Donnerstag, 26. Mai 2011

rhododendron's resterampe - 26/05/2011

Ein verschollenes Relikt alter Helden, atmosphärische Clubmusik, das Update eines alten Hits, ein Song der gar nicht aktuell ist und einer, der sich überhaupt nicht ernst nimmt. In der heutigen Resterampe erwartet den Leser ein sehr abwechslungsreiches Sortiment.

New Order – Hellbent

In einer ideal funktionierenden Popwelt müsste die Veröffentlichung eines neuen New Order Songs eigentlich mehr Wellen schlagen als die neue Lady Gaga Platte. Aber in einer solchen Welt leben wir leider nicht. In dieser Welt wüsste nämlich auch jeder um den Einfluss der Band aus Manchester, die aus meiner Sicht zu den essentiellsten Bands der letzten 30 Jahre zählt. Seit 2007 allerdings nicht mehr. Da hat Bassist Peter Hook das Ganze in einem Anfall von Altersstarrsinn beendet. Jetzt wird Kasse gemacht, besonders Hook selber. Während seine ehemaligen Bandkollegen mit diversen Nebenprojekten (Bad Lieutenant) immerhin neue Musik machen, ist Hook mangels kreativer Ideen damit beschäftigt, das Erbe seiner alten Bands New Order und Joy Division in bare Münze umzuwandeln. Die neue Best-Of, die eigentlich kein Mensch braucht, ist sicher auch auf seinem Mist gewachsen. Und irgendwie ist er noch an diesen unveröffentlichten Song gekommen, namens „Hellbent“. Der ist freilich nicht überragend und wohl zurecht in den Archiven verschwunden, aber es tut dann doch irgendwie gut, alle Beteiligten bei dem zu hören, was sie am besten konnten und vielleicht immer noch können. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

New Order - Hellbent (Previously Unreleased) by Rhino UK

The Japanese Popstars – Joshua (ft. Tom Smith)

Zugegeben, Japanese Popstars ist schon ein reichlich bescheuerter Bandname, aber davon gibt’s ja öfters mal welche. Das Trio aus Nordirland ist schon seit einigen Jahren mit druckvoller, hochtanzbarer Clubmusik aus dem elektronischen Bereich in der Szene bekannt, 2011 setzt man nun mit Major-Deal im Nacken zum großen Sprung an. Die Produzenten wollen wirkliche Popstars werden und haben deshalb auch nicht mit Gastsängern für das Album „Controlling Your Allegiance“, welches nächsten Monat erscheint, gegeizt. Ich sach nur: Robert Smith! Und der andere Smith. Tom Smith von den Editors um genau zu sein. Der steuert die Vocals zur treibenden Single „Joshua“ bei und verleiht dem ohnehin schon düster angehauchten Track damit noch eine sehr spezielle Note. Das passt alles ganz hervorragend zusammen, das merkte man schon damals beim „Papillon“-Remix der Iren. Dieses Album sollten sich alle Freunde guter, treibender Dance-Musik also schon mal vormerken.



PeterLicht – Sonnendeck 2011 (Tonka Treatment)

PeterLicht mag das Ende. Einst besang er den Untergang des Kapitalismus und im Sommer meldet er sich nach dreijähriger Pause mit einem Album, welches „Das Ende der Beschwerde“ heißt zurück. Noch hält sich Deutschlands fähigster Liedermacher (meiner Meinung nach) mit Details zurück. Er wird doch nicht auf einmal die Harmonie-Keule auspacken und auf „Egal“-Modus schalten? Hoffentlich nicht. Das nur als Info, denn das hier vorgestellte Update seines alten Kulthits „Sonnendeck“ hat eigentlich nichts damit zu tun. Ich weiß nicht mal, ob das offiziell ist. In jedem Fall hat DJ Tonka, seines Zeichens auch deutsches Dance-Urgestein, dem mittlerweile auch schon zehn Jahre alten Song eine feine Frischzellenkuhr verpasst. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn ich hätte eher furchtbare Kommerz-House-Music erwartet, doch Tonka behält den Geist von Licht’s Sommerhymne bei. Es groovt dezent, das Housepiano fügt sich ganz natürlich über das Grundgerüst und insgesamt wirkt das alles sehr stimmig. So kann ein gelungenes Update also aussehen, wenn man Altes mit Neuem vermischt und sich dann wieder neu in einen alten Klassiker verliebt. Da kann sich selbst der Künstler nicht beschweren.

Sonnendeck 2011 (Tonka Treatment) by TONKA

El Guincho – Bombay

Eigentlich bekommen hier ja primär aktuelle Produktionen ihren Auftritt im Rampenlicht, doch heute muss auch mal Platz sein für einen Song, der eigentlich aus dem Jahr 2010 stammt. Aber den Raum räume ich gern ein, denn „Bombay“ von El Guincho ist so unwiderstehlich treibend, sommerlich und versprüht gute Laune, dass die Welt einfach diesen Song benötigt. Über einen Freund bin ich neulich über dieses Kleinod gestolpert. El Guincho, das ist Pablo Díaz-Reixa, ein spanischer Musiker, dessen Vielseitigkeit sich auf dem dazugehörigen Album „Pop Negro“ mehr als einmal zeigt. Überall klimpern die Percussions, fiepen die Synthies und es sprüht spanisches Flair. Und die Steeldrums nicht vergessen! Sehr fein. Das kann auch gern der Sommerhit 2011 werden, das Zeug dazu hat er allemal. Besonders wenn man sich dazu dieses ultrageniale Musikvideo anschaut, dass sich nicht entscheiden kann, ob es Kunst, Wahnsinn oder Nonsens sein möchte. Muss man gesehen haben, kann man schwer beschreiben. Bleibt aber hängen. Und als Anreiz für die Herren: es gibt diverse nackte Frauen drin.



The Lonely Island ft. Michael Bolton – Jack Sparrow

Ach, und wo wir nach El Guinchos Titten-Arthouse-Video eh schon die Schmerzgrenze erreicht haben... wir müssen auch mal eben „The Lonely Island“ hier erwähnen. Dazu ist das Trio aus dem amerikanischen Vorzeigeprogramm „Saturday Night Live“ einfach zu witzig. Und das schon seit Jahren. Ihre humorvollen Parodien und Gag-Songs erfreuen sich mittlerweile auch in Deutschland einer immer stärkeren Internet-Fangemeinde. Die großen US-Stars stehen Schlange. Mit T-Pain rappte man über den Erwerb eines Bootes, Julian Cassablancas pries Vor- und Nachteile eines Ghettoblasters aka „Boombox“ an und mit Lady Gaga und Justin Timberlake wurde neulich sogar über die „Goldene Regel“ unter Bros philosophiert („It’s not gay If it’s in a Three-Way!“). Einfach mal den YouTube-Channel der Herren checken. Großes White-Nerd-Humor-Tennis. Denn nur solche Jungs können auf solche Ideen kommen: 80er-Schmusestar Michael Bolton für eine sexy Hook im neuen Hip-Hop-Smasher engagiert und dann nicht beachtet, dass der Mann gerade alle drei Teile von „Fluch der Karibik“ gesehen hat. Das Ergebnis ist selten dämlich, unglaublich lustig und sicher eine der kreativsten Ideen, die es zuletzt in der Popmusik so gab. Es darf und muss man dieser Stelle halt auch mal gelacht werden dürfen. Wenn sich Musik und Popkultur selber zu ernstnehmen, wird’s auf Dauer nämlich einfach nur langweilig.

Sonntag, 22. Mai 2011

Gegen das Sommerloch

Ein neuer DJ-Mix von den beiden Chef-Bloggern...

CL2-ShotJa, da muss man kein großes Genie sein um festzustellen, dass die Hose auf Nobono gerade ein wenig halbtot herumhängt. Man mag es kaum glauben, aber der FallOnDeafEars und meine Wenigkeit haben gerade zu viel anderes um die Ohren. Diese fiesen Umstände unseres Privatlebens, welche uns zum lernen/studieren/arbeiten und dem restlichen Scheiß zwingen lassen den guten alten Blog gerade etwas sehr hinten anstehen. Ist ja auch normal. Eine unserer Nebenbeschäftigungen, das Musikproduzieren, darf ja auch nicht vergessen werden. Zwar haben icke (PBMR) und er (GBB) aktuell noch keine weitere Kollaborations-EP (siehe März) am Start, aber immerhin haben wir es geschafft, einen weiteren durchschlagenden und ziemlich tanzbaren DJ-Mix unserer Cheesy Listening-Serie zu produzieren, welchen wir an dieser Stelle auch gern als kleines Versöhnungsangebot ansichtlich des vorgezogenen Blog-Sommerlochs mit euch teilen wollen.

Im dem rund 60-Minuten langen Mix finden sich wieder unsere aktuell liebsten Hits aus dem elektronischen Bereich. Bisschen harter Acid-Sound hier, etwas Elektropop da, viel Kommerz zwischendrin und eine Prise Dubstep oben drauf: fertig ist unser kleiner, vorsommerlicher Mix, auf dem sich feine Schmankerl von den Bag Raiders, Nero, Rex The Dog, Moby, Siriusmo oder Booka Shade befinden. Vielseitigkeit und Tanzbarkeit sind Grundpfeiler unserer Arbeit. Wisst ihr ja. Das könnt ihr euch wie immer bei Soundcloud anhören, downloaden, weiterverteilen, sowie gut oder schlecht finden. Ehrensache! Trackliste und Verknüpfung folgen gleich. Und bis dahin sagen wir Danke fürs Anhören und Sorry fürs lahme Bloggen. Das wird sich sicher auch irgendwann wieder bessern. Bis dahin: bleibt uns gewogen und behaltet uns in bester Erinnerung:

01 Drivepilot – Devil In Milan (Liberty Remix)
02 GBB & Pretty Boy Makes Rave – Turbine
03 Bag Raiders – Sunlight
04 The S – Takedown
05 Depeche Mode – Never Let Me Down Again (Eric Prydz Remix)
06 Klaxons – Echoes (Designer Drugs Remix)
07 Adrian Lux – Teenage Crimes (Trumpdisco Remix)
08 Booka Shade – Regenerate (Russ Chimes Remix)
10 Nero – Guilt (DallasK Remix vs. Original Version)
11 Liberty – Middle Fingers Up! (Original Mix)
13 Hall & Oates – Out Of Touch (DJ Kue Remix)
12 Queen Of Hearts – Where Are You Now (StardonE Remix)
13 Aeroplane – My Enemy (Rex The Dog Remix)
14 Siriusmo – Feromonikon
15 Moby – The Day (Lifelike Remix)
16 Adele – Set Fire To The Rain (Plastic Plates Remix)

Cheesy Listening Vol. 2 (May 2011 Mix) by GBB_PBMR

Freitag, 20. Mai 2011

Missverstanden und Missglückt

Oh Gott, nicht die auch noch! Egal! Was Spiegel und Spex können, kann ich schon lange! Es gibt ein neues Lady Gaga-Album. Tatsache. Und wir hatten - das sieht man bspw. an den Platzierungen in den letzten Nobono-Awards – eh immer eine kleine Schwäche für die Dame. Leider schwächelt sie beim Album Nr. 2 dann aber doch mehr als angenommen...

51kHN98Bn9L-_SL500_AA300_Das neue Lady Gaga Album ist Mist! Das ist doch schon mal ein Eye-Catcher gleich zu Beginn der Rezension. Direkte Aussage, passend zur Direktheit der Künstlerin. Es ist natürlich schwer möglich über Mrs. Germanotta’s Musik zu reden ohne das Phänomen Gaga, welches die Popwelt im Blitz(licht)krieg in nur 2 Jahren niedergerungen hat, zumindest anzuschneiden. Das muss man mal schaffen. Aus dem Stand weg der wichtigste und wenn es nach einigen geht auch letzte große Popstar dieses Planeten. Sie polarisiert, sie fasziniert. Auch weil sie dem farblosen Korsett des Kommerzpops wieder etwas Würze gibt, indem sie diese verrückte Kunstfigur geschaffen hat, deren Konzept zwar gern mal aus der Popkultur der letzten 30 Jahre klaut, aber das fällt eben auch deshalb nicht so ins Gewicht, weil der Markt da eine klaffende Lücke aufwies. Auch musikalisch hat Gaga vermutlich fast im Alleingang der elektronischen Musik in den USA zum kommerziellen Durchbruch verholfen. 2011 versuchen Rihanna, Britney und Co. nicht nur wie Gaga auszusehen, sondern auch so zu klingen. In so kurzer Zeit so viel Einfluss... da kann man sicher eine kleine Dissertation drüber verfassen. Die Generation Gaga regiert die Welt. Man kann und muss das alles neidlos anerkennen. Und es hätte auch nicht so geklappt wenn die Musik nicht funktioniert hätte. All die Hits, seien es „Poker Face“, „Bad Romance“, „Alejandro“ oder „Paparazzi“ haben halt erst geholfen, das Phänomen mit jedem neuen Release zu festigen. Die Hitausbeutung des Debütalbums „The Fame“ (plus Zusatz „Fame Monster“) ist rückblickend gerade schon gespenstisch. Soviel hochkarätige Popsongs bekommen manche nicht mal in einer Karriere hin.

Zumal Gaga auch deshalb bei musikalisch etwas bewanderten Menschen, zu denen ich mich mal dreist zähle, punkten konnte, da sie irgendwie mehr war. Kunstfigur, aber auch Künstlerin, Komponistin, ihre eigene Produzentin und auch vor allem vielseitig. Den schmissigen Eurodisco-Singles stellte sie interessante Albumtracks entgegen, die gern mal Glam-Rock und kühler 80s-Pop sein konnten, gepaart mit extrem eingängigen Melodien. Eine Frau, die alles selber macht, die Bowie genau so liebt, wie Morrissey oder die Pet Shop Boys. Wie viele ihrer Kolleginnen können das schon von sich behaupten? Höher kann eine Messlatte also nicht liegen. Jetzt kommt „Born This Way“, Album Nr. Zwei der Frau, welche, geht es nach all den Pressestimmen, die Populärmusik im Alleingang retten soll. Das Album wird Pamphlet und Popwunder in einem. Also, soll es. Aber natürlich kann und muss Mrs. Gaga an diesem Anspruch scheitern. Alles weitere wäre nicht denkbar gewesen. Jede steigende Kurve hat auch irgendwann einen Bruch. Die Titelsingle war vorab schon eine ziemliche Ansage und machte vieles richtig. Alles schien so weiterzugehen, wie bisher. Unaufhaltsam? Vermutlich. An dem drohenden kommerziellen Erfolg wird sich nichts ändern lassen. Der Gaga-Hype wird weitergehen, solange bis wir alle die Schnauze voll haben. Das könnte allerdings schon eher der Fall sein, als der guten Frau lieb ist, denn es reicht schon der Durchlauf der neuen Platte um sich zu wünschen, die gute Dame würde einfach mal in Frührente gehen. Als Phänomen zwischen Twitter-Monologen und Schnitzel-Kleid wird Lady Gaga auch 2011 noch mitmischen, aber für alle Menschen, die, wie ich, eher die musikalische Hitdichte und Treffsicherheit der Amerikanerin schätzten, ist „Born This Way“ eine ziemliche Enttäuschung.

Ich weiß, viele Kritiker werfen ihr das eh vor, aber auf diesem Album klingt wirklich jeder Song gleich. Die Abwechslung des Debüts fehlt vollkommen, weil jede der 14(!) Nummern dem gleichen Prinzip folgt. Stampfender Kirmes-Techno-Pop mit den ewig gleich klingenden Vocals (Lasziv trifft Roboter trifft Schreien... und nie das eigene Name-Dropping vergessen) und Songstrukturen. Ausbrüche ins Rock- oder Balladenfach (mal vom okayen „You and I“ abgesehen) bleiben außen vor. Lady Gaga konzentriert sich vollkommen auf das Gaga-Single-Prinzip. Zwischendurch mischt sich da natürlich mal ein Gitarrensolo oder ein schickes 80er-Saxophon rein, aber ansonsten nix Neues von der Front. Stampfendes Four-To-The-Flour-Gehacke, uninspirierte Sirenen-Synthies und die ewig gleichen Analog-Basslinien, die so klingen, als hätten sich Daft Punk, Boys Noize und Co. einfach mal keine Mühe gegeben. Die stecken da natürlich nicht dahinter, sondern eher diverse billige US-Produzenten von der Stange. Vielleicht ist dies das überraschende... warum rennt diese Frau ihrem eigenen, längst ausgelutschten Trend hinterher? Nummer Sicher? Größenwahn? Jeder Song will sowieso eine Hymne sein, getreu dem Album- und Single-Motto. Du kannst alles schaffen, du bist du selbst, lass dir von niemandem was sagen. Und böse ist sie sowieso. Und sexy. Und sowieso. Die Zielgruppen unter 18, egal ob homo oder hetero werden sich wieder verstanden fühlen. „I’m bad, don’t care If you’re mad“. Nee, das muss mich auf keiner Gefühlsebene ansprechen.

Generell sollte man bei dieser Form der Musik nicht die falschen Bewertungskriterien ansetzen. Songs von Gaga, Madonna oder dem ollen Jacko waren in den seltensten Fällen dazu konzipiert, hoch musikalisch oder textlich tiefgründig zu sein. Popmusik aus diesem Bereich muss das nicht. Aber sie kann gut sein. Kurzweilig, vielseitig, mit spannenden Melodien, abwechslungsreichen Stimmungsbildern. Das Debüt konnte noch über weite Strecken eben exakt das bieten und das gar nicht mal so schlecht, so dass man sich durchaus als Gaga-Sympathisant, auch in kredibileren Musikkreisen äußern konnte. Doch „Born This Way“ scheint das genaue Gegenteil zu sein. Ein vollkommen überdrehtes Reißbrett-Pop-Album von der Stange, das keine Überraschungen bietet, vorhersehbar und langweilig ist und eine Künstlerin zeigt, die sich unter ihrem eigenen Wert verkauft. Vielleicht weil sie Angst hat, weil sie durch all den Erfolg schlichtweg durchgedreht ist bzw. einfach Fokus und Gespür auf der Strecke gelassen hat oder weil es Teil eines großen Konzepts ist. Wenn „Born This Way“ dieses Power-Pop-Sei-wie-du-bist-Album für die Generation Gaga sein soll, dann von mir aus. Ich fall dann mal dezent aus der Zielgruppe. Musikalisch betrachtet ist das ziemlicher Stuss und es wird sich zeigen, ob dieses Wesen Gaga am Ende nicht doch einfach nur einen kurzen und intensiven Lauf hatte oder künstlerisch wirklich noch was bewegen kann.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Disco Del Mar

The Sound of Fernweh. Das Zweitwerk der Friendly Fires heißt „Pala“ und will um jeden Preis ein Lebensgefühl vermitteln, das fast schon zu euphorisch und illusorisch ist, um wahr zu sein. Dennoch gelingt das Unterfangen, auch weil die Band diese Nummer konsequent durchzieht.

51KQsMbSn3L-_SL500_AA300_Da ich es erst mit einem halben Jahr Verspätung entdeckt hatte wurde das selbstbetitelte Debüt der Friendly Fires aus England dann doch nicht zu meinem Sommer-Album des Jahres 2008, obwohl das gepasst hätte. Doch auch im tiefen deutschen Winter konnte ich mich der Faszination dieser Platte nur schwer entziehen. Zu frisch, zu melodieverliebt, zu hitsicher war dieses Werk, weshalb es aus meiner Sicht auch zu den kurzweiligsten Pop-Alben der letzten zehn Jahre gehört. Die Messlatte liegt also ohnehin schon hoch. Nun kommt der Zweitling „Pala“, pünktlich zum Sommer. Und diesmal bin ich von Anfang an dabei. Das Timing stimmt... und auch die Musik. Zwar ist der zweite Streich des Trios nicht ganz so treffsicher wie das Debüt und etwas arg glatt gebügelt, aber das immerhin in einer Konsequenz, dass zumindest deutlich werden kann, was die Band damit bezwecken will.

Noch stärker als das erste Album, ordnet sich „Pala“ einer optimistischen Grundstimmung unter. Das ganze Album wirkt hochgradig rhythmisch, euphorisch und insgesamt eher leicht und hell, als düster-schwermütig. Die noch vorhandenen Ecken und Kannten hat Produzent Paul Epworth zu einem formatradio- und tanzflächenfreundlichen Pop-Korsett zusammengeschnürt. Die elf Tracks sollen zum Bewegen einladen. Am besten draußen, am besten im Sommer und wenn schon, dann gleich in maritimer Nähe. Man schielt eher Richtung Ibiza-Strandbar, als in einen stickigen Londoner Indoor-Club. Sänger Ed MacFarlane singt mit butterweicher Stimme hymnenhaft von der Flucht ins Blaue, dem wunderschönen Wetter auf Hawaii oder den verlockenden Lichtern der Stadt. Und von der Liebe. Sowieso. Lyrisch flachen die Friendly Fires etwas ab, ordnen sich der Musik unter. Man bleibt positiv, Dance-Musik ist ja bekanntlich nicht für lyrische Tiefe bekannt. Und so entstehen im Kopf des Hörers genau die Bilder, welche die Band suggerieren möchte. Endlose Strände, blaue Lagunen, Schrimchendrinks zum Sonnenuntergang und flackerndes Disco-Licht im Nachtleben. Jacken und Pullover unerwünscht . Ekstatischer Eskapismus. Der Sound dazu gibt sich bewusst elektro-poppig und dance-lastig, wenngleich dadurch auch ein wenig der Charme des Debüts verloren geht. Dazu muss man sich einfach noch mal die Unterschiede zwischen der Album-Version von „Skeleton Boy“ und der damals von Epworth produzierten Single-Version vor Augen führen. Genau das hat er jetzt mit dem gesamten Sound der Band angestellt. Die Elektronik wird in den Vordergrund gerückt, die immer noch prägnanten Samba- und Percussion-Momente werden ein wenig zurückgeschraubt. Gitarre, Bass und Schlagzeug sind zwar prinzipiell noch erkennbar, verlieren den Kampf gegen breite Synthiesoundflächen, früh-90er-House-Sequencer, Rave-Pianos und andere Spielereien allerdings kontinuierlich. Das kann man als Schwäche auslegen, muss man aber auch nicht unbedingt. Dazu beherrschen die Friendly Fires und ihr Produzent das Handwerk zu gut. Wer sich die letztjährige „Bugged Out“-Compilation der Band angehört hat, den wird der Schritt Richtung kommerziell ausgerichteten Elektro-House-Pop auch nicht wirklich überraschen.

Falls „Pala“ als Konzeptalbum wahrgenommen werden soll, dann ist es wirklich ein Tag im Nachtleben einer sommerlichen Urlaubsinsel. Dem Wunsch nach Flucht und einer nostalgischen Reise in die Hochphase der Rave-Kultur („Live Those Days Tonight“) folgen Ankunft und Euphorie in der neuen Umgebung („Hawaiian Air“), entspanntes Cafe-Del-Mar-Chillen („Pala“), der Aufbruch in die Nacht („Show Me Lights“), große Party-Euphorie-Momente („True Love“, „Pull Me Back To Earth“), sowie ein nachdenklicher, aber glücklicher Ausklang zum Sonnenaufgang („Helpless“). Abschließend wird auch noch mal ein Feuerwerk im wörtlichen Sinne gezündet. Meeresrauschen, Vogelzwitschern und Co. werden auf Albumlänge ohnehin immer wieder strategisch clever eingebaut. Ja, es ist in der Tat ganz geschicktes Kopfkino, dass die Friendly Fires da betreiben. Nicht sonderlich subtil, dafür aber durchaus recht effektiv. Popaffine Menschen, die wie ich schon einst auf das Debüt reinfielen, werden sich trotz aller Bedenken und leichter Defizite auch diesmal diesem unglaublich dringendem Charme hingeben. Für den ganzen Rest ist das vermutlich einfach mal zuviel Schmalz und zu wenig Tiefgang. Aber auf den kommt es halt nicht immer an. Und eine solche Band wollen die Friendly Fires eh nicht sein. Schon gar nicht 2011. „Pala“ ist kompromissloser Euphorie-Pop, hoffnungslos optimistisch, gnadenlos naiv, aber gerade deshalb so effektiv und ansteckend. Die Songs sind durchgängig gut bis sehr gut und in Einzelfällen sogar brillant. Man versucht das Debüt in seiner Form nicht komplett zu kopieren, sondern geht einen leicht veränderten Weg. Niemand ist gezwungen, diesen ebenfalls einzuschlagen, aber sollte man eh anfällig für Eskapismusgedanken und das unbändige Gefühl von Freiheit und Lebensfreude sein, dann kann dieses Album nicht nur der Soundtrack für einen einzelnen Sommer sein. Ich bin dann mal offiziell verliebt.

Donnerstag, 28. April 2011

rhododendron's resterampe - 28/04/2011

Jugendlicher Euphorie-Pop, zwei besondere Remixe, ein gelungenes Cover und eine dezente Enttäuschung… die Protagonisten meiner heutigen Resterampe.

Young Dreams – Young Dreams

Ach, die Jugend. So schön sie halt auch ist, sie ist leider vergänglich. Solche Sätze muss ein Mann, der den 30 näher ist, als den 20, natürlich sagen. Die Popkultur ignoriert den demographischen Wandel sowieso schon seit Jahren und trimmt alles und jeden auf Jugend. Passt ja auch. Denn die lebenslenkende Wirkung von Musik ist ja bekanntermaßen gerade in der Jugend ausgeprägt. Da nimmt man noch alles für bare Münze und träumt die jugendlich naiven Träume. Und wenn eine Band schon so heißt und eine ebenfalls so titulierte Single hat, dann weiß der geneigte Hörer, was einen erwartet. Young Dreams sind jung und neu, kommen aus Bergen im schönen Norwegen und beschreiben ihre Musikrichtung auf ihrer Facebook-Seite als Tropical-Pop. Na ja, kann ja jeder so nennen. Früher haben wir Indie dazugesagt. Aber dieses Genre wurde ja bekanntermaßen eh ad absurdum geführt. „Young Dreams“ ist schmissiger, euphorischer Ja!-Pop, der Gitarren, Synthies und etwas schreienden Gesang spielen lässt. Aber so kann und muss man auch klingen, wenn man so heißt und ausschaut. Ein feines, kleines Liedchen. Und wenn mich das auch noch anspricht, kann ich ja noch nicht so alt sein.



Pacific! feat. El Perro Del Mar – Unspoken (Anoraak Remix)

Wenn der Remix-Fachmann- also ich- hier einen Remix empfiehlt, dann könnt ihr in der Regel davon ausgehen, dass der gut ist. Besonders in diesem Fall. Pacific! haben eine neue Single, zusammen mit El Perro Del Mar. Beide Namen sind seit einigen Jahren in den entsprechenden Indie-Kreisen bekannt. Man kann also Zuckerbäcker-Softpop erwarten… und das ist „Unspoken“ dann auch geworden. Im Original ein durchaus wunderbares Zusammenspiel der männlichen und weiblichen Vokalisten und der ebenfalls empfehlenswerte Remix von Moonlight Matters verpasst dem ganzen noch eine mehr als dezente Disco-Note. Doch erst unter der Bearbeitung des französischen Elektro-Pop-Projekts „Anoraak“ wird die Nummer zu einem wahren Traum für alle Freunde dezenter 80er-Unterhaltung. Die männlichen Vocals fliegen raus und man konzentriert sich nur auf die Stimme von Sarah Assbring. Dazu gibt es dezente Untermahlung, Hall und am Ende noch ’nen zünftigen Beat. Hach, all der geile Scheiß, den ich so mag aus den 80ern. Dieser Remix ist dann auch nur bedingt tanzbar, sondern mehr was für’s Ohr. Aber wer in irgendeiner Weise einen Draht zu dieser Musik hat, der wird verstehen, was ich meine.

Download - Unspoken (Anoraak Remix)

Edwin Van Cleef – Lisztomania (feat Jane Hanley)

Über gute und schlechte Coverversionen kann man stundenlange Vorträge halten, so viel ist klar. Fragen sie mal Pitbull oder die Black Eyed Peas. Ja, die Mehrzahl ist in der Regel nicht so zufrieden stellend, darüber herrscht Einigkeit. Doch nun kommt das Cover eines Songs, von dem man sich wundert, dass ihn nicht schon mehr Menschen gecovert haben. Immerhin sind Phoenix damit ja quasi in den letzten zwei Jahren an die Weltspitze gelangt. Umso erfreulicher, dass sich diese Version von „Lisztomania“ sehr sehen lassen kann. Edwin Van Cleef, wie Anoraak ebenfalls dem französischen Elektropop angehörig, hat mit der Hilfe der Sängerin Jane Hanley aus dem ehemals zackigen Indie-Popsong ein smoothes Stück Beach-Pop gemacht, das eher fürs Entspannen in der Sommersonne, als das Abtanzen im Club geeignet ist. Und das Konzept geht vollends auf, auch weil sich Kollege Van Cleef ziemlich deutlich vom Original entfernt und Mrs. Hanley dem Ganzen eine sehr sinnliche Note gibt. Daumen hoch für soviel Neuinterpretationsmut!

Download [mp3]

Digitalism – 2 Hearts

Digitalism sind ja seit einigen Jahren ein Aushängeschild der deutschen Elektronik und man mag es kaum glauben, aber das viel bejubelte Debüt ist nun tatsächlich auch schon vier Jahre alt. Für den Nachfolger hat man sich Zeit gelassen. Der soll „I Love You, Dude“ heißen, im Juni kommen und unter anderem Julian Cassablancas und Bernard Sumner als Gastsänger auffahren. So wie es ausschaut wird uns Gewohntes erwarten. Die Vorabsingle „Blitz“, ein stampfendes Intsrumental groovte schon sehr ordentlich, doch die neue Single „2 Hearts“ kann die Euphoriewelle dann doch nicht mitnehmen. Hier geht die Band auf Nummer Sicher, serviert ein Rip-Off ihres alten Hits „Pogo“ und klingt dabei regelrecht belanglos. Nichts Ganzes, nichts Halbes und Jens Mölle, 50% von Digitalism, ist immer noch ein eher mittelmäßiger Sänger. Die Kids werden es sicher mögen, ist ja auch die offizielle Hymne zum MELT! Festival. Popwissenschaftler können daran aber auch gern die Kommerzialisierung von Festival und Musikrichtung reininterpretieren. Zu denen zähle ich mich aber nicht wirklich und so bleibt’s bei der einfachen Feststellung: „Blitz“ war gut, „2 Hearts“ ist es nicht. Und das Album kann und wird da sicher auch besser werden.

Digitalism - 2 Hearts by Freeman PR

Depeche Mode – Puppets (Röyksopp Remix)

Wenn Depeche Mode ihren Legendenstatus ausspielen, kommt jeder an. Besonders bei den Remixaufträgen, welche die Band gern und häufig verteilt. Da findet sich immer irgend ein großer Name, aber gleichzeitig auch immer heiße Newcomer, bei denen man merkt, das zumindest Martin Gore noch ein wenig in der Szene verhaftet ist. Und man ist auf Zack, hatte man doch einst schon Air, Boys Noize oder Digitalism als Remixer bevor die entsprechenden Acts ihren Durchbruch hatten. Zum dreißigjährigen Bandjubiläum erscheint im Juni nun ein neues Remix-Album mit alten und neuen Bearbeitungen. Ordentliches Namedropping verspricht schon ein Blick auf das Tracklisting. Einfach mal googlen. Neben viele Neuinterpretationen bekannter Hits, vergreifen sich die Remixer auch gern mal an Unbekanntem. So kommt es zu dieser interessanten Kombination. Die norwegischen Elektro-Genies von Röyksopp interpretieren „Puppets“, einen Song vom 1981er Debüt „Speak & Spell“ auf ihre eigene, unnachahmliche Art und Weise. Man kann das auch gern als Cover interpretieren, denn unter den bereits heftig diskutierenden Fans, ist man sich auch nicht sicher, ob das überhaupt Dave Gahan’s Stimme ist. Ich sage ja. Der Vocoder ist ja ohnehin ein Freund des Duos und Gahan war damals ja auch gerade mal zarte 18/19 Jahre und hatte noch verhältnismäßig wenig Kontakt zu Sex, Drugs und Synthiepop. Was bleibt ist ein sehr entspanntes Stück Elektronik, das beweist, dass die Musik dieses großartigen Trios auch nach drei Dekaden noch problemlos funktionieren kann.

Sonntag, 24. April 2011

Groovende Frühlingsgefühle

Ein neues, vielseitiges Mixtape zum Tanzen steht an...

Mixtape-9-Cover
Das musikalische Entwicklungen auch immer Gegenentwicklungen sind muss ich ja niemanden erzählen. Die Thematik des Disco-Revivals hatte ich auf diesem Blog schon mal im Zuge der Debütalbum-Besprechung von Holy Ghost! angesprochen. Bewusst künstliche Pop-Musik ist wieder gefragt, nachdem der Markt mit Gitarrenbands in der letzten Dekade geradezu überschwemmt wurde. Mir geht's da ähnlich. Ein neuer Remix von Azari & III erweckt in mir wesentlich mehr Glücksgefühle als die gesamte neue Platte von den Strokes. Ich möchte mich dabei allerdings nicht als Trendhure bezeichnen, sondern als jemand, dem elektronische Popmusik mit Tanzbarkeitsfaktor schon seit frühester Kindheit begeistert hat. Sozusagen sorgt auch dieser allgemeine Hype um Elektropop auch nur dafür, dass ich mich wieder auf meine persönlichen Wurzeln besinne, wenngleich es gerade bei elektronischer Musik natürlich recht schwer ist, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Und Genres abzugrenzen macht sowieso keinen Spaß, dass habe ich hier als PBMR schon mehrfach betont. So auch bei meinem neuen, insgesamt neunten Mixtape, welches ich unter das ewig gültige Motto "Music Is Our Life's Foundation" gestellt habe. Die Nerds unter euch werden das Zitat aus dem Disco-Klassiker "It's Alright" von Sterling Void wiedererkennen. Oder aus der noch besseren Coverversion von den von mir verehrten Pet Shop Boys aus dem Jahr 1989. Und selbst Hercules And Love Affair haben das gute Stück jetzt auf der neuen Platte neuinterpretiert. Das House-Stück über die Kraft der Musik und den damit verbundenen Optimismus funktioniert auch über die Jahre hinweg und ist dann auch Wegweiser und Abschlusstrack auf diesem neuen 60-Minuten-Mix.

Der Rest ist bunt gemischt, hochgradig tanzbar, kommerziell-poppig und vielseitig. Disco-esque Remixe aktueller Tracks von Adele, Lykke Li oder Metronomy dürfen da genauso wenig fehlen, wie diverse Klassiker. NuDisco schimpft sich das im Allgemeinen, aber es ist auch hier Platz für alte Rave-Tracks aus den späten 80ern, die sich erschreckend gut neben neuem DFA-Scheiß, wie Shit Robot machen. Der ganze Mix soll zeigen, wie vielseitig elektronische Tanzmusik sein kann und dass sie auch über die Jahre hinweg funktionieren kann. Die Grenzen der Coolness sind sowieso längst aufgeweicht. Es müssen ja nicht immer bollernde Atzen-Elektronik oder monotone Minimal-Sets sein. Nach dem der letzte Mix eher ruhig und in sich gekehrt war, zelebriert dieses Mixtape eindeutig das Leben, den Frühling und die Energie elektronischer Tanzmusik. In diesem Sinne hoffe ich natürlich, dem ein oder anderen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Streamt oder downloaded das gute Stück, hört es bei jeder Gelegenheit und reicht es an Freunde und Familie weiter. Vielleicht entdeckt man ja dadurch noch den ein oder anderen musikalischen Schatz. 'Cause the music plays forever...

01 Labels and Methods (Intro)
02 Daft Punk – Crescendolls
03 Ellie Goulding – Lights (Moonlight Matters Remix)
04 Lykke Li – I Follow Rivers (The Magician Remix)
05 Adele – Rolling In The Deep (Villa Remix)
06 Silver Columns – Brow Beaten (Pretty Boy Makes Rave Remix)
07 Siouxsie & The Banshees – Peek A Boo (Spec Goth Disco Edit)
08 Yelle – Que Veux Tu (Madeon Remix)
09 Metronomy – The Look (Fred Falke Remix)
10 Holy Ghost! – Hold My Breath
11 Hercules And Love Affair – My House (Stopmakingme Remix)
12 Depeche Mode – Dangerous (Hazchemix Remix)
13 Members Of The House – Share This House
14 Shit Robot – I Got A Feeling
15 Azari & III – Into The Night (CFCF Remix)
16 The Two Bears – Be Strong
17 Robbie Williams – Last Days Of Disco (Still Going Dub Mix)
18 Sterling Void – It’s Alright (Original 12’’ Mix)

Music Is Our Life's Foundation (Mixtape #9) by PBMR

Donnerstag, 21. April 2011

Das Herz gebrochen

Changes Are No Good. Nach einer Dekade mit Höhen und Tiefen gab die kanadische Indie-Rock-Band The Stills in dieser Woche ihre Trennung bekannt. Aufgrund starker persönlicher Bande zwischen mir und der Musik folgt an dieser Stelle noch ein kleiner Nachruf…

Dass Bands kommen und gehen ist ja nichts Neues. Das kennt man. Die Gründe sind meist unterschiedlich. Vom Tod eines Bandmitglieds (Joy Division, Madrugada), der verbitterten Streit (Oasis), allgemeinem musikalischen Desinteresse (The White Stripes) oder der Erkenntnis, dass man seine Zeit gehabt habt (Faithless) ist da sicher einiges an Argumentationsgrundlagen vorhanden. Das Leben geht in jedem Fall weiter. Für einen selber, aber auch für die Band. Was bleibt ist die Musik und dann gelegentlich, bei manchen überraschenden Band-Splits, auch die Frage, wie dass denn alles weitergegangen wäre, wäre es nicht so weit gekommen. Und sicher, Musikkritiker aller Herren Länder dürften sich darüber einig sein, dass die Stills aus Kanada nicht die essentiellste Band der vergangenen zehn Jahre gewesen ist, aber gelegentlich soll es ja mal vorkommen, das Bands es schaffen, einzelne Individuen so stark zu prägen und zu beeinflussen, dass man zum bedingungslosen Fan wird und die Musik als das Wichtigste überhaupt erachtet.

TheStillsIm Falle der Stills hat dies viel mit „Logic Will Break Your Heart“, ihrem Debüt von 2003 zu tun. Fast alles sogar. Einer der größten Nachteile des Erwachsenwerdens ist ja die Tatsache, dass man emotional im gewissen Maße abstumpft. Das hat viel mit der abgeschlossenen Identitätsbildung und gefestigten sozialen Rollen zu tun. Musikalisch setzt dann auch oft das Argument „Kenn ich schon“ ein. Das Verhältnis zwischen dem Musikliebhaber und der Musik ändert sich. Zumindest dezent. Zumindest bei mir. Dass das nicht immer so war, davon konnten und können die Stills ein paar Lieder singen. Alles, was ich zu „Logic…“ zu sagen habe, all die warmen und herzlichen Worte, finden sich an dieser Stelle, als das Album damals einen mehr als verdienten zweiten Platz in meiner „Beste Platten der 2000er“-Liste einnahm. „Logic…“ erreichte mich ca. drei Jahre nach dem Release auf Umwegen und traf dann mitten ins Herz, mitten in eine Zeit, als wir- das Album und ich- für einander geschaffen waren. Als mir die zwölf rockig-melodischen Songs, irgendwo zwischen amerikanischem Death-Cab-Indie-Rock und dezenter 80er-Jahre Wave-Ästhetik, aus der Seele sprachen, mir Halt und Weg anboten und mir ganz sprichwörtlich das Leben gerettet haben. Ich muss darauf auch nicht näher eingehen, aber in meinem kleinem Universum wird „Logic Will Break Your Heart“ auf alle Ewigkeit ein unerreichtes Meisterwerk bleiben. Punkt. „Gender Bombs“, „Changes Are No Good“, „Let’s Roll“, „Fevered“… ich könnte jeden dieser Trennungs-/Weltschmerz-Songs aufführen. Das Denkmal stand und an dem Faktor „unerreicht“ sollte die Band um Frontmann Tim Fletcher dann erstmal zu knabbern haben. Aber auch trotz Debüt und all dem Kram galt der 2006er Nachfolger „Without Feathers“ als kompletter Reinfall. Die Fans waren enttäuscht, es wirkte nämlich so, als hätte die Band einfach mal alle Stärken über Bord geschmissen und ein bewusst schlechtes Album aufgenommen. Wenn dies ein Konzept gewesen sein sollte, dann war’s auf jeden Fall kein gutes.

Schwamm drüber. Die Stills hätten es dabei belassen können, schafften allerdings glücklicherweise mit dem 2008er-Werk „Oceans Will Rise“ die Kurve. Es war natürlich kein „Logic“, aber glücklicherweise auch bei weitem kein „Feathers“. Es war richtig gut, präsentierte die Band in alter Stärker und trotzdem frisch. Songs, wie „Snow In California“, „Dinosaurs“ oder „Everything I Build“ vermittelten die Magie, die der geneigte Fan erwartet hatte. Die Zeichen standen wieder gut. Die Kings Of Leon nahmen die Stills mehr als einmal mit auf Tour und es wirkte so, als könnte vielleicht mit dem nächsten Album der entscheidende Schritt gelingen… Ob dies wirklich so gekommen wäre, finden wir jetzt nicht mehr heraus. Nachdem bereits seit einigen Monaten Funkstille herrschte (wenngleich das letzte Lebenszeichen die Ankündigung neuer Aufnahmen war), kam nun die dann doch irgendwie überraschende Abschiedsmeldung auf der Bandhomepage. Alle Beteiligten würden dies als den richtigen Schritt sehen. Na ja, vermutlich bleibt die Wahrheit über das Ende in den Köpfen der Band. Vielleicht auch besser so. Lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende. Aber soviel Schrecken wäre es sicher nicht gewesen. Und was kommt nun?

The Stills werden ohne Wenn und Aber eine unbedeutende Randnotiz in der Musikhistorie bleiben. Eine Band von deren Existenz in einigen Jahren sicher nur Insider wissen. Im Prinzip also wie jetzt. Die Stills waren und sind ein Geheimtipp und es Bedarf dann sicher geeigneter soziokultureller und -psychologischer Rahmenbedingungen um die gleiche Euphorie zu empfinden. Gute Musik liefern die Alben Eins und Drei aber in jedem Fall. Das müssen alle Sympathisanten des melodieverliebten, leicht melancholischen Indie-Rocks dann doch irgendwie zugeben. Was heißt das nun für mich? Leider habe ich es, wie bei anderen Bands (Hallo, New Order?) verpasst, die Stills mal live zu erleben. Das werde ich verkraften. Der Platz in meinem Herzen ist den traumhaften Songs in jedem Fall sicher. Da rüttelt nichts daran. Ich kann dann maximal noch die ein oder andere Empfehlung, wie in diesem Fall, aussprechen und hoffen, dass sie ankommt. Alles andere ist nur Bonus. Die Stills und ihre Songs waren und sind etwas Besonderes, zumindest für mich. Und sie werden das auch zukünftig bleiben. Natürlich für andere. Und Leben retten kann Musik ja auf unterschiedliche Art und Weise. In diesem Sinne ende ich mit einem leicht veränderten Zitat: This band will school you…

Montag, 11. April 2011

Kurz und Bündig - 04/ 2011

Über diese Menschen müssen wir noch sprechen. Bärtige Folker, hippe Franzosen, ewig lustige Indie-Rocker, alte Helden und 80er-Emos… Ein paar kompakte Meinungen zu diversen aktuellen Platten, in die ich mal mehr und mal weniger zwischen Tür und Angel reingehört habe.
Kurz-Und-Buendig-9
Fleet Foxes – Helplessness Blues

Bei den Fleet Foxes und mir gilt das gute, alte Sprichwort vom gut Ding, das Weile haben will. Das selbst betitelte Debüt ging irgendwie so halb an mir vorbei bzw. hab ich’s erst wesentlich später schätzen gelernt. Das liegt vielleicht auch an der Musik. Denn ur-amerikanischer Folk-Pop-Hinterwäldler-Kram, um es mal überspitzt zu kategorisieren, entspricht nicht wirklich meinem Wesen und meiner musikalischen Sozialisation. Dennoch mag ich die Foxes dann doch sehr gern und vor allem lieber als andere Auswüchse dieser Gattung. Das liegt zum Einen an Robin Pecknolds butterweicher Samt-Stimme, zum Anderen an den hochwertigen, gefühlvollen Songs mit ihren ehrlichen Texten. Qualität spricht mich an, egal in welchem Genre. Und das was die Fleet Foxes machen, ist qualitativ hochwertige Musik, ohne Wenn und Aber. Auch das neue Album „Helplessness Blues“ knüpft da an, wagt mal ein paar Experimente, kehrt aber am Ende immer wieder zum akustischen, harmoniegesang-geschwängerten Emotionskarussell zurück, welches diese Band auszeichnet. Auch alle Skeptiker sollten jetzt ruhig mal reinhören.

Download Titeltrack - "Helplessness Blues" [mp3]

Art Brut – Brilliant! Tragic!

Da war doch was oder? Art Brut- Top of The Pops. Gerade mal etwas mehr als eine halbe Dekade her, wirkt der britische Indie-Rock-Hype um die Kaiser Chiefs, Maximo Park und Co. wie aus einer anderen Zeit. Kein Wunder, der Markt wurde zuerst überschwemmt und mittlerweile wurde das Genre so verwässert und kommerzialisiert, dass zumindest mir schlichtweg die Lust vergangen ist auf all das. Vielleicht ist es auch das Alter. Aber sagt das mal Eddie Argos, Frontmann von Art Brut. Ja, die Art Brut. „My Little Brother“, „Good Weekend“, „Direct Hit“… was haben wir damals mitgefeiert. Doch der Drops ist gelutscht, der Witz ist erzählt. Schon beim Vorgänger “Art Brut vs. Satan” hatte sich das ewig gleiche Prinzip “Eddie Argos spricht bzw. schreit seine ewig pubertären Gedanken über simplen Garagenrock“ ziemlich totgelaufen. Umso witziger ist die Tatsache, dass die Band immer noch weiterspielt und das neue Album auch nicht so mies, wie das letzte ist. Band und Frontmann variieren innerhalb ihres Kosmos ein wenig. Richtig spannend wird’s aber dadurch auch nicht mehr. „Grown up now, but refuced to learn“ sang Argos mal in einem älteren, von mir geschätzten Stück der Band. Wenigstens bleibt er konsequent.

Stream der Single "Lost Weekend"

Yelle – Safari Dance Club

Joe Le Taxi. Dass die Franzosen Ahnung von Elektro-Pop haben wissen wir ja seit jeher. Die beiden Roboter oder die beiden Druffis mit ihrem Leuchtkreuz muss ich namentlich da gar nicht mehr erwähnen. Selbiges gilt für das Kitsuné Label, was die Welt seit Jahren mit dem neuesten Scheiß aus dem elektronischen Hitbereich versorgt. In einer Welt, in der Synthiepop wieder salonfähig ist, hat das Label zwar seine einstige Pionierstellung, welche man im Zuge der New-Rave-Bewegung erlangt hat, etwas eingebüßt, aber veröffentlichen tut man immer noch reichlich. Gerade für Newcomer wichtig. Yelle, stammen ebenfalls aus diesem Dunstkreis und sind so was, wie die französische Ausgabe von La Roux. Sprich: Frontfrau Julie Budet ist Yelle, hat aber noch diverse Bandmitglieder, die sich aber eher im Hintergrund halten. Und auch musikalisch kann man gern Parallelen zur britischen Kollegin ziehen. „Safari Dance Club“ ist punktgenauer, eingängiger Elektro-Pop, der wirklich niemandem wehtut, dafür aber die ein oder andere nette Melodie beinhaltet. Und komplett auf Französisch gehalten ist, was den Niedlichkeits-Faktor ja noch mal ordentlich erhöht. Nicht sonderlich tiefgründig, das Ganze, aber in Anbetracht der Tatsache, dass Yelle demnächst Katy Perry supporten sollte man auch nichts anderes erwarten. Gibt wesentlich Schlimmeres in diesem Sektor.

Album-Stream zu "Safari Disco Club"

Maritime – Human Hearts

Er war schon immer der besser Bohlen. Darvey von Bohlen und seine Mitstreiter, die amerikanische Indie-Rock-Band Maritime, sind schon seit Jahren Garanten für hochwertige Musik aus diesem Genre. Die klingt zwar nie sonderlich innovativ, macht aber stets Laune und produziert vor allem stets wunderbare Musik, so dass die bisherigen Alben zu meinen Favoriten zählen und ich mich deshalb gefreut hab, dass es jetzt, nach immerhin vier Jahren, endlich ein Neues gibt. Die Vorabsingle „Paraphernalia“ klang dann auch so, wie ich erwartet und mir erhofft habe. Das Album „Human Hearts“ hingegen etwas anders. Irgendwie sperriger, irgendwie nicht so geschmeidig, wie die bisherigen Platten. Das soll allerdings nicht automatisch etwas Schlechtes implizieren. Ich erlaube mir da nach nur zwei Mal Anhören lediglich noch kein abschließendes Urteil des Ganzen. Vielmehr werde ich mir das alles noch mal etwas intensiver einverleiben müssen, schätze ich. Einige Hits kristallisieren sich immerhin schon mal heraus und das ist doch schon mal eine vernünftige Grundlage, um sich erneut einen Platz in meinem menschlichen Herz zu sichern.

Album-Stream bei Soundcloud

The Pains Of Being Pure At Heart – Belong

The Smiths? Nie gehört! Meine erste Begegnung mit den New Yorker Indie-Poppern von The Pains Of Being Pure At Heart hatte ich in Form eines schriftlichen Interviews vor Jahren, in welchem die Band behauptete, niemals bewusst Morrissey und Marr gehört zu haben. Sicher. Vor allem, wenn man sich das Debüt dazu angehört hat, auf dem die Band teilweise so dreist einige Johnny-Marr-Gedächtnis-Riffs fabriziert hat, dass ich dachte, der Man schaltet bald ’nen Rechtsbeistand ein. Egal. Der Nachfolger „Belong“ macht da weiter. Bisschen Smiths hier, bisschen Cure da… alles, was man in den 80ern als New-Wave-Rock bezeichnen konnte und wollte. Viel Hall auf allem, viel Gefühl in der Stimme. Die jungen Damen und Herren machen dies aber so dermaßen gut und gepaart mit feinen Songs, dass man jeden Rip-Off-Vorwurf gleich wieder zu den Akten legt. Zumal ich eh nichts sagen kann, weil mich diese Form der Musik auch nach Jahren immer noch und immer wieder anspricht. So kann ich auch „Belong“ jedem Sympathisant dieses Genres sehr bewusst ans Herz legen. Sie erfinden das Rad vielleicht nicht neu, aber ihre Songs sind wunderbar melodiös, ihre Texte gefühlvoll und für eine neue Generation von Teenagern zu recht sicher lebensrettend. Und am Ende kommt es ja auf diese Songs an. Das wusste ja bekanntlich auch schon Morrissey.

Album-Stream zu "Belong" auf Soundcloud

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