Mittwoch, 30. Dezember 2009

Rainbow Party - (10) The Bottom

Ja. Jetzt haben wir ihn erreicht. Den Grund dieses Songbrunnens. Dort wo keine Lichter mehr da sind. Wo alles nur noch traurig, verzweifelt, depressiv ist. Und wo die größte Schönheit liegt.

05.) Thursday - The Lovesong Writer, 2006



Das ist der versprochene letzte Emo-Titel.
Zumindest könnte man das so einordnen, da Thursday ja immerhin aus diesem Genre stammen. Allerdings haben sie sich auf ihrem famosen '06er Werk "A City By The Light Divided" meilenweit davon entfernt. So ist sie wesentlich mehr von New Wave oder Postrock geprägt, als von Pop-Punk. Dennoch ist das Alles etwas ganz anderes als gefühlskalt oder chronisch unterkühlt. Hier brennt's, faucht, winselt, drängt, fleht.
Nicht nur die die Stimme, die doch sehr an Robert Smith erinnert, und einen derart jämmerlichen Klagegesang drauf hat, dass man doch mal schnell den psychologischen Notdienst rufen möchte. Nein, auch die Instrumente und das Arrangement bluten aus allen Poren pure Verzweiflung. Hier hat sich eine Kapelle zusammengefunden, um mit allen Mitteln das limbische System der Rezeptienten zu entern.
Und es gelingt ihnen bravourös. Der ziemlich kratzige, rauhe Klang fräst sich tief in die Hörbahn. Das kombinierte Spiel von Synthie-Piano und Blechgitarre erzeugt maximale Befangenheit. Dazu wimmert der Sänger Geoff Rickly seine Zeilen. Bis schließlich ab dem Punkt von Minute eins und zwei Sekunden das vollendete Affektinferno sich aus den Boxen ergießt.
Ja, die Herren meinen es ernst. Ja, sie schämen sich nicht, sich komplett offen zu legen und es uns frei zu stellen, was wir mit den dargebotenen Innereien der Band anfangen möchten. Werden wir sie verschmähen, werden wir uns dran mästen, oder werden wir uns einfach harakiriös deneben legen?
Und Ladies and Gentlemen: Achtet auf den Text. Nicht nur, dass hier die Crux eines Songschreibers beschrieben wird. Das allein würde noch keinen hinter dem Ofen hervor locken. Denn dazu spricht es einfach nur eine begrenzte Anzahl von Menschen an: nämlich die der kreativ wirkenden Menschen. Diese dürften den Inhalt aber zutiefst nachvollziehen können, ihn nachleiden können, sich verstanden wissen. Nein, Mädels und Jungs! Achtet auch und vor allem auf die Form, auf die Sprache. Das hier ist Poesie in seiner schönsten Form:
So he stumbles through syllables
cut from their sentences
lost letters call to him deep in the alphabet
"please! give us meaning!"

Als ich das zuerst hörte, blieb mir wirklich die Spucke weg. Ich konnte keine Luft mehr holen. Mir schossen die Tränen in die Augen. Aber nicht weil es mich an irgendetwas oder irgendjemand Spezielles erinnert. Es lebte einfach aus sich selbst heraus. Ein Text, der einen nur durch seine Sprache so von den Socken haut. Wo hat man so etwas schon erlebt in den letzten 10 Jahren? Mir ist das sonst nur bei literarischen Klassikern geschehen. Das will was heißen, meiner Meinung nach.
Das hier ist wirklich ein Trommelfeuer aus der Gefühlskanone, die einen absolut lahm legt. Habt ihr auf den C-Teil geachtet? Fifty red roses falling apart in the heart of someone you have scripted and left behind Welche Urgewalt da entfesselt wird? Wie man befürchten muss, dass einen Boxen und Herz gleichermaßen sprengt?
Alter Schwede, Thursday haben hier richtig gemacht, was man richtig machen kann, wenn man sich dem emotionalen Rock verpflichtet fühlt. Ach was! Der Popmusik allgemein. Ganz ganz großes Tennis.

4.) Bright Eyes - Nothing Gets Crossed Out, 2001



Und nochmal zum Thema Text. Konsequent wäre es, an dieser Stelle selbigen einfach nur abzunotieren und ihn einfach so wirken zu lassen. Das ist bei Herrn Oberst auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich müsste es sich inzwischen herumgesprochen habe, dass dieser kleine Mensch der vermutlich beste musikalische Lyriker seiner Generation ist. Seine Fähigkeit Geschichten zu erzählen und Menschen dazu zu bringen ihm permanent zuzunicken und "Jawoll! So ist es, Alter!" zu flüstern, sind schon regelrecht legendär.
Den richtigen Anfang für diesen Hype konnte er mit dem Album Lifted or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground lostreten. Denn auch wenn zuvor schon extrem bewegende Anektoden erzählen konnte, kam 2001 einfach noch das entscheidende Jota Reife dazu, die es zuließen, dass auch eine breite Öffentlichkeit sich mit dem Schaffen des Folker aus Omaha auseinandersetzte.
Das Lied was mich da natürlich hervorragend anspricht ist das hier nun vorgestellte. Nur mal so als Ausriss:
All I do is just lay in bed and hide under the covers.
I just want someone to walking off and not fall off a leader.
I Know I should be brave, but I'm just too afraid of all this change.
I keep making these to-do lists, but nothing gets crossed out.

Nur Ich-Botschaften. Und ja das wirkt ehrlich. Und was für ein Erlebnis, dass man mit seiner leider nicht nur gelegentlichen geistigen Gelähmtheit nicht allein ist. Die Durchreißer unter euch werden jetzt sicher entnervt die Augen verleiern, dass man seine Sensibilität oder sowas nur als Entschuldigung für unfassbare Faulheit und übertriebene Ängstlichkeit nimmt. Schon möglich, aber die andere Hälfte Mensch wird Conor Oberst bzw. mich verstehen. Daher ist es jetzt auch für mich schwierig dieses Gefühl näher zu umschreiben. Aber ich nehme an, wenn eine Mensch, welcher 15'000 Kilometer entfernt von mir groß geworden ist, ähnlich, nein gleich (!), empfindet wie ich, dann gibt es sicherlich noch viele andere dazwischen und darüber hinaus.
Was ich aber beschreiben kann, ist die ganz und gar überwältigende Musik, die den Barden hier begleitet.
Dieses schöne Solo der Vibrato-Gitarre. Dieser Aufbau, der seinen Namen wirklich verdient. Hier wird fortlaufend und unaufhaltsam Instrument um Instrument dazu genommen, bis diese überlebensgroße Lied-Gebäude aufgebaut ist. Die schöne Appeggio-Gitarre, die ab Strophe 3 einsetzt macht den Raum unglaublich groß, ohne in Bombast à la Coldplay oder Editors zu verfallen. Das hübsche Glockenspiel verleiht diesem schweren Text eine unglaublich Leichtigkeit, das Marschschlagzeug zugleich eine gewisse Dringlichkeit.
Und vor allem und an eigentlich erster Stelle. Der Einsatz von Orenda Fink (Azure Ray, ihr erinnert euch) in der zweiten Strophe ist der größte Gänsehaut-Moment, den man mittels Musik vermitteln kann. So leise, so dezent, so zurückhaltend und dennoch so laut, brachial und berserkernd im Gefühlszentrum. Danach steht dort kein Stein mehr auf den anderen. Nein, alles wird aufgebrochen, erhitzt, befreit.
Auch wenn es pathetisch klingt, aber bei diesem Juwel ein mehr oder weniger akustischer Musik, muss ich leider auch schreibertechnisch ziemlich schwere Geschütze auffahren, um ihm wenigstens ansatzweise Herr zu werden. Verzeihung.

3.) Mogwai - Killing All The Flies, 2001



Hier schreibe ich mal lieber Nix über den Text. Da ich einfach noch nie versucht habe, zu entziffern, was da hinter dem Vocoder-Effekt hervorlugt. Von daher spielt es auch keine wesentliche Rolle. Allerdings - und das muss ich dazu sagen - gibt es wirklich tolle die-hard-fans, die auch solche Texte mitsingen können. Habe ich selber auf dem Southside erlebt, dass da irgendein Schotte (der sich nicht auf der Bühne befand), den Vocodergesang inbrünstig mit geträllert hat. Allerdings von Hunted By A Freak. Und nicht von Killing All The Flies. Denn den habe ich sie bei immerhin vier Konzerten noch nie spielen gehört. Warum sie den nicht jeden Tag spielen, ist mir schleierhaft. Denn es gibt kein Stück von Mogwai, was erstens mehr zusammenfasst, wer sie sind und was sie machen, der zweitens live eine unzähmbarere Energie aufbauen müsste und das drittens schlicht und ergreifend schöner ist.
Und nur damit wir uns gleich richtig verstehen: Das was dieses Lied ausmacht, ihn groß und unverzichtbar macht, das passiert bei exakt 2:34. Dieser Ausbruch ist der allerbeste der jemals, und damit meine ich nicht nur die letzten zehn Jahre, in meiner musikalischen Welt stattgefunden hat. Einen besseren Klimax kann man wahrscheinlich auch gar nicht komponieren. Das hier wird hervorragend vorbereitet. Mit sich liebevoll umspielenden cleanen Gitarren. Der sehr schönen "Gesangs"-Melodie. Mit dem bedächtigen aber mächtigen Getrommel. Dem hypnotischen Minimal-Groove des Basses. Dem vorsichtigen Ansätzen, dem kurzen Zurückpfeifen für die zweite Strophe, der relativ raschen Steigerung in diesen straighten Spannungsrhythmus und der sich stetig nach oben schraubenden Melodie. Und ohne diesen Spannungsbogen übermäßig zu überspannen, wird dann zügig und prägnant zu dem Teil gekommen, dem ich nur folgendermaßen beschreiben kann: Orgasmisch.
Das ist eine wahres Feuerwerk aus der Soundatillerie. Die ganze Band plus Streicher und sonstigem Orchestergetöse fällt über einen herein, dass man wirklich nicht anders kann als sich dem hinzugeben und absolut geplättet zu sein.
Wem das jetzt beim ersten Mal hören nicht so ging, dem sei nur empfohlen sich das wirklich LAUT anzuhören. Man muss dazusagen, dass Mogwai, zu der Zeit als sie dieses Lied komponierten, als die zweilauteste Band nach Manowar galt. Ihre Auftritte waren ein gesundheitsgefährdendes Inferno. Die Verstärker glühten, die Club-PA ächzte. Alles war ans Maximum getrieben. Vor allem die Besucher mussten ihre Eingeweide festhalten, damit diese nicht durch Schalldruck resiziert wurden. Als ich 2005 die Band zum ersten Mal live in Berlin am Postbahnhof sah, sind sie schon dazu übergegangen dieses Extrem nicht mehr auszureizen. Allerdings ließen sie sich beim letzten Song des Sets, nämlich Glasgow Mega-Snake doch noch einmal dazu hinreißen. Und ich hatte wirklich das Gefühl, die Welt ginge unter, so massiv wurden die Zuschauer dort zugeballert mit einer unfassbar drückenden Soundwand. Ein sagenhaftes Gefühl, das ich seitdem immer wieder versuche nachzuempfinden, aber bisher nicht mehr erlebt habe. Und nun stelle ich mir das mit diesem wunderschönen Killing All The Flies vor. Das müsste wirklich ein geradezu reinigender, kartatischer Moment sein.
Daher also die Empfehlung die Regler der Anlage so weit es geht nach rechts zu drehen. Wer sich nicht traut Nachbarn, Mitbewohner, Eltern an diesem Erlebnis teilhaben zu lassen, nehme einfach Kopfhörer und gönne sich und seinen Ohren auf diese Weise dieses Erlebnis. Das Erstaunliche ist, dass trotz dieses krassen Schalldrucks der laute Moment nie schwammig oder unsauber klingt. Es sind dennoch alle Instrumente klar zu orten und auseinander zu halten, was extrem für die Produktion dieses Albums spricht. Druckvoll und dennoch klar. Ein Meisterstück.

2.) Maria Solheim - Too Many Days, 2003



Jetzt könnt ihr die Anlage wieder auf normale Lautstärke zurückstellen. Denn diese Dame aus Norwegen hat eine ganz andere Herangehensweise, um einen zu packen. Too Many Days ist nämlich reduziert auf das wirklich Wesentliche: eine fabelhafte Stimme, welche einen unglaublichen Text singt, begleitet von exakt einer Gitarre. Okay später kommen noch Bass, Schlagzeug, Banjo, Streichquartett und irgendwelche Synthies dazu. Diese schaffen es jedoch, das Lied noch weiter nach vorne zu bringen. Sehr weit. Bis an die Grenzen und darüber hinaus.
Einst, als es den fabelhaften TV-Sender Viva Zwei noch gab, erschien von Zeit zu Zeit eine junge Frau, um mit exzellenten redaktionellen Inhalt dem Zuschauer ihre Lieblingsmusik näher zu bringen. Diese Dame sollte später einigen Ruhm ernten, indem sie diverse Feuchtgebiete ergründete. In ihrem früheren Leben jedoch, wurde sie im Wesentlichen durch die Sendung Fast Forward ins allgemeine Indie-Gedächtnis katapultiert. Eines Tages entschied sie und ihre Redaktion sich dazu, das Video Too Many Days einer kleinen zierlichen Frau namens Maria Solheim vorzustellen. Man sah: wie sie in ein leicht antiquiertes Aufnahmegerät dieses Lied sang. Mehr nicht. Ich war dennoch bestürzt. Erfreut. Überwältigt. So einen wundervoll traurigen Song hört man nicht alle Tage. Sicherlich spielt es ihr zu Gute, dass sie mit der Stimme eines Engels gesegnet ist. Dass sie weiß, wie man ein Lied enorm geschmackvoll begleitet. Dass sie ein enormes Gespür für Timing hat. Mit letzterem meine ich nicht nur den, von mir immer wieder geliebten, unvermittelten, überfallartigen Beginn. Auch das Tempo ist ideal, jede Strophe, jeder Refrain, jede Gitarrenakkord dauert genauso lange, wie er klingen muss. Auch der Text fügt sich punktgenau ein. Der Einsatz der dazukommenden Instrumente ist haargenau abgemessen. Alles passt schlicht und ergreifend perfekt.
Dass dachte sich anscheinend auch das Fast Forward-Team, denn sie entschieden sich prompt in der darauffolgenden Sendung, das Video noch einmal zu zeigen. Ein Ereignis, was meines Wissens nach recht selten in der Show vor kam. Und wieder überkam es mich unvermittelt. Der Unterschied war diesmal nur, dass ich es geschafft habe im Videotext nachzuschlagen wer das wann wie gesungen hat. Schnell die CD bestellt. Fertig war das vollendete Glück für eine gewisse Zeit. Diese gewisse Zeit dauert bis heute an.
Während ich die Rezensionen schreibe, höre ich die entsprechenden Lieder natürlich immer in Dauerschleife. Und da kam es durchaus bei einigen Titeln vor, dass ich mir wünschte, ich vollendete endlich den Text. Nicht so bei diesem Stück. Jedesmal bin ich wieder aufs Neue erfreut, es noch einmal zu hören. Ein Glücksfall.

1.) Deftones - Knife Party, 2000



Dieses Lied, nein, dieses Werk ist seit geschlagenen neuneinhalb Jahren mein absolut liebstes Lied aller Zeiten. Durchgängig. Ohne dass je irgendein anderer Song auch nur in die Nähe seiner Größe kommen konnte. Nicht die neunundvierzig Lieder, die ich davor beschrieben habe und auch sonst keine anderen, die mehr als zehn Jahre auf dem Buckel haben.
Wie kam's? Wieder ein Schwenk auf die seligen Viva Zwei-Zeiten. Da lief mehrmals (!) am Tag ein Song namens Digital Bath der mich ganz und gar getroffen hat. Den ich besitzen musste. Den ich einsaugen wollte. Also ab in den Laden (Saturn in Hamburg, werde ich wohl nie vergessen) und White Pony gekauft. Extrem oft durchgehört und lieben gelernt. Den hier vorliegenden Song Knife Party fand ich schon immer gut, war aber nie unbedingt mein Favorit. Bis ich eines Tages das Buch Der Verschollene (Amerika) von Franz Kafka las. Nicht das Übliche, was andere Sechzehnjährige so tun, aber was soll's. Es hat mich zu dem gemacht, der ich bin. Auf jeden Fall ist dieser Roman die Geschichte eines jungen Mannes, der in den US of A sein Glück versucht. Erfolg hat er dabei nicht wirklich viel. Eigentlich ist er von einer unfassbaren Menge an Pech verfolgt. Die Beschreibung, wie er von einer Scheiße - entschuldigt die Ausdrucksweise, es geht nicht anders - in die nächste rutscht, ist gruselig, niederschmetternd, schmerzhaft.
Ich muss an der Stelle eventuell noch kurz einschieben, dass ich eigentlich immer lese und dabei Musik höre. Hat sich halt so eingeschliffen und bisher fahre ich auch recht gut damit. Jedenfalls gibt es eine Stelle in dem Schriftstück, in dem der Protagonist wirklich und wahrhaftig den Boden erreicht. Er hat alles verloren, wurde bestohlen und folgt dann auch noch - weil ihm wenig Anderes bleibt und weil er ein unbeschreibliches Geschick besitzt, Murphy's Law zu personifizieren - den komplett falschen Leuten nach. Schrecklich. Man möchte in das Buch rufen "Tu das nicht. Wähle die Alternative. Mach nicht permanent so einen Scheiß. Bitte! Bitte!" Doch Kafka bleibt grausam und lässt den armen Kerl weiter ins offene Messer, welches mit allerhand fiesen Widerhaken versehen ist, rennen. Und dann auch noch stürzen. Wirklich und wahrhaftig grausam. Und an diesem genau diesem absoluten Tiefpunkt eines vorstellbaren Lebens ertönt dieses Lied.
Seine - noch clean gespielten - Gitarrenakkorde zu Beginn pusten sofort alle Lichter aus. Man ist darauf eingestellt: Von nun an folgt Finsternis. Und prompt mäht einen der massivst verfügbare Riff komplett nieder. Reißt einen sogar noch weiter nach unten. Als ob in einem Bergwerk unter Tage erst die Beleuchtung ausfällt und dann auch noch die tragenden Balken der Last nicht weiter Stand halten können. So klingt der Riff. Niederschmetternd. Was wohl damit zusammenhängt, dass die Gitarren unsagbar tief gestimmt sind. Ein Relikt aus der Deftone'schen New-Metal-Vergangenheit. Dieses aber optimal eingesetzt.
In der Strophe lässt die Band dann erstmal wieder Luft zu atmen, ohne aber für nennenswerte Beleuchtung zu sorgen. Doch im zweiten Teil des Vers - oder 2. und 3. Strophe ... so genau kann man das nicht sagen - folgt wieder die erdrückende Phon-Macht. So zieht sich das weiter durch. Laut-leise, hoch-tief. Doch das alles immer von den vollendeten Moll-Akkorden angeführt. Und darüber schwebt noch die stets zu brechen drohende Stimme des Chino Moreno. Resigniert, verzweifelt, traurig, depressiv und so weiter. Den Mann haben alle Lebensgeister verlassen - jedoch muss, muss, muss er weiter und weiter singen. So klingt das für mich zumindest. Der Mann singt von einer seltsamen Nihilisten-Feier, wo sich das Partyvolk mit Messern aufschlitzt, um zum Einen dadurch verbunden, gleich zu sein und zum Anderen sich zu öffnen, Nähe zulassen zu können, Liebe zu finden. Sehr seltsam das. Noch seltsamer ist, wie vertraut einem diese Vorstellung, dieser Gedanke vorkommt. Da hat jemand ganz tief in sich hinein geschaut und dieses faszinierend abstoßende Bild hervorgekramt. Und kann sich durch diese Parabel hervorragend öffnen und den Hörer und entsprechend tief in sich hinein schauen lassen. Beängstigend. Befreiend. Erstaunlich.
Doch das Lied ist damit noch lange nicht beendet. Nein für den C-Teil haben sich die Herren Deftones etwas ganz dramaturgisch wertvolles einfallen lassen: Mithilfe einer befreundeten Gastsängerin namens Rodleen Getsic, bekommt das Stück nun im Fortlaufenden eine besondere Note dazu: Die der schmerzenden Verzweiflung. Von wunderbaren - an orientalischen Gesang erinnernde - Melodien, die mehrfach durch den Hall- und Echoeffektwolf gejagt worden, schraubt sich das "Ohooohooho" in immer bedenklichere Höhen bis nur noch ein markerschütterndes, angstverzerrtes Kreischen übrig bleibt. Und es hört einfach nicht auf. Auch wenn schon längst der Refrain wieder eingesetzt hat, dringt der Hilferuf aus der Tiefe immer noch ans Ohr. Und man kann nichts tun. Man sitzt da und es sind einem die Hände gebunden, da man ja eigentlich nur mit modifizierten Schallwellen zu tun hat. Als ob man einen Mord am Bahnsteig vom Zugfenster aus beobachtet. Man erlebt das ganze Geschehen mit, kann dem armen Opfer aber nicht helfen, weil der Zug einfach weiterfährt und man ihn nicht verlassen kann. Dieses Erlebnis brennt sich ein und wird einen nie wieder los lassen.
Und so geschah es. Ich war gefangen. Die dunkle Welt des Prager Schriftstellers und die der Musiker aus Sacramento
hat sich verbunden und mich wirklich im Kern erschüttert.

Nie wieder sollte ich Musik davor oder danach so intensiv erleben. Kein Stück hat es seitdem geschafft mich derart heftig emotional anzurühren.
Egal um welche Emotion es sich handelt. Kein Lied konnte mir zum Beispiel in ein so intensives Gefühl der Freude verschaffen. Der Wärme. Der Traurigkeit. Der Hoffnungslosigkeit. Der Geborgenheit. Der Erotik. Der Angst. Des Hasses. Der Lust. Wohl gab es Lieder, die dieses Emotionen bei mir auslösen oder unterstützen konnten.
Doch nie war dieses Erlebnis so intensiv wie bei diesem Werk und der hoffnungslosen Verzweiflung, die es zu CD gebracht hat. Denn das ist das, worum es am Ende des Tages bei Musik eigentlich geht. Dass sie in uns Emotionen hervor zu holen vermag, die wir in der Intensität nicht für möglich gehalten hätten. Die uns mit- und gefangennehmen. Uns einfach nicht mehr loslassen. Die unser Leben begleiten und bereichern.

Dienstag, 29. Dezember 2009

Lieblingsalben 2009 / Platz 05 - 01



05. The Boxer Rebellion “Union”


Manche Dinge brauchen halt so ihre Zeit. Das Zweitwerk von der Londoner Formation The Boxer Rebellion zum Beispiel. Dabei ist „Union“ ja eine Art stilles Album der Rekorde. Das Album schaffte es als erstes Album in der Geschichte in die US-Charts ohne einen Plattenvertrag dahinter. Die Kritiker sind hin und weg und das Quartett hat sich in den letzten Jahren sprichwörtlich den Arsch abgespielt, um eine weltweit treue Fangemeinde aufzubauen. Und dies, wie gesagt, alles ohne Label, denn von diesem wurde die Band nach dem mangelnden Erfolg des 2005er Debüts „Exits“ ziemlich schnell fallen gelassen. Seitdem kämpft diese Band sicher öfters mal ums finanzielle Überleben, weshalb man die Arbeit, die The Boxer Rebellion in die Eigenverbreitung ihrer Musik steckt auch nicht hoch genug würdigen kann. Ein trauriger Zustand, welcher sicher auch symbolisch für dutzende Bands weltweit im Anbetracht der aktuellen Situation der Musikbranche steht. Das würde natürlich alles nur wie pathetisches Gewäsch klingen, wenn die Band nicht diesen wundervolle Argument, nämlich ihre herzerweichende Musik, in der Hinterhand hätte. Auf dem bereits Ende 2008 aufgenommenen „Union“ perfektioniert die Gruppe ihren melodischen Breitband-Rock noch einmal und schafft 11 kleine Meisterwerke. Darunter auch das traumhafte „Soviets“, eine wunderbare Hymne für die Ewigkeit. Großspurige Power-Songs, wie „Spitting Fire“ gelingen in dieser Perfektion selbst den Großen der Szene eher selten. Die Balladen „Misplaced“ oder „The Gospel Of Goro Adachi“ zeigen die Band vielseitig, feinfühlig und mit einem wahnsinnig guten Gespür für Melodien. Und zu „These Walls Are Thin“ kann man sogar ein wenig die Beine wackeln. Emotionale Hymnen, die in dieser Form momentan nur die wenigsten hinbekommen. Die Gitarrenwände sind kilometerhoch und die Stimme von Nathan Nicholson möchte die ganze Welt umfassen. Dies führt zu den bewegensten und ehrlichsten Momenten, welche ich dieses Jahr auf einem Album hören durfte. Es macht absolut keinen Sinn, dass diese Band nicht langsam in der Größenordnung von Snow Patrol oder den Editors spielt. Denn sie hat eigentlich alles, was man braucht. Nur noch keine Plattenfirma. Vielleicht brauchen sie die auch nicht und werden so zur Sperrspitze einer neuen Bewegung von Independentbands. Die Zukunft ist jedenfalls wieder offen für die jungen Musiker und ich hoffe doch, da kommt noch eine ganze Menge mehr auf uns zu.
Anhören: „Flashing Red Light Means Go“, „Soviets“, „Spitting Fire“, „These Walls Are Thin“

04. Pet Shop Boys “Yes”


Ein paar alten Haudegen halte ich ja gern die Treue, einfach, weil sie mich musikalisch schon seit Ewigkeiten begleichen, wenngleich ihre Karrieren ja alle vor meiner Geburt begannen. Und 2009 war eines dieser Super-Release-Jahre, wo alle mal wieder ein Album rausbrachten. Und während Depeche Mode, U2 und New Order (letztere unter anderem Namen) irgendwie leicht unter den Erwartungen blieben, erfüllten sie die von mir geliebten Pet Shop Boys am Ende nicht nur, sondern übertrafen sie noch. Nach 25 Jahren im Pop-Business, all den Ups-and-Downs und all der Skepsis, die ich im Vorfeld der Veröffentlichung von „Yes“ hatte (immerhin waren Xenomenia, die Produzenten der Sugababes am Start)... wer hätte gedacht, dass Neil Tennant und Chris Lowe noch einmal so ein Wurf gelingt? Alle Zweifel wurden mit dem phänomenalen „Love etc.“ weggewischt, der besten PSB-Single seit irgendwann in den 90ern. Darüber hinaus sorgten Musikpresse (Danke, liebe SPEX-Nerds), Feuilleton, Brit Awards, sowie alte und neue Fans dafür, dass man nach all den Jahren des peinlichen Verschweigens wieder mit erhobenen Haupt zu den Hohepriestern des Elektropop stehen konnte. Zum einen, weil die Zeit wieder reif war und musikalische Trendsetter wie La Roux, die Killers oder Lady Gaga sich offensichtlich am Edelpop der 80er orientierten und somit auch wieder Platz für die Originale war. Zum anderen, weil dieses Album am Ende genau das ist, was der Titel ankündigt. „Yes“ ist Euphorie-Plaste-Pop, hoffnungslos melodieverliebt, manchmal auch naiv und gerade dadurch in seiner Konsequenz, Schönheit und Eingängigkeit fast schon eine rebellische Ansage gegen die Musikwelt. Doch in Krisenzeiten flüchtet sich die Menschheit bekanntlich gern in den Schein. Dieser wird serviert als Kombination von Intelligenz und Tiefsinnigkeit auf den altbekannten Elektrobeats. Dennoch klingt dies alles eine Spur konsequenter, als in den letzten Jahren. Kein schwacher Song findet sich auf „Yes“, dafür jede Menge Hits. Neben der Single natürlich noch das famose „All Over The World“, ein wieder einmal verschenkter Hit des Duos. „Beautiful People“ spielt sich mit schönem Streicher-Arrangement durch die 60er, die romantische Ballade „King Of Rome“ erinnert an alte „Behaviour“-Zeiten, während „Pandemonium“ dann noch mal Gas gibt und das sich anschließende ruhige „The Way It Used To Be“ sicher einer der spannendsten und emotionalsten Pets-Songs der letzten Jahre ist. Neil Tennant und Chris Lowe zelebrieren einmal mehr die Unwiderstehlichkeit des Pops. Und das ist natürlich alles recht oberflächliche Musik, die in erster Linie unterhalten und im Kopf stecken bleiben will. Aber das tut sie leider auf unnachahmliche Art und Weise. „Yes“ ist natürlich auch kein Paradebeispiel dafür, wie Pop 2009 klingen sollte, denn da sind die beiden seit einigen Jahren schon nicht mehr der beste Ansprechpartner. Sie machen das, was sie machen... eine eher unscheinbare Alternative zum Mainstream-Pop, der sich diesem aber dennoch nicht vollständig verweigert. Irgendwie zwischen den Welten, wenn ihr mich fragt. Vielleicht wird dies kein Album für die Ewigkeit werden, aber der Haken auf dem Plattencover könnte halt genauso gut ein Ausrufezeichen sein. Die Pet Shop Boys sind zurück und bleiben sicher noch ein paar Jahre am Ball!
Anhören: „Love etc.“, „All Over The World“, „Pandemonium”, “The Way It Used To Be”

03. Bat For Lashes “Two Suns”


“I will rise above now and go about the city...” Diese Stimme, diese wunderbare Stimme! In dem Moment, als Natasha Khan beginnt die ersten Zeilen von „Glass“ zu singen, stellen sich mir stets die Nackenhaare auf. Der darauffolgende Trip ist eine Reise in die Nacht, voller Dunkelheit und Gefühl. Mit ihrem Zweitwerk „Two Suns“ wächst Khan mit ihrem Projekt Bat For Lashes noch einmal ein ganzes Stück. Ein intensives Hörerlebnis getragen von einer elfengleichen Stimme und einer geheimnisvollen und atmosphärischen musikalischen Untermalung. Egal, ob es das düstere Brodeln von „Glass“ oder „Siren Song“ ist oder der entspannte Groove der Singles „Sleep Alone“, „Pearl’s Dream“ oder halt „Daniel“... stets erzeugen die Songs eine ganze eigene düstere Atmosphäre getragen von Khan’s teils zerbrechlichen aber auch durchaus kraftvollen Vocals. Und in den intimen Momenten von Balladen wie „Moon and Moon“, dem wirren „Two Planets“, sowie dem wundervoll morbiden Ausklang „The Big Sleep“ erreicht diese Musik ungeahnte Kräfte. Als ob Khan nicht von dieser Welt wäre, sondern uns auf einen Trip durch das Weltall mitnimmt. Sagen ja auch schon die Songtitel. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil Bat For Lashes stets die Balance zwischen Kunst und Pop meistert, wie es sonst nur wenigen Platten gelingt. Die Melodien sind teils offensichtlich, teils versteckt, manchmal muss man auch einfach das Gesamtbild auf sich wirken lassen. Anders als ihre isländische Kollegin Björk verrennt sich Natasha Khan dabei auch nicht allzu sehr in irgendwelchen Klangspielereien, sondern lässt stets Raum für die Songs an sich. Laute Momente wechseln sich mit zerbrechlichen Passagen ab. Das Chaos der Künstlerin wird in der Musik wiedergespiegelt. Es fallen mir eigentlich auch keine Worte mehr ein, um dieses Album besser zu beschreiben. „Two Suns“ ist ein ziemlicher Volltreffer, gleichermaßen geheimnisvoll, wie unglaublich eingängig und dabei voller düsterer Magie. Der Text zu diesem Album bleibt deshalb so kurz, weil ich einfach nicht mehr schreiben kann. Ich spreche eine uneingeschränkte Kaufempfehlung über dieses Werk aus und lege es jedem Menschen ans Herz, der auf gute, ehrliche und emotionale Musik steht. Wenn die Sirenen singen, kann man sich ihren Rufen halt nur schwer entziehen. Also einfach keine Furcht haben, sondern sich von der Sirene Khan einfach mit in die Tiefe ziehen lassen.
Anhören: “Sleep Alone”, “Moon And Moon”, “Daniel”, “Siren Song”, “Travelling Woman”

02. Editors “In This Light And On This Evening”


Ständig in Bewegung, ohne Rücksicht auf Verluste. Nach ihrer erfolgreichen Langzeittour zum Album „An End Has A Start“ hatten die Editors erst mal die Schnauze voll, die Editors zu sein. Im Studio suchte man nach neuen Impulsen und einem Sound abseits des zuletzt ausgetretenen Stadionrock-Pfades. Die neuen Ideen fand man schließlich im Synthesizersound der 80er-Jahre. Der Depeche Mode-Vergleich drängt sich also nicht nur auf, weil Produzent Flood schon mit besagter Band zusammenarbeitete. Ungewohnt ist das Ganze am Anfang jedoch schon. Eine treibende Sequenzer-Basslinie trifft auf Tom Smiths düstere Liebeserklärung an seine Heimatstadt London, sowie auf breite Synthieflächen, die uns direkt in die 80er mitnehmen. Bereits dieser erste Song kreiert eine bedrohliche, aber durchaus vertraute Atmosphäre, die bestimmend ist für den Rest des Albums. Die Dunkelheit ist nämlich nach wie vor der liebste Spielplatz der Band um Tom Smith und gibt dem Licht im Gegensatz zum Vorgänger wenig Charme. So umweht „In This Light...“ ein morbider, düsterer Geist. Die Bassläufe sind düster und treibend, die Drums mechanisch und die Synthies symbolisieren gleichzeitig Kälte, wie auch Wärme. Mit Präzision kreieren sich die Editors ein neues Bild und begeistern abermals. Die Grundprinzipien bleiben. Tom Smith fleht mit starke Stimme über das Übel der Welt. Verzweiflung, Zerrissenheit und andere Themen sind nach wie vor präsent. Die Songs sind ebenfalls schwer melodieverliebt. Da gibt es natürlich offensichtliche Hits, wie die Single „Papillon“, das melodieverliebte „Like Treasure“ oder der düstere Stampfer „Eat Raw Meat = Blood Drool“. Das sind die Melodien, die man von den Editors seit Jahren kennt. Große Songs, die nach außen wollen. Aber auch die introspektive Seite wird bspw. mit dem verschrobenen „The Bix Exit“ bedient. Statt aus Gitarren werden die Soundwände mittlerweile halt aus Analogsynthies gebaut. Dieser Schritt ist der beste, den die Editors in ihrer jetzigen Situation gehen können. Der radikale Soundwechsel muss geschehen, damit die Band interessant bleibt. Der ständige Entwicklungsprozess gehört zum Wesen der Band, fordert aber vom Hörer eine gewisse Bereitschaft, sich den dunklen Pfaden anzuschließen. Doch gleichzeitig spricht das Quartett aus London so auch eine ganze Menge neuer Fans an. Segen und Fluch gleichermaßen. Die Erfolgskurve zeigt weiterhin nach oben und das obwohl die Band den Pop nicht wirklich auf „In This Light And On This Evening“ erzwingt, sich aber ihm auch, wie gewohnt, nicht verstellt. Am Ende ist der Trip mit 9 Songs vielleicht ein wenig zu kurz, aber gelohnt hat sich die Reise in die Nacht dennoch. Das Drittwerk der Editors ist atmosphärisch sehr intensiv und weißt kaum merkliche Schwächen auf. Die Richtung, in die sich die von mir sehr geliebte Band entwickelt ist spannend und lässt für die Zukunft hoffen. Wenngleich man davon ausgehen kann, dass auch Album Nr. 4 wieder deutlich anders klingen wird. Nur eines wird wohl bleiben: Die Liebe zur Dunkelheit!
Anhören: “Papillon”, “The Boxer”, “Like Treasure”, “Eat Raw Meat = Blood Drool”

01. The XX “The XX”


Was soll ich eigentlich noch zu diesem Album schreiben, was nicht schon in zig Musikmagazinen und –Blogs auf der ganzen Welt geschrieben wurde? Post-Punk 2.0? Der Soundtrack zur Finanzkrise? R’n’B trifft New Wave? Irgendwie alles schon einmal gehört. Am Ende ist das selbstbetitelte Debüt von The XX das Album, auf das sich alle irgendwie einigen konnten. Der Geheimtipp, der mittlerweile kaum mehr einer ist. Ich schließ mich ja solchen Hypes eigentlich ungern an. Außer Schall, Rauch und ein paar seltsamen Frisuren ist da oft nichts dahinter. Und dennoch stehen The XX am Ende auch bei mir an der Spitze der Hitliste für dieses Jahr. Weil es musikalisch das Album ist, welches mich, wie kein zweites in diesem Jahr überrascht und gefesselt hat. Die Kunst der Reduktion schafft dabei eine unglaubliche Atmosphäre. Puristischer geht’s gar nicht. Kurzer Bandname, der gleichzeitig auch Albumname ist und natürlich ein Cover, welches lediglich von einem „X“ verziert wird. Das Quartett aus London entfaltet eine düstere Schönheit mit den einfachsten Mitteln. 2 Gitarren, ein Bass und getriggerte Beats aus’m Drum-Computer sowie ein paar leichte Elektroversatzstücke reichen aus, kombiniert natürlich mit unglaublichen Hits, die eigentlich alles sein wollen, nur nicht eben solche. Und obwohl die in Sachen Optik und Bühnenpräsenz nach wie vor auf Schülerbandniveau ist, bewegt sie musikalisch so viel. Es wirkt dabei fast so, als ob die düstere Verzweiflung und Grundstimmung der frühen Cure und Joy Division eine Art Frischzellen erlebt. Und der Vergleich zum R’n’B kommt nicht von ungefähr. Besonders wenn Romy Madley Croft mit ihrer wunderbaren Stimme das Mikro ergreift und damit einen fragilen und durchaus gelegentlich sinnlichen Soul und eine ehrliche Wärme in die Musik bringt, wie man sie auf den ersten Blick nicht erwarten würde. Dazu kommt noch Wechselgesang mit Bandkollege Oliver Sim, der einen ganzen eigenen Reiz ausübt. Sim stellt sozusagen das düstere Gegenstück zu seiner Mitstreiterin dar. Oft wirken die Songs dabei wie Dialoge. Es sind introvertierte Liebeslieder in düsteren Zeiten, welche mit den Thematiken Geborgenheit und Isolation spielen. Die Musik ist traurig und melancholisch, erlaubt sich aber immer wieder Momente der Hoffnung und Wärme. Diese Balance trägt das Album und rührt das ein oder andere Mal in den richtigen Momenten zu Tränen. Ich möchte gar nicht besondere Songs herausgreifen, denn alle sind für sich gesehen eine kleine Meisterleistung. Und natürlich kann man der Band ankreiden, dass sie mit der Reduktion auch Langeweile schafft bzw. aus einer guten Songidee ein ganzes Album zaubert... doch entweder stellt man diese Hauptargumente der Kritiker selber fest oder man sieht es halt anders und erkennt die Atmosphäre hinter dem Muster. Allen Kritikern und auch allen Fürsprechern zum Trotz hinterlässt „The XX“ bei mir ein so unglaublich gutes Gefühl nach dem Anhören, dass ich mich wirklich ärgere, dass es nach nicht mal 40 Minuten schon vorbei ist. Wer sich für diese urbane Pop-Romantik nicht begeistern kann, muss es auch nicht. Aber 2009 war für mich kein Album überraschender und berührender als dieses. Und deshalb steht es hier und sich seinen Platz in meinem Herzen längst erspielt. Mal sehen, wer dies im nächsten Jahr so schafft. Ich wünsche allen einen Rutsch, sowie einen hoffnungsvollen Start ins neue Jahrzehnt.
Anhören: “Crystalized”, „Islands“, „Shelter“, „Night Time“, „Stars“

PS: Und für alle, die das nochmal auf einem Blick haben wollen, gibt es die gesamten Top 50 nochmal hier zum Nachlesen.

Montag, 28. Dezember 2009

Lieblingsalben 2009 / Platz 10 - 06



10. The Rifles “Great Escape”


Manchmal kann man machen was man will, aber es läuft einfach (fast) alles schief. In den letzten 12 Monaten konnten die Rifles bezüglich der Beziehung zu ihrer Plattenfirma ein Liedchen davon singen. Immer wieder wurde das Zweitalbum verschoben, zwangsumbenannt und umstrukturiert. Geleakt ist es schon 2 Monate vor dem Release und diverse Singles wurden erst angekündigt und dann wieder kurzfristig gestrichen. Es wirkte man fast so, als wollte man das eigene Produkt am Ende sabotieren. Anfang 2009 ist das Album „Pavement Diaries“ dann endlich erschienen, nur dass es am Ende „Great Escape“ heißen sollte. Denkbar schlechte Vorraussetzungen, zumal sich die Rifles behaupten müssen um nicht als eine von vielen dieser UK-Hype-Bands der letzten Jahre in die Geschichte einzugehen. Da können zweieinhalb Jahre Wartezeit nach dem Debüt schon ’ne ziemliche Ewigkeit sein. Doch glücklicherweise kann man von musikalischer Seite Entwarnung geben: „Great Escape“ ist ein hervorragendes Album geworden, das zwar mit einigen Schwächen zu kämpfen hat, die der phänomenale Vorgänger „No Love Lost“ nicht hatte, aber hey… wir jammern hier auf sehr hohem Niveau. Bereits der Opener „Science In Violence“ macht mit aller Wucht deutlich, warum die Rifles auch 2009 zur vorderen Front britischer Gitarrenbands gehören. Das außerordentliche Gespür der Band für eingängige Melodien und Harmonien ist ihnen in all dem Trubel nicht abhanden gekommen. Doch nicht nur die Form dieser wunderbaren Popsongs gefällt, sondern auch ihr Inhalt. Die Rifles verstehen sich ganz in der Tradition von Bands wie The Jam und erzählen in ihren Songs Geschichten und Wahrheiten über das Leben. Egal, ob der Wunsch des Ausbrechens („The Great Escape“), die Tristesse des grauen Alltags („Toerag“), die Liebe („Winter Calls“) oder das Resümieren über die Vergangenheit („Out In The Past“)… die Texte von Sänger Joel Stoker sind wundervoll, gerade weil er sie in seiner selbstverständlichen Lässigkeit erzählt, aber dabei stets Gefühl in seiner Stimme hat. Die Songs an sich gehen einen Weg, den die meisten Bands mit ihrem zweiten Album einschlagen: Die Musik wirkt konsequenter, durchdachter und aufwendiger. Sprich: Auch auf „Great Escape“ erliegen die Rifles der Versuchung des leichten Überproduzierens. Dabei wirken Keyboards und Streicher bei „Great Escape“ genauso wenig störend, wie das Bläserensemble beim virtuosen „The General“. Aber teilweise wirkt es nach etwas zuviel des Guten, zumal Stoker’s Stimme gerade bei letzterem Song zu kämpfen hat. Ansonsten ist der Großteil der Songs aber wieder auf extremen Hit-Niveau. Egal ob zackig („Science In Violence“, „Fall To Sorrow“), melodiös („History“, „Winter Calls“) oder gar akustisch (“For The Meantime”)... die Rifles beherrschen ein breit gefächertes Britpop-Repertoire. Dennoch bleibt größte Problem dieses Albums und seiner Songs am Ende ironischerweise der Vorgänger „No Love Lost“. Dieses war schlichtweg zu perfekt (Platz 13 in meiner Jahrzehntliste). 12 Superhits, auf den Punkt gebracht, genau in der richtigen Balance zwischen Punk und Pop und zu einem Zeitpunkt, als das alles musikalisch noch richtig frisch war. Ob sie’s wollen oder nicht… daran wird die Band sicher immer messen lassen müssen und das wird sie vielleicht nie wieder erreichen. Wenn man das akzeptiert, kann mit „Great Escape“ jede Menge Spaß haben. Auch 2009 bleiben die Rifles ein großes Ausrufezeichen im Britpop! Songs voller Energie und Melodie mit wundervollen Texten, mitten aus dem Leben gegriffen. Eine Band, die es verdient, gehört zu werden. Sicher auch auf dem nächsten Album. Und bis dahin sollte man mal über das Wechseln der Plattenfirma nachdenken.
Anhören: „Science In Violence”, “The Great Esacpe”, “Out In The Past”, “The General”

09. Maxïmo Park „Quicken The Heart“


Was für eine Dekade für Maximo Park. 3 Alben, 3 Volltreffer. Ja, auch dieses ist einer! Und das, obwohl wir hier vom berühmten schweren dritten Album (welches auch nicht schwerer, als das zweite ist) sprechen. Da müssen sich solche gehypten Bands, wie die Jungs um Paul Smith ja bekanntlich beweisen. Brennt das Feuer noch oder kochen wir schon auf Sparflamme? Revolution oder Resignation? Fragen über Fragen. Und die Antworten? Die finden wir in der Musik und die sollten wir sprechen lassen. Im Gegensatz zu anderen Vertretern des selben UK-Jahrganges scheint das Motto der fünf Mannen aus Newcastle aber „Konstanz“ zu sein. Während sich die Kaiser Chiefs in die Belanglosigkeit und Bloc Party in die weiten Welten der elektronischen Experimentierfreudigkeit verabschiedet haben, bleiben Maximo Park bei dem, was sie am besten können: Zackiger Indie-Pop-Rock mit Hang zur Intelligenz und zur Tanzfläche. Diesen Spagat schafft die Band auch auf „Quicken The Heart“ spielend leicht, was ja auch keine Selbstverständlichkeit ist. Natürlich ist das nicht, wie beim Debüt wo sich einem die Megahits gleich aufdrängen. Eigentlich sind’s sogar recht wenige diesmal. So kann sich nach dem ersten Hören von „Quicken The Heart“ schon mal ein Gefühl von Gleichgültigkeit einstellen. „Ja nett, irgendwie. Aber auch nix Neues.“ Letzteres stimmt strenggenommen, aber das dritte Album der Band lebt auch davon, dass es seine Hits nicht sofort offenbart. Sicher, wir hätten da das famose „A Cloud Of Mystery“ und das zackige „Calm“, sowie das versteckte, aber glanzvolle „Questing, Not Coasting“, aber ansonsten? Ansonsten sagen die Songs erstmal nicht viel, doch wenn man ihnen Zeit gibt, ihren nicht so offensichtlicheren Melodien und Smiths’ eindringlichen Vocals mit den tollen Texten zuhört, dann entfalten sie ihre heimliche Schönheit. Der sperrige Opener „Wraithlike“ z.B., oder das schnittige „Let’s Get Clinical“. Und die Single „The Kids Are Sick Again“ ist sicher kein zweites „Apply Some Pressure“ oder „Our Velocity“, aber spätestens am Schluss erkennt man die bandtypische Hymne! Und natürlich gibt’s auch Ausfälle auf dem Album… gab’s auf den anderen beiden ja auch, selbst wenn das irgendwie nie einer sagt. Aber richtig schlecht sind auch Songs wie „Tanned“ oder „In Another World“ nicht. Austauschbar wirkt die Musik halt manchmal, denn da fehlt noch der letzte kleine Rest, der das ganze wirklich perfekt. Aber das ist ja auch nicht so leicht, besonders wenn man sich als junge Band in einer schnelllebigen Musikwelt immer an den Vorgängerwerken messen lassen muss. So gesehen ist „Quicken The Heart“ sicher das schwächste Album der Band, aber andererseits müssen wir uns dabei auch mal vor Augen führen, auf welchem Niveau wir hier den Qualitätsabsturz beklagen. Alles in Allem hat diese Band immer noch dieses gewisse Etwas, das sie sehr interessant macht. Das Charisma von Paul Smith spielt dabei eine genauso wichtige Rolle, wie die Fähigkeit Ohrwürmer zu produzieren und sich dabei auf das Wesentliche zu verlassen: Intelligente Popsongs, die Geschichten in weniger als vier Minuten erzählen können. Keine großen, experimentellen Epen, sondern reduziert auf das, was zählt. Ein wenig hat man dabei aber am Ende, dass da noch viel mehr gehen kann, spätestens auf Album Nr. 4 muss es das ja auch. Aber für 2009 haben Maximo Park ihre Schuldigkeit getan. Intelligenter Indierock, der immer noch funktioniert, selbst wenn die Welle mittlerweile längst abgeebbt ist.
Anhören: “The Penultimate Clinch”, “The Kids Are Sick Again”, “A Cloud Of Mystery”, “Questing, Not Coasting”

08. Jamie T “Kings & Queens”


Spätestens seit dem guten alten A-Team wissen wir, dass es unverzichtbar ist, auf Mr. T und seine Ratschläge zu hören. Statt denen eines muskelbepackten Afroamerikaners mit Irokesen-Schnitt und Geldkettchen bevorzuge ich aber lieber die Erzählungen eines jungen weißen Klappergestells aus England. Der Überraschungserfolg von Jamie T’s 2007er Debüt-Album “Panic Prevention” hat sicher einige Leute verblüfft, den Künstler selber vermutlich am meisten. Über Nacht wurde aus dem damals 21jährigen Jamie Alexander Treays die viel gehypte Rettung des britischen Pop. So wurde das Debüt ein wilder Genre-Mix irgendwo zwischen Punk, Pop und Hip Hop, welches seinen Wohnzimmer-Produktions-Charme nie versteckt hat und gerade deshalb in Sachen Authentizität punkten konnte. Jamie’s schroffe Art über die eigenen Worte zu stolpern tat sein übriges dazu. Zwei Jahre wurde die Erfolgswelle geritten und gleichzeitig ein Nachfolger gezaubert. Nun ist „Kings & Queens“ da und es ist ein echter Volltreffer geworden. Jamie spielt seine Stärken einmal mehr aus. Und das ist primär die Tatsache, dass er ein verdammt guter Songwriter ist mit dem richtigen Gespür für die richtigen Wörter, Reime und musikalischen Ideen. So perfektioniert der junge Lad seinen Sound auf „Kings & Queens“, denn man merkt hier deutlich, dass er einiges in Sachen Musik und Produktion dazu gelernt hat. Die Stimme klingt kräftiger und versucht sich mehr denn je an Melodien und richtigen Tönen, die immer noch recht prägnanten Samples werden von wesentlich mehr echten Instrumenten unterstützt und generell wirkt das alles viel ausgereifter und konkreter. Natürlich geht Jamie damit der Amateurcharme ein wenig verloren, aber darüber sollte man sich nicht wirklich wundern. Denn das Potential, welches schon beim ersten Album zu erkennen war, wird durch das Bekenntnis zu mehr „Pop“ letztendlich einfach entfesselt. So begeistern wahnsinnig schwungvolle Hits wie „Hocus Pocus“ oder „Castro Dies“ genauso wie die treffsicheren Singles „Sticks ’n’ Stones“ oder „Chaka Demus“. Und immer wieder ist man überrascht, wohin die Reise denn mit dem jeweils nächsten Song geht. So ist „Emily’s Heart“ eine traumhaft traurige Akustikballade und „Earth, Wind & Fire“ klingt am Ende fast so, als hätte selbige 70s-Band den Blues für sich entdeckt. Dabei scheint Jamie keine Grenzen zu kennen, was die Genres angeht. Pop, Rock, Hip Hop, Elektronik, Folk, Soul... hier findet sich alles quer durcheinander und absolut kurzweilig aufgearbeitet wieder. Eine bunte Pop-Wundertüte. In all dem Genremix bleibt Jamie T nach wie vor allem eines: originell und authentisch. Denn niemand singt so schön über die Reue nach dem Fremdgehen, Schlägereien in der Nachbarschaft und überschwänglichen Alkoholkonsum, wie der junge Mann aus Wimbledon. Eben gerade, weil er trotz Training nie der beste Sänger der Welt werden wird. Aber das muss er ja auch nicht. Die Musik von Jamie T gewinnt so schon auf ganzer Strecke. „Kings & Queens“ ist eines der spannendsten, kurzweiligsten und vor allem vielseitigsten Pop-Alben dieses Jahres und qualifiziert Herrn Treays endgültig für das A-Team der Popmusik.
Anhören: „Hocus Pocus“, „Sticks ’N’ Stones“, „Emily’s Heart“, “Chaka Demus”, “Earth, Wind & Fire”

07. Doves “Kingdom Of Rust”


Die Doves aus Manchester wurden ja gern mal im Atemzug mit ihren lokalen Kollegen und auch Freunden von Elbow genannt. Nachdem diese im letzten Jahr in der Heimat den endgültigen Durchbruch erlangten, dachte ich eigentlich das Trio könnte nachziehen und mit „Kingdom of Rust“ ein zweites „Seldom Seen Kid“ raushauen. Na ja, vielleicht etwas übertrieben. Einigermaßen sind die Doves ja, wenngleich sie außerhalb von England nach wie vor ein Geheimtipp bleiben. So hat man sich auch beim vierten Album in diesem Jahrzehnt wieder viel Zeit gelassen. Seit 2006 hat man sich ins Studio eingeschlossen und seitdem nichts mehr von sich hören lassen. Was sie denn da ausbrüteten blieb lange Zeit im Dunkeln. Am Ende ist „Kingdom Of Rust“ ein typisches Doves-Album geworden, was aber natürlich ein Qualitätskriterium darstellt. Auch 2009 bleiben die Doves immer noch eine Ausnahmeerscheinung in der Musiklandschaft. Ihre sphärischen, manchmal auch etwas abstrakten Breitwand-Britpop-Hymnen präsentieren sie seit einer Dekade auf konstant hohem Niveau und dabei irgendwie immer vertraut, wenngleich es immer auch irgendwie etwas anders klingt. Auch „Kingdom of Rust“ vermittelt von Beginn an dieses Gefühl, in der Musik und dem Sound zuhause zu sein, wenngleich Teile davon immer noch überraschen dürften. So gibt sich das Trio auf dem vierten Longplayer nach dem gradlinigen und reduzierten Vorgänger „Some Cities“ wieder etwas experimentierfreudiger. Bereits der Opener, das pulsierende „Jetstream“ nimmt einen mit auf eine spannende Reise und zeigt, dass die Band wieder mehr mit ihren Madchester-Rave-Wurzeln liebäugelt. Eine Discoplatte ist „Kingdom Of Rust“ selbstverständlich nicht geworden. Denn schon der Titeltrack an zweiter Stelle drosselt das Tempo und präsentiert sich als traumhafte, große Popballade mit Ohrwurmqualitäten und voller zerbrechlicher Schönheit. Auch der Rest des Albums bietet wieder ein breites Spektrum. Die 2. Single „Winter Hill“ ist ein qualitativ hochwertiger Formatradiosong im Stile von „Snowden“ oder „Catch the Sun“, während Hymnen wie „The Greates Denier“ oder „Spellbound“ ausladend sind und das elektrische „Compulsion“ eher experimentell groovend daher kommt. „The Outsider“ baut ordentlich Druck auf, während „Birds Flew Backwards“ hingegen ein wenig an seelige „Lost Souls“-Zeiten erinnert. Und immer wieder ist es die warme Stimme von Jimi Goodwin, welche einen vertraut durch die Songstrukturen führt. Wie immer gibt es ein stimmliches Wechselspiel mit Zweitstimme Andy Williams, der seinen Job auch wieder hervorragend macht. Das Zusammenspiel beider Vokalisten ist seit jeher ein Markenzeichen der Band und entfaltet seine Größe besonders bei sämtlichen mehrstimmigen Momenten. Das ist großes Pathos-Gestikulieren mit viel Gefühl und noch mehr Melodie. Ein Album alter Schule sozusagen. Und natürlich erreicht auch „Kingdom Of Rust“ nicht die Genialität des 2002er Meisterwerks „The Last Broadcast“, aber das stellt sich vermutlich eh als unlösbare Aufgabe dar. Das neue Doves-Album lässt viel Raum für Spannung und Experimentierfreude, lässt aber die klassischen Songstrukturen nicht außer Acht. Dazu gibt es jede Menge zu entdecken… elektronische Kleinigkeiten hier, verzerrte Gitarren da, spannende Effekte, Klänge und Gesänge, die sich einem halt nicht sofort erschließen. Es ist also wirklich irgendwie alles beim Alten bei den Doves. Arbeitsauftrag erfüllt! Aber mehr will ich auch gar nicht. Wenn mich ein Produkt über Jahre immer wieder so begeistert, dann muss es sich ja nicht zwangsläufig verändern. Und wenn mich die Band am Ende mit dem traumhaften „Lifelines“ aus diesem Album entlässt, dann weiß ich, dass ich wieder einmal wunderbare Musik anhören durfte. Ein Privileg, welches uns die Band hoffentlich auch noch lange weiter bescheren wird.
Anhören: “Jetstream”, “Kingdom Of Rust”, “The Greatest Denier”, “Spellbound”, “Lifelines”

06. Ladyhawke “Ladyhawke”


Ehe hier gleich wieder ein Statistikfreak dazwischenfunkt, wie der Absinhter oder so… Ja, mir ist vollkommen bewusst, dass das Album “Ladyhawke” von Ladyhawke” bereits Ende Semptember 2008 in ihrer neuseeländischen Heimat erschienen ist... und wenig später auch in England. In Deutschland ist das ganze Album aber erst im März 2009 offiziell erschienen. Ja und so was ist halt immer mein Kriterium. Nur die wenigsten werden vom dem Werk in den letzten drei Monaten des Jahres 2008 überhaupt Notiz genommen haben. Wenn nicht, dann verbessert mich gern, aber am Ende ist Ladyhawke mein Platz 6... für 2009, versteht sich. Und für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: In diesem Jahr hat sich die zyklische Bewegung der Musikhypes von den Männern mit Schrammelgitarren endgültig wegbewegt und wir sind wieder mitten drin im 80er-Retro-Pop, an dessen Spitze ja jede Menge Frauen mit Keyboards stehen. Und mit einem „L“ beginnen... Lady Gaga, La Roux, Little Boots... nun also auch Phillipa Brown aka Ladyhawke. Die Welt ist wieder einmal bereit für Synthiespielereien, Saxophone, Chorgesang und Discobeats. Glücklichweise sind die Schulterpolster und schlechten Fönfrisuren diesmal nicht mehr dabei. Das hittauglichste Album dieser ganzen Retro-Bewegung ist das von Brown. Ladyhawke selbstbetiteltes Debütalbum ist eine massive Ansammlung genialer Retropopsongs mit geradezu kriminell hohem Eingängigkeitsfaktor. 13 astreine Popsongs auf einem Album, keine Ausfälle, dafür aber jede Menge Songs, die sich bei jedem Hörer, der eine halbwegs ausgebildete Popaffinität hat schon nach dem ersten Hören im Kopf festsetzen werden. Musik, die leider problemlos in Indie-Disco und Formatradio laufen können. Glücklicherweise hat es das Album hierzulande nicht in Letzteres geschaff. „My Delerium“ und „Better Than Sunday“ sind ausnahmslose Superhits, genauso wie das bereits bekannte „Paris Is Burning“, der pulsierende Opener „Magic“ oder das schöne „Crazy World“. Ach, und da gibt’s noch mehr... „Manipulating Woman“, „Dusk Till Dawn“... so viel einfach. Die Rezeptur ist bekannt… Drums mit Hall, extra breite Analog-Synthies, fette Disco-Bassläufe, Jingle-Jangle-Gitarren, die Johnny Marr nicht besser spielen könnte und eine Protagonistin, die ihre unwiderstehlichen Popmelodien mit voller Harmonie dahin schmettert. Wonach klingt das? Kim Wilde? Die 80er-Genesis? Na, oder die üblichen Verdächtigen, wie New Order? Auf jeden Fall nach dieser Art von Musik, die man von früher kennt, also, wenn man schon die 25 hinter sich gelassen hat, wie ich. Ist das nun alles gut oder schlecht? Kommt drauf an, von welchem Standpunkt man es betrachtet. Innovationstechnisch und musikalisch ist hier nichts neu, stellenweise ja sogar recht dreist abgekupfert. Aber allein die Detailverliebtheit, mit welcher Ladyhawke den Sound jener Ära für 2009 reproduziert verdient da Lob. Das hier ist Pop as Pop must be. Glücklicherweise beschränkt sich Ladyhawke nicht nur auf Synthies, wie bspw. La Roux, so dass dieser Sound organischer und druckvoller klingt, als jener der Konkurrenz. Das eigentlich Faszinierende an diesem Album ist die unglaubliche Hitdichte und Eingängigkeit der 13 Popsongs, die erstaunlicherweise auch nicht so schnell auf den Geist gehen, wie andere Popsongs. Wer auch nur halbwegs ein Gespür für Popmusik hat, der darf dieses Album nicht übersehen. Vielleicht interpretier ich da auch eine ganze Menge rein, aber zumindest meinen Popgeschmack trifft dieses Werk ausnahmslos.
Anhören: “Magic”, “My Delirium”, “Better Than Sunday”, “Back Of The Van”, “Paris Is Burning”

Sonntag, 27. Dezember 2009

rhododendron's ranking ... 52/ 2009

So, das Weihnachtsfest ist vorbei und schon sind wir schon am Ende des Jahres angelangt. Bzw. am Ende des Jahrzehnts sogar, wenn wir mal etwas dramatischer sein wollen. Und somit gibt es diese Woche auch das letzte offizielle Ranking für 2009, nächste Woche wird es an dieser Stelle dann das offizielle Best-Of-2009-Ranking geben. Seien sie gespannt. Für diese Woche gibt es aber noch mal satte drei Neueinsteiger. Sonst ist um die Jahreswende ja eigentlich nie so viel los. Auf Platz 7 gibt es direkt mal die neue Single von Simian Mobile Disco, diesmal mit schwergewichtiger Unterstützung von Beth Ditto. So viel Support hat Adam Young aka Owl City wohl gar nicht mehr nötig. In Amerika geht der gute Mann mit seinem schrulligen Indietronic-Pop gerade durch die Decke und auch hierzulande findet „Fireflies“ langsam den Weg Richtung MTV oder Formatradio. Trotz dieser gefährlichen Entwicklung störtt mich die Nummer noch nicht wirklich und kann deshalb einen ehrenwerten Platz 10 einnehmen. Auf Platz 12 können Tocotronic übrigens noch Plätze zulegen. Ihr seht... wir freunden uns an. Eine alte Freundin ist auch Uffie, die nach Jahren des Umherirrens und Partymachens zeigen will, dass da musikalisch noch mehr drin ist, als nur das it-Girl der französischen Elektroszene zu sein. „MC’s Can Kiss“ heißt die schmucke neue Single, natürlich von Mr. Oizo himself produziert. Vielleicht wird das ja jetzt langsam mal was mit der Popkarriere und 2010 wird ein gutes Jahr für sie. Na ja, wir warten erst mal ab. Das war’s für heute. Ich wünsche nen guten Rutsch und wir sehen uns dann wieder hier im neuen Jahr.

01.( 01 / #3 ) Delphic “Doubt”
02.( 03 / #3 ) 30 Seconds To Mars “Kings And Queens”
03.( 05 / #2 ) Hot Chip “One Life Stand”
04.( 02 / #4 ) Pet Shop Boys “All Over The World”
05.( 04 / #5 ) Vampire Weekend “Cousins”
06.( 07 / #2 ) Kent “Hjärta“
07.(NEW/ #1) Simian Mobile Disco feat. Beth Ditto “Cruel Intentions”
08.( 06 / #8 ) Girls “Lust For Life”
09.( 09 / #5 ) Depeche Mode “Fragile Tension”
10.(NEW/ #1) Owl City “Fireflies”
11.( 08 / #6 ) The Drums “I Felt Stupid”
12.( 16 / #2 ) Tocotronic “Macht es nicht selbst”
13.( 12 / #2 ) Ash “Arcadia”
14.(NEW/ #1) Uffie “MC’s Can Kiss”
15.( 10 / #7 ) Yeasayer “Ambling Alp”
16.( 14 / #4 ) Le Corps Mince de Françoise ”Something Golden”
17.( 11 / #8 ) Muse “Undisclosed Desires”
18.( 13 / #10) Florence And The Machine “You’ve Got The Love”
19.( 15 / #3 ) These New Puritans “We Want War”
20.( 17 / #9 ) Ellie Goulding “Under The Sheets”





Samstag, 26. Dezember 2009

Lieblingsalben 2009 / Platz 15 - 11



15. Arctic Monkeys “Humbug”


Wenn gar nix mehr geht, geht immerhin noch die Wüste. Zumindest für manche Bands. Schon U2 haben sich damals da bei „Joshua Tree“ ein paar neue Ideen holen können. Nun also auch die Arctic Monkeys, die größte britische Musikentdeckung des Jahrzehnts. Na ja, wenn man der Presse halt glauben schenken darf. Auf dem sehnsüchtig erwarteten Drittwerk der britischen Senkrechtstarter wird die konsequente Entwicklung der vergangenen Jahre fortgesetzt. Leichte Mitsing-Songs, wie auf dem Debüt sucht man auf „Humbug“ vergebens. Die Dunkelheit und das geheimnisvolle, welche die Band bisher textlich öfters herüberbringen konnte, bekommt nun endlich das musikalische Gewand. So bietet „Humbug“ zehn schrullige Anti-Hits, sich mit allerhand Psychodelic-Anleihen tief in die 60er wagen und dennoch hochmodern klingen. Zwischendurch schaltet man gern auch mal einen Gang herunter, wie beim traurigen „Cornerstone“ oder dem düsteren „Dance Little Liar“, dem versteckten Highlight der Platte. Dann wird’s aber auch mal richtig laut, es gibt Gitarrensoli und Metal-Momente. Es wirkt so, als ob Produzent Josh Homme es endlich geschafft hat, den Sound der Monkeys nach außen zu kehren. Jener Sound, der schon immer irgendwie an bestimmten Stellen durchblitzte und nun endgültig nach vorn rückt. Ach, sie sind so schnell erwachsen geworden, unsere vier Monkeys. Mit dem locker-leichten Teenager-Debüt „Whatever People Say...“ hat das alles nichts mehr zu tun. Das wirkt mittlerweile eher wie der eigentlich Fremdkörper in der Discography. „Humbug“ ist nicht das Werk von vier jungen Lads, sondern von hochmusikalischen jungen Männern. Es klingt nach dem Sand der Wüste, dunklen Nächten und vernebelten Bars. Westernromantik, wo es eigentlich gar keine gibt. Melodien, die eigentlich gar keine sind und Refrains, die man halt immer erst suchen muss. Dafür spielt die Band hervorragend, stellenweise geradezu virtuos auf. Die haben was drauf und „Humbug“ ist der endgültige Beweis dafür. Vermutlich springen nun all die Fast-Food-Indie-Kids teilweise ab, aber das muss man in Kauf nehmen um nicht als Eintagsfliege zu gelten. Die Arctic Monkeys spielen schroff und kantig gegen ihre eigene Legendenbildung ab. Und während die oft zum Vergleich gezogenen Oasis damals bei Album Nr. 3 im Größenwahn und Drogenkonsum versanken, punkten die Herren um Alex Turner lieber musikalisch. Das schöne an „Humbug“ ist wirklich, dass man es sich immer wieder anhören kann, ohne dass es schnell nervt. Gelegentlich entdeckt man auch neue Facetten und Ideen, welche man in dieser Form noch nicht gehört hatte. Eine rundum gelungene Neudefinition. Mal schauen, was da die nächsten Jahre noch so um die Ecke kommt.
Anhören: “My Propeller”, “Crying Lightning”, “Cornerstone”, “Dance Little Liar”

14. White Lies „To Lose My Life“


Also um das gleich mal von Beginn an festzuhalten: das Debütalbum der White Lies ist weder eine Offenbarung noch eine musikalische Revolution. Im Gegenteil: hier werden uns diverse Versatzstücke aus bekannten musikalischen Anleihen der letzten Jahre präsentiert. Ein bisschen Editors hier, etwas Killers dort. Na ja, und da muss man natürlich Zwangsläufig die 80er mit dazunehmen. Klingt auch teilweise gern mal nach den Tears For Fears. Letztendlich sind die White Lies eine Art glattgebügelte Ausgabe des Post-Punkt-Wave-Revivals. Das ganze funktioniert aber dennoch sehr gut, weil es die zehn Songs auf „To Lose My Life“ halt faustdick hinter den Ohren haben. Tolle Songs, kaum Ausfälle. Die Band spielt mit dem düsteren Charme vom 80er-New-Wave und erzeugt so allerhand Popsongs zum Thema Tod, Verzweiflung, Abschied und so weiter. Immerhin heißt der Eröffnungstrack ja auch „Death“. Der Titeltrack, sowie „Farewell To The Fairground“ gehen ordentlich nach vorn, während sich andere Nummern wie „For The Stars“ oder „Nothing To Give“ eher einer ruhigen Atmosphäre bedienen. Aber ich mag ja so darken 80er-Kram. Die treibenden Drums, der vibrierende Bass und die zackigen Delay-Gitarren halt. Und dazu besitzt Sänger Harry McVeigh auch noch eine dieser flehenden Stimmen, die von „ganz tief düster“ bis „hoch flehend“ jede Menge Spektren abdecken können. Fans der oben genannten Bands können also Spaß an dem Trio aus London haben. Was letztendlich eine höhere Platzierung und einen Stellenwert wie bspw. den der Editors bei mir verhindert hat, ist die Tatsache, dass „To Lose My Life“ wirklich sehr stark auf Hochglanz poliert ist. Die fehlenden Ecken und Kanten nehmen natürlich etwas von der Atmosphäre weg, zumal McVeighs Texte teilweise wirklich etwas reißbrettartig daher kommen. Im Prinzip hätte etwas weniger von allem dem Album durchaus gut getan. Aber so ist es halt, was es ist und mir soll’s recht sein. Ein kurzweiliges, sehr eingängiges Poprock-Album mit einem schön düsteren 80er-Einschlag und einigen recht großen Hits. Wer also, wie ich ein Fabel für Musik in diese Richtung hat, dem sollte das Werk nicht entgangen sein. Ansonsten bitte mal nachholen.
Anhören: “To Lose My Life”, “E.S.T.”, “From The Stars”, “Farewell To The Fairground

13. Depeche Mode “Sounds Of The Universe”


Kultbandalarm! Mit regelmäßigen Abstand melden sich die alten 80er Hautdegen und persönlichen Favoriten von mir, Depeche Mode mit einem neuen Album zurück. Diesmal waren es „nur“ 3einhalb Jahre, die seit dem erfolgreichen „Playing The Angel“ ins Land gezogen sind. Was hat uns diese Band eigentlich nach fast 30 Jahren noch zu erzählen. Nun, nicht mehr sooo viel. Depeche Mode sind eine gut funktionierende Firma, die aber, und das muss man ihnen lassen, ihr Handwerk versteht. Und da die bekloppten Fans eh jeden Release dreimal kaufen, herrscht bei Dave Gahan, Martin Gore und Andy Fletcher längst kreative Narrenfreiheit, welche sie auch bei „Sounds Of The Universe“ wieder ausleben. „Universe“ ist eine konsequente Weiterentwicklung der letzten Alben und schließt sich nach dem durchwachsenen eher „Exciter“ von 2001 an. Der hier zelebrierte Retro-Klang beruht auf dem verstärkten Einsatz von alten Analog-Synthesizern, die sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen und ein Klangbild erzeugen, welches immer wieder Akzente aus vergangenen DM Phasen aufweist. „In Sympathy“ klingt nach „Exciter“, während „Hole To Feed“ Ansätze von „Violator“ beinhaltet oder das Instrumental „Spacewalker“ direkt als Outtake aus dem Jahr 1982 durchgehen kann. Und obwohl wie beim Vorgänger wieder Ben Hilliar an den Reglern saß, klingt „Sounds Of The Universe“ wesentlich klarer, kompakter und vor allem besser. Der Retro-Sound wird hier nicht erzwungen, sondern wirkt ganz natürlich, als hätten Band und Produzent endlich verstanden, wie man miteinander umgehen muss. Die Songs ordnen sich stärker dem Gesamtklang unter, als bisher, was aber vollkommen okay ist. Denn die Songs sind zwar keine durchgängigen Meisterwerke, wie zur Hochphase der Band, aber dennoch durchgängig hochwertig, diesmal wieder mit stärkeren Gospel- und Blueseinflüssen. Der flehende Opener „In Chains“ regt einen zum Mitklatschen an, „Little Soul“ fleht noch im Dunkeln, während „In Sympathy“ anschließend das Licht rein lässt und dies schließlich in „Peace“, einem der bisher wohl optimistischsten Songs der Band und einem wunderbaren Zusammenspiel von Gahan und Gore mündet. Die Band hat ihren Frieden gefunden, auch mit sich. Und über was sollen sie auch noch schreiben, wenn sie eigentlich alle Laster, Drogenskandale und Streitigkeiten der letzten Jahre mittlerweile abgelegt haben? Die drei zufriedenen und millionenschweren Familienväter müssen der Welt nichts mehr beweisen. Also lautet die Motivation zum Weitermachen wohl nur nach Spaß und das entwickeln neuer Idee. Live vielleicht nicht mehr, da liefern Depeche Mode mittlerweile eine überraschungsarme Las-Vegas-Show ab. Aber im Studio sucht man noch nach neuen Impulsen. Ein Blick in die Studio-Making-Of’s bestätigt diesen Eindruck. Also arbeiten Depeche Mode weiterhin daran, ihre Musik weiterzuentwickeln, neue Elemente einzubauen und vor allem die Akzente etwas anders zu setzen. Natürlich wirkt die reduzierte Version von „Come Back“, welche man schon auf der Homepage anschauen konnte, eingängiger, aber die verzerrten Gitarrenwände auf dem Album untermauern die Verzweiflung in Gahan’s Flehen und bringen eine spannende Dissonanz ins Popgerüst. „Sounds Of The Universe“ ist vermutlich immer noch nicht das große Alterswerk der Band, aber sie kommen einem solchen Album wieder näher und es macht Hoffnung, dass diese Band auch jenseits der 50 noch eine großartige Musikmomente schaffen kann. Und wenn nicht, dann erwischen sie hoffentlich den richtigen Moment zum Abtreten. Verdient hätten sie es sich ja schon längst.
Anhören: „In Chaines“, „Wrong“, „In Sympathy“, „Come Back“, „Jezebel“,

12. Röyksopp “Junior”


Röyksopp wurden 2009 zehn! Auch nicht schlecht, denn mit nur 3 Alben in dieser Dekade hat das norwegische Elektroduo ordentlich Eindruck hinterlassen. Und als ideales Geburtstagsgeschenk gibt es gleich „Junior“ auf dem die Band ihren Stellenwert in Sachen Elektronische Musik noch mal ordentlich unterstreicht. Das Duo liefert uns hier echt tollen Elektropop ab, mit viel Atmosphäre und Melodien. Während der Opener, das lustige „Happy Up Here“ noch eher zum Schmunzeln einlädt, folgt gleich im Anschluss mit der Robyn-Kollaboration „The Girl And The Robot“ ein anständiger Elektro-Superhit, der ordentlich zum Tanzen einlädt! Und Robyn ist nicht der einzige weibliche Feature-Gast. Natürlich ist Karin Dreijer Andersson aka Fever Ray wieder dabei, welche uns durch das wunderbar tanzbare Pop-Märchen „This Must Be It“, sowie das wirre „Tricky Tricky“ leitet. Und Lykke Li ist auch dabei. Und die wundervolle Anneli Drecker, die auf der tollen Ballade „You Don’t Have A Clue“ ihr können unter Beweis stellt. Ja, Röyksopp wissen, wie man die skandinavischen Pop-Ladies anlockt. Wie immer durchzieht das ganze Album ein Hauch von Melancholie, mal mehr tanzbar, mal weniger. Der knarzende Groove von „Vision One“ ist typisch Röyksopp, während ruhigere Instrumental-Tracks wie „Röyksopp Forever“ oder „Silver Cruiser“ Röyksopp von der Seite präsentieren, die man auf den ersten Alben an ihnen schätzen gelernt hat. Hier wird mal wieder gezeigt zu welcher Musikalität elektronische Musik fähig sein kann. Mit dem ruhigen Lounge-Debüt „Melody A.M.“ hat das nicht mehr so viel zu tun, denn Röyksopp haben sich dem Pop zugewendet und wollen zeigen, was man alles feines damit anstellen kann. „Junior“ hat eine ganz eigene Atmosphäre und besonders das Zusammenspiel aus den elektronischen Spielereien und den sehr gut ausgewählten weiblichen Gastsängerinnen weiß hier zu gefallen. Außerdem passiert hier unentwegt an allen Ecken und Enden etwas. Nein, diese Jungs (mitsamt ihren Mädels) haben es echt drauf. Elektronische Musik kann so viel mehr sein, als nur Clubfutter und Bubblegumpop-Soundgewand. Röyksopp bleiben auch in diesem Jahr eine Ausnahmeerscheinung im Genre und begeistern mit Ideenreichtum und Abwechslung. Die Geburt von „Junior“ ist also bestens geglückt, nächstes Jahr soll das etwas düstere und ruhigere Gegenstück „Senior“ folgen. Ich bin sehr gespannt darauf und somit recht zuversichtlich, dass man auch noch ein 20jähriges Jubiläum feiern wird.
Anhören: “The Girl And The Robot”, “This Must Be It”, “Röyksopp Forever”, “You Don’t Have A Clue”, “True To Life”

11. Muse “The Resistance”


Getreu dem alten Leitspruch von Oliver Twist, haben es sich Muse zur Aufgabe gemacht, immer ein klein wenig mehr zu wollen. Der Drang der Band, immer neue Elemente ihrem seit jeher ausladenden Alternative Rock hinzuzufügen spornt sie seit nunmehr 10 Jahren zu immer neuen Höchstleistungen an. Der Erfolg hat sich mittlerweile auch eingestellt. Die größeren Hallen werden auch abseits der englischen Heimat voll, denn der Ruf, eine der besten Live Bands der Welt zu sein spricht sich langsam rum. Die richtigen Songs dafür haben sie eh schon immer gehabt. So geht auch das diesjährige fünfte Studioalbum „The Resistance“ den Weg kontinuierlich weiter, den zuletzt „Black Holes & Revelations“ eingeschlagen hatte. Die Band öffnet sich neuen Spielarten, die Produktion wird ausgereifter, der raue, wütende Zorn der Anfangstage weicht einer stärkeren Musikalität und Pop-Affinität. Das wird sicher vielen Fans der ersten Stunde nicht sonderlich gefallen, aber Muse haben sich halt weiter entwickelt, schließlich sind sie ja auch keine 20 mehr. So ist „The Resistance“ natürlich wieder ein gewohnt pompöses, ausladendes Album geworden, welches dem uneingeschränkt sympathischen Größenwahn frönt. Nach dem thematischen Ausflug in ferne Galaxien auf dem letzten Album, geht es diesmal etwas bodenständiger zu. Aber nur etwas, denn inhaltlich geht’s diesmal neben den üblichen Themen Liebe, Sex und Zärtlichkeit natürlich auch um revolutionäre und politische Umbrüche. Den gelebten Widerstand gegen was auch immer. Bereits die Single „Uprising“ kündet davon. Im Titeltrack fleht Matthew Bellamy anschließend die Angebetete an, dass ihre Liebe ihr Widerstand gegen all den Rest ist. Ach, wie kitschig. Der Rest überrascht dann immer mal wieder. Denn mit dem lässig groovenden „Undisclosed Desires“ präsentiert man sich erstmals vollkommen ohne Gitarren- oder Pianospiel. Herausgekommen ist ein Song, den Timbaland besser nicht hätte hinbekommen können. Urbaner Elektro-R’n’B inklusive sexy Text. Eine Art konsequente Weiterentwicklung von „Supermassive Black Hole.“ „United States of Eurasia“ gibt dann all den Leuten Recht, die Muse seit jeher als neue Queen ansehen, während sich das schwülstige „Guiding Light“ irgendwo zwischen U2 und fiesem 80er-Schwulst bewegt. Inklusive viel Hall auf den Drums. Und immer gibt’s noch eine Schippe mehr. So endet „The Resistance“ standesgemäß mit der dreiteiligen „Exogenesis“-Symphonie, welche noch einmal die klassisch-virtuose Seite der Band mit ihrem bekannten Gitarrensound verbindet. Gerade der finale Teil, „Redemption“ ist ein wundervoller Ausklang, der kaum hätte besser sein können. Was soll eigentlich nach so einem Ausstand noch kommen? Muse entwickeln ihren Kunstrock konsequent weiter und betonen diesmal, auch aufgrund der erstmaligen Verwendung eines echten Orchesters, ihre symphonische Seite viel stärker. Insgesamt ein sehr stimmungsvolles und abwechslungsreiches Album, das unglaublich dick aufträgt, aber die dürfen das halt. Vielleicht fehlt am Ende noch der letzte konsequente Schritt, um es perfekt zu machen, aber man braucht ja noch Stoff für die nächsten Alben, versteht sich.
Anhören: “Resistance”, “Undisclosed Desires”, “United States Of Eurasia”, “Exogenesis Symphony Pt. 3: Redemption”

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Rainbow Party - (9) Redoloris

Das vorletzte Mal für diese Liste.
So langsam flackern alle Lichter noch, bevor beim nächsten Mal die Kerzen komplett ausgepustet werden. Aber hier schon mal ein Fivepack um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Einen Lichtblick haben wir noch, ansonsten steigt die äußere Kälte in diese Zeilen und macht sich ordentlich breit.

10.) Mew - Symmetry, 2000



Danke Hanson!
Was? Hanson? Was haben denn die drei MMMbop-Brüder Isaac, Taylor und Zac damit zu tun?
Den Song Symmetry habe ich auf dem 2003er Werk Frengers der Herren Mew kennen gelernt. Allerdings wurde er bereits drei Jahre zuvor auf dem Album Half The World Is Watching Me veröffentlicht. Die Dänen haben sich hierfür Verstärkung am Piano von Klaus Nielsen und als Co-Sängerin die damals 13-jährige Becky Jarrett an Land gezogen. Und sie ist, glaube ich, auch der Grund warum ich diesen Song schon fast abgöttisch liebe.
Auch wenn der eigentliche Mew-Sänger Jonas Bjerre schon selbst eine sehr hübsche Mädchenstimme vorweist, wird er hier jedoch gnadenlos von dem Teenager aus Georgia an die Wand gesungen.
Ich bin mir nicht gerade sicher, dass mir der Song genauso gefallen würde, wenn Motörhead sich das Lied mal zur Brust nehmen würden. Denn es lebt meiner Meinung nach wirklich vor allem von Ms. Jarrett's herzzerreißend schönem Gesang.
Natürlich ist das Drumherum mit den hübsch zurückhaltenden Piano- und Gitarren-Geplänkel schon eine Wucht. Die Melodie wird wohl immer gnadenlos traurig klingen, selbst wenn es zum Poppunk von New Found Glory verwurstet werden würde. Der sich steigernde Aufbau katapultiert das alles in immer Schwindel erregendere Höhen. Das alles ist handwerklich begeisternd, hervorragend in Szene gesetzt und produziert. Und so weiter und so fort.
Eine Gänsehaut, oder zumindest Ansätze davon, bekomme ich jedes (!) Mal, wenn diese Stimme gleich zum Anfang zum ersten Mal erklingt. Den Drang die Augen zu schließen und mich forttragen zu lassen, wenn sie im Verlauf beim Schlagzeugeinsatz mit dem männlichen Gesang verschmilzt. Ein Idealfall.
Was für eine göttliche Fügung dass sich die beiden '98 im Hanson-Forum getroffen haben. Es hat meine Welt mehr als bereichert.
Danke, Hanson.


09.) Dredg - Δ, 2002



Ein Traum von einem Lied. Schwerelos. Beruhigend. Aufwühlend. Eine hervorragende Melodie. Mit warmer Stimme gesungen. Luftig produziert, obwohl es von den Instrumentalparts ziemlich kompliziert zugeparkt ist.
Natürlich sind Pauken, Klangschalen und dieser Text etwas viel des Guten. Da hat die Jungs aus Los Gatos wohl doch etwas zu sehr der Esoterik-Koller gepackt. Aber dennoch. Wunderschön. Man beachte den Schrei, wenn das Lied richtig losgeht. Kurz und erschreckend. Die krude und dennoch tragende Gitarrenarbeit davor. Das schier unfassbar breakige Drumming (gesamte Spielzeit). Der gedoppelte Gesang, wobei im Hintergrund eine raunende Stimme zu hören ist. Die Ähnlichkeit am Anfang mit Airdrop von Blackmail. Wie weit und dennoch kompakt das alles klingt. Was das für tolle Kopfhörer-Musik ist!
Und vor allem: Man höre und knie nieder vor diesem erhabendsten und erhebendsten aller denkbaren Ausbrüche, die man einem Song geben kann: Nach dem kurzen tribal-artigen Spoken Word-Teil "We live like penguins in the desert, why can't we live like tribes?" öffnen sich ab Minute vier und fünf Sekunden alle Himmel. Alle Pforten. Alle Arme. Alle Flügel. Alle Dämme. Alle Herzen.
Nicht dass man sowas nicht auch zuvor schon mal gehört hat. Die Editors oder Glasvegas bauen ganze Alben darauf auf. Aber das letztendlich so effektiv überwältigend einzusetzen ist eine wahre Kunst. Dass Dredg dies beherrschen haben sie hiermit unter Beweis gestellt.
Wahrlich himmlisch, das.

08.) Coheed And Cambria - Delirium Trigger, 2002



Coheed And Cambria ist wahrscheinlich eine der seltsamsten Bands der letzten zehn Jahre. Ihre gesamte Existenz bestand darin eine gigantische vierteilige Science Fiction-Saga namens The Bag.On.Line Adventures zu erzählen. Das ganze war auf fünf Alben konzipiert, weil der abschließende vierte Teil auf zwei LPs verteilt werden musste. Den Anfang machte der zweite Teil, dem auch dieser Song entnommen ist. Den ersten sind sie uns noch schuldig. Zwischenzeitlich hat sich die Band nämlich komplett selbst zersetzt, da dem egomanischen Sänger der relative Erfolg wohl etwas zu Kopf gestiegen ist, so dass erstmal die komplette ursprüngliche Band den Hut nahm.
Überhaupt Claudio Sanchez, was des Herrn Vokalisten, respektive Maestro grandeur, Namen ist. Ein Freak vor dem Herrn: 120 kg schwer, mit einer Friseur wie Sideshow Bob versehen, singt er mit einer sehr mädchenhaften Emostimme zu von ihm allein komponierten größenwahnsinnigen Progstücken hervorragende Popmelodien.
Das war scheinbar noch nie anders. Auch der hier vorgestellte Titel ist komplex bis zum geht nicht mehr. Schlägt Haken wo er kann, walzt immer wieder mit ordentlichen Gitarrenwänden über den Hörer drüber. Wird lauter und leiser und lauter und leiser und wieder lauter. Alles ist vertrackt und den Text muss man am besten in den großen Zusammenhang der Saga bringen. Doch etwas unterscheidet sich eindeutig von den späten wirklich größenwahnsinnigen Alben.
Das hier ist leidenschaftlich. Das hier brennt. Das hier drängt. Man hat das Gefühl als rücke einem die gesamte Band auf die Pelle, um dir den Song ins Gesicht zu schreien. Der Sound ist etwas rumpelig aber transparent.
Und Senor Sanchez singt hier meisterlich mit verteilten Rollen. Seine Interpretation einer Mädchenstimme schmeichelt sich bei mir im Herz mit großen Katzenaugen ein.
Und doch dieser Text: Es geht darum, dass die eine Hauptfigur Coheed ohne sein Wissen eine Apparatur namens Mon-Star in seine Brust implantiert bekommen hat, die ihn immer wieder ins Leben zurückholt, sozusagen unsterblich machtund gleichzeitig in eine Art Mr. Hyde verwandelt. Diese wird durch das Serum einer Libelle (Symboltier von Coheed And Cambria) zum Leben erweckt . In diesem Lied reflektiert und dialogisiert er das Leben mit dieser Chance/Last. Mal kurz gefasst. Wer's genauer wissen will, bitte hier kundig machen.
Jedenfalls: Was für ein toller Grundgedanke! Und wie toll das umgesetzt ist. Mit den sehr hübschen spacigen ruhigen Stellen und dem absolut überwältigenden Refrain "Oh dear God, I don't feel alive when you're cut short of misery ..."
Klar ist das herrlich abgedreht, aber geht dennoch mitten ins limbische System - dem Sitz der Emotionen. Der Song ist groß und hat dennoch kein Gramm Fett zu viel. Das ist durchdacht und dennoch hochemotional. Delirium Trigger ist ein Wunderwerk von Lied. Delirium Trigger ist schon lange ein Begleiter in meinem Ohr. Delirium Trigger ist songgewordene Passion.

07.) The Haunted - Hollow Grounds, 2000



Huch! Das ist ja Metal! Was hat denn das hier zu suchen?
Nun es ist einfach eines der besten Metalstücke, das ich in den letzten zehn Jahren gehört habe. Und es hat trotz Geschrei extrem Popappeal, wenn man mich fragt.
Also bitte nicht nach den typischen Metalsachen bewerten, denn von der Warte her ist es eigentlich ein schwacher Song. Viel zu langsam, viel zu abwechslungsarmes Riffing, nicht genug Hass, nicht genug Gewalt.
Und dennoch werde ich davon fortgespült. Woran liegt's?
Natürlich zuerst der Einstieg: Eine Wand von Gitarre bollert ungehindert auf einen ein. Dann: Der Gesang: Eine unglaublich gute Schreistimme! Ordentlich zerledert und dennoch dazu fähig Emotionen zu transportieren. Im Refrain mit diesem wässrigen Choruseffekt hervorragend kaschiert, dass man eigentlich keine gute Singstimme hat. Funktioniert sehr gut. Und auch das Schreien bleibt variabel - vom tiefen Growl bis zum Herz zerreißenden Gekeife ist alles am Start. Drittens dieses Grundriff, was in der Strophe und am Anfang zu hören ist. Es ist Gold wert. Erst hoch und melodiös um dann im B-Teil tief in den Tonkeller zu wandern. Das klingt massiv und dennoch eingängig. Wie eine Welle die einen erst kurz trägt und dann mit Wucht auf den Grund drückt. Aber auch die anderen Gitarrenparts sind nicht außer Acht zu lassen. Das hervorragende Alternative - Akkord - Stakkato - Spiel im Refrain. Das einfach und harmonische Solo in der Mitte. Und diese Zwischensalven bei circa 2:20 knallen einen wirklich um. Viertens der Text: Sehr nachvollziehbar beklagt sich das lyrische Ich über die Sinn- und Richtungslosigkeit seines Lebens. Und wer kann das nicht nachempfinden, dass man sich schon einmal komplett in seinem Leben daneben entschieden hat? Dass man sein Dasein und sein Tun in Frage stellen. Fragilere Gedanken als man hinter dieser harten Fassade vermuten würde. Und Fünftens: Das ganze Stück ist einfach von vorne bis hinten eine einzige massive Attacke, die einem entgegenbläst. Permanente lautstarke Beschallung, die einem keinen Platz zum Nachdenken lässt. Man wird einfach vier Minuten durchweg durchgebügelt. Oder man wird von einem Großaufgebot von 600 kg-Bullen verfolgt, wie in Pamplona. Immer weiter drauf. Immer weiter jeden frei werdenden Raum zu machen.
Dieses Ziel mit so einem kompakten und stringtentem Ergebnis zu erreichen, lässt mich einfach nur kapitulierend - also den Song liebend - zurück.

06.) Logh - Lights From Sovereign States, 2003



Stille.
Das beste letzte Lied, was man sich für eine Mixkassette vorstellen kann. Hier passiert fast nix.
Ein paar Klavierakkorde. Dazu ein paar geraunte bzw. gerade so gesungene Worte. Das alles sehr sehr langsam vorgetragen. Fertig ist das Lied. So einfach, so nachvollziehbar. Und dennoch soo intensiv. So ergreifend. So Aufmerksamkeits-absorbierend. Nichts Anderes passiert, während dieses Lied läuft.
Man unterhält sich nicht. Man arbeitet Nichts. Man berührt noch nicht mal jemand Anderes. Nein. Alles ist auf dieses Lied gerichtet.
Zumindest ist das bei mir so. Wie schaffen die Kerle das nur?
Die anderen Songs die sie so auf dem 03er Werk The Raging Sun so drauf gepackt haben, sind ja ganz nett. Traurig, düster, politisch. Ordentlich rumpelig im Klang. Aber letztendlich dennoch nix Weltbewegendes.
Aber dieser letzte Titel! Wie ein Schatz, den man am Grund des Ozeans hebt. Absolut niederschmetternd. Die Jungs haben es wirklich geschafft dieses Gefühl innerer Leere zu vertonen, dass einen ab und zu überkommt. Wenn man so nach einem Tag voller Arbeit, an der Bettkante sitzt und eigentlich nix mehr machen will und sogar zu ausgelaugt ist sich noch hinzulegen. Die Lichter um einen wirken dünkler als sonst. Der Atem geht beunruhigend gleichmäßig. Alle Mimik ist aus dem Gesicht gewichen. Man nimmt keine Geräusche mehr war. Die Gedanken ziehen vorbei, ohne sich aufzudrängen. Man ist allein. Der Kopf hängt. Und dennoch ist es kein Gefühl von Niedergeschlagenheit. Eher von Müdigkeit ohne Schläfrigkeit. Als ob Körper und Geist im Standby sind.
Genau zu diesem Zustand, auf jeden Fall, gibt es kaum ein besseres Lied. Und vor allem kein schöneres.

In dem Sinne wünsche ich mal frohe Weihnachten und ein paar besinnliche Festtage. Nächstes Mal gibt es dann das Finale grande. Mit den Top 5. Und einer Top 5 der Nebenschauplätze. Ihr werdet sehen.

Dienstag, 22. Dezember 2009

Lieblingsalben 2009 / Platz 20 - 16



20. Girls “Album”


Schon blöd, wenn das Release-Timing mancher Alben nicht stimmt. Im Prinzip hätte das einfallslos betitelte Debüt der Girls aus San Francisco, „Album“, mein kleines Sommeralbum für 2009 werden können. Erschienen ist es leider irgendwann Ende September, glaub ich, gehört hab ich’s dann Ende Oktober. Na ja, kann man nichts anderes machen, als beim Hören die Fantasie spielen lassen und sich an einen heißen Sommertag ins coole San Francisco träumen. Denn da kommt die Band her und so klingt auch die Musik. Eine Renaissance der Hippie-Musik ist ja schon eine ganze Weile angekündigt, aber die Girls ziehen die Nummer durch. Im Gegensatz zur Konkurrenz, wie bspw. MGMT verzichtet man auf unnötige Disco-Elemente und zelebriert den ehrlichen Indie-Folk. Herausgekommen ist keine innovative aber eine sehr stimmungsvolle, kurzweilige Sommerplatte, die man aber gern auch im Winter hören kann. Die Musik schwankt zwischen leichter Melancholie und Aufbruchsstimmung, vorgetragen von der leicht schrägen Stimme von Frontmann Christopher Owens. Der hat aber auch allen Grund, schräg zu sein. Kindheit und Jugend verbrachte er in einer Sekte, wo Musik, Alkohol, fesche Kleidung und diverse andere Teenager-Beschäftigungen untersagt waren. Irgendwann wurde es ihm da logischerweise zu langweilig und er holte alles in Rekordgeschwindigkeit nach und dieses Feeling gibt auch „Album“ wieder. Ein Übermaß an Energie und Emotionen. Der Opener „Lust For Life“ ist sowieso einer der tollsten, lebensbejahenden Songs des Jahres. Und diese Lust spürt man, gleichzeitig leidet Owens in Songs wie „Lauren Marie“ oder dem epische „Hellhole Ratrace“ so richtig schön. Großes Tennis. Und immer irgendwie alles ne Spur überdreht, manchmal auch bewusst schräg. „God Damned“ nimmt man sowieso ab, dass es einfach nur mit ’nem Diktiergerät in einem Zug aufgenommen wurde. Auf diesem Weg schafft es die Band aber eine gewisse Atmosphäre zu vermitteln. Fast schon etwas urwüchsiges neben all dem Hochglanz Pop und all den Disco-Sachen dieses Jahr. Vielleicht hat mich das deshalb auch so fasziniert, eben weil es schön war, auch mal etwas anderes zu hören. Und weil ich vielleicht am Ende doch ein verkappter Hippie bin. Das „Album“ der Girls zündet vielleicht nicht gleich zu Beginn und manchen mag der abgedroschene Retro-Flair schnell auf den Sack gehen, aber ich appelliere daran, dem Ganzen mal eine Chance zu geben. Ich probier’s auf jeden Fall noch mal im Sommer aus. Zur Sicherheit!
Anhören: “Lust For Life”, “Laura”, „Hellhole Ratrace“, “Headache”

19. Phoenix “Wolfgang Amadeus Phoenix”


Wir schreiben das Jahr 2000: Neuer, frischer Pop macht sich breit, unter anderem von einer Band aus Frankreich namens Phoenix, die mit ihrem Debüt „United“ Kritiker und Fans für sich gewinnt. Das Jahr 2009: Phoenix legen ihr viertes Album „Wolfgang Amadeus Phoenix“ und erreichen damit einen ganz neuen Level. Der Pop ist der gleiche, aber die Zeiten haben sich geändert. Denn zwischen 2000 und 2009 irrten Phoenix fast ein Jahrzehnt herum. Zum einen änderte sich die Musiklandschaft deutlich und kantiger Indie-Rock war gefragt, zum anderen liefen sie den Hits hinter. Etwas perspektivlos, so dass man schon fast von einem kleinen Comeback reden kann. „Wolfgang Amadeus Phoenix“ ist das beste Album der Band und hier stimmt alles. Zum einen haben sich die Zeiten geändert und die Masse ist endlich bereit für den französischen Edelpop und zum anderen schafft es die Band ein Album ausnahmslos mit Superhits vollzupacken, die dann glücklicherweise außerhalb der Indie-Clubs und Festivals keine geworden sind. 2009 war ihr ja. Und nächstes Jahr geht man sogar bei den Grammys ins Rennen. Es kann aber auch nicht schief gehen, allein dieser Hattrick zu Beginn... „Lisztomania“, „1901“, „Fences“. Die Songs sind sicher jedem noch halbwegs im Ohr. Damit ist man schon auf der Gewinnerspur und so geht das die ganze Zeit weiter. Das lange epische „Love Like Sunset“ lädt zur musikalisch entspannten Reise ein, während „Lasso“ im Anschluss gleich wieder nach vorn geht. Ein Album das Spaß macht, Gute-Laune-Pop, der handwerklich und songtechnisch super gemacht ist und alles nur nicht einfallslos ist. Fast hätt ich das unglaublich tolle „Rome“ vergessen, dass es immer noch schafft, mich mit einem tollen Aufbau und einem wundervollen Text zu Tränen zu rühren. Perfektion in Pop-Form. Ansonsten fällt das Album vielleicht eine Spur ab in der zweiten Hälfte, aber nur gaaaanz wenig. Und es ist viel zu kurz. Warum war da kein Platz mehr für noch 2,3 weitere Songs? Vielleicht hatten die Franzosen ihr Pulver schon verschossen. Glaubt man aber gar nicht, wenn man bedenkt, wie einfach ihnen der Rest von der Hand ging. Dabei klingt „Wolfgang Amadeus Phoenix“ überhaupt nicht neu oder innovativ, es klingt tatsächlich wie Phoenix die letzten 10 Jahre klangen. Nur sind die Songs besser und die Zeit eine andere. Beharrlichkeit zahlt sich halt am Ende doch aus. Und so bekommen sie halt zum einen all die alten Fans, wie mich zurück, die nach „United“ die Lust verloren hatten und gleichzeitig lernt sie eine ganz neue Generation kennen. Alles richtig gemacht. So leicht kann Pop im Jahr 2009 klingen. Und jetzt bitte alle noch mal zum Schluss: „Fallin’, Fallin’, Fallin’“!!!
Anhören: „Lisztomania“, „1901“, „Love Like Sunset“, „Lasso“, „Rome“

18. Paul Kalkbrenner “Berlin Calling - Original Soundtrack”


Auch so eine Form von Hype. Diesmal sogar aus Germany! Auf einmal hören alle Kalkbrenner! Der Techno-Mann aus Berlin ist das Maß aller Dinge, wenn man dem Fußvolk glauben darf. Kultstatus erlangt hat der gute Mann durch den Film „Berlin Calling“, wo er, welch Überraschung, nen Techno-DJ spielt, der zu viel feiert bzw. Drogen einschmeißt und dann irgendwie noch in die Klapse kommt. Der Film ist ganz solide, den Kultstatus verstehe ich dennoch nicht. Und vermutlich haben ihn mehr Leute im Internet auf kino.to, als auf DVD gesehen. Nur so eine Vermutung! Und alle finden den Film geil, weil er so schön das relativ kranke Nachtleben der Berliner Elektroszene zeigt (Ich sach nur „Afterhour morgens um Zehn“) und den DJ-Alltag ein wenig beleuchtet. Beneidenswert ist DJ Ickarus im Film aber nicht unbedingt. Aber warum quatschen wir über den Film, es geht ja um die Begleitmusik. Und der darf und muss hier Platz finden, denn wenn man mal von dem einen Sasha Funke Track absieht, handelt es sich ausschließlich um Musik aus Kalkbrenner’s Labtop. Eine Art persönliche Best of, mit ein paar neuen Sachen und jeder Menge Neuarrangements, damit die Tracks auch zum Film passen. Das tun sie natürlich auf hervorragende Art und Weise, wie man sieht. Aber das Tolle ist, dass dies auch abseits funktioniert, eben weil es Kalkbrenner schafft nicht nur auffe Zwölf zu hauen, sondern zwischen drin Atmosphäre zu erzeugen. So ist das Album eher zweigeteilt. Die erste Hälfte mit so tollen atmosphärischen Minimalstücken, wie „Azure“ ist entspannte Musik, die groovt. Und sie passt zur urbanen Umgebung des Films. Man kann das in der U-Bahn zum Feierabend hören, genauso wie zum Aufstehen. Man kann dazu in der Sonne liegen, Radfahren, von mir aus auch die Wohnung putzen. Qualitativ hochwertige Fahrstuhlmusik... und das soll jetzt nicht negativ klingen. Und natürlich gibt es da noch das wundervolle „Sky And Sand“, was dem ganzen die Krone aufsetzt. Der mittlerweile zur Hymne gewordene einzige Track auf der Platte mit Vocals ist ein wundervoll verträumtes Liebeslied, zu dem man trotzdem gern tanzen darf, aber genauso gut knutschen oder so. Auch der Text ist super. Es handelt sich wirklich um einen der besten Songs des Jahres. Macht daraus mal eine Akustikballade mit Gitarre und ihr werdet es merken. Mit der chilligen Sonnenuntergangsmusik verabschiedet sich das Album ab ca. „Altes Kamuffel“ langsam aber sich Richtung Nachtleben. Die Tracks danach sind mehr was für die Tanzfläche um 5 Uhr morgens, wenngleich Kalkbrenner auch da gute Akzente setzen kann und vor allem Spannung erzeugt. Gerade beim großen Finale „Gebrünn Gebrünn“ wird noch mal alles gegeben. Techno, Titten und Trompeten! Das dies mittlerweile von den übelsten Atzen bis hin zur Edeltussi jeder hat stört dann halt irgendwie, aber ein wenig kann man es schon verstehen. Gut produziert ist es schon. Und so ist es nicht nur der Soundtrack zum gleichnamigen Film, sondern er erzeugt einen ganz eigenen urbanen Rhythmus. Und entweder man sieht noch etwas mehr in der Musik oder man bleibt bei der einfachen Feststellung von DJ Ickarus in der Irrenanstalt: „Das rockt!“
Anhören: „Aaron“, “Azure”, „Sky And Sand“, „Altes Kamuffel“, „Gebrünn Gebrünn“

17. Empire Of The Sun “Walking On A Dream”


Mein lieber Herr Kostümverein! Also, dass muss man dem Seitenprojekt von Luke Steel (The Sleepy Jackson) und Nick Littlemore (Pnau) lassen... die ziehen die Nummer ohne Kompromisse durch. Steel war ja sowieso schon immer gern etwas stilsicherer unterwegs, aber mit Empire Of The Sun konnte man endlich alles ausleben, was man so unter Pomp-Pop versteht. Protzige Kostüme, Kunstvideos, seltsame Frisuren und unglaublich kitschige Plattencover, die an schöne alte 80er-Jahre-Filmplakate erinnern. Und dieses Jahrzehnt ist auch schon das passende Stichwort. Wenn eine Band dieses Jahr den ungebremsten 80er-Pop zelebriert hat, dann die beiden Australier. Und so waren Empire Of The Sun zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nämlich als die Jugend dieser Welt bereit war für diese Musik. Die Kunde verbreitete sich wie im Lauffeuer und das ist erst der Anfang. The Empire marges on... Oh Yeah! Die erste Hälfte des Albums bis, sagen wir mal zum intsrumentalen Drogentrip „Country“ ist die beste Aneinanderreihung von Popsongs, die ich dieses Jahr gehört hab. Sorry, Phoenix. Aber hier serviert uns die Band wundervolle Melodien auf einem tollen Soundteppich aus Discobeats und Akustikgitarren. Aufbruchsstimmung im mitreißenden „Standing On The Shore“ und todsichere Pop-Hits wie „Walking On A Dream“ und „Half Mast“, die 1986 sicher weltweite Nummer Eins Hits gewesen wären. Und dann wär da natürlich noch „We Are The People“, der schönste und tollste Popsong dieses Jahres. Was für eine Hymne! Und es ist jetzt nicht so, dass ich auf einmal auf den Kitschtrip gekommen wäre, nein... bei weitem nicht. Aber es ist schön, dass es diese Band endlich wieder salonfähig macht, solche Musik zu hören ohne dafür gleich ausgelacht zu werden. Die Zeit ist reif für Empire Of The Sun. Einzig und allein die beiden etwas schwächeren Songs „The World“ und „Swordfisch Hotkiss Night“ verhindern wohl bei mir eine hohe Top-10-Platzierung und der Abschluss „Without You“ ist auch etwas sehr kitschig geraten (hier empfehle ich die viel bessere Single-Version), aber ansonsten ist „Walking On A Dream“ wirklich tadellos. Wie ein kleiner Traum, zusammen mit ihrem Image kreiert die Band eine musikalische Fantasiewelt, in der alles so Sinn macht, wie es auch besungen wird. Warum es dazu noch keinen entsprechenden Feature-Film gibt weiß ich auch nicht richtig. Diese knallbunter Ansammlung von Retro-Indie-Pop-Rock-Whatever ist eines der kurzweiligsten Pop-Alben des ausgehenden Jahres. Und ich hab den MGMT-Vergleich bisher noch nich mal gebracht. Gut, ich find Empire natürlich besser! Geilere Klamotten. Mittlerweile spielt man auch vereinzelt live auf Festivals... mit Kostümen, Tänzern und all der ganzen Fantasiewelt. Bitte auch bald hier! Hoffentlich widmen sich die beiden in Zukunft ihrem Zweitprojekt weiterhin mit so viel Liebe! Denn die Welt braucht eindeutig mal wieder mehr Glamour und Pomp!
Anhören: “Standing On The Shore“, „Half Mast“, „We Are The People“, „Country”

16. Morrissey “Years Of Refusal”


Manche Leute muss man echt zu ihrer Freizeit zwingen. Stephan Patrick Morrissey beispielsweise. Seit gefühlten drei Jahren ist der gute Mann nun schon mit mehr oder weniger kurzen Unterbrechungen auf Tour. Zwischendurch gibt’s dann halt mal ne neue Best Of oder B-Seiten-Kollektion oder halt, wie im Frühjahr 2009 auch ein neues Studioalbum, damit die Band auch ein paar neue Tracks spielen kann. Es war kein leichtes Jahr. Konzertabsagen, Zusammenbrüche, Release-Enttäuschungen („Years Of Refusal“ sollte eigentlich schon im Oktober 2008 erscheinen)... alles nicht leicht. Aber ich jammere ja schon mehr rum, als der Großmeister selber. Denn das tut er auf „Years Of Refusal“ tatsächlich weniger. Der Grundtenor lautet: „Keiner liebt mich, ich komm mit der Welt nicht klar und bin Außenseite for life... aber ich hab mich damit abgefunden.“ Fast so scheint es, als wird der ehemalige Smiths-Star mit 50 altersmilde. Das zeigt er glücklicherweise aber kaum. Denn wo Morrissey draufsteht, ist halt auch Morrissey drin. Musikalisch gibt sich der neue Longplayer relativ flott, ein direktes Resultat aus dem jahrelangen Live-Spielen. Die Band hat das Album größtenteils direkt live mit Moz im Studio eingespielt. So ist man diesmal direkter und rockiger. Der Beginn zieht mit „Something Is Squeezing My Skull“ und „Black Cloud“ gleich ordentlich an Tempo an, spätere Songs wie „All You Need Is Me“ oder „One Day Goodbye Will Be Farewell“ gehen auch nach vorn. Mit „Paris“ hat man dann noch die obligatorische Single-Hymne dabei. Balladen sind eher Mangelware, was dem Album aber mal ganz gut tut und sich schön ins Gesamtbild fügt. Große Gesten gibt’s aber trotzdem noch. Im epischen „It’s Not Your Birthday Anymore“ bspw., dem Highlight der Platte und musikalischer Beweis, dafür dass dieser Mann noch Sprit im Tank hat. Als ob er es sich selbst beweisen möchte. Am Ende stellt Morrissey dann im ultimativen Statement fest: „I’m OK By Myself“. Egal, was ihr sagt, ich find mich okay so. Das neue Selbstverständnis des Stephan M. Überzeugender als in diesem Abschlusssong kann man’s der Welt nicht verklickern. Nach dem poppigen Comeback-Werk „You Are The Quarry“ und dem opulenten Nachfolger „Ringleader Of The Torementors“ beendet Moz mit dem schnörkellosen “Years Of Refusal“ seine Comeback-Trilogie aus diesem Jahrzehnt auf beeindruckende Art und Weise. Es ist nicht sein bestes Werk und man vermisst manchmal die filigrane Zerbrechlichkeit früherer Werke und wünscht der Band, sie würde nicht ganz so ruppig aufspielen, aber es kann ja auch mal etwas anders zugehen. Ja, was soll jetzt noch folgen? Er gibt sich noch 5 Jahre auf der Bühne hat er dieses Jahr gesagt. Dann kann man nur auf eine wirkliche Pause hoffen, in der er sich erholt und dann in 2,3 Jahren auf ein weiteres, vermutlich letztes Comeback noch mal vorbeischaut und sich in Würde verabschiedet. Denn nichts anderes hätte dieser große Mann verdient. Also, genieß endlich deine Freizeit! Auch ohne Frau und Steak!
Anhören:”Something Is Squeezing My Skull”, “I’m Throwing My Arms Around Paris”, “That’s How People Grow Up”, “It’s Not Your Birthday Anymore”, “I’m OK By Myself”

Montag, 21. Dezember 2009

Lieblingsalben 2009 / Platz 30 - 21



30. Gui Boratto “Take My Breath Away”
Minimal-Techno ist ein sehr streitbares Thema. Für die einen stellt sie die Perfektion elektronischer Musik und Reduktion da und für die anderen ist sie nur spannungsarme Lounge-Musik, die man lediglich unter Einnahme von diversen Drogen ertragen kann. Jedenfalls ist Minimal ja seit einiger Zeit der große Scheiß vom Prollschuppen bis zur Edeldisco. Natürlich gibt’s da auch jede Menge Köche, die im Brei rumkneten und dabei kommt meist immer der gleiche langweilige Brei raus. Auf Dauer nerven sogar mich die ewig gleich strukturierten Club-Tracks. Ein Glück, dass es für alles auch immer eine Ausnahme gibt. Seit einiger Zeit macht sich der brasilianische Produzent Gui Boratto auf, den Horizont zu erweitern und Musik, sowohl für den Tanzboden, als auch für die Genusshörer zu machen. Bereits das Debüt „Chromophobia“ zeugte davon, nun geht der Nachfolger „Take My Breath Away“ diesen Schritt sogar noch eine Spur weiter. Neben großen Club-Momenten lässt sich Boratto Zeit für entspannte Interludes und virtuose Spielereien. Gitarre und Piano werden zu den Elektrotracks hinzugefügt und ergänzen den Sound auf wundersame Art und Weise. Herausgekommen ist ein instrumentales Minimal-Elektro-Album, welches es aber spielend leicht schafft Klangbilder zu erzeugen und jeden Fan gut produzierter elektronischer Musik in den Bann zu ziehen. Boratto’s Stärke liegt halt auch darin, dass seine Musik nicht nur auf die Zwölf geht und brettert, sondern sich oft genug zurücknimmt. Das alles macht „Take My Breath Away“ zu einem kleinen Gesamtkunstwerk, das ganz ungeniert mit dem Pop liebäugelt, ohne die Partycrowd aus den Augen zu lassen. Boratto ist vielseitig und talentiert. Das werden wir alle noch in den nächsten Jahren merken. Remember my words!
Anhören: “Atomic Soda”, “No Turning Back”, “Besides”

29. Filthy Dukes “Nonsense In The Dark”
Ähnlich wie Gui Boratto kommen die Filthy Dukes aus der Club-Szene. Und die Jungs haben dabei in den letzten Jahren eine erstaunliche Metamorphose hingelegt. Angefangen hat alles als DJ-Duo, bevor man zaghaft begann eigene Remixe und später auch Tracks zu produzieren. Produzent Mark Ralph stieß dann relativ schnell zu Tim Lawton und Olly Dixon hinzu und ruckzuck war aus den Filthy Dukes eine Band geworden, die sich mittlerweile vom reinen Club-Futter auch ganz offen zum Elektropop zu bekennen scheint. Das Debüt „Nonsense In The Dark“ zeigt diese verschiedenen musikalischen Aspekte deutlich. Da gibt es reines instrumentales Clubfutter, wie „Twenty Six Hundred“ oder „You Better Stop“ und ein paar poppigere Tanzflächenfüller, wie die Singles „This Rhythm“ oder „Messages“. Die gehen ordentlich nach vorn, keine Frage. Umso überraschender ist das Selbstverständnis des Trios zwischendurch das Tempo bewusst zu drosseln, wie beim atmosphärischen Titelsong oder beim traumhaften „Don’t Fall Softly“. Zum Ende hin werden die Songs dann sogar immer konventioneller. „Poison The Ivy“ ist ein wundervoller Song und beim melancholischen Schlussstück „Somewhere At Sea“ fährt die Band noch mal richtig groß auf. Gerade die Genialität dieses Songs lässt durchaus Spannendes für die Zukunft erwarten. Hier ist eine Band, die sowohl die Ravefloors der Welt zum rocken bringen kann, als auch gleichzeitig wunderbare Popsongs schreiben kann. „Nonsense In The Dark“ macht gerade wegen seiner Vielseitigkeit so viel Spaß. Die Filthy Dukes schaffen es, unterschiedliche Stile auf einem Album zu präsentieren. Wie gesagt, ich bin davon sehr angetan und freu mich auf die Zukunft, Lads!
Anhören: „This Rhythm“, „Nonsense In The Dark“, „Don’t Fall Softly“, „Somewhere At Sea“

28. Passion Pit “Manners”
Pop überall wo man hinsieht! 2009 hatte keine Angst mehr vor den 80ern, vor Synthiespielerien und all dem anderen Kram. So spannend wie dieses Jahr war Pop schon lange nicht mehr. Und hier ist wieder ein musikalischer Beweis dafür: Passion Pit kamen aus dem Nichts und eroberten mit ihren elektronisch angehauchten Hippie-Pop unser aller Herzen im Sturm. Wenn Sänger Michael Angelakos zum Falsetto ausholt und die ganze Band einsteigt möchte man am liebsten nur noch über grasgrüne Sommerwiesen springen. „Little Secrets“ ist so eine Hymne. Genauso wie das unkaputtbare „The Reeling“. Wir alle haben uns lieb, wir tanzen und singen! Gute Laune herrscht im Passion Pit. Casio-Pop mit dem Anspruch, alle in den Arm zu nehmen. Das funktioniert natürlich so gut, weil Songs wie „To Kingdom Come“ oder „Sleepyhead“ einfach auch sehr gut sind. Oder das nicht zu unterschätzende „Swimming In The Flood“, meinen heimlichen Favoriten des Albums. Und immer wieder „Na Na Na“ und ganz viel Mehrstimmigkeit. Das ist natürlich nicht für alle Lebensbereiche geeignet, aber wenn das Leben einem mal wieder böse mitspielt ist dieses Album sicher eine gute Ablenkung. Positive Energie halt! Vielleicht ist es am Ende eine Spur zu überladen, selbst für jemanden wie mich, der Pomp und Pop ja gerne Hand in Hand gehen sieht. Aber vermutlich bin ich da einfach nicht Hippie durch und durch. Zusammenfassend kann man sagen, das „Manners“ ein sehr vielseitiges und toll gemachtes Popalbum geworden ist, welches einige der schönsten Ohrwürmer dieses Jahr hervorgebracht hat. Und alle, die mal die Möglichkeit bekommen, die Kombo live zu sehen, denen empfehle ich dringend, dies zu tun. Das geht auch ohne bunte Blumenwiese oder bewusstseinserweiternde Mittelchen ziemlich ab bei den Jungs.
Anhören: “Little Secrets”, “The Reeling”, “Swimming In The Flood”

27. Mew “No More Stories Are Told Today...”
Okay, der Vollständigkeit halber gebe ich an dieser Stelle nochmal den kompletten Titel des dritten Mew-Albums an: “No More Stories/Are Told Today/I'm Sorry/They Washed Away//No More Stories/The World Is Grey/I'm Tired/Let's Wash Away”. Kapiert? Wer so einen Titel für ein Album wählt, der gibt sich nicht mit kleinen Brötchen zufrieden. Die Dänen von Mew waren ja noch nie eine solche Band. Da wollte man immer mehr und das hat meist auch ganz gut funktioniert. Der 2005er Vorgänger „And The Glass Handed Kites“ mit seiner konzeptuellen Geschlossenheit musste aber als Messlatte herhalten. Über große Strecken funktioniert „No More Stories…“ auch hervorragend. Gerade der Beginn mit so tollen Songs wie „Introducing Palace Players“, „Beach“ und „Repeaterbeater“ ist vollends gelungen. Danach verliert die Band mit ihrem üppigen Kunstpop allerdings ein wenig den Faden. Man verheddert sich in halbgaren Ideen und Konstrukten und die Interludes sind auch eher unnötig. Mit „Hawaii“, „Tricks“ und dem wundervollen Abschluss „Sometimes Life Isn’t Easy“ bekommt die Band am Ende, wohl auch dank tollem Kinderchor noch einmal die Kurve. Doch zwischendrin sind da ein paar Schwachstellen, die es auf den früheren Alben nicht unbedingt gab. Aber ich meine, wir jammern hier trotzdem auf sehr hohem Niveau, versteht sich. Mew sind nach wie vor eine kurzweilige Ausnahmeerscheinung und verstehen es den Hörer immer wieder mit neuen Ideen zu überraschen. Der Entdeckergeist der Band ist dabei gleichzeitig Segen, wie Fluch, denn so muss man sich halt immer wieder toppen und verändern, um den eigenen Ansprüchen und denen der Hörer zu genügen. „No More Stories…“ übertreibt’s einfach gelegentlich etwas und dabei hat die Band das doch gar nicht nötig. Also beim nächsten Album bitte wieder auf die Songs fokussieren und gern auch mal wieder einen kürzeren Albumtitel wählen. Dann ist auch im Jahresabschlussranking wieder Raum nach oben.
Anhören: “Beach”, “Repeaterbeater”, “Silas The Magic Car”, “Sometimes Life Isn’t Easy”

26. Kent “Röd”
Wo wir gerade schon mal in Skandinavien sind… weiter nördlich beheimatet sind Kent. Und fragt man die Menschen in Schweden und seinen Nachbarländern, dann muss man die Band niemanden mehr empfehlen. Seit Jahren sind Kent die größte Band des Landes. Die ganze Geschichte, warum es außerhalb von Skandinavien nie geklappt hat und die Band es auch nicht mehr versuchen will, ist ja mittlerweile bekannt und man kann die auch hier an zig Stellen auf Nobono nachlesen. Widmen wir uns also dem neuen Album „Röd“. Auf diesen macht die Band genau dort weiter, wo der 2007er Vorgänger „Tillbaka Till Samtiden“ aufgehört hatte. Melancholisch waren ihre Popsongs ja schon lange, aber seit einigen Jahren verschlägt es die Band stärker in elektronische Gefilde. Nach einem recht spooky Chor-Intro gibt „Taxmannen“ den Weg vor. Brummende Bässe, Disco-Beats und Synthie-Pop an allen Enden, wenngleich die Gitarren natürlich nach wie vor präsent sind. Genauso wie die unnachahmliche Stimme von Frontmann Joakim Berg. „Röd“ bietet wie der Vorgänger viel Licht und Schatten. Eine Songs sind wieder unglaublich verzichtbar, andere versprühen diesen Zauber, durch den ich Kent damals lieben gelernt habe. „Hjärta“ ist so einer. Und das unglaublich tolle Schlussstück „Det finns inga ord“. Ein richtig großer Moment ist das. Zwischendrin gibt’s dann auch mal interessante Songs wie „Ensamheten“, welches rein akustisch beginnt, nur um sich dann zu einer astreinen Clubhymne aufzutürmen. Das rockt schon. Kent machen keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für Depeche Mode und Co. … Leider hat „Röd“ das gleiche Problem, wie der Vorgänger. Es hat zu viele Schwachstellen, die Songs dümpeln teils vor sich hin und verschenken Potential. So wundervoll der Refrain von „Hjärta“ auch ist, so nichtssagend sind die Strophen des Liedes. Ich möchte der Band auch nicht in ihre Ideen reinreden, aber gerade „Det finns inga ord“ beweist am Schluss, das Kent immer noch dann am besten sind, wenn sie sich auf den Song und die Emotionen konzentrieren und sich nicht hinter Disco-Beats und Sequenzern verstecken. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich dies in der Zukunft mal wieder bewusst machen, um das nächste Album nicht wieder wie eine Kopie des Vorgängers klingen zu lassen. Eine Deutschland-Tour würde mich aber auch milde stimmen ;-)
Anhören: “Taxmannen”, “Hjärta”, “Ensamheten“, „Det finns inga ord“

25. Julian Plenti “Julian Plenti ... is Skyscraper”
Solo-Alben sind ja ein beliebter Zeitvertreib für Musiker, wenn die Hauptband gerade mal Pause macht. Joe Goddard von Hot Chip hat dieses Jahr bspw. eine gemacht, Jónsi von Sigur Rós hatten wir ja schon im Ranking und Kele Okereke von Bloc Party will uns nächstes Jahr allein etwas auf die Ohren geben. Und Paul Banks beantwortete uns dieses Jahr die Frage, was denn eigentlich von der kongenialen Band Interpol bleibt, wenn man seine Mitstreiter. Daniel Kessler, Carlos Dengler und Sam Fogorino wegnimmt? Richtig: Sein Alter Ego Julian Plenti! Und so vergleicht man das Debüt des Mannes mit Pornonamen natürlich automatisch mit dem bisherigen Schaffen der Band aus New York. So anders klingt es nämlich gar nicht. „Only If We Run“, „Fun That We Have“ und gerade „Games For Days“ könnten in der Form wirklich direkt von der Hauptband stammen. Wozu also dieses Album? Nun, Banks kann aber auch anders. Besonders die reduzierten, akustischen Momente, wie der Titeltrack oder das wundervolle „On The Esplanade“ zeigen die stärken, die er bei Interpol eigentlich nie ausspielen kann. Plenti und Gitarre reichen aus um eine Gänsehautstimmung zu erzeugen. Und auch andere Tracks, wie der „Madrid Song“ oder das verschwommene „Girl On The Sporting News“ sind durchzogen von jener berühmten melancholischen und düsteren Grundstimmung, welche man mit dieser unverwechselbaren Stimme halt in Verbindung bringt. Banks Soloalbum funktioniert gerade in den Momenten, wenn er versucht, nicht wie sein Hauptarbeitgeber zu klingen. Dann macht dieses ganze Werk besonders sinn. Eine düstere und traurige Spielwiese für einen kreativen Mann. Die musikalische und atmosphärische Dichte von Interpol wird dabei natürlich selten erreicht, aber das war ja auch nicht Sinn der Sache. Insgesamt eine sehr kurzweilige Platte, die hervorragende Einblicke in das Können von Banks gibt.
Anhören: “Only If We Run”, “Games For Days”, “On The Esplanade”

24. La Roux “La Roux“
Ich glaub, es ist eigentlich gar nicht möglich über das Pop-Jahr 2009 zu reden und dabei La Roux außen vor zu lassen. Ich meine, welche Musikzeitschrift und welcher Blog macht das schon? Sogar im Rolling Stone Magazine stand was drin. Hallo? Na jedenfalls ist Elly Jackson das Mädchen der Stunde. Synthiepop-Stilikone. Tonnen von Haarspray im roten Haar sei Dank. Und natürlich Produzent Ben Langmaid, der unsichtbaren Phantom-Hälfte des Duos. Mittlerweile haben die beiden auch hierzulande das Formatradio anvisiert. Das war aber auch abzusehen, immerhin ist das selbstbetitelte Debütalbum eines der kurzweiligsten Popwerke des ausgehenden Jahres. Vor allem, weil die Hits stimmen. Passenderweise sind die vier Singles „Quicksand“, „In For The Kill“, „Bulletproof“ und „I’m Not Your Toy“ die großen Überhits des Albums. Unwiderstehliche Ohrwürmer. Da hat jemand bei der Plattenfirma mal was richtig gemacht. Aber auch der Rest kann sich sehen lassen. Alles klingt sehr stimmig und passend, selbst ruhige Nummern wie „As If By Magic“ oder „Reflections Are Protections“. Das Problem, und das haben letztendlich die meisten Popplatten dieses Kalibers, ist natürlich die mangelnde Eckigkeit, mit welcher man den Hörer auf Dauer leicht nerven kann. Das ist natürlich keine besonders tiefgründige Musik, deren Halbwertszeit vermutlich in den nächsten Jahren ordentlich sinken wird. Oder vielleicht auch nicht. Was unterm Strich bleibt ist sehr eingängiger Hochglanz-Retro-Pop, den Erasure’s Vince Clarke nicht hätte besser produzieren können. Ein weiteres Plus ist auch Jackson’s Stimme, welche durch ihre markante Kraft aus dem Meer an Popstimmchen herausraget. Und so trägt diese Stimme die kleinen Popsongs auch über manche Ideenlosigkeit hinweg. Alles dabei, was ein Hitalbum also braucht: die richtigen Hits, gute Produktion und das formidable Charisma der eigenen Frontfrau. Ob da in Zukunft noch mehr drin ist, oder ob es sich hierbei nur um eine zufällig entstandene Zusammenkunft toller Popsongs handelt, wird man sehen.
Anhören: “In For The Kill”, “Tigerlilly”, “Bulletproof”, “I’m Not Your Toy”

23. Simian Mobile Disco “Temporary Pleasure”
Sozusagen der umgekehrte Weg. Als aus der Indierock-Band Simian nichts wurde machten sich James Ford und James Shaw als DJ-Duo selbstständig und wechselten vom Pop in die Clubs. Danach halt der übliche Weg, den wir schon weiter oben bei den Filthy Dukes gelesen haben. Von den Remixen zur Eigenproduktion und dann ab in den Rave-Himmel. Das 2007er Debüt „Attack Decay Sustain Release“ war hervorragend arrangierter Hands-Up-Elektro, der auch den Pop durchschimmern lies. Und dem wenden sich Simian Mobile Disco auf dem Zweitwerk nun wieder verstärkt zu. „Temporary Pleasure“ wendet sich stärker poppigen Melodien zu und ist kein reines Club-Album mehr. Dafür sorgen natürlich auch die unzähligen Gaststars auf dem Album. Chris Keating von Yeasayer vorne weg, der mit „Audacity Of Huge“ gleich mal einen der Club-Burner des Jahres intoniert. Aber auch der Rest kann sich sehen lassen. Jamie Lidell, Beth Ditto und Alexis Taylor von Hot Chip sind ja auch keine unbekannten Namen in Musikerkreisen. Tanzbar bleibt es aber trotzdem, wenngleich man bei Songs wie „Cruel Intentions“ und „Bad Blood“ halt merkt, dass sie nicht für die Tanzfläche konzipiert wurden. Bei den lediglich zwei Instrumentals „10.000 Horses Can’t Be Wrong“ und „Ambulance“ sieht das natürlich anders aus. Hier zeigen SMD, warum sie es live immer wieder schaffen, die Massen zu begeistern. Sounds, Produktion und dramaturgischer Aufbau: hier können sich alle Hobby-Techno-Produzenten mal ein Lehrstück anschauen. Da kommt noch der Flair des 2007er Albums auf, der Rest zeigt eher, dass die Band bereit ist, sich wieder dem Pop anzunähern. Daran muss man sich vermutlich gewöhnen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Ganze in Zukunft entwickeln wird. Falls es ein drittes Album gibt und dieser Weg weiter geht, steht uns Interessantes bevor. Aber von mir aus kann’s auch gern wieder in die Clubs zurück gehen. Mit schön viel Disco-Nebel, Laser-Geblitze, Rave-Sirenen und gehobenen Händen!
Anhören: “Audacity Of Huge”, “10.000 Horses Can’t Be Wrong”, “Bad Blood”, “Ambulance”

22. U2 “No Line On The Horizon”
Schön, wenn sich ein Album auch entwickeln kann. Selbst bei mir. Und selbst bei so alten Hasen, wie den Stadionrockern von U2. Zum Release war ich von „No Line On The Horizon“ nicht sonderlich angetan. Vielleicht auch weil Labertasche Bono immer vorher etwas anderes verlauten ließ. Stichwort „Neudefinition von Rock’n Roll“. Ja, ja, is klar. Und die zackige Vorab-Single „Get On Your Boots“ hat auch einen falschen Eindruck vermittelt. Am Ende klingt ein neues U2-Album nämlich immer noch nach U2. Großartige Innovation sollte man von den Männern um die 50 auch nicht mehr erwarten. Muss man ja auch nicht. Dafür hatten sie die 90er. Im neuen Jahrtausend bleibt man sich so gut es gehend treu, was halt manchmal auch Belanglosigkeit bedeutet. Dennoch schafft es „No Line On The Horizon“ teilweise neue Akzente zu setzen und den Fokus bei U2 zu verschieben. Klar, wir haben mit „Magnificent“ und „I’ll Go Crazy...“ gleich zwei radio- und stadiontaugliche Ohrwürmer im Gepäck. Aber bekommt so was nach 30 Jahren mal bitte selber so hin? Doch zwischendurch entpuppt sich „Horizon“ auch als gefühlvolle Soulplatte. Das anfangs von mir als viel zu lange entfundene „Moment Of Surrender“ habe ich mittlerweile vollends kapiert und durchschaut. Siebeneinhalb Minuten in denen die Band mit Leichtigkeit das Loslassen zelebriert und ein Bono in Topform. Selbst wenn man seiner Stimme die Brüchigkeit gelegentlich anmerkt, so wirkt dies einfach viel authentischer als in den letzten Jahren. Er hat es selber als Soul-Gesang beschrieben. Auch das wunderbar sperrige „FEZ-Being Born“ verdeutlicht dies. Eine Art Wiedergeburt im bildlichen und musikalischen Sinn. Weniger ein Song. Auch Nummern wie „White As Snow“ oder das traurige „Cedars Of Lebanon“, welches sehr reduziert und mit Bonos Sprechgesang auskommt zeigen einen wiedererstarkten Mut der Band zu neuen Methoden. Man muss ja am Ball bleiben, wenn Coldplay oder die Kings Of Leon einen den Rang streitig machen. Komplett überzeugt das Album noch nicht, auch weil sich schon wieder so austauschbare 08/15-Songs wie „Stand Up Comedy“ und „Breathe“ darauf verirrt haben. Aber der Ansatz ist der richtige. Natürlich werden U2 kein sperriges Alterswerk mehr produzieren, dazu sind sie zu sehr Profis. Aber wenn man so weiter macht, kann da noch ein musikalisch interessantes viertes Jahrzehnt dazukommen. Insofern sie noch Lust darauf haben. Hinterm Horizont geht’s ja bekanntlich weiter. Anhören: “Magnificent”, “Moment Of Surrender”, “I’ll Go Crazy If I Don’t Go Crazy Tonight”, “FEZ-Being Born”

21. Yeah Yeah Yeahs “It’s Blitz”
Anfang der 80er gab’s ja mal die „Disco Sucks!“-Bewegung. Wer hatte die eigentlich ausgelöst? Metaler? Punks? Na ja, jedenfalls könnte man fast meinen, in diesem Jahr seine eine “Indie Rock Sucks!”-Bewegung gestartet. Die alten Helden haben die Schnauze voll von Gitarren. Julian Casablancas bedient sich an den 80ern und bei Gossip hat der Glamour nun endgültig Einzug gehalten. Und auch die Yeah Yeah Yeahs um die charismatische Karen O. fügen sich dem Zeitgeist, wenngleich das diesjährige „It’s Blitz“ glücklicherweise nicht wie ein neues Hercules & Love Affair Album klingt. Aber den Anspruch merkt man den Singles „Zero“ oder „Heads Will Roll“ schon an, während Songs wie „Dull Life“ natürlich klassische Garagen-Glam-Rocker sind. Doch insgesamt fällt halt auf, dass sich das New Yorker Trio diesmal stärker an Synthesizern bedient, ohne dabei etwas von ihrer markanten Art einzubüßen. Die schnellen Songs sind nach wie vor ordentliche Tanzflächenfüller, durch die sich Mrs. O kraftvoll durchschreit, während die wundervollen Balladen wie immer zu Herzen rühren. Besonders das wundervolle „Skeletons“. Als hier die Synthieflächen einsetzen könnte das fast Filmmusik sein, finde ich. Gänsehautmomente! Auch im tragischen „Runaway“ oder im wunderschönen Abschluss „Little Shadow“. Spielend leicht schafft es die Band nach wie vor zwischen der ganz großen Geste und dem einfachen Rock’n Roll hin und her zu schalten, ohne das es aufgezwungen wirkt. Vielleicht einfach, weil die Musik so gut gemacht ist. Oder vielleicht weil sie einen Pionierstatus haben, den andere Bands sich erst verdienen müssen. Bezähmt sind die Yeah Yeah Yeahs noch nicht, im Gegenteil... aber sie sind bereit den nächsten Schritt zu wagen. „It’s Blitz“ funkelt an allen Ecken und Enden und punktet mit wundervollen Songs, in jeglicher Hinsicht. Wieder mal ganz großes Rock’n Roll-Tennis der Dame mit ihren beiden Herren. Besser als Gossip und Casblancas sind sie ja allemal. Ob mit Disco oder ohne.
Anhören: “Zero”, “Heads Will Roll”, “Skeletons”, “Runaway”

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