine seltsam geformte Wurzel stolpert weiterspinnt und das Albumkonzept so mit surrealen Bildern von Landschaften, Menschen und sehr gern auch mal Tieren untermalt. Und jenem Mädchen, das munter weiter erzählt von ihren Träumen, Ängsten und anderen seltsamen Anwandlungen. Zusammen mit dem Sound von „Vexations“ ergibt sich ein wunderbares Gesamtbild, das audiovisuell zu begeistern scheint, auch weil Get Well Soon das Albumkonzept fast lückenlos durchziehen. Gut, es finden sich noch „People Magazine Front Cover“ vom Debüt, sowie die Weihnachtssingle „Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day“ im Set, aber ansonsten werden die Unannehmlichkeiten des Albums recht konsequent durchgezogen. Alle Songs, mal mit Ausnahme des kurzen Instrumentalstücks „We Are Still“ werden auch in der exakt gleichen Reihenfolge (also, falls ich mich nicht verhört habe) wiedergegeben und entfalten live, obwohl sie meist 1:1 wie auf Platte gespielt werden, ungeahnte Kräfte. Ein Freudenfest in Sachen Melancholie. Songs wie „We Are Free“ oder „A Voice In The Louvre“ entfalten in ihrer nachdenklichen Verzweiflung auch oft das Gefühl von Befreiung. Eine sehr seltsame Kombination, aber kurz zusammengefasst muss man einfach erkennen, dass diese Musik wahnsinnig gut gemacht ist. Hochgradig musikalisch, ehrlich, authentisch und gelegentlich sogar ein wenig eingängig. Wie bspw. das relativ lockere „Werner Herzog Gets Shot“, das hier etwas reduzierter vorgetragen wird. Ansonsten verweigern sich Gropper und seine Mitmusiker selten der Opulenz und es ist beeindruckend, wie voll der Klang trotz der Anwesenheit von „nur“ 6 Musikern wirklich ist, wenngleich da natürlich ein paar Elemente, wie die Waldhörner auch vom Band kommen, denn für den Gebirgsjägerverein war dann doch kein Platz mehr auf der Bühne. Und bei „We Are Ghosts“ übernimmt die Band am Ende sogar selber die Rolle der Geister und singt den Refrain von der Leinwand aus, während sie sich in real die Seele aus dem Leib spielen. Doch ist nicht nur die Schwere, die begeistert, es sind auch die ruhigen Momente, die bewegen. Etwa der langsame Schleicher „That Love“ vom neuen Album oder die sich zwischendurch ins Set mogelnde Version von „Tick Tack! Goes My Automatic Heart“, die den Höhepunkt des Abends darstellt und die Show für einige Minuten in Sphären bringt, die man nicht anders als mit dem Wort „Perfektion“ bezeichnen kann. Als Konstantin das Stück akustisch nur mit stimmlicher Unterstützung von Schwester Verena beginnt, hören auch langsam die letzten Menschen im Raum mit Small Talk und Bierflaschen-Geklapper auf. Als dann die Band einsteigt wird’s episch, während man sich für das Ende noch einmal zurücknimmt und die Geschwister Gropper noch einmal abseits des Mikrofons ganz intim weitersingen. Und auch das Publikum macht zögerlich mit. Ein magischer Musikmoment an dessen Ende ein frenetischer Jubel steht, der außergewöhnlich lang und herzlich ausfällt. Gropper sagt brav und ehrlich „Danke“, lächelt fein, hält sich aber ansonsten zurück mit Ansagen. Unser Glück, wie er später angesichts seines selber als eher schlecht eingeschätzten Wortwitzes, feststellt. Aber immerhin wurde das Büfett gelobt. Ist ja auch etwas. Nach drei weiteren Stücken endet der Film mit dem düsteren Nachhallen von „We Are The Roman Empire“ und einem anständigen Abspann am auf der Leinwand an dessen Ende auch dem Publikum gedankt wird. Der Film ist vorbei. Und die Moral von der Geschicht? „Change Your Life“ ruft uns die Protagonistin des Märchens noch in die Dunkelheit. Es sind manchmal die einfachsten Phrasen, die hängen bleiben.

Get Well Soon werden natürlich nicht ohne Zugabenblock in die Nacht entlassen und da man nun nicht mehr an die dramaturgischen Zwänge gefesselt ist, gibt es erst mal drei Hits vom immer noch wundervollen 2008er Debüt. Das kommt gut an, besonders, weil die Band mit ihrem nach wie vor besten Song „I Sold My Hands For Food So Please Feed Me“ das Set beendet. Ein Monster von Lied... ungebremst. Danach kann eigentlich nicht mehr kommen. Außer noch mehr Applaus noch mehr „Danke“’s von Gropper und ein paar Verbeugungen. Eigentlich ist der Abend schon vorbei, doch der Jubel ist groß, so dass sich der Bandchef noch einmal auf die Bühne wagt, diesmal sichtlich gelöst angesichts des gut verlaufenen Abends. Er nimmt Liedwünsche und Publikumsfragen entgegen, aber keiner erhört das Wünschen der Jukebox. „Witches! Witches!” könnte er nicht allein und die Band sei ja eh schon längst wieder beim üppigen Dresdner Büffet. Also gibt’s kurzerhand noch eine Soloversion des Songs „Teenage FBI“, welchen Gropper für den letzten Detlev Buck-Film „Same same but different“ beigesteuert hat. Ein hinreißend naives Stück Schwermut, bei dem der Komponist am Ende feststeht, dass seine Songs am Ende vielleicht nur geschrieben werden um die Welt zu retten. Es geht ja nichts über einen gesunden Größenwahn. Unrecht hat er damit aber nicht ganz, denn zumindest an diesem Abend hat er dem Dresdner Publikum für etwas mehr als 90 Minuten den Abend verschönert und die Welt vielleicht etwas erträglicher zu machen. Ein wunderbarer Abend mit wunderbaren Gastgebern geht leider zu Ende. Get Well Soon bleibt eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Musiklandschaft... und für solche Sätze bezahlt mich City Slang nicht einmal! Man kann das was dieser Mann mitsamt seiner Band für die deutsche Musiklandschaft leistet eben gar nicht hoch genug einschätzen. Die Zukunft sieht ausgesprochen gut aus, selbst wenn dies nicht unbedingt Gropper’s musikalischer Grundstimmung entsprechen mag.

Setlist:

01 Nausea
02 Seneca’s Silence
03 We Are Free
04 People Magazine Front Cover
05 Red Nose Day
06 5 Steps / 7 Swords
07 Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day
08 A Voice In The Louvre
09 Werner Herzog Gets Shot
10 That Love
11 Aureate!
12 We Are Ghosts
13 Tick Tack! Goes My Automatic Heart
14 A Burial At Sea
15 Angry Young Man
16 We Are The Roman Empire
17 Christmas In Adventure Parks
18 (If This Head Is Missing) I Have Gone Hunting
19 I Sold My Hands For Food So Please Feed Me
20 Teenage FBI

Mittwoch, 10. Februar 2010

Kurzer Rauschzustand

Delphic spielten am gestrigen Abend ein zeitlich knappes, aber mitreißendes Konzert im Berliner Bang Bang Club. Eine, trotz Schlafmangels, hoffentlich hellwache Rekapitulation der Ereignisse…

Fast genau ein Jahr ist vergangen, seitdem sich die Band Delphic erstmals auf deutschen Bühnen in diverse Herzen spielte, denn Anfang 2009 waren sie Support von Bloc Party und versahen ihren Namen schon damals mit einem großen Ausrufezeichen. Zumindest bei meiner Wenigkeit. Mit einem so guten Live-Ersteindruck im Hinterkopf verfolgte ich seitdem dien Karriere der drei Musiker aus Manchester mit großem Interesse. In den vergangenen zwölf Monaten folgten dann erste Videos, Singles, immer mal wieder neue Tracks und nun zu Beginn des Jahres das astreine, von Ewan Pearson auf Dancefloor-Hochglanz polierte Debüt „Acolyte“. Und damit kann man sich dann schon mal breitbrüstig auf die erste eigene Tour wagen. Dem unterhaltsamen Tanzvergnügen im Berliner Bang Bang Club stand also nichts entgegen.

4311424792_18133c0eceAusverkauft war der kleine Club im Brückenpfeiler dabei schon seit einigen Wochen, weshalb sich davor auch eine imposante Meute an Menschen wieder fand, die dennoch auf Tickets hoffte. Hier hätte man sein 9,50 Euro Kärtchen sicher zu einem guten Preis losbekommen. Aber nützt nichts, wir wollten halt die Band sehen. Der Bang Bang Club war dann auch dementsprechend recht ordentlich gefüllt. Jede weitere Person hätte vermutlich die Kapazitäten gesprengt. Auf eine Vorband verzichtete man glücklicherweise auch und das Trio entpuppte sich als pünktlich, so dass es kurz nach 22 Uhr dann endlich losgehen konnte. Vorbei war der Auftritt übrigens schon wieder kurz vor 11. In der knappen Stunde dazwischen spielte, fitzelte und ravete sich die Band durch die Stücke ihres Debüts, leider mit Ausnahme des schönen Albumclosers „Remain“. Warum eigentlich, Delphic? Der Rest vom Fest groovte aber ordentlich und ließ selten eine Pause zwischen zum Applaudieren zwischen den Stücken. Wie eine Art Live-DJ-Set lässt die Band gern mal die Stücke nahtlos ineinander übergehen und stellt diese damit ganz in den Dienst des Dancefloors. Von der aktuellen Single „Doubt“ geht’s bspw. direkt hinüber zur nächsten, „Halcyon“. „Submission“ drosselt dann ein wenig das Tempo und lässt der guten alten Gitarre mal den Vortritt, während „Red Lights“ die Beats wieder etwas mehr pumpen lässt und dabei vor allem auf leichte Trance-Elemente setzt. Das Set gleicht einem trancendalen Flug, untermalt von Beats, pumpenden Basslinien, Sequenzer- und Synthieflächen. Die Texte von bedeutungsschwanger bis bedeutungslos wirken eher wie die klassischen Dancefloor-Lyrics… „Give me something I could believe in“, „Let’s do something real“ und so weiter und sofort. Das Mitsingen gerät eher zur Nebensache, Hauptsache die Musik bleibt immer in Bewegung, immer im Rausch. Allein „This Momentary“ wird auf gefühlte 10 Minuten ausgebaut, auch „Counterpoint“ gewinnt noch mal an Länge. Und der abschließende Titeltrack von „Acolyte“ hat das sowieso nicht nötig, denn der ist ja bekanntermaßen schon fast 9 Minuten lang. Die Grenzen und Strukturen zerfließen, Delphic verfestigen ihren Ruf, Elemente der Dance- und Indiemusik zu gleichen Anteilen miteinander zu verschmelzen. Der groovende Beweis dafür, dass sich Rave und Hymne nicht ausschließen. Die Referenzen, seien es New Order oder die Chemical Brothers werden ja von der Musikpresse eh mittlerweile munter durch den Raum geworfen. Live sind die Hands-Up-Rave-Momente eindeutig zu spüren. Gerade deshalb ist es ein wenig verwunderlich und schade, dass sich das Berliner Publikum der Soundekstase zu großen Teilen zu verweigern scheint. Fast wirkt es so, als kommt man zur vorsichtigen und noch zögerlichen Besichtigung dieser neuen Kapelle. Als ob man mal schauen wollte, was denn das ist, über das der NME und seine Kollegen so viel schreibt. Pauschalisieren möchte ich zwar nicht, denn vereinzelt werden Teile des Publikums mitgerissen, aber hier wäre doch Potential im Bang Bang Club gewesen, es der guten alten Hacienda gleichzutun und sich ganz dem Sound hinzugeben. An der Musik lag es jedenfalls nicht. Aber Spaß ist ja bekanntlich was man selber draus macht und so versuchte ich für mich zumindest ein Optimum aus der ganzen Sache herauszuholen und die individuelle Schweißquote nach oben zu treiben.

Der Rausch ist leider schneller zu Ende, als vielen lieb ist, aber mehr hat die Band halt in Sachen Songs noch nicht zu bieten. Gut, außer „Remain“… aber ich nehme es ihnen nicht persönlich krumm. Trotz clubbedingter, ziemlich bescheidener Akustik beweisen Delphic, dass sie eine hervorragende Live-Band sind. Mit diesen Songs in der Hinterhand ja auch kein wirkliches Wunder. Es bleibt spannend zu sehen, wohin sich diese Band in den nächsten Jahren musikalisch weiterentwickeln wird. Ich behalte euch im Auge und dann sehen wir uns hoffentlich mit längerer Setlist und mehr Enthusiasmus beim Publikum in nicht allzu ferner Zukunft sicher wieder. Für die Berliner, die kein Ticket bekommen konnten, ist diese Zukunft übrigens der 08.05., denn da schauen die Drei im Zuge des MELT! Klubs wieder in der Hauptstadt vorbei.

Setlist:

1. Clarion Call
2. Doubt
3. Halcyon
4. Submission
5. Red Lights
6. This Momentary
7. Counterpoint
8. Acolyte

Freitag, 18. Dezember 2009

Die wahren Hits der 80er, 90er und von heute

Wie war’s eigentlich damals bei den Pet Shop Boys? Doppelter Einsatz in Berlin. 50% von Nobono besuchten vor gut 2 Wochen endlich ihr hauseigenes Konzert der Pet Shop Boys. Und nicht nur dies. Obendrein gibt es mit den Special Guests Bad Lieutenant noch weitere Legenden im Entertainment-Paket. Ein verspäteter Erlebnisbericht.

Also, man kann ja von den Pet Shop Boys halten was man will. Aber der hoffentlich vorhandenen Leserschaft hier sollte bewusst sein, dass es den Blog Nobono als solchen ohne die Herren Tennant und Lowe nicht geben würde! Der Liebe zu dem britischen Popduo ist es nämlich zu verdanken, dass sich doughnut und rhododendron einst kennen lernten, gemeinsame musikalische Interessen entdeckten und dann irgendwann vor nun mehr fast drei Jahren hier den Laden aufmachten. Ob der Rest Geschichte ist, sei mal dahin gestellt. Umso schöner die Tatsache, dass wir beide es am 05.12. diesne Jahres endlich schafften, mal ein Konzert der Pets zusammen zu erleben. Denn, und das ist ein gerechtfertigter Klischee-Satz, das ausgehende Jahr 2009 war definitiv nach langer Zeit mal wieder ein gutes Jahr für die Boys. Kritiker und Käufer waren sich endlich mal einig und so wurde das Popduo, wohl auch aufgrund eines allgemeinen musikalischen Trends, auch wieder für Menschen unter 30 interessant. Das Konzert in der protzigen o2-World sollte da eine Art schönen Schlusspunkt setzen, wenngleich es lediglich der Auftakt der Wintertour in Deutschland ist. Und als ob das nicht schon ein Anreiz genug wäre, erfüllen uns die Boys noch einen absoluten Wunschtraum und laden als Special Guest nur für dieses eine Konzert Bad Lieutenant ein! Ich meine, lebende Legenden. 50% Nobono trifft 50% Joy Division. Ein gutes Verhältnis! Deshalb haben wir unsere folgenden Einschätzungen auch zweigeteilt.


I. Die Lokalität

rhododendron: Okay, also dass müssen wir ja mal voranstellen. Wir wissen ja, dass Neil und Chris trotz der guten Resonanz von „Yes“ in diesem Jahr keine Massenband sind. Vielleicht waren sie das mal 1989 oder so. Wenn überhaupt. Warum man sich also in einem Protztempel, wie der o2 World in Berlin einmietet, wo sonst nur Coldplay, Metallica und Whitney Housten (fällt mir nur grad ein, weil dafür gestern so exzessiv Werbung gemacht wurde) auftreten, schien den ganzen Abend nicht klar. Irgendeine Marketing-Sache? Proben für die DVD-Aufzeichnung in der o2 Arena in London demnächst? Selbstüberschätzung? Jedenfalls hätten wir beide ja am Anfang gedacht, die bekommen das Teil nicht mal bis zur Hälfte voll, da es noch eine Stunde vor Beginn recht leer war. Doch wir wurden dann recht positiv überrascht, oder?
doughnut: Richtig. Das Ding ist eben: die o2 World ist ziemlich groß. Soweit ich weiß, finden dort an die 17.000 Leute Platz. Man hat nun die Oberränge gar nicht zum Verkauf frei gegebenen, das wäre dann auch wirklich absurd gewesen. Wir waren ja überpünktlich dort und stellten fest, dass der Innenraum auch nach einer halben Stunde nicht voller wurde. Also schon ziemlich lustig, dass bereits vor 19 Uhr einige Fans panisch in die Halle gerannt sind. Wir konnten gemütlich unsere Jacken abgeben, Bier kaufen und waren letztlich doch sehr weit vorn. Als Bad Lieutenant dann loslegten wurde es sichtlich voller. Wenn man sich das ganze nun auf Fotos etc. betrachtet, kann man schon sagen, dass der Innenraum gut gefüllt war. Eigentlich voll, aber eben kein Gedrängel. Man konnte da ganz gut stehen. Im Gegensatz zu einigen Unkenrufen anderswo finde ich, dass auch die Ränge gut gefüllt waren. Lass es an die 10.000 Leute gewesen sein, und es war für die Verhältnisse wirklich ziemlich voll. Dafür gabs ja aber auch wochenlang schöne große Plakatwerbung in Berlin an der o2 World. Insgesamt ganz ordentliche Location und interessant, die PSB mal in einer etwas größeren Halle spielen zu sehen: die Show funktioniert auch dort!

II. Bad Lieutenant

r: Die Tatsache, dass wir es zeitlebens nie auf ein New Order Konzert geschafft haben, schmerzt natürlich sehr. Gerade für Oberfan doughnut. Umso glücklicher waren wir natürlich bei der Bekanntgabe des „Support Acts“ für diesen Abend! Sicher auch, um den Laden noch etwas zu füllen. Bad Lieutenant haben ein okayes Debüt vorgelegt, welches kurzweiligen Gitarrenpop bietet, der irgendwo zwischen New Order und den Doves angesiedelt ist. Aber natürlich ist das nicht der Grund, warum man sich auf einen Auftritt freut. Natürlich ist es auch die Präsenz von Bernard Sumner und Stephen Morris. Ich meine, Stephan Morris, dem Produzent Martin Hannett bei den Aufnahmen des Joy Division Debüts riet, seine Parts auf dem Studiodach einzuspielen, um mehr Kälte zu erzeugen. Und Bernie Sumner, der Ian Curtis kurz vor dessen Tod noch bei sich übernachten ließ, Tony Wilson kannte, die Hacienda mitfinanziert und ruiniert hatte... und wenn diese Band dann „Ceremony“ anstimmt... dann weht einfach die Geschichte unweigerlich mit durch den Raum. Und so freut man sich einfach, endlich mal „Crystal“ und „Tempation“ live zu hören. Letzteres genial zusammengemixt mit dem Chemical Brothers Track „Out Of Control“, welchem Sumner damals bekanntlich seine Stimme lieh. In diesem Moment lässt sich erahnen, wie es vor 20 Jahren in der Hacienda abgegangen sein muss. Fine Time, Baby! Für uns Fans wird ein kleiner Traum war. Leider nur für eine dreiviertel Stunde. Die Band verabschiedet sich standardgemäß mit „Love Will Tear Us Apart“, welches sie sogar Robert Enke widmet. Der Song ist auch nach dreißig Jahren unkaputtbar und bewegend. Nie wahr Peter Hook überflüssiger, als in diesem Moment. Die nächste Bad Lieutenant Tour sollte dann doch Pflicht sein, oder?
d: Die armen Bad Lieutenant! Anfangs mussten sie ja noch unter „Notbeleuchtung“ spielen, später hatte man das technische Problem dann im Griff. Naja, was soll man sagen? Eigentlich wurde ja alles gesagt: a) Peter Hook fehlt halt nicht. Seien wir ehrlich: Während Sumner sich mit seinen Leuten für eineinhalb Jahre zurückgezogen, und ein solides Gitarrenpopalbum aufgenommen hat, kam Hook nur mit pikierenden Worten über Morrissey und der Vergangenheit an sich in die Presse. Sowas nervt – und deswegen kann man es Sumner auch nicht übel nehmen, wenn einen Abend zuvor in Hamburg noch selbstbewusst „we are not New Order“ in die Menge ruft. In der Tat war bei NO zuletzt die Luft raus, doch davon hatte man an diesem Abend nichts mehr gemerkt. Sumner und Co. machten einen frischen und sympathischen Eindruck. Man merkte ihnen an: es macht wieder Spaß! Mit drei Gitarristen auf der Bühne gabs auch nen ordentlichen Sound und man hatte schließlich den Eindruck, dass die sich nach ner dreiviertel Stunde erst warm gespielt hatten. Leider mussten sie sich schon dann verabschieden, aber die passende Tour soll ja im Frühjahr 2010 folgen – und dann ist man sicher wieder dabei, denn was man an diesem Abend geboten bekam war nicht nur die physische Präsenz zweier Legenden, sondern einfach eine gute Liveband mit richtig guten Songs – und dazu zählen auch die neuen wie „Sink or swim“ oder „This is home“. Sehr schöner Auftritt, mit dem man dann auch den NO Gig auf der Wunschliste abhaken kann. Ich mein: Ceremony, Crystal, Out of control UND Temptation! Geht’s noch besser? Wohl kaum…

III. Pet Shop Boys

PSB-Live-09_11r: Wenn man die fulminante „Pandemonium“-Show des britischen Popduos bereits im Sommer gesehen hat, so wie wir zwei, dann ist die Wintertour natürlich erstaunlich überraschungsarm. Ich empfehle deshalb auch die Lektüre meiner Leipzig-Rezension im Juni. Die Show bleibt natürlich so toll, wie sie bereits beim ersten Mal war, mit dem schönen Unterschied, dass ich diesmal weiter vorn stand und das Ganze endlich auch mal wirklich sehen konnte. Ansonsten sind die Würfel immer noch das zentrale Element. Sie bauen sich auf, sie stürzen wieder ein, hängen an Schnüren oder werden von den Tänzern als Wurfgeschosse benutzt. Dazu gibt’s jede Menge Kostüme, Hintergrundvideos und Tanzeinlagen. Muss ja auch, da Tennant und Lowe das Gegenkonzept von Rampensäuen sind. Die geben sich weiterhin als gut gekleidete Gentleman des Elektropop und pfeffern fast die exakt gleiche Setlist aus dem Sommer um unsere Ohren, die sich aber nach wie vor sehr gut anhört. Natürlich sind da die Gassenhauer wie „Suburbia“, „It’s A Sin“ und „Always On My Mind“ dabei, die man schon nicht mehr hören kann, aber live durchaus Sinn machen. Auch „Go West“, welches glücklicherweise immer noch über die Beats von „Paninaro“ gelegt wird. Und dann sind da natürlich ein paar Mahsups, sowie das famose Oldschool-Special mit „Two Divided By Zero“ und „Why Don’t We Live Together?“ vom Debütalbum „Please“, welche beweisen, dass die Boys tatsächlich mal richtig cool klangen. Ansonsten gesellen sich das schnittige „New York City Boy“, sowie die Allzweckwaffe „What Have I Done To Deserve This?“ ins Programm. Nett, aber nicht weltbewegend. Glücklicherweise sorgen die Boys mit Musical Conductor Stuart Price immer wieder dafür, dass die Show nicht zu einer totalen Greatest-Hits-Revue verkommt. So gibt es die tolle 80er B-Seite „Do I Have To?“, welche nahtlos in das wunderbare „King’s Cross“ überläuft und zu Tränen rührt. Alles richtig gemacht. Ansonsten die üblichen Songs. Das „Viva La Vida“-Coldplay-Cover funktioniert natürlich in so einer Location außerordentlich gut. Und als kleines vorgezogenes Nikolausgeschenk gibt’s als Zugabe die neue Weihnachtssingle „It Doesn’t Often Snow At Christmas“. Inklusive tanzender Weihnachtsbäume. Mehr Kitsch geht nicht, oder?

d: Was konnte man erwarten im Gegensatz zur Sommer Tour? Neue Songs? Mehr Songs? Gar ein anderes Bühnenbild? Nun, die Veränderungen lagen im Detail. Im Intro „More than a dream (Dub)“ hörte man im Gegensatz zum Sommer nun schon Heart heraus, für „Love etc.“ wählte man ein alternatives Ende (ohne den Textzeilen „I believe / call me naive/ That we can achieve / A love that we need“) und hier und da änderte man eine Synthie Spur. Zu 90% passten diese Veränderungen gut, manchmal klang da aber auch einiges schief. „New York City boy“ beispielsweise wirkte deplatziert, da man „Always on my mind“ vermutete, was aber an der positiven Stimmung nichts änderte. „What habe I done to deserve t his?“ hätte man nicht haben müssen, aber in einer auf „Greatest Hits“ getrimmten Setlist natürlich kein falscher Beitrag. Dusty Springfiel erschien derweil wie in einer Andy Warhol Collage auf großer Leinwand. Absolutes Highlight natürlich der New York-Block und eben der ruhige Part mit den Balladen. Hier und da änderte man auch die Choreografie der Tänzer, doch die Veränderungen lagen insgesamt im Detail. Go West wird mittlerweile nicht mehr als Finale genutzt und kommt im Mittelteil dafür umso besser. Songs wie „Love etc.“ produzieren da mittlerweile mehr Stimmung. Und ja: natürlich sehr kitschiger, aber auch sehr PSB-typischer Abschluss mit dem Christmas Song. Kam sehr gut an und hat mich live ebenso überrascht. Schöne Setlist, überwiegend gute Neuerungen im Detail, die sicher nur dem Fan auffielen!


IV. Stimmung / Fazit

r: Ja, was bleibt am Ende nach diesem Gastspiel der beiden Legenden? Die Stimmung war eher bescheiden, als ob das Publikum mit Handbremse auftrat. Sicher, der Applaus war recht ordentlich und insofern ich das sehen konnte, stand man auf den lichten Rängen am Ende auch mehrheitlich. Während der Songs hätte ich, gerade weiter vorn einfach mehr erwartet. Ich meine, dass sich da kein Moshpit bildet ist klar, vielleicht fehlen den Boys dazu auch die Songs, aber teilweise war das einfach ein zu hoher Schunkelfaktor. Und Neil Tennant ist halt einfach nicht der Typ, der permanent das Publikum anfeuert. Wenn er es allerdings tat, dann ging ein kurzer Ruck durch die Lethargie. Das war’s dann aber auch. Positiv war hingegen die logistische Überschätzung der Location. Dadurch, dass die gerade mal zu 2/3 gefüllt war, gab es wenigstens mal für alle ausreichend Platz. Was man damit anstellt ist dann natürlich jedem selbst überlassen. Das Publikum der Pet Shop Boys ist, Spex-Verehrung hin oder her, einfach mal ein älteres Semester. Immerhin sind Tennant und Lowe ja auch nicht mehr die Jüngsten und das sieht man trotz Kostümen, Hüten und Sonnenbrillen langsam auch. Dennoch bleibt bei mir ständig das Gefühl, dass da stimmungstechnisch noch Platz nach oben ist. Aber da sollte man Realist bleiben. Der tollen Show der Jungs tut dies aber keinen Abbruch. Und gerade durch Bad Lieutenant hat die Show noch einiges dazu gewonnen. Allein dafür hat sich die Anreise gelohnt. Was bleibt also? Die Pet Shop Boys haben ein gutes Jahr und eine gute Live-Show gehabt und ich bin gespannt, was dann in 3 Jahren darauf folgt. Auf das Sommerkonzert hätte ich rückblickend also eher verzichten können. Und Bad Lieutenant? Ja, da muss nun bald mal ’ne Tour folgen. Da sind wir dabei. Herr doughnut, ich rechne mit ihnen.

d: Pandemonium Tour = solide PSB-Tour. Was wurde anders gemacht als 2007 zur Fundamental Tour? Größeres, aufwändigeres Bühnenbild, mehr Kostüme, mehr Songs. Insgesamt gab’s von allem ein wenig mehr. Und mit Price als Sound Director nicht nur mehr, sondern halt auch ein wenig besser. Man hat mehr aus den Songs gemacht und tolle Sachen aus dem Archiv geholt. Man hörte sogar Anleihen von „In the night“ – ob wir sowas nochmal erleben werden? Nun, Price sollte in jedem Fall in drei Jahren für das nächste Album verantwortlich sein, denn er hat aus den Jungs live nochmal einiges rausgeholt. Das Publikum ist sicher ein älteres Semester, aber es gab auch einige jüngere Leute darunter, die sicherlich mit dem musikalischen Trend und mit „Love etc.“ in die Halle gespült wurden. Hätte man „All over the world“ folgen lassen, wäre da eventuell sogar noch mehr Spielraum für eine neue „Fangeneration“. Davon abgesehen hast du natürlich Recht: Für eine Stimmung wie bei Coldplay und Co. fehlen denen halt einfach die Songs. Viele kommen halt dort hin, um in Ruhe die Hits ihrer Jugend Revue passieren zu lassen. Da rastet man halt maximal bei „Always on my mind aus“. Klar, dass dann die jüngeren Fans ein wenig mehr aktiv sind. Fazit: Man hat uns auf der Tour überrascht und es wurde einiges geboten. Alles war ein wenig mehr, ein wenig bunter als in den vergangenen zehn Jahren und wer hätte das schon erwartet. Die Stimmung war okay, die Halle gut gefüllt. Es gibt also nichts zu bemängeln, gerade bei so einen Support wie Bad Lieutenant. Ich meine klar: Den Electronic-Hit „Getting away with it“ hätten sie schon anstimmen können, aber das Leben ist eben kein Wunschkonzert. In diesem Sinne: bis in zwei oder drei Jahren!


Setlist:

01 More Than A Dream (Intro)
02 Heart
03 Did You See Me Coming?
04 Pandemonium / Can You Forgive Her?
05 Love Etc.
06 Integral/ Building A Wall
07 Go West
08 Two Divided By Zero
09 Why Don't We Live Together?
10 New York City Boy
11 Always On My Mind
12 Closer To Heaven / Left To My Own Devices
13 Do I Have To?
14 King’s Cross
15 The Way It Used To Be
16 Jealousy
17 Suburbia
18 What Have I Done To Deserve This?
19 All Over The World
20 Se A Vida È (That’s The Way Life Is)
20 Domino Dancing/ Viva La Vida
21 It's A Sin
22 Being Boring
23 West End Girls
24 It Doesn’t Often Snow At Christmas

PS: Die Bilder sind eine "Leihgabe" von intro.de...

Montag, 7. Dezember 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Platz 10

10. Nada Surf “Let Go” (2002)

618F78RKSXL-_SL500_AA240_Nach vielen Wochen und unzähligen Alben sind wir nun in der Königskategorie angekommen und zwar bei meinen persönlichen Top 10 Alben aus dieser ausgehenden Dekade. Und um das ganze noch etwas dramaturgisch aufzuwerten, gibt’s das ganze jetzt häppchenweise… ich versuche sozusagen jeden Tag einen Platz zu posten und hoffe natürlich, dass ich dies zeitlich auch einigermaßen schaffe. Von vornherein sollte natürlich klar sein, dass jedes dieser zehn Alben ein absoluter Klassiker für mich ist und gerade hier die Anordnung sehr schwierig war. Den Einstieg macht das New Yorker Trio Nada Surf, bei denen sich Fans, Kritiker sowie vermutlich die Band selber, einig darüber sind, dass „Let Go“ aus dem Jahr 2002 das Meisterwerk dieser Band ist. Das Album, dass man nur einmal im Leben macht und bei dem alles stimmt. Und so ist es einfach aus. „Let Go“ ist auch nach über sieben Jahren immer noch eines der schönsten und qualitativ hochwertigsten Alben, welches ich kenne. Nada Surf perfektionieren ihren melodischen Indie-Rock auf wunderbare Art und Weise und vereinen zwölf hochwertige Songs auf einem Album. „Let Go“ ist wirklich ein Album, welches von den tollen Popsongs und Matthew Caws’ wundervoll ehrlichen und auch gefühlvollen Texten lebt und dabei eine ganz eigene Atmosphäre verbreitet, irgendwo zwischen Optimismus und bittersüßer Melancholie. Die rockigen Nummern „The Way You Wear Your Head“, “Hi-Speed Soul” oder das locker-leichte “No Quick Fix” laden zum Mitschunkeln und Tanzen ein. Die Balladen hingegen bewegen auf wunderbare Weise. Sei es die Verneigung vor Dylan’s „Blonde On Blonde“ oder das wunderbar ehrliche „Inside Of Love“, dass in all seinem traurigen Pragmatismus einfach so voller Wahrheit steckt. Und dann wär da noch das epische „Killian’s Red“, sowie der traumhafte Abschluss „Paper Boats“. „Sit on a train, reading a book. Same damn planet every time i look“ resümiert Caws darin. Dabei nimmt der Song einen mit auf die traurig melancholische Zugfahrt, durch eine Welt, der man sich irgendwie gern verweigern möchte. Egal, ob es um die große Liebe geht oder einfach nur die Fruchtfliegen in der Küche… „Let Go“ scheint ein Album mitten aus dem Leben zu sein, um am Ende doch irgendwie über ihm zu stehen. Ich finde keinen einzigen Schwachpunkt, na gut, vielleicht die französische Nummer… aber selbst das ist kein Beinbruch und mindert die Qualität von „Let Go“ in keinster Weise. Ein Album, welches mir über viele Jahre so viel gegeben hat und voller kleiner Wahrheiten ist. Seitdem bewegen sich Nada Surf immer auf angenehmen Niveau und lassen auch gern mal die Brillanz durchblicken, mit der sie Anno 2002 noch ein ganzes Album gefüllt haben. Ach, ist das traumhaft… ich hör’s mir gleich noch mal an.
Anhören: „Fruit Fly“, „Blonde On Blonde“ „Inside Of Love“, „No Quick Fix“, “Paper Boats”

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Meine 100 Alben 2000 - 2009 / Plätze 15 - 11

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15. Coldplay “Parachutes” (2000)

313NygFe0PL-_SL160_AA115_Alles auf Anfang. Vor dem Stadionrock, vor “Clocks”, “Talk” und “Viva La Vida”, all den Grammys und Gwyneth Palthrow... da war “Parachutes”. Das Alpha in der Gleichung „Coldplay“. Das Album, welches alle Aufhören ließ, obwohl es eigentlich alles andere als laut war. Es war lediglich zur richtigen Zeit am richtigen Ort und besaß die richtigen Songs. Als die Welt zur Jahrtausendwende in Plastepop á la Britney und ’N Sync, sowie in Goldkettchen-Hip-Hop und Nu Metal, sowie diverser anderer 90er-Jahre-Leichen zu versinken drohte, läuteten Coldplay mit „Parachutes“ den Wechsel ein. Während Radiohead sich der Kunst und Oasis dem Kokain widmeten, schuf das Quartett Kunststudenten um den lockigen Chris Martin kleine, große Popsongs, die vor allem eines waren: Gefühlsecht, eingängig und emotional authentisch. Gut eben… durch und durch. Und so horchte die Welt auf, weil die Welt einen Hauch Ehrlichkeit nötig hatte. Und das mein ich nicht nur auf globaler Ebene, denn selbst mich haben Coldplay damit gerettet. Als ich das erste Mal „Trouble“ hörte, öffnete sich vor meinem musikalischen Auge bzw. Ohr eine komplett neue Welt, welche ich in der Form nicht kannte. So sorgten Coldplay dafür, dass ich ganz persönlich eine neue Stufe in meinem Musikkonsum erklomm und mich von da an wirklich abseits von dem bewegte, was die Mitschüler damals so toll fanden. „Parachutes“ war der Startschuss für mich und sicher auch für viele andere. Die Brillanz der Songs bleibt unbestritten, da könnnen sich damals weder Bono noch P. Diddy irren. Der wunderbar leichte Schmerz, der das Album durchweht, seien es die düsteren Momente wie „Spies“ oder die romantischen wie „Sparks“ oder „We Never Change“. Und mit „Shiver“ oder „Everything’s Not Lost“ empfiehlt man sich bereits auf diesem Album für die großen Hymnen der Zukunft. Doch noch hält sich das alles in Grenzen. „Parachutes“ ist ein wunderbar ehrliches und smiples Album voller kleiner Songperlen, deren Emotionen man in jeder Minute abkauft. Eine ganze eigene, heimische Atmosphäre, die so gar nichts mit all dem zu tun hat, was Coldplay in den nächsten Jahren machen sollten. Vielleicht sind deshalb auch viele alte Fans bereits nach dem Debüt angesprungen. Ein leises, fast schon schüchternes Ausrufezeichen einer Band, von der man damals nur erahnen konnte, zu was sie noch alles fähig ist, wenn man sie lässt. Ein ganz persönlicher lebensrettender Fallschirm, der in den vergangenen fast zehn Jahren nichts von seiner Einzigartigkeit verloren hat.
Anhören: „Don’t Panic“, „Spies“, „Trouble“, „Everything’s Not Lost“

14. Death Cab For Cutie “Plans” (2005)

41MVaB3xSUL-_SL160_AA115_Es gab die Death Cab vor “Plans”, die Erwartungen schürten und dann die Death Cab nach „Plans“, die seit dem irgendwie nicht wissen wohin sie wollen. Und dazwischen gibt es halt „Plans“, das Album von dem ich mir noch nicht ganz getraue zu sagen, es zeige die Band auf ihrem Zenit, wenngleich es allerdings immer stärker danach aussieht. Bleiben wir beim bisher stärksten Album des Quartetts aus Seattle. Nachdem man sich vorher von album zu Album gesteigert hatte, erreicht die Band um Ben Gibbard auf „Plans“ einen qualitativen Level auf dem ihrem melancholischen Indie Pop scheinbar alles gelingen kann. Keine Schwachstellen. All Killer, No Filler. Vom ersten Moment an, als die Keyboardflächen von “Marching Bands Of Manhatten“ einen willkommen heißen, nimmt einen dieses Album mit auf eine spannende Reise voller kleiner, großer Gitarrenkunstwerke. Dabei lässt man das Stürmische und Rauhe vergangener Death-Cab-Tage ein wenig hinter sich und zeigt sich auf „Plans“ von der ganz gefühlvollen und weichen Seite, was an sich ja nicht vekehrt ist. So gibt es hier wunderbare Liebeslieder, wie das fröhlich-beschwingte „Soul Meets Body“ oder die Understatement-Hymne „Your Heart Is An Empty Room“. Und es wird auch traurig, wie „Summer Skin“, auf dem Gibbard das Ende einer Liebe besingt oder in „Someday You Will Be Loved“, in welchem er der Verflossenen alles Gute wünscht. Egal, ob die melancholische Schwere der „Brothers On A Hotel Bed“ oder das rein akustische Liebesbekenntnis „I Will Follow You Into The Dark“… die Band gibt sich vielfältig und dabei immer sehr bewegend. Dazu besitzt „Plans“ auch einen ganz eigenen Klang mit seinen warmen Keyboardflächen, den weichen Gitarren, sowie dem prägnanten Piano. Ein Klang, den man zwar in Ansätzen auch auf allen anderen Death Cab For Cutie Platten findet, jedoch niemals so perfektioniert und gut produziert, wie an dieser Stelle. So versprüht „Plans“ unglaublich viel Herzlichkeit und Geborgenheit von der ersten bis zur letzten Note. Das hat sie jedenfalls stets wann immer ich sie gehört habe. Wunderbar intelligente Gitarrenpopsongs, welche die Band musikalisch noch einmal ordentlich nach vorn bringen und ganz neue Seiten zeigt. Dass man im Zuge dieses Albums auch noch mal einen ordentlichen Popularitätsschub genossen hat, erstaunt eigentlich auch nicht wirklich. O.C. California hin oder her. „Plans“ bleibt das stille Meisterwerk dieser Band, an dem sich nun halt leider mal alle zukünftigen Alben messen lassen müssen. Aber da ist der offen noch lang nicht aus. Da bleibe ich, ganz im Sinne des Albums und trotz Twilight-Soundtrack, ein grenzenloser Optimist.
Anhören: „Marching Bands Of Manhatten“, „Soul Meets Body“, „I Will Follow You Into The Dark“, „What Sarah Said“

13. The Rifles “No Love Lost” (2006)

31H3CBS28pL-_SL160_AA115_So, nach all der Melancholie hier muss auch mal wieder Platz für zünftige Gitarren, flotte Bassläufe und etwas Rock’n Roll in der Disko sein. Natürlich hat die Indie-Welle zu Mitte des Jahrzehnts in England einige feiste Bands ans Tageslicht gespühlt, die alle auf ihre Weise begeistern konnten. Und darunter befinden sich definitiv die besten Debüts dieses Jahrzehnts. Doch eine Band sticht mit einem Album deutlich heraus und kann, wenn es nach mir geht, sogar die Konkurrenz von Maximo Park, Franz Ferdinand und Arctic Monkeys spielend hinter sich lassen. Das Debütalbum „No Love Lost“, der Rifles aus London ist eines der besten Debüts der vergangenen zehn Jahre, welches vor allem deshalb beeindruckend ist, weil es ausnahmslos zwölf Songs serviert, die alle für sich astreine Hits sind. Ich weiß, den Satz sagt man öfters, aber hier stimmt das… wirklich! Du kannst jeden Song nehmen, vom Opener „She’s Got Standards“ über den „Hometown Blues“, bis hin zu den eigentlichen Singles „Peace & Quiet“ oder „Repeated Offender“… jeder Song ist ein lupenreines Lehrstück dafür, wie ein Gitarrenpopsong in dreieinhalb Minuten zu funktionieren hat. Strophe, Chorus, Strophe, Chorus, Bridge, Chorus… und das klappt auch, weil es astrein produziert und auf den Punkt gebracht ist und das Quartett aus London akribisch genau darauf achtet, dass man auch schön jeden Refrain mitsingen kann. Am besten gleich mehrstimmig aufnehmen, damit gleich jeder den Mitgröhlrefrain checkt. Und dazu noch ein paar lebensnahe, etwas bissige Texte genommen über Themen, die einen als junge Gitarrenband halt so interessieren. Sei es der eigene Hype, das Pro und Contra von One Night Stands, der Wunsch nach Ruhe, der lokale Looser im Pub oder das mulmige Gefühl, welches einen beschleicht, wenn man nach langer Zeit mal wieder in seiner Heimat aufschlägt… kennt man, liebt man, singt man bedingungslos auch nach ein paar Bier noch mit. The Rifles sind die stereotypischen britischen Working Class Heroes, die auf ihrem Debüt all das verkörpern, was man an der Gitarrenpopmusik dieses Landes so gut findet oder eben nicht. Sogar die Balladen bekommt man hin. Selten klang eine Liebeserklärung so aufrichtig, wie in „Spend A Lifetime“. Und die Gesellschaftskritik in „Narrow Minded Social Club“ ist auch wundervoll. Und lässt sich trotzdem mitgröhlen. Ja, selbst der Hidden Track „Fat Cat“ hat’s faustdick hinter den Ohren. Auf „No Love Lost“ stimmt alles. Form, Inhalt und Attitüde verschmelzen zu einem kurzweiligen und unwiderstehlichen Gitarrenpopmix, der es geschafft hat, mir mehrere Sommer zu versüßen. Und fragen sie bitte auch den doughnut, der hier im Blog rumgeistert. Der vermutlich größte Rifles-Fan dieses Landes. Auch nach über drei Jahren hat „No Love Lost“ nichts von dieser Energie, diesem Lebensgefühl verloren, welches damals, 2006, so faszinierte. Die Band wird von nun an gegen ihre eigene Messlatte ankämpfen müssen. Das tut sie bisher aber mit Bravur. Good lads!
Anhören: “She’s Got Standards”, “Hometown Blues”, “Spend A Lifetime”, “Repeated Offender”

12. The Arcade Fire “Neon Bible” (2007)

41vwC81em9L-_SL160_AA115_Halleluhja! Im Gegensatz zur Konkurrenz benötigte das Künstlerkollektiv Arcade Fire aus Kanada gerade mal zwei Alben, um die Musikwelt in Ehrfurcht zu erschüttern und alle für sich zu begeistern. Von der Spex bis zur Süddeutschen, von Bono bis Bowie. Alle sind sich einig! Kaum eine Band wird von Kollegen, wie Fans gleichermaßen hoch gelobt wie die Band um Win Buttler und Régine Chassagne. Man ist fast schon gewillt bewusst, nach Fehlern zu suchen. Nach dem Haar in der Suppe. Doch einmal „Neon Bible“ gehört, bleibt mir am Ende nichts anderes als im Staub zu knien und Buße zu tun. Die Band schafft das fast Unmögliche. Das ohnehin schon geniale Debüt „Funeral“ wird mit „Neon Bible“ fast noch übertrumpft. Ein Triumphzug sondergleichen. Und sobald das nervöse Brodeln des Openers „Black Mirror“ beginnt, ist man gefangen in dieser fantastischen, hymnischen Welt. Wobei es dabei nicht mal eine Fantasiewelt ist, sondern unsere Welt. Jeder Song, um in der Bibelsprache zu bleiben, eine Offenbarung für sich. Von den todtraurigen Balladen „Ocean of Noise“ oder „Windowsill“, bis hin zu diesen unglaublichen Hymnen wie „No Cars Go“ oder „Intervention“, die alles auffahren, was man auffahren kann. Orchester, Chöre und eine hauseigene Kirchenorgel. Alles andere wäre zu mickrig. Es ist der größte Verdienst von Arcade Fire, dass sie neben den Standard-Instrumentenrepertoire einer Indieband auch spielend leicht alles Andere, von der Flöte, über Harfen, bis hin zu Cello und Drehorgel in ihrer Musik benutzen und damit ihren Songs die Größe verleihen, die ihnen auch zusteht. Überhaupt halten Arcade Fire nix von der Einfachheit anderer Künstler. Der beste Beweis dafür, dass Popmusik und große Produktion auch abseits von Klischees und Schwulst funktionieren kann. Diese Musik will groß sein, sie will episch und hymnenhaft sein, verliert dabei aber nie ihre Intensität und ihr Gefühl. Und weil all diese Elemente so gut passen, kann ich als Freund guter Musik auch nicht anders, als diese Band zu lieben. Arcade Fire verpacken ihre Songs über die Probleme dieser Welt und die Probleme eines jeden einzelnen in große, verzweifelte, aber doch auch irgendwie trostspendende Popmomente. „Windowsill“ wünscht sich all den Mist, den man täglich vom Fenstersims aus sieht weg und „No Cars Go“ wünscht sich in eine mit Pauken und Chören durchsetzte Traumwelt. Oder vielleicht sogar in den Tod als Erslösung selber? Selten war Suizid so schön verpackt. „Set My Spirit Free“ fleht Buttler im famosen Abschlusssong „My Body Is A Cage“, begleitet von der ganzen Band und ihrer Orgel. Ein Flehen nach einer besseren Welt. Eine Band, die politischer ist, als man ihr immer zutraut. Am Ende bleibt einfach dieses Gefühl der Überwältigung. Man ist Zeuge wunderbarer Musik geworden, die im Idealfall natürlich lebensrettend ist. „Neon Bible“ ist bereits jetzt ein moderner Klassiker, der Lust auf mehr macht. Und eigentlich wär ein neues Album 2010 ja fällig, liebes Spielhallenfeuer. Auf das du noch eine Weile weiter lodern wirst!
Anhören: “Keep The Car Running”, “Intervention”, “Windowsill”, “No Cars Go”, “My Body Is A Cage”

11. Editors “An End Has A Start” (2007)

51Ry84PRcEL-_SL160_AA115_Darf’s etwas mehr sein? Wenn eine Band ihren Sound gern etwas größer gestalten will, ist der schottische Produzent Jacknife Lee meist eine gute Adresse. Immerhin ging der bei U2 in die Schule. Und nachdem das Debüt „The Back Room“ von den Editors bereits 2005 immer wieder nach der großen Bühne schrie, bekam der Nachfolge gleich die volle Dröhnung. Mehr Gitarren, mehr Pomp, mehr Soundwände… Mehr! Mehr!! Mehr!!! Es scheint so, als bekommt die Band auf “An End Has A Start” endlich den Sound, der ihnen gebührt. Ein Sound der nach der großen Bühne schreit. Die ganz großen Gesten, die der schlacksige Frontmann Tom Smith ja auch gern auf der Bühne bis zum Exzess lebt, in XXL. Und natürlich die wunderbaren Texte über Tod, Vergänglichkeit und all die düsteren Themen unserer Existenz. Das spricht mich und meine immer gern wiederkehrende Teenage Angst an. Also ist das Zweitwerk der Editors das ganz große Leiden mit zirpenden Gitarren und wuchtigem Schlagzeug. Der Opener „Smokers Outside The Hospital Doors“ breitet bereits seine Arme gaaaanz weit aus um wirklich alle in der Stadt willkommen zu heißen. Und mit „An End Has A Start“, „Bones“ oder „The Racing Rats“ hat man auch wieder die unwiderstehlichen Indie-Disco-Hits dabei, welche Jacknife Lee diesmal noch stärker auf Tanzen getrimmt hat. Doch dann ist da noch der Rest. Die unglaubliche Dringlichkeit dieses Hammerriffs von „Escape The Nest“, das Flehen nach Flucht in seinem Aufbau und in der Stimme von Tom Smith. Ja, ich fliehe mit, Tom! Lenk den Fluchtwagen! Und dazu so düstere Liebeslieder wie das epische „The Weight Of The World“. „Love replaces fear“ singt Smith da. Und in dem Moment als er dies in dem Song tut, flutet ein warmes Licht den Raum und erfüllt alles und jeden. Schlagzeug, Gitarre, Bass und Klavier drücken jeden Song in seinem Ausdruck nach vorn. Diese Musik will sich nicht verstecken, sie will raus und gehört werden. Vermutlich rastet Smith deshalb gern mal so auf der Bühne aus. Dieser dürre Mann mit dem Lockenkopf und der markanten Stimme. Hier schreit er alles heraus. Seine Angst, seinen Frust, seine Zweifel! Unüberhörbar! Vielleicht übertreiben es Band und Produzent an manchen Stellen auch ein wenig, denn teilweise wirkt „An End Has A Start“ richtig dick aufgetragen. Doch das verzeih ich ihnen gern. Selbst wenn das neue Album dieses noch mal durch eindrucksvolle musikalische Neuausrichtung in den Schatten stellt… das zweite Album der Editors bleibt ein persönlicher Meilenstein in meiner musikalischen Hörentwicklung. Ein Album, das damals, wie heute unglaublich wichtig war und geholfen hat, diese Band als eine meiner Top-Bands für alle Zeit zu etablieren, obwohl es sie noch gar nicht so lang gibt. Toppen kann dies nur das Debüt und das findet sich, welch Überraschungen, in der Top 10, welcher uns wir nun in nächster Zeit feierlich zuwenden werden.
Anhören: “Smokers Outside The Hospital Doors”, “An End Has A Start”, “The Racing Rats”, “Escape The Nest”

Mittwoch, 9. September 2009

Widerstand zwecklos

Glücklich sind jene, die an diesem Abend dabei sein durften. Muse spielen eine exklusive kleine Show im Berliner Admiralspalast. Auch im klassischen Ambiente verteidigte das britische Trio gekonnt ihren Ruf als eine der besten Live-Bands der Welt. Ein Augenzeugenbericht…

Perfektes Timing. Für heutige Verhältnisse haben Muse und ihr Management den Interrnet-Leak des neuen, fünften Albums „The Resistance“ ziemlich gut hinauszögern können. Montagabend war es noch unter Verschluss, während es sich mittlerweile wie ein Lauffeuer im Web verbreitet. Angesichts der offiziellen Veröffentlichung an diesem Freitag nur eine knappe Niederlage. So wurde das Vorabkonzert im Berliner Admiralspalast am Ende doch noch das, was die Bezeichnung versprechen sollte. Exklusiv genug war es ohnehin schon. Nach zwei Konzerten in ihrer Heimatstadt Teignmouth sollte Berlin die 3. Aufwärmstation sein, bei dem Muse sich für die kommende Welttour warm spielen wollten. Da diese mittlerweile selbst hierzulande in den größtmöglichen Hallen stattfindet, ist es umso angenehmer, die Band noch mal in so angenehm intimer Atmosphäre vor gut 1000 Leuten zu erleben. Fast wie damals, als es begann. Vor gut 10 Jahren erschien das Debüt „Showbiz“ und seitdem hat sich die Band kontinuierlich nach oben gespielt. Ihr Ruf als die vielleicht beste Live-Band des Planeten eilt ihr dabei voraus. Das wäre natürlich unter normalen Umständen die Übertreibung des Jahrtausends, wenn sie nicht einfach so nahe dran an der Wahrheit wäre. Mit ihrem episch-virtuosen Alternative-Space-Progrock besitzt das Trio die ideale musikalische Voraussetzung, um diesem Ruf gerecht zu werden. Gerade Größe ist in den letzten Jahren zum Markenzeichen der Band geworden. Immerhin wollten sie auch einmal die erste Band der Welt sein, die im All spielt. Der gesunde Größenwahn passt zur Musik, die zuletzt sogar irdische Themen hinter sich gelassen hatte und über entfernte Sterne und Galaxien sang. Das neue Album „The Resistance“ soll es da mit ein wenig „bodenständigeren“ Themen, wie Gesellschaftsumbrüchen und Revolutionen wieder etwas greifbarer halten. Na immerhin.

Die Vorfreude ist groß, als sich im altehrwürdigen Admiralspalast die glücklichen Teilnehmer warmstehen, die beim extrem schnellen Ticketkauf das nötige Glück hatten. Oder einfach bei Ebay das nötige Kleingeld. Da ein Muse-Konzert im Sitzen einfach wenig Sinn macht und sich diese Chance wohl so schnell nicht wieder ergibt, musste ich natürlich nach vorn Richtung Mosh-Zone. Ein Glück, wir hatten Stehplätze! Gegen 21.15 Uhr ging es dann los. Ohne viel Tamtam und Show. Muse betreten die Bühne unter tobendem Beifall, schnappen sich ihre Instrumente und beginnen das Set mit dem Album-Opener und der aktuellen Single „Uprising.“ Live gewinnt die eher mittelprächtige Nummer noch ein wenig an Schwung und funktioniert als Opener recht gut. Doch natürlich ist der geneigte Fan vor allem wegen der Hits hier. Logisch, denn die neuen Songs sitzen ja noch nicht wirklich. Davon gibt es, mit „Uprising“ insgesamt fünf, die dazu aufrufen, dem neuen Album doch noch eine Chance zu geben. Der Titeltrack ist Muse-Standard während „United States Of Eurasia“ wie eine verschollene Queen-B-Seite aus den 70ern klingt. „Undisclosed Desires“ kommt ohne Gitarren, dafür mit Timbaland-Beat aus und das wirkt schon mal sehr interessant und groovy. Zumal sich Matt Bellamy dafür wieder einen schicken Spezial-Umhänge-Synthie hat zimmern lassen. So viel Prunk muss bitte schön sein. Dann gab es noch „Unnatural Selection“ zu hören, welcher unglaublich lang und facettenreich zu sein scheint. Stellenweise kam da sogar anständiges Metal-Feeling auf. Na ja, vielseitig scheint der musikalische Widerstand von Muse ja zu werden.

Der Rest des Sets beschränkt sich auf die bekanntesten Singles aus den vergangenen 10 Jahren. Muse wiegen sich auf der sicheren Seite, was angesichts der enormen Anzahl an Hits auch nicht so verkehrt ist. Immerhin hat die Band (noch) den entscheidenden Vorteil, dass meisten Singles, vielleicht mal mit Ausnahme von „Starlight“ nicht im Radio totgespielt werden. Und vielleicht sind sie deshalb auch die größte Alternative-Rockband der Welt, eben weil der erste Namenszusatz sogar noch halbwegs ernstzunehmen ist. Unkaputtbar sind die Songs allemal. Der lässige Funk von „Supermassive Black Hole“, der gewaltsame Ausbruch von „New Born“ oder das wüste Chaos mitsamt Flehen, das „Stockholm Syndrome“ so wunderbar macht. Und für die ganzen alten Fans gibt’s sogar „Cave“ von besagtem Debüt. Das scheint dann aber doch bei der Masse eher unbekannt zu sein. Passiert den besten Bands. Das Publikum mobilisiert sich vorn relativ schnell, wenngleich es keinen sofortigen, kollektiven Komplettausbruch gibt, wie ich ihn damals beim 2006er Konzert in Berlin so beeindruckend fand. Da waren sicher auch einige gut betuchte Schaulustige am Start, besonders weiter hinten. Aber es wird sie halt immer geben… Leute, die sich nicht bewegen oder irgendwelche Tusen aus der Medienbranche, die sicher der Meinung sind, es ist wesentlich ökonomischer das komplette Konzert mit der popligen Digicam zu filmen. Was ist schon real er- und gelebte Musik, wenn man sie zuhause auf verwackelten Kamerabildern sehen kann? Ja, manchmal macht die Welt eben wenig Sinn. Kein Wunder, dass Muse sich da gern mal ins Weltall flüchten. Aber die lassen sich, genauso wie die Mehrheit, den Spass nicht nehmen. Die Band ist gut drauf. Die sind halt Entertainmentprofis. Da wirken selbst die Jams einstudiert. Das Cover von Hut Butters „Popcorn“ ist dann auch noch eine recht lustige Sache. Leider ist der Sound, zumindest vorn ziemlich grottig, so dass man eigentlich keine der spärlichen Publikumsansagen versteht. Die gehen sowieso alle im Jubelschrei unter. Diese Schreie werden immer lauter, genauso wie das Publikum am Ende nach den ersten 13 Songs nach mehr dürstet. Als die Band dann den zweiteiligen Zugabenblock mit „Plug-In Baby“ beginnt gibt es vorn kein Halten mehr. Niemand bekommt Mitgrölhymnen so stilsicher hin, wie die Boys aus Teignmouth. Da wirkt sogar das Pogen unglaublich angenehm und harmonisch. Warum bekommen das andere Bands nie so in der Form hin. Zum famosen Abschluss greift Bassist Chris dann noch zur Mundharmonika und spielt uns das Lied vom Tod. Ein Gänsehaut-Intro, dem natürlich nur ein Lied folgen kann… „Knights Of Cydonia“… das Meisterstück vom letzten Album. Eine fast siebenminütige Orgie irgendwo zwischen Disco, Prog und Italo-Western. Und als Stadionhymne funktioniert das Teil dann auch noch nach dem x-ten Bier. „No One’s Gonna Take Me Alive!“ Hier werden keine Gefangenen gemacht. Der Höhepunkt! Wie immer, muss man ja meist sagen.

Danach ist dann Schluss. Am Ende gibt’s auch noch Rauch-Fontänen. Ein wenig Show muss dann doch sein. Länger muss die Band auch nicht spielen. Meine Lunge dankt es ihnen. Es war super, es war laut, es war schwitzig. So wie Rockmusik eben manchmal sein sollte. Muse zementieren ihren Ruf. Mit den Songs im Gepäck kann man ja eigentlich auch nichts falsch machen. Diese haben scheinbar die genaue Mixtur zwischen Chaos, Melodie, Wut und Zerbrechlichkeit verpasst bekommen. Da hat man als Band am Ende eher die Qual der Wahl beim Setlist-Basteln. Ich fühle mich jedenfalls geehrt, die Band noch mal an so einem schnieken Ort gesehen zu haben. Denn da machen sie zweifellos immer noch eine gute Figur. Es muss ja nicht immer das Wembley Stadium sein. Also darf man gespannt sein, wo der Weg der Band mit „The Resistance“ hingeht. Vielleicht gibt’s ja dann doch noch den Exklusivgig auf der Raumstation ISS oder irgendeiner Mondbasis. Ansonsten heißt sie der Admiralspalast sicher gern noch mal willkommen . . .

Setlist:

01 Uprising
02 Map Of The Proplematique
03 Supermassive Black Hole
04 Resistance
05 Hysteria
06 New Born
07 United States Of Eurasia
08 Cave
09 Popcorn
10 Starlight
11 Undisclosed Desires
12 Time Is Running Out
13 Unnatural Selection
14 Stockholm Syndrome
15 Plug-In Baby
16 Knights Of Cydonia

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